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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.02.2018

Ein gelungener Regionalkrimi

Der Bobmörder
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Eigentlich wollte Anwalt Fickel sich in Oberhof auf Kur erholen, doch nachdem es im Team der Bobfahrer zwei Leichen gibt, ist daran nicht mehr zu denken. Er selbst war in der DDR im Bobsport aktiv, wenn ...

Eigentlich wollte Anwalt Fickel sich in Oberhof auf Kur erholen, doch nachdem es im Team der Bobfahrer zwei Leichen gibt, ist daran nicht mehr zu denken. Er selbst war in der DDR im Bobsport aktiv, wenn auch eher weniger erfolgreich, doch dass ein Kumpel von damals jetzt aus Eifersucht mordet, kann er sich nicht vorstellen und versucht ihn rauszuhauen. Dabei trifft er auch wieder auf seine verhasste Exfrau Gundelwein, die als Staatsanwältin endlich Karriere machen will – das kleine Meiningen bietet hier eindeutig nicht genug Potential. Und so nimmt die Mordermittlung ihren Verlauf – mit einem höchst überraschenden Ende.
Hans-Henner Hess hat mit der Krimireihe rund um den etwas faulen und juristisch nur mäßig versierten Anwalt Fickel eine äußerst unterhaltsame und kurzweilige Lektüre geschaffen. Auch „Der Bobmörder“ reiht sich hier problemlos ein, die Figurenkonstellation ist witzig und brisant, denn wenn Fickel auf seine Exfrau trifft, fragt man sich jedes Mal wie das mit den beiden jemals funktioniert hat. Auch das Personal des Bobteams und die Oberhofener, die von eigenen Olympischen Spielen träumen, haben viel Charakter und machen das Buch lesenswert. Der Kriminalfall war meiner Meinung nach sehr gut und schlüssig aufgebaut und glänzt mit einem äußerst überraschenden Ende, das man als Leser so nicht kommen sieht, was mir besonders gut gefallen hat.
„Der Bobmörder“ von Hans-Henner Hess ist ein rundum gelungener Regionalkrimi, der mit einer spannende Story und viel Humor überzeugen kann.

Veröffentlicht am 08.02.2018

Nie den Mut verlieren

Die amerikanische Prinzessin
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Allene Tew wird im 19. Jahrhundert geboren als Tochter einfacher Leute in Jamestown. Doch sie will mehr als das Leben in der Kleinstadt und als sie den wohlhabenden Tod Hostetter kennenlernt, bietet sich ...

Allene Tew wird im 19. Jahrhundert geboren als Tochter einfacher Leute in Jamestown. Doch sie will mehr als das Leben in der Kleinstadt und als sie den wohlhabenden Tod Hostetter kennenlernt, bietet sich die Chance auf ein neues Leben. Sie wird schon vor der Hochzeit schwanger, ein Unding in der damaligen Zeit und trotz des Widerstands seiner Familie heiratet Tod das junge Mädchen. Doch die Ehe ist unglücklich und es zeichnet sich ab, was Allenes ganzes Leben prägen wird: Sie muss kämpfen, sich durchsetzen, den Kopf hoch halten. Das macht sie in ihrem Leben auch großartig, bei fünf Ehemännern bringt sie es am Ende sogar zur Patentante der niederländischen Kronprinzessin, sie ist reich, lebt in den schönsten Städten der Welt in traumhaften Häusern und hat zahlreiche Freunde um sich geschart. Und immer hält sie sich an ihr Lebensmotto: „Courage all the time – Nie den Mut verlieren“.
„Die amerikanische Prinzessin“ ist eine wunderbar geschriebene Biographie über eine unglaubliche Frau. Allene Tew ist eine echte Kämpferin, die es immer wieder schafft, auf die Füße zu fallen, egal was das Leben mit ihr anstellt. Doch die Autorin Annejet van der Zijl beschreibt nicht nur das Leben von Allene auf sehr spannende und anschauliche Weise, sie bettet die Biographie auch großartig in die damalige gesellschaftliche und politische Gesamtlage ein. Das „Gilded Age“ aus Allenes Jugend spielt genauso eine Rolle wie die „Roaring Twenties“ und der zweite Weltkrieg. Diese umfassenden Erklärungen machen das Verständnis für Allenes besondere Biographie erst möglich, denn sie lebte in einer Zeit, in der sich die Klassen langsam auflösten und auch der europäische Adel plötzlich offen für amerikanische Ehefrauen wurde – Hauptsache sie brachten das Geld für die nötigen Sanierungen der alten Häuser mit. Denn nach Ende des ersten Weltkriegs war im europäischen Adel nichts mehr wie bisher und für Allene wurde es so möglich, die Gesellschaft gewaltig aufzumischen.
Annejet van der Zijl ist mit „Die amerikanische Prinzessin“ eine spannende und anschauliche Biographie gelungen, die mehr ist, als nur das Portrait einer Person. Sie schafft es, ein ganzes Jahrhundert anhand von Allenes Leben darzustellen und dem Leser damit eine echte Vorstellung von vergangenen Zeiten zu vermitteln. So ist die Lektüre dieser Biographie keinesfalls trocken, sondern äußerst unterhaltsam und lehrreich, eine echte Freude.

Veröffentlicht am 23.01.2018

Tolle Biographien

Die leuchtenden Länder
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Heute sind reisende Frauen eine Normalität, doch im 18. und 19. Jahrhundert waren sie eine Seltenheit. Selbst wenn ihre Ehemänner diplomatische Posten in fernen Ländern bekleideten, war es keineswegs selbstverständlich, ...

Heute sind reisende Frauen eine Normalität, doch im 18. und 19. Jahrhundert waren sie eine Seltenheit. Selbst wenn ihre Ehemänner diplomatische Posten in fernen Ländern bekleideten, war es keineswegs selbstverständlich, dass sie mitgereist sind. Umso beeindruckender sind die von Armin Strohmeyr gesammelten Portraits über starke Frauen, die den Orient bereisten und dabei nicht bereit waren, sich den herrschenden Konventionen zu unterwerfen. In bequemer arabischer Kleidung, so ganz anders als die gängigen Korsetts in Europa, erkundeten sie unbekannte Welten, reisten nach Ägypten und Syrien, entdeckten Palmyra und besuchten nomadische Stämme in wilden Berglandschaften. Manchmal in Begleitung ihres Ehemannes, häufig aber allein oder mit einem Liebhaber, haben sie Gegenden entdeckt, die vielen Frauen der damaligen Zeit einfach unvorstellbar erscheinen mussten.

Armin Strohmeyr beschreibt dabei sehr unterschiedliche Frauen, es gibt kein Schema und keinen klassischen Werdegang. Und gerade das macht die Lektüre so interessant, er betont ihre Individualität und lässt uns als Leser Einblick nehmen in so abwechslungsreiche Biographien wie von Vita Sackville-West, die in vielen Bereichen gegen gängige Geschlechter – und Beziehungsklischees rebellierte und sich so einen eigenen Lebensraum schuf. Auch verklärt der Autor ihre Geschichten nicht, dass sie etwas wagten, was andere Frauen sich nicht getrauten, bedeutet nicht automatisch, dass es sie immer glücklicher gemacht hat. Im Gegenteil, wirken einige von ihnen doch wie getrieben, wenn sie von Stadt zu Stadt durch Wüsten und über Gebirge jagen, ohne zur Ruhe zu kommen. Einzige etwas Kartenmaterial zu den Reiserouten fehlte mir bei diesem Buch, das hätte das Buch noch spannender und anschaulicher gemacht.

„Die leuchtenden Länder. Reisende Frauen erkunden den Orient“ ist ein äußerst interessantes Buch, das nicht nur einen guten Einblick in die Biographien und Besonderheiten der beschriebenen „reisenden Frauen“ gibt, sondern auch einen Eindruck vom damaligen Leben, beispielsweise in Syrien oder Ägypten vermittelt. Nicht nur für reiselustige Frauen ist dieses Buch eine spannende Lektüre.

Veröffentlicht am 10.01.2018

Nicht nur für Kunstinteressierte spannend und unterhaltsam

Die Malerin
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Gabriele Münter, genannt Ella, ist jung und unabhängig, äußerst ungewöhnlich für das beginnende 20. Jahrhundert in Deutschland. Statt sich einen Mann zum Heiraten zu suchen, investiert sie ihre ganze Energie ...

Gabriele Münter, genannt Ella, ist jung und unabhängig, äußerst ungewöhnlich für das beginnende 20. Jahrhundert in Deutschland. Statt sich einen Mann zum Heiraten zu suchen, investiert sie ihre ganze Energie in die Malerei und lernt so Wassily Kandinsky kennen, dessen Malschule sie in München besucht. Die beiden beginnen eine Liebesbeziehung, doch Kandinsky ist verheiratet und hält Ella hin. Die Beziehung der beiden ist künstlerisch fruchtbar, doch sie zehrt Ella aus. Trotz der Turbulenzen versteckt Ella Kandinskys Bilder vor den Nazis, als diese zur entarteten Kunst erklärt werden. Das bewegte Leben von Gabriele Münter kann sich jetzt endgültig nicht mehr von der Politik lösen.
Das Leben von Gabriele Münter ist sehr bewegend und Mary Basson beschreibt alles in einer wunderbaren Sprache, die einen als Leser gleich mitnimmt. Man schwankt zwischen Bewunderung für diese unabhängige Person, die Ella ist und Mitleid mit der ausgenutzten Geliebten, die immer hofft, dass sie doch noch offiziell zu Frau Kandinsky wird. Der berühmte Künstler Wassily Kandinsky kommt hier nicht so gut weg, was aber wohl auch den realen Vorgängen entsprach, hat er Gabriele Münter doch selten gut behandelt. Diese beiden Künstlerseelen, die sich kreativ gut ergänzten und gemeinsam so Großartiges wie den Blauen Reiter geschaffen haben, haben es auf persönlicher Ebene nie geschafft, richtig zusammenzufinden.
Die Lektüre von „Die Malerin“ hat mir sehr viel Freude gemacht, das Thema ist spannend und sehr schön umgesetzt und wie nebenbei erfährt man sehr viel über die Künstlerbewegung im damaligen München und die Maler des Blauen Reiters. Eine sehr unterhaltsamer Roman der gleichzeitig noch eine kleine Stunde in Kunstgeschichte enthält, das kann ich gut weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 10.01.2018

Vier wunderschöne Geschichten

Als die Giraffe noch Liebhaber hatte
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„Als die Giraffe noch Liebhaber hatte“ ist eine Sammlung von vier Erzählungen, die sich alle einem berühmten Wissenschaftler widmen. Doch statt sie zum Erzähler zu machen und ihre Entdeckung zum großen ...

„Als die Giraffe noch Liebhaber hatte“ ist eine Sammlung von vier Erzählungen, die sich alle einem berühmten Wissenschaftler widmen. Doch statt sie zum Erzähler zu machen und ihre Entdeckung zum großen Thema, erzählen eben gerade die, die man nicht gesehen hat. Ein Bekannter, ein Diener, die Helfershelfer, die nie im Mittelpunkt standen und dennoch oft erst die Möglichkeit gegeben haben, dass Dinge machbar wurden. Sie erzählen vom Leben der berühmten Personen, von den Problemen und Eigenarten auf höchst berührende Art und Weise und nehmen den Leser mit auf eine Reise, die sie fesseln wird.
Der Autor Michael Lichtwarck-Aschoff hat ein wunderschönes Buch geschaffen, dass eine kleine Zeitreise darstellt, aber auch von großen Leidenschaften der Wissenschaftler Étienne Geoffroy Saint-Hilaire, Antoine de Lavoisier, Claude Bernard und Louis Pasteur berichtet. Seine Sprache, die auf mich zunächst so distanziert und neutral wirkte, zieht einen doch sehr schnell in die Geschichten hinein, man lebt mit den Menschen und fühlt mit ihnen. Am stärksten beeindruckt hat mich die erste Geschichte um eine Giraffe, die einst als Star in den botanischen Garten von Paris kam und dann langsam aber sicher vergessen wurde. Ebenso wie ihr damaliger Reisebegleiter Étienne Geoffroy Saint-Hilaire, der jetzt tagtäglich auf einer Bank sitzt und den alten Zeiten nachhängt. Eben den Zeiten, als seine Giraffe noch zahlreiche Liebhaber hatte.

Michael Lichtwarck – Aschoffs „Als die Giraffe noch Liebhaber hatte“ ist ein wahres Liebhaber-Buch, mit wunderschönen Geschichten, die einen berühren und nicht mehr loslassen wollen. Es ist auch ein Buch zum immer wieder in die Hand nehmen, weil man immer wieder Neues entdeckt in diesen Geschichten, die bis ins Kleinste abgestimmt sind, teils lustig, teils beängstigend, aber nie ohne Gefühl.