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Veröffentlicht am 31.10.2025

Immer noch in Hochform

Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code (Die Mordclub-Serie 5)
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Das betagte Ermittler-Quartett hatte ja eine Weile Pause, da der Autor eine neue Krimireihe aus der Wiege gehoben hat, aber am Tag der Hochzeitsfeier von Joyce' Tochter Joana, geht es wieder los mit einem ...

Das betagte Ermittler-Quartett hatte ja eine Weile Pause, da der Autor eine neue Krimireihe aus der Wiege gehoben hat, aber am Tag der Hochzeitsfeier von Joyce' Tochter Joana, geht es wieder los mit einem neuen Fall.
Elizabeth, die ein Jahr nach dem Tod ihres Ehemanns erste Schritte wagt, um allmählich aus ihrer Trauerstarre wieder aufzutauchen, ist tatsächlich zur Hochzeitsfeier gekommen und wird dort von Nick, dem Trauzeugen des Bräutigams angesprochen, der über ihre ehemalige Agententätigkeit im Bilde ist. Er fürchtet um sein Leben, hat eine unter seinem Auto montierte Bombe entdeckt. Er bringt das in Zusammenhang mit einem sehr hohen Betrag in Bitcoins, den er und seine Geschäftspartnerin Holly unter Aufbietung höchster Sicherheitsmaßnahmen in einem unterirdischen Tresor aufbewahren, jetzt aber veräussern wollten. Offensichtlich will jemand dieses Vermögen an sich bringen. Am nächsten Tag ist Nick verschwunden, ist möglicherweise entführt worden. Und als der Donnerstagsmordclub sich ein paar Tage später mit Holly trifft, kommt diese bei ihrer Abfahrt von Coopers Chase durch eine Autobombe ums Leben. Jetzt geht es also um eine Mordermittlung.
Die Krimihandlung ist dieses Mal nicht so spannend, sie ist aber auch nicht das Wichtigste. Der Roman ist wie ein Wiedersehen mit alten Freunden, es gibt auch noch einige private Nebenstränge: Joanas Hochzeit und Joyce' Freude darüber, jetzt Schwiegermutter zu sein, eine vorsichtige Annäherung zwischen Mutter und Tochter; Probleme in Rons Familie, seine Tochter hat einen gewalttätigen Mann geheiratet, und wir lernen Rons Sohn Jason und seinen Enkel Kendrick besser kennen; Ibrahim versucht die kriminelle Connie zu therapieren und erzielt nicht unbedingt die geplanten Ergebnisse und Connie betätigt sich als Tutorin für eine kriminelle Teenagerin, Tia, die wir bestimmt auch wieder treffen werden. Und Elizabeth wird allmählich wieder die alte und lernt, sich wieder dem Leben zuzuwenden. Alle auftretenden skurrilen Figuren sind liebevoll beobachtet und fein gezeichnet. Osman mag seine Protagonisten, sie liegen ihm am Herzen und das überträgt sich auch auf uns, die Leserschaft.
Besonders die Kapitel mit Joyce' Tagebucheinträgen sind hochamüsant. Osman schafft es, seinem – meist schwarzen – Humor eine gewisse Wehmut und Melancholie entgegenzusetzen. Er behandelt en passent zwischenmenschliche Themen wie Freundschaft und Loyalität auf herzerwärmende, aber nie kitschige Weise, schreibt herrliche Dialoge, animiert zum Nachdenken und unterhält bestens. Weit besser als viele, literarisch weniger anspruchsvolle Cosy-Krimis. Volle Punktzahl und uneingeschränkte Empfehlung.
P.S. Neueinsteiger in die Reihe sollten die 5 Bände lieber in chronologischer Reihenfolge lesen, da die Lektüre einfach mehr Spaß macht, wenn man die Entwicklung der einzelnen Personen kennt. Natürlich kann man die Bände auch einzeln verstehen, aber in gewisser Weise bauen sie aufeinander auf, und es würde einem einiges entgehen.

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Veröffentlicht am 07.10.2025

Trotz des schweren Themas mit großer Leichtigkeit geschrieben

Der Absturz
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Ich hatte schon von Édouard Louis gehört, aber bisher noch nie etwas von diesem jungen Meister der Autofiktion gelesen. Dieser letzte Band seiner Familien-Chronik ist tatsächlich auch als Einzelband gut ...

Ich hatte schon von Édouard Louis gehört, aber bisher noch nie etwas von diesem jungen Meister der Autofiktion gelesen. Dieser letzte Band seiner Familien-Chronik ist tatsächlich auch als Einzelband gut zu lesen und animiert mich dazu, auch seine früheren Werke zu lesen.
Der Autor berichtet distanziert, aber auch zärtlich über das Leben seines älteren, ungeliebten Stiefbruders. Er versucht zu verstehen, wie genau es zu der Abwärtsspirale in dessen Leben kam und auch, zu ergründen, inwieweit er sich daran mitschuldig gemacht hat. Die beiden Brüder könnten unterschiedlicher nicht sein: Der Autor hat es geschafft, die prekären Lebensumstände seiner Herkunftsfamilie hinter sich zu lassen, entgegen aller Widrigkeiten die Schule abzuschließen, zu studieren und zum Star der französischen Literaturszene zu werden. Mit seiner Literatur schafft er es, sich mit seiner Familie auseinanderzusetzen und über sie hinauszuwachsen. Ganz anders der ältere Bruder - sein leiblicher Vater hat sich früh abgesetzt und zeigt nicht das geringste Interesse an seinem Sohn, der Stiefvater verhöhnt ihn, bezeichnet ihn als Loser und die Mutter tritt aus Angst vor ihrem Mann nicht für den Sohn ein. Der Bruder verfügt aus diesem Grund über ein schwaches Selbstwertgefühl, flüchtet sich in unrealistische Träumereien, wird alkoholabhängig und gerät in schlechte Gesellschaft. Ihm fehlt die Resilienz, mit der es sein jüngerer Bruder geschafft hat, sich zu befreien.
Édouard Louis lässt auch andere Stimmen zu Wort kommen, z.B. die von Freundinnen seines Bruders, die viel Gutes über ihn zu sagen haben, obwohl sie unter seiner Gewaltbereitschaft zu leiden hatten. Und auch der Autor selbst hat einige wenige positive Erinnerungen an seinen Bruder, die sich von seinem Bild des rohen Grobians und Säufers abheben.
Eine hoch interessante Lektüre, die einen dank des grandiosen Schreibstils nicht so deprimiert, wie man es erwarten könnte und einen zum Nachdenken anregt über die Ursachen der Entwicklung eines Menschen (ist es die Umgebung? Sind es die Gene?). Ein ungewöhnliches Buch, sehr zu empfehlen!

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Veröffentlicht am 24.04.2025

Ein wunderbarer historischr Krimi

Der Tote in der Crown Row
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Kronanwalt Sir Gabriel Ward ist ein etwas eigenbrötlerischer Junggeselle mit leicht autistischen Zügen, ein brillanter Rechtsgelehrter mit einem scharfen Verstand und ein Mann, der seine Gewohnheiten liebt. ...

Kronanwalt Sir Gabriel Ward ist ein etwas eigenbrötlerischer Junggeselle mit leicht autistischen Zügen, ein brillanter Rechtsgelehrter mit einem scharfen Verstand und ein Mann, der seine Gewohnheiten liebt. Am wohlsten fühlt er sich in seiner Wohnung im Inner Temple - dem Londoner Bezirk der Anwälte und Richter - und mit seinen zahllosen Büchern.
Doch als er eines Morgens im Jahre 1901 die barfüßige Leiche des Lordoberrichters auf der Türschwelle seiner Kanzlei vorfindet, ist erst einmal Schluß mit dem geruhsamen Leben in den eingefahrenen Gleisen. Denn da im Temple-Bezirk die Polizei keine Befugnisse hat, wird Sir Gabriel dazu verdonnert, diesen Mord aufzuklären, wobei ihm ein Polizist, Constable Wright zur Seite gestellt wird. Man geht höheren Ortes davon aus, dass jemand von außerhalb diesen Mord begangen haben muss, denn von den im Temple ein- und ausgehenden Juristen, könne es ja niemand gewesen sein! In einem 2. Handlungsstrang geht es um einen Urheberrechtsstreit, darum, wer ein überaus erfolgreiches, erbaulich-moralisches Kinderbuch über eine Kirchenmaus verfasst hat.
Die Autorin - selbst eine Kronanwältin - schreibt sehr kenntnisreich und mit feinem britischen Humor über die Gepflogenheiten der juristischen Community. Ich bin schon im Temple gewesen, aber erst durch diesen unterhaltsamen historischen Krimi hat sich der Bezirk für mich mit Leben gefüllt. Ich fand die Geschichte sehr spannend, allerdings nicht im Sinne von Action, sondern eher in der Tradition von Ermittlern wie Hercule Poirot, Campion, Miss Marple, Lord Peter Wimsey etc.. Sir Gabriel muss gezwungenermaßen seinen Elfenbeinturm verlassen und entdeckt dadurch ganz und gar ungewohnte Eigenschaften und Fähigkeiten an sich selbst wie z.B. Empathie und Mitgefühl und auch Neugier und ein gewisses ermittlerisches Kribbeln. Ein typischer Cosy, sehr atmosphärisch, mit vielen Insider-Einblicken, gut gezeichneten Charakteren, Humor und Ironie, und einem sympathischen Ermittler samt Side-Kick. Für mich ein großes Lesevergnügen, dass ich uneingeschränkt empfehlen kann, speziell allen Liebhabern des traditionellen britischen Krimis. Ich hoffe sehr, dass ich Sir Gabriel noch öfter treffen werde!

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Veröffentlicht am 15.03.2025

Wieder ein "Berlin Noir" mit Sogwirkung

Skin City
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Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ...

Wie immer bei den Berlin Noirs von Johann Groschupf (2 davon hatte ich schon gelesen), hat mich der Schreibstil sofort in seinen Bann gezogen und mitgerissen. Normale Thriller sind das nicht, die würde ich auch gar nicht lesen wollen. Die Sprache ist hart und schnörkellos, die Figuren sind vielschichtig und interessant. Der Autor führt uns in die unterschiedlichsten Milieus, wir lernen die 3 Hauptfiguren, ihr Umfeld und ihre Geschichten kennen und die Verbindung zwischen diesen Handlungssträngen, die sich erst allmählich erschließt. Koba ist ein junger Georgier mit geschickten Händen, der mit 2 Kollegen zusammen für eine organisierte Einbrecherbande Einfamilienhäuser und Villen am Stadtrand ausräumt; Jacques „Jacke“ Lippold, gerade aus dem Knast gekommen, ist eher ein „Edelbetrüger“, der sich an die Berliner Kunstszene heranwanzt; Romina Winter, Kriminalbeamtin aus einer Roma-Familie, die sich hochgekämpft hat, aber doch sehr geprägt ist von ihrer Herkunft. Bei ihrer Figur hat der Autor für meinen Geschmack allerdings etwas zu sehr in die Klischee-Kiste gegriffen!
Die Handlung entwickelt sich rasant und spannend, aber folgt dabei nicht den Handlungsmustern eines üblichen Thrillers, Groschupf schreibt sehr viel literarischer, bleibt dabei jedoch immer „unputdownable“. Viel Berliner Lokalkolorit, viel Atmosphäre, unerwartete Wendungen und ein Schluss, der haarscharf am Kitsch vorbeischrammt. Trotz kleinerer Kritikpunkte (Klischeehaftigkeit von Rominas Figur) hat mich dieser ungewöhnliche Krimi wieder vollkommen begeistert und ich empfehle ihn allen, die einen intelligenten Krimi mit Tiefgang zu schätzen wissen.

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Veröffentlicht am 09.03.2025

Herrlich - Englischer Krimi-Klassiker ganz nach meinem Geschmack!

Campion. Tödliches Erbe
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Ich hatte früher schon mal einige Bücher von Margery Allingham aus der legendären schwarz-gelben Diogenes Krimi-Reihe gelesen, und erinnere mich, dass sie mir gut gefallen haben. Aus der Albert Campion ...

Ich hatte früher schon mal einige Bücher von Margery Allingham aus der legendären schwarz-gelben Diogenes Krimi-Reihe gelesen, und erinnere mich, dass sie mir gut gefallen haben. Aus der Albert Campion Serie war aber glaube ich noch keiner dabei.
Dieser unauffällige junge Mann, der, wenn er es darauf anlegt, sehr einfältig aussehen kann, wird demzufolge häufig unterschätzt (ähnlich wie in den 70er Jahren Colombo), ist aber ein Spitzendetektiv.
Es geschieht zwar auch ein Mord, aber hauptsächlich geht es darum, den Diebstahl eines goldenen Kelches zu verhindern, den die adlige Familie Gyrth seit ewigen Zeiten im Auftrag der Krone aufbewahrt. Die Geschichte spielt in den 30er Jahren und ist gewürzt mit Ironie, schwarzem Humor, interessanten, teils recht pittoresken Gestalten, und einem spannenden Plot. Es geht etwas langsamer zu, als in modernen Krimis, der Ermittler gebraucht nur sein Hirn und keinen technischen Schnickschnack, verfügt aber tatsächlich über ein enormes Netzwerk an Kontakten, von (Klein-)Kriminellen über Zigeuner bis hin zum Hochadel.
So schnell habe ich lange kein Buch mehr durchgelesen, die Autorin gehört nicht grundlos zu den britischen Queens of Crime des sogenannten Goldenen Zeitalters (zusammen mit Agatha Christie, Dorothy Sayer und Ngaio Marsh): der Roman ist spannend und amüsant, und ich kann ihn - zumindest an Liebhaber klassischer englischer Krimis - uneingeschränkt weiterempfehlen. Ich freue mich auf weitere Neuauflagen!

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