Profilbild von Kwinsu

Kwinsu

Lesejury Star
offline

Kwinsu ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Kwinsu über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.07.2025

Der Himmel sieht stets anders aus

Himmel ohne Ende
0

Charlie ist 15 und ihr Leben scheint gerade den Bach hinunter zu gehen: ihre vermeintlich beste Freundin will von heute auf morgen nichts mehr von ihr wissen, ihre Mutter hat einen neuen Partner und sie ...

Charlie ist 15 und ihr Leben scheint gerade den Bach hinunter zu gehen: ihre vermeintlich beste Freundin will von heute auf morgen nichts mehr von ihr wissen, ihre Mutter hat einen neuen Partner und sie selbst schafft es einfach nicht, ihre Stimme zu erheben. Doch dann taucht Pommes auf, ein Junge, der ihr vollkommen unvoreingenommen entgegentritt, sie so mag wie sie ist und ihr zeigt, worauf es in einer Freundschaft wirklich ankommt. Sie planen ihren ersten gemeinsamen Urlaub, doch das Leben stellt ihnen etliche Steine in den Weg...

Welch schönes Debut ist Julia Engelmann hier geglückt! Mit ihrer einnehmenden, poetischen und teilweise philosophischen Sprache versetzt sie einen sofort in die unendlich scheinenden Leiden eines schüchternen Teenagers, die sich lieber über die Welt und den Himmel Gedanken macht, als über Äußerlichkeiten und Cliquen. Charlie ist ein Mädchen, dass sich selbst nicht so wirklich mag, immer nur die eigenen Fehler sieht und vor lauter Selbstfixiertheit übersieht, dass auch sie jemand für andere ist. Jemand, der nicht nur fehlerhaft ist, sondern lustig und intelligent und talentiert. Alleine kann Charly, gefangen hinter einer Glasscheibe - wie sie es selbst wahrnimmt - nicht aus diesem Negativkreislauf aussteigen. Dabei hilft ihr, ohne, dass sie es bemerkt, Pommes, ein Junge, der ebenso traurig ist wie Charly, aber der durch seine Offenheit, wie er mit der Welt umgeht und seinen Träumen, nicht in der Vergangenheit steckenbleibt, sondern trotz erlittener Traumata hoffnungsvoll in die Zukunft blickt. Pommes zeigt Charly, was Freundschaft ist und dass diese Freundschaft wachsen kann, auch wenn sie Enttäuschungen mit sich bringt. Mit diesen positiven Vibes stellt die Protagonistin fest, dass sie doch nicht so unbeliebt ist, wie sie dachte und kann schließlich auch erkennen, dass sich die Welt - und der Himmel - nicht nur um sie dreht.

Mein Fazit: Himmel ohne Ende ist ein wunderschöner, tiefgründiger und vielschichtiger Roman über ein viel nachdenkendes Mädchen, dass durch eine Freundschaft erkennt wie Himmel und Erde sich anfühlen können, wenn man sich auf Zuversicht und Offenheit einlässt. Er kommt ohne jede Teenager-Romantik aus, fühlt sich zu hundert Prozent authentisch an und legt ein wunderbares Gefühl in die Magengegend. Er gehört zu meinen Jahreshighlights und ich kann ihn nur jeder und jedem ans Herz legen, besonders jenen, die in ihrer eigenen Pubertät nicht nur rosige Zeiten hatten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.06.2025

Einfach echt!

Windstärke 17
0

Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne ...

Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne Ziel. Sie landet bei dem älteren Ehepaar Marianne und Knut, das ihr schnell zu einer neuen Familie wird. Doch der Tod ihrer alkoholkranken Mutter hat ein tiefes Trauma in ihr hinterlassen und treibt Ida immer wieder in die Verzweiflung. Von ihrer Schwester Tilda will sie sich nicht helfen lassen, aber auf Rügen kann sie wieder etwas zur Ruhe kommen. Und sich schließlich selber finden.

Was für ein wunderbarer Roman! Viele Rezensionen sagen, dass ihnen der Vorgänger "22 Bahnen" besser gefallen haben - aber nein: Windstärke 17 ist intensiver, authentischer, aufgeregter, echter! Die Autorin hat ihr Schreibtalent mit diesem, ihrem zweiten Roman, weiterentwickelt, sie konnte mich ab der ersten Zeile mitnehmen, schafft es perfekt die innere Zerrissenheit der Protagonistin mitfühlbar darzustellen. Nicht nur der Tod ihrer Mutter geht Ida nahe, auch die schambehaftenden Vorwürfe, die sie ihrer Schwester macht, sie allein gelassen zu haben, genauso wie die unbegreiflichen Gefühle die sie gegenüber Leif hegt, den sie auf der Insel kennenlernt, hat, der so unzuverlässig ist, aber doch immer für sie da ist. Und dann die schöne, unhinterfragte Vertrautheit, die ihr Marianne und Knut gegenüberbringen, die sie aufnehmen, ohne Fragen zu stellen und sie einfach sein lassen wie sie ist.

Ida übt sich in Selbstverletzungen, indem sie sich Vorwürfen hingibt, für den Tod ihrer Mutter verantwortlich zu sein; sich ins Meer stürzt und bis zur Erschöpfung zu schwimmen, egal bei welchem Wetter; sich von ihrer Schwester mit aller Gewalt fernhält und die Gefühle für Leif negiert. All das ist ein Prozess, der ihr letztendlich zur langsamen Selbstheilung verhilft.

Windstärke 17 ist emotionaler als der Vorgänger, macht es besser verständlich, was es heißt, mit einem alkoholkranken Elternteil zu leben, in einer Phase, in der man doch eigentlich alle Kraft braucht, um sich selbst zu finden. Ida kann sich selbst nicht vertrauen und somit keinem anderen - trotzdem lässt sie sich auf andere Menschen ein und kann sich fallen lassen.

Caroline Wahls zweiter Roman ist ein bewegendes Portrait einer trauernden jungen Frau, die trotz ihrer innerlichen Zerrissenheit und dem weltabgewandten Misstrauen sich selbst und Vertrauen zu anderen findet. Ein mitreißendes, großartiges Buch, das man auf alle Fälle gelesen haben sollte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.06.2025

Ahoi dem Inselleben

Die Ahoibande
0

Willi und sein Hund Ohdschi, Paule, Jojo und Schulz leben auf der Nordseeinsel Süderhoorn. Naja, Schulz nicht immer, denn er ist aus Berlin, besucht aber seine Oma und seine Ahoibande regelmäßig. Gemeinsam ...

Willi und sein Hund Ohdschi, Paule, Jojo und Schulz leben auf der Nordseeinsel Süderhoorn. Naja, Schulz nicht immer, denn er ist aus Berlin, besucht aber seine Oma und seine Ahoibande regelmäßig. Gemeinsam erkunden sie die Welt und erleben allerhand Abenteuer auf der kleinen Insel. Ob Surfen, Robben, Schlittenfahren oder Wikinger-Amulette, die Insel bietet viel zu entdecken. Und gemeinsam macht es einfach mehr Spaß.

Silke Lambeck erzählt in "Die Ahoi-Bande" liebevolle und kindgerechte Geschichten um eine kleine Rasselbande, die durch dick und dünn geht. Sie begegnen allerhand schrulligen, aber netten Erwachsenen, aber auch verrückten und wagemutigen Tieren und den verschiedenen Elementen der Natur. Sie sind stets gemeinsam unterwegs und können sich aufeinander verlassen, denn Freundschaft ist das beste Gut. Doch es geht nicht nur um Abenteuer, denn die Bande ist hilfsbereit: sie retten den alten Hannes, springen ein, wenn in der Frühstückspension von Paulas Mutter Not an der Frau ist und sie helfen einander, wenn Willi seine Tauchangst überwinden mag.

In neun entzückenden, in sich abgeschlossenen Geschichten, die einmal die ganzen Jahreszeiten durchmachen, wird in wohliger Atmosphäre erzählt, wie sie alle Herausforderungen meistern. Das besondere an der Ahoibande ist, dass kein negatives Wort fällt, keine negativen Ereignisse ihren Weg kreuzen. Es ist der heile, manchmal für die Kinder auch langweilige Inselalltag, der ihr Leben zu etwas ganz besonderen macht.

Untermalt werden diese schönen Kindergeschichten mit wunderbaren Illustrationen von Lena Hesse, die das Buch zu einem wahren Augenschmaus machen.

Mein Fazit: Die Ahoibande ist ein wunderschön illustriertes Kinderbuch mit 9 abgeschlossenen Geschichten um eine kleine Kinderbande auf einer Nordseeinsel, die in den verschiedenen Jahreszeiten Zusammenhalt und Abenteuer erleben. Es ist unterhaltsam und zeigt Kindern, welch positive Kraft Freundschaft und Hilfsbereitschaft ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.06.2025

Das Geheimnis von Botigalli

Der dunkle Sommer
0

Um ihrem eigenen Trauma zu entkommen, kauft sich Tilda in dem Geisterdorf Botigalli auf Sardinien ein Haus um einen Euro. Sie sehnt sich nach Einsamkeit, auch wenn diese schwer zu ertragen ist - besonders, ...

Um ihrem eigenen Trauma zu entkommen, kauft sich Tilda in dem Geisterdorf Botigalli auf Sardinien ein Haus um einen Euro. Sie sehnt sich nach Einsamkeit, auch wenn diese schwer zu ertragen ist - besonders, weil in dem Dorf unheimliche Dinge vor sich gehen. Bald trifft sie auf den Journalisten Enzo, der den Urheber eines lang zurückliegenden Massakers in dem Dorf aufdecken möchte. Tilda bekommt ungebetenen Besuch von ihrem Bruder, der sich im Laufe der Zeit zu einer angenehmen Begebenheit entwickelt. Als dieser aber plötzlich spurlos verschwindet, beginnt nicht nur die Suche nach ihm, sondern auch die atemberaubende Aufdeckung der furchtbaren Wahrheit der Vergangenheit des Dorfes...

Vera Buck schafft in "Der dunkle Sommer" etwas, was nicht viele Thriller vermögen: die Geschichte fesselt, sie baut sich langsam zu einem dichten Konstrukt auf und vor allem wird sie äußerst schlüssig und in perfektem Tempo auserzählt. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wir folgen Tilda und Enzo in der Gegenwart und Franca, einer jungen Dorfbewohnerin, die das Massaker auf Botigalli hautnah miterlebt. Und dann lesen wir noch von einer Person, die sich lange nicht zu erkennen gibt.

Das Erzähltempo ist anfänglich recht gemächlich, steigert sich im Laufe des Romans aber immer mehr und weiß gekonnt zu fesseln. Besonders schön gelingt die Landschaftsbeschreibung, die einen gekonnt und bildgewaltig nach Sardinien und speziell nach Botigalli versetzt. Neben den unheimlichen, aber nicht widernatürlichen Geschehnissen aus der Vergangenheit, schildert die Autorin auch die Beziehungen der unterschiedlichen Figuren zueinander und über weitere Strecken könnte das Buch auch ein bloßer, intensiver Familienroman sein. Doch äußerst mitreißend wird das Rätsel um das Massaker und das langsame Aufklären der Hintergründe erzählt. Im Nachwort lässt uns die Autorin wissen, dass es reale, geschichtliche Vorbilder für die Geschichte gibt. Sie gibt uns Einblicke in kriminelle Machenschaften, die in Italien aufgrund enormer Armut lange Zeit gang und gäbe waren.

Mein Fazit: "Der dunkle Sommer" ist eine gelungene Kombination aus Familienroman und Thriller, die uns in ein recht unbekanntes Kapitel italienischer Geschichte mitnimmt, obwohl sie in der Gegenwart erzählt wird. Die Autorin entwirrt die komplexe Geschichte in perfektem Tempo und äußerst schlüssig und erzeugt wunderbare Kopfbilder vom schönen Sardinien. Eine absolute Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.06.2025

Papas Reise in das Ich

Papa, erzähl mir deine Geschichte: Das Erinnerungsbuch zum Ausfüllen
0

Was für eine schöne Idee und Umsetzung ist "Papa, Erzähl mir deine Geschichte"! Ich habe mir schon jahrelang gedacht, dass ich gerne mehr über die Vergangenheit meines Vaters lernen möchte und dieses Büchlein ...

Was für eine schöne Idee und Umsetzung ist "Papa, Erzähl mir deine Geschichte"! Ich habe mir schon jahrelang gedacht, dass ich gerne mehr über die Vergangenheit meines Vaters lernen möchte und dieses Büchlein ist die perfekte Anleitung dazu!

Besonders schön finde ich, dass wirklich viele Bereiche des Lebens abgedeckt werden und dass viele verschiedene Möglichkeiten bestehen, das Buch auszufüllen: persönliche Gedanken, Multiple-Choice-Kästchen, Platz für Fotos und für Kritzeleien. Das Buch ist in acht Kapitel/Lebensabschnitte eingeteilt. Besonders wertvoll finde ich auch die Ausfüll-Tipps am Anfang und Zwischendurch. Schön sind auch die immer wieder eingestreuten Zitate, beispielsweise Astrid Lindgren mit "Die Kindheit ist der Boden, auf dem wir unser ganzes Leben lang stehen.".

Die Fragen, die vorkommen, sind wirklich abwechslungsreich und ich bin fasziniert, an was alles gedacht wurde - verschiedenste Kindheitserinnerungen, berufliche Etappen, Familientraditionen, Hobbies, etc. pp. Die beruflichen Fragen sind für mich persönlich ein wenig zu erfolgs- und leistungsorientiert, wobei das ja auch alles sehr individuell ist. Grundsätzlich sind die Fragen und auch die Multiple-Choice-Antwortmöglichkeiten sehr offen und für alle Generationen geeignet. Mein Papa ist schon über 80 und hatte dementsprechend in seiner Jugend noch kein Fernsehen oder Videospiele, aber das ist gar nicht tragisch, weil es genügend andere Antwortmöglichkeiten gibt. Auch am Ende ist ausreichend Platz, um Erinnerungen oder Gedanken, die vorne noch nicht aufgegriffen wurden, festzuhalten.

Ich bin schon sehr gespannt, wie mein Vater auf das Geschenk reagieren wird - und natürlich noch mehr, wenn es zu mir mit seinen Antworten zurückkommen wird. Um mit einem Zitat aus dem Buch zu schließen: "Denn Erinnerungen werden erst dann wirklich wertvoll, wenn wir sie mit denen teilen, die wir lieben." (S. 106) Absolute Kaufempfehlung, um Erinnerungen nachhaltig zu bewahren!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere