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Veröffentlicht am 14.02.2018

"Wir waren etwas Besonderes. Wir waren auserwählt. Wir würden die Überlebenden sein"

Gated - Die letzten 12 Tage
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Allgemeines:

Titel: Gated - die letzten 12 Tage
Autor: Amy Christine Parker
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. September 2014)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3423760982
ISBN-13: 978-3423760980
ASIN: B00K0NE2BK
Vom ...

Allgemeines:

Titel: Gated - die letzten 12 Tage
Autor: Amy Christine Parker
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. September 2014)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3423760982
ISBN-13: 978-3423760980
ASIN: B00K0NE2BK
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 14 - 16 Jahre
Originaltitel: Gated
Seitenzahl: 336 Seiten
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
16,95€ (Gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: Gated - Sie sind überall



Inhalt:

"Wir waren etwas Besonderes. Wir waren auserwählt. Wir würden die Überlebenden sein."

Bis vor Kurzem glaubte die siebzehnjährige Lyla, die Gemeinschaft von Mandrodage Meadows, in der sie mit ihrer Familie lebt, bewahre sie vor dem Bösen in der Welt und dem bevorstehenden Weltuntergang. Dann trifft sie Cody, einen Jungen von außerhalb, und stellt fest, dass sie in Wahrheit in einem perfiden Unterdrückungssystem gefangen ist. Doch Lylas Versuch, gegen Pioneer, den ebenso charismatischen wie gefährlichen Führer der Gemeinschaft, zu rebellieren, führt zum Kampf.
Furchterregend, bedrohlich und erschreckend wahr


Bewertung:

Erster Satz: „Diesmal schießt du, um zu töten, okay?“

Mit diesem Satz beginnt "Gated", welches schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf meinem SuB liegt und von dem ich eigentlich dachte, einen düsteren Endzeit-Thriller vor mir zu haben. Gerade weil das wirkliche Thema ein wenig an meinen Apokalypsen-Erwartungen vorbeiging, konnte mich der Roman aber auf eine ganz hartnäckige Weise fesseln. Der Roman ist eine einzige klare Warnung und schildert das langsame Aufwachen eines jungen Mädchens in einer Sekte, das beginnt an den Worten ihres Anführers zu zweifeln, ihr Leben in der Gemeinschaft zu hinterfragen und versucht aus einem Leben zu entfliehen, dem sie sich nicht gewachsen fühlt.


„Sie sind meine Leute. Meine Gemeinde. Meine Familie. Ich kann mir nicht länger um den Rest der Welt Gedanken machen. Ihr Schicksal wurde vor langer Zeit entschieden – genau wie meins.“


Das Cover lässt mit der düsteren Grundstimmung und dem übernatürlich anmutenden Licht am Ende der Dunkelheit eher an ein Weltuntergangsszenario denken, als an einen Thriller um eine außer Kontrolle geratene Sekte, trotzdem finde ich, passt es ganz gut. Das dunkle Braun mit dem mysteriösen Vignetten-Effekt verbreitet eine packende, geheimnisvolle Stimmung und auch die Silhouette des Mädchens, das auf ein helles Licht zuhält stimmt den Betrachter auf die Geschichte ein. Trotz der mystischen Ausstrahlung und der interessanten Machart gefällt mir aber einfach der Farbton nicht und um ein wirklicher Eye-Catcher zu sein. Die englische Originalversion (links) hingegen ist in wahrhaftiger Horrormanier gehalten. Das Mädchen mit dem gelben Kleid und dem von Haaren verdeckten Gesicht ist in Zusammenhang mit dem weitläufigen braunen Feld und dem aufdringlichen Titel eine perfekte Kombination. Der Titel "Gated" ist ebenfalls eine perfekte Wahl, wobei ich den deutschen Untertitel, welcher ganz eindeutig einen doppelten Boden hat also gleichzeitig auf die Apokalypse hindeutet, aber in Zusammengang mit dem Haupttitel in eine ganz andere Richtung deutet, etwas zu verwirrend finde. Positiv erwähnen möchte ich noch das praktische braune Lesebändchen, das in der gebundenen Ausgabe zu finden ist.


"Ich dachte, wir wären hierhergekommen, um dem Bösen auf der Welt zu entfliehen. Das hier sollte unsere Zuflucht werden. Hier sollte es besser sein. Wir wollten besser sein. Aber das hier ist das Schlimmste, was ich je im Leben gesehen habe."


"Gated", also eingeschlossen, eingesperrt, so fühlt sich Lyla recht bald. Das 17 jährige Mädchen lebt in einer von der Außenwelt abgeschotteten Gemeinde in den USA, die von einem Mann geführt wird, der sich Pioneer nennt. 20 Familien bilden die Gemeinschaft von Mandrodage Meadows, in der weder so einfache Dinge wie Zeitschriften, Cola, oder Fernsehen erlaubt sind, noch Regelbruch oder etwas anderes als bedingungsloser Gehorsam dankbar wäre. Ihr Leben liegt schon wie in Stein gemeißelt vor ihr: dem gleichaltrigen Will versprochen wird sie ihn heiraten, sobald sie 18 Jahre alt geworden ist und sobald die Apokalypse startet wird die ganze Gemeinde in einen Bunker, dem Silo, unter der Erde ziehen. So hat es zumindest Pioneer in seinen Visionen hervorgesehen. Seine Eingebungen erhält dieser von den "Brüdern", welche er an seine Gemeinde weitergibt und ihnen klar macht, sie seien die wenigen Auserwählten, die das Armageddon überleben sollen. Auch wenn in Lyla ein wenig Unmut über der Entscheidungsmacht Pioneers und ihrer bevorstehenden Partnerschaft mit Will besteht, würde sie nicht im Traum darauf kommen, irgendwelche Grundsätze ihrer Gemeinde in Frage zu stellen. Doch dann lernt sie durch einen Zufall Cody kennen, einen gutaussehenden Jungen von außerhalb, bei dem ihre Gefühle Achterbahn fahren und alle klaren Gedanken verschwinden. Doch ist er wirklich so böse, wie es immer von den Menschen wie ihm behauptet wird, hat er es verdient, im Weltuntergang zu sterben? Mit seiner Hilfe kommt sie einigen Geheimnissen auf die Spur, und bald kommen ihr Zweifel an Pioneers Mission, doch wie soll sie es schaffen seinem wohlüberlegten Netz aus Lügen und vermeintlicher Sicherheit zu entkommen, bevor es zu spät ist...?


"Ich bin gefangen und allein.
Begraben. Das Silo war nie als Zuflucht gedacht. Das begreife ich jetzt. Es sollte von Anfang an ein Sarg werden."


Das Thema Sekte ist für mich buchiges Neuland. Ich habe bis jetzt noch nie ein Roman gelesen, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt und habe bis jetzt immer zu der Gruppe Mensch gehört, die kopfschüttelnd abwinkt, wenn sie von solchen Gruppierungen hören und nicht verstehen, wie Leute in solch fantastische Gefilde rutschen können. Diese Geschichte wird es mir in Zukunft einfacher machen, die Gefühle von Leuten in solchen Gruppierung verständlicher zu machen. Die Geschichte beginnt relativ ruhig mit moderaten Beschreibungen Lylas Alltagslebens. Wir lernen die Gemeinde als nette, kleine Zusammenkunft an verschiedenen Familien kennen, die friedlich im hübsches, idyllisches Setting Mandrodage Meadows vor sich hin leben und abgeschottet vom Rest der Welt eine heile Welt leben. Positive Kindheitserinnerungen an Spiele im hohen Gras der Sierra, Reitausflüge auf Lylas geliebtem Pferd Indy und farbenfrohen Landschaftsbilder unterstreichen die scheinbar heile Welt der kleinen Kolonie und räumen dem Leser ein behagliches Gefühl ein.
Da ich zu Beginn angesichts des wirklichen Themas des Buches noch ein wenig im Dunklen tappte, nahm ich sogar wirklich an, dass die Gruppe an Menschen, die wir in Mandrodage Meadows präsentiert bekommen, Auserwählte sind und die Welt bald am untergehen sein wird. Für ganze 20 Seiten habe ich jedes Wort über die Apokalypse für bahre Münze genommen, weshalb es für mich noch viel realistischer und erschreckender erschien, als Lyla langsam begann aufzuwachen.


„Ich sollte mich hier nicht gefangen fühlen, aber jetzt, in diesem Augenblick – und wenn ich ehrlich bin, immer häufiger, empfinde ich es so, ich kann es nicht ändern.“


Die erzählerische Herangehensweise, die Amy Christine Parker hier gewählt hat, passt wunderbar. Sie lässt Lyla selbst aus der Ich-Perspektive im Präsens erzählen, schiebt jedoch für die Hälfte des Buches jedes zweite Kapitel Rückblicke in die Vergangenheit zum Beispiel zu Karens Verschwinden oder ihre Ankunft in Mandrodage Meadows ein, was es leichter macht, den Hintergrund der Familie nachzuvollziehen. Dadurch dass Lyla selbst erzählt, sind wir näher am Geschehen und erleben ihre Gefühle aus erster Hand, wissen aber auf der anderen Seite nur was sie weiß, wodurch die Spannung weiter aufgebaut werden kann. Daneben ist Amy Parkers Schreibstil recht einfach, nüchtern und kühl ohne emotionale Ausuferungen, dafür umso rasanter und schonungsloser am Ende.


"Es gibt nur noch die Stille. Einen ganzen Ozean davon. Und ich ertrinke darin. Ich weine, bis ich keine Tränen mehr habe. Jetzt ist alles aus. Das hier ist das Ende."


Das Leben in der abgeschotteten Gemeinde wird sehr glaubwürdig und authentisch dargestellt.
Immer wieder tauchen Details auf, die etwas aus dem logischen Rahmen fallen, harte Bestrafungen durch Pioneer, die schon fast an Folter grenzen, monotone Einheitskleidung, Redeverbote mit Außenstehenden, viele kleine Puzzleteile, die die Gemeinschaft schon bald als das outet, was sie wirklich ist: ein von Gewalt und Gehorsam geprägtes Regime, geführt von einem selbstherrlichen Wahnsinnigen. Als das auch langsam zum Rest der Außenwelt durchsickert und ein neugieriger Cherif zusammen mit seinem Sohn vorbeischneit und in Lyla langsam Zweifel zu keimen starten, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen und es bildet sich eine äußerst beklemmende Sogwirkung aus. Gerade im letzten Drittel steigert sich die Spannung immer weiter und eine Actionszene jagt die nächste. Man leidet mit, hofft mit und fürchtet mit, als Lyla immer verzweifelter versucht, Pioneer und der Gemeinde zu entkommen, alles in allem wird aber gerade im letzten Drittel einiges an Potential zugunsten der Action verschenkt, was zwar unterhaltend ist, noch ein wenig mehr in Lylas Innere zu blicken und verfolgen zu können, was es mit ihr macht, dass ihr Weltbild auseinanderbricht wäre aber fast besser gewesen.


"Ich mag es, wo und wie ich lebe. Weißt du, je kleiner die eigene Welt ist, desto sicherer ist sie auch. Ich kenne vielleicht nicht sämtliche Arten von Junkfood, nicht jeden Film oder jedes Buch, aber dafür muss ich mir auch keine Sorgen machen, dass jemand kommt und einen Menschen wegholt, den ich liebe, oder dass ich etwas esse, was mich irgendwann umbringt, oder mich jeden Morgen fragen, ob heute jemand mit einem Gewehr in meine Schule stürmt und mich oder meine Freunde erschießt oder ob ein Haufen Terroristen das Gebäude in die Luft jagt, in dem meine Eltern arbeiten."


Denn gerade das macht dieses Buch so fesselnd: die junge Protagonistin hängt zwischen zwei Welten, immer knapp an der Grenze zum freien Fall. Ihr Zwiespalt und ihre Entwicklung sind das Kernstück der Geschichte. Auf der einen Seite ist sie naiv, unentschlossen und hat Angst davor, der Wahrheit ins Auge zu blicken, auf der anderen Seite kann man ihr das auf keinen Fall verübeln und muss sie vielmehr für ihre Stärke bewundern, gegen diese Gefühle in sich selbst anzukämpfen und sich gegen alles zu stellen, was sie jemals gekannt und an was sie jemals geglaubt hatte. Anders als ihren Eltern ist ihr keine Blindheit oder Verblendung vorzuwerfen, sie kennt es nicht anders und wächst in dem festen Glauben auf, dass die Welt endet und nur sie und ihre Gruppe überleben können weil sie gut sind; im Herzen rein, im Gegensatz zum Rest der Menschheit, der nur aus Mördern, Dieben und Lügnern besteht.


"Ich bin so froh über euren Eifer. Haltet an ihm fest. Bewahrt ihn in eurem Herzen. Lasst euch von dieser Welt und ihren Menschen nicht in die Irre führen. Nicht jetzt und niemals wieder. Geht in euch. Meditiert weiter darüber, warum wir das alles tun. Wir müssen überleben. Wir sind beauftragt zu überleben. Und wenn das Überleben von uns verlangt, Opfer zu bringen, dann ist es eben so. Lasst den Countdown beginnen.“


Ihr wird ein klares Weltbild vorgegeben, eins von schwarz und weiß, gut und böse und sie gehört zu den Guten in dieser Welt. Warum daran zweifeln, alles in Frage stellen, was man denkt und sich selbst vom moralisch hohen Ross herunterholen? Weil es falsch ist und das ganze Ross aus Lügen besteht, klar, doch das muss man sich erst einmal eingestehen. Und genau hier setzt die Geschichte an. Es ist faszinierend, berührend und erschreckend zu gleich, in welche Dilemmas Lyla hineinrutscht und welche Gräuel und Grausamkeiten sie erdulden muss, bis sie endlich versteht, dass das eigentliche Übel mitten unter ihnen sitzt und seinen Namen trägt: Pioneer.


"Gib einem Kind das, was es sich am meisten wünscht, und es legt dir sein Herz in die Hände."
-Pioneer, Gemeindeführer-


Er ist die zweite Säule, auf dem dieser Roman gebaut ist, ein wahrlich genialer Antagonist, den ich -wäre er nicht so unfassbar abstoßend gewesen- aus tiefstem Herzen gemocht hätte. Er ist der Inbegriff eines religiösen Fanatikers mit Visionen, die zwar keiner vorhandenen Sekte der Welt gleicht, der jedoch ziemlich dieselben Methoden benutzt, um seine Leute gefügig zu machen. Er weiß ganz genau, welche Knöpfe er drücken muss, um die Menschen unter ihm gekonnt zu manipulieren. Mit profanen, teilweise sehr schlichten Mitteln schafft er es, sich auf charmante Art und Weise in das Herz von Menschen in Notsituationen oder Schwächeperioden zu schleichen und sich dann zu einer Art Erlöser aufzuspielen und sie in sein Netz aus Lügen und vermeintlicher Sicherheit einzuwickeln, dem keiner entfliehen kann. Es ist wirklich erschreckend, wie schnell er es geschafft hat, ganz normale, rational denkende Bürger dazu zu bringen, ihr ganzes bisheriges Leben einfach hinter sich zu lassen und sich einen hirnrissigen Glauben einreden zu lassen, nur um sie von ihren Problemen und Schicksalsschlägen abzulenken. Von den anderen Familien erfährt man leider nicht besonders viel, Lylas Familie floh aber vor der Trauer um Karen, die als Kind entführt und nie gefunden wurde. Wenn man einfach der Realität entfliehen kann, die Welt ausblenden will, dann haben Leute wie Pioneer leichtes Spiel.


"Zwölf Tage ist nicht lange genug. Ich merke, wie ich insgeheim bete und hoffe, dass sie mich erhören. Ich flehe um mehr Zeit, um mehr Mut... um ein Wunder."


Das ist es, wonach sich die Gemeindemitglieder sehnen: Sicherheit. In diesem Roman schwingt eine ganze Menge Kritik an allem mit, was in der Welt nicht optimal läuft: "Keine Welt kann weiter existieren, in der Kinder von der eigenen Türschwelle weggeholt werden, aus Familien, die sie lieben. Terrorosten jagen Flugzeuge in Gebäude; Männer schlagen Frauen; Kinder, Teenager erschießen ihre Klassenkameraden und Länder führen gegeneinander Krieg."
Doch auch wenn die Welt voller "Bösem" ist, wie Lylas Mutter Pioneer nur zu gerne nachplappert nachdem ihre Tochter entführt wurde und seitdem nicht mehr auffindbar ist, zeigt dieser Roman auch auf, was man neben Junkfood und Promiklatsch noch alles vermissen würde, wenn man sich ganz der Sicherheit verschreibt: Freiheit. So wird wieder die altbekannte Diskussion ausgelöst, was denn nun wichtiger ist, frei zu sein oder sich sicher zu fühlen. Im besten Falle schließen sich diese zwei Optionen nicht aus, doch hier in der Geschichte würde Lyla wohl die Freiheit wählen während ihre Eltern die Sicherheit vorziehen. Und sie liefert auch die Antwort, wieso: "Weil es leichter ist aufzugeben, als wieder in diese Welt hinauszumüssen." Deshalb lässt sie sich nur zu gerne anlügen und einsperren, ganz in eine andere Realität entführen, was mich wirklich berührt und verstört hat.


"Grenzen sind gut für Menschen; sie geben ihnen Sicherheit. Wenn ihnen die Welt zu offen steht, ziehen sie womöglich los und kommen auf dumme Ideen."
-Pioneer, Gemeindeführer-


Besonders beklemmend sind die Zitate Pioneers, die die Kapitelanfänge zieren, bis sie irgendwann schleichend, dann aber immer häufiger von realen Personen wie Jim Jones, dem ehemaligen Sektenführer des Peoples Temple, Charles Mansons oder David Koresh, dem Anführer der Branch Davidians, abgelöst werden. Wer die Geschichte der Peoples Temple kennt, wird sehen, dass hier klare Parallelen gezogen werden, die der Geschichte einen weiteren eindrücklichen Ernst verleihen. Denn so abgedreht und verrückt die Handlung manchmal auch wirken mag, sie ist nicht weit von der Realität vieler Menschen entfernt. Gerade in den USA gibt es etliche Sekten, es gibt also in der Tat einige Menschen für die der dargestellte Thriller bittere Realität ist.


"Wenn man jemanden wirklich liebt muss man bereit sein, alles zu tun, was nötig ist, damit er lernt und wächst, selbst wenn es für beide schmerzhaft ist."
-Pioneer, Gemeindeführer-


Cody, der Love Interest dieser Geschichte bleibt sehr blass, was mir hier sehr gut gefallen hat. Seine Präsenz ist genau so dosiert, dass er zwar den Stein ins Rollen bringt, aber nicht die Geschichte ins Klischeehafte abstürzen lässt und Aufmerksamkeit von Lyla auf die Liebesgeschichte verschiebt. Im Gegenteil: er bleibt dezent im Hintergrund und vielmehr die Verwandlung von Lyla und die Vorbereitungen der Gemeinde auf den Untergang der Welt stehen im Fokus des Lesers.


"Es ist Cody, den ich will, und egal wie sehr ich das wegzurationalisieren versuche, es wird nichts daran ändern. Was immer das hier sein mag, es ist alles andere als rational - es ist verrückt, dumm, rücksichtslos ... und irgendwie absolut richtig. (...) Er ist mein Cheeto - nicht gut für mich, aber jetzt, wo ich auf den Geschmack gekommen bin, kann ich nicht mehr von ihm lassen."


Das Ende ist nach dem schonungslosen Showdown eigentlich recht abgeschlossen, ich werde aber auf jeden Fall in naher Zukunft zum zweiten Teil "Gated - Sie sind überall" greifen, welches die Geschichte um Lyla und Pioneer noch weiterführt.


"In der Gemeinde erschien das Leben perfekt. Ich dachte, das Böse lebe außerhalb unserer Mauern - ich habe mich geirrt."
-Lyla Hamilton, Mitglied der Gemeinde-




Fazit:

Ein fesselnder Jugendroman über die gefährlichen Verstrickungen einer Sekte und die Selbstfindung eines jungen Mädchens: aufkratzend, authentisch, hartnäckig und hochspannend

Veröffentlicht am 14.02.2018

"Wir waren etwas Besonderes. Wir waren auserwählt. Wir würden die Überlebenden sein."

Gated - Die letzten 12 Tage
0

Allgemeines:

Titel: Gated - die letzten 12 Tage
Autor: Amy Christine Parker
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. September 2014)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3423760982
ISBN-13: 978-3423760980
ASIN: B00K0NE2BK
Vom ...

Allgemeines:

Titel: Gated - die letzten 12 Tage
Autor: Amy Christine Parker
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. September 2014)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3423760982
ISBN-13: 978-3423760980
ASIN: B00K0NE2BK
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 14 - 16 Jahre
Originaltitel: Gated
Seitenzahl: 336 Seiten
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
16,95€ (Gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: Gated - Sie sind überall



Inhalt:

"Wir waren etwas Besonderes. Wir waren auserwählt. Wir würden die Überlebenden sein."

Bis vor Kurzem glaubte die siebzehnjährige Lyla, die Gemeinschaft von Mandrodage Meadows, in der sie mit ihrer Familie lebt, bewahre sie vor dem Bösen in der Welt und dem bevorstehenden Weltuntergang. Dann trifft sie Cody, einen Jungen von außerhalb, und stellt fest, dass sie in Wahrheit in einem perfiden Unterdrückungssystem gefangen ist. Doch Lylas Versuch, gegen Pioneer, den ebenso charismatischen wie gefährlichen Führer der Gemeinschaft, zu rebellieren, führt zum Kampf.
Furchterregend, bedrohlich und erschreckend wahr


Bewertung:

Erster Satz: „Diesmal schießt du, um zu töten, okay?“

Mit diesem Satz beginnt "Gated", welches schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf meinem SuB liegt und von dem ich eigentlich dachte, einen düsteren Endzeit-Thriller vor mir zu haben. Gerade weil das wirkliche Thema ein wenig an meinen Apokalypsen-Erwartungen vorbeiging, konnte mich der Roman aber auf eine ganz hartnäckige Weise fesseln. Der Roman ist eine einzige klare Warnung und schildert das langsame Aufwachen eines jungen Mädchens in einer Sekte, das beginnt an den Worten ihres Anführers zu zweifeln, ihr Leben in der Gemeinschaft zu hinterfragen und versucht aus einem Leben zu entfliehen, dem sie sich nicht gewachsen fühlt.


„Sie sind meine Leute. Meine Gemeinde. Meine Familie. Ich kann mir nicht länger um den Rest der Welt Gedanken machen. Ihr Schicksal wurde vor langer Zeit entschieden – genau wie meins.“


Das Cover lässt mit der düsteren Grundstimmung und dem übernatürlich anmutenden Licht am Ende der Dunkelheit eher an ein Weltuntergangsszenario denken, als an einen Thriller um eine außer Kontrolle geratene Sekte, trotzdem finde ich, passt es ganz gut. Das dunkle Braun mit dem mysteriösen Vignetten-Effekt verbreitet eine packende, geheimnisvolle Stimmung und auch die Silhouette des Mädchens, das auf ein helles Licht zuhält stimmt den Betrachter auf die Geschichte ein. Trotz der mystischen Ausstrahlung und der interessanten Machart gefällt mir aber einfach der Farbton nicht und um ein wirklicher Eye-Catcher zu sein. Die englische Originalversion (links) hingegen ist in wahrhaftiger Horrormanier gehalten. Das Mädchen mit dem gelben Kleid und dem von Haaren verdeckten Gesicht ist in Zusammenhang mit dem weitläufigen braunen Feld und dem aufdringlichen Titel eine perfekte Kombination. Der Titel "Gated" ist ebenfalls eine perfekte Wahl, wobei ich den deutschen Untertitel, welcher ganz eindeutig einen doppelten Boden hat also gleichzeitig auf die Apokalypse hindeutet, aber in Zusammengang mit dem Haupttitel in eine ganz andere Richtung deutet, etwas zu verwirrend finde. Positiv erwähnen möchte ich noch das praktische braune Lesebändchen, das in der gebundenen Ausgabe zu finden ist.


"Ich dachte, wir wären hierhergekommen, um dem Bösen auf der Welt zu entfliehen. Das hier sollte unsere Zuflucht werden. Hier sollte es besser sein. Wir wollten besser sein. Aber das hier ist das Schlimmste, was ich je im Leben gesehen habe."


"Gated", also eingeschlossen, eingesperrt, so fühlt sich Lyla recht bald. Das 17 jährige Mädchen lebt in einer von der Außenwelt abgeschotteten Gemeinde in den USA, die von einem Mann geführt wird, der sich Pioneer nennt. 20 Familien bilden die Gemeinschaft von Mandrodage Meadows, in der weder so einfache Dinge wie Zeitschriften, Cola, oder Fernsehen erlaubt sind, noch Regelbruch oder etwas anderes als bedingungsloser Gehorsam dankbar wäre. Ihr Leben liegt schon wie in Stein gemeißelt vor ihr: dem gleichaltrigen Will versprochen wird sie ihn heiraten, sobald sie 18 Jahre alt geworden ist und sobald die Apokalypse startet wird die ganze Gemeinde in einen Bunker, dem Silo, unter der Erde ziehen. So hat es zumindest Pioneer in seinen Visionen hervorgesehen. Seine Eingebungen erhält dieser von den "Brüdern", welche er an seine Gemeinde weitergibt und ihnen klar macht, sie seien die wenigen Auserwählten, die das Armageddon überleben sollen. Auch wenn in Lyla ein wenig Unmut über der Entscheidungsmacht Pioneers und ihrer bevorstehenden Partnerschaft mit Will besteht, würde sie nicht im Traum darauf kommen, irgendwelche Grundsätze ihrer Gemeinde in Frage zu stellen. Doch dann lernt sie durch einen Zufall Cody kennen, einen gutaussehenden Jungen von außerhalb, bei dem ihre Gefühle Achterbahn fahren und alle klaren Gedanken verschwinden. Doch ist er wirklich so böse, wie es immer von den Menschen wie ihm behauptet wird, hat er es verdient, im Weltuntergang zu sterben? Mit seiner Hilfe kommt sie einigen Geheimnissen auf die Spur, und bald kommen ihr Zweifel an Pioneers Mission, doch wie soll sie es schaffen seinem wohlüberlegten Netz aus Lügen und vermeintlicher Sicherheit zu entkommen, bevor es zu spät ist...?


"Ich bin gefangen und allein.
Begraben. Das Silo war nie als Zuflucht gedacht. Das begreife ich jetzt. Es sollte von Anfang an ein Sarg werden."


Das Thema Sekte ist für mich buchiges Neuland. Ich habe bis jetzt noch nie ein Roman gelesen, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt und habe bis jetzt immer zu der Gruppe Mensch gehört, die kopfschüttelnd abwinkt, wenn sie von solchen Gruppierungen hören und nicht verstehen, wie Leute in solch fantastische Gefilde rutschen können. Diese Geschichte wird es mir in Zukunft einfacher machen, die Gefühle von Leuten in solchen Gruppierung verständlicher zu machen. Die Geschichte beginnt relativ ruhig mit moderaten Beschreibungen Lylas Alltagslebens. Wir lernen die Gemeinde als nette, kleine Zusammenkunft an verschiedenen Familien kennen, die friedlich im hübsches, idyllisches Setting Mandrodage Meadows vor sich hin leben und abgeschottet vom Rest der Welt eine heile Welt leben. Positive Kindheitserinnerungen an Spiele im hohen Gras der Sierra, Reitausflüge auf Lylas geliebtem Pferd Indy und farbenfrohen Landschaftsbilder unterstreichen die scheinbar heile Welt der kleinen Kolonie und räumen dem Leser ein behagliches Gefühl ein.
Da ich zu Beginn angesichts des wirklichen Themas des Buches noch ein wenig im Dunklen tappte, nahm ich sogar wirklich an, dass die Gruppe an Menschen, die wir in Mandrodage Meadows präsentiert bekommen, Auserwählte sind und die Welt bald am untergehen sein wird. Für ganze 20 Seiten habe ich jedes Wort über die Apokalypse für bahre Münze genommen, weshalb es für mich noch viel realistischer und erschreckender erschien, als Lyla langsam begann aufzuwachen.


„Ich sollte mich hier nicht gefangen fühlen, aber jetzt, in diesem Augenblick – und wenn ich ehrlich bin, immer häufiger, empfinde ich es so, ich kann es nicht ändern.“


Die erzählerische Herangehensweise, die Amy Christine Parker hier gewählt hat, passt wunderbar. Sie lässt Lyla selbst aus der Ich-Perspektive im Präsens erzählen, schiebt jedoch für die Hälfte des Buches jedes zweite Kapitel Rückblicke in die Vergangenheit zum Beispiel zu Karens Verschwinden oder ihre Ankunft in Mandrodage Meadows ein, was es leichter macht, den Hintergrund der Familie nachzuvollziehen. Dadurch dass Lyla selbst erzählt, sind wir näher am Geschehen und erleben ihre Gefühle aus erster Hand, wissen aber auf der anderen Seite nur was sie weiß, wodurch die Spannung weiter aufgebaut werden kann. Daneben ist Amy Parkers Schreibstil recht einfach, nüchtern und kühl ohne emotionale Ausuferungen, dafür umso rasanter und schonungsloser am Ende.


"Es gibt nur noch die Stille. Einen ganzen Ozean davon. Und ich ertrinke darin. Ich weine, bis ich keine Tränen mehr habe. Jetzt ist alles aus. Das hier ist das Ende."


Das Leben in der abgeschotteten Gemeinde wird sehr glaubwürdig und authentisch dargestellt.
Immer wieder tauchen Details auf, die etwas aus dem logischen Rahmen fallen, harte Bestrafungen durch Pioneer, die schon fast an Folter grenzen, monotone Einheitskleidung, Redeverbote mit Außenstehenden, viele kleine Puzzleteile, die die Gemeinschaft schon bald als das outet, was sie wirklich ist: ein von Gewalt und Gehorsam geprägtes Regime, geführt von einem selbstherrlichen Wahnsinnigen. Als das auch langsam zum Rest der Außenwelt durchsickert und ein neugieriger Cherif zusammen mit seinem Sohn vorbeischneit und in Lyla langsam Zweifel zu keimen starten, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen und es bildet sich eine äußerst beklemmende Sogwirkung aus. Gerade im letzten Drittel steigert sich die Spannung immer weiter und eine Actionszene jagt die nächste. Man leidet mit, hofft mit und fürchtet mit, als Lyla immer verzweifelter versucht, Pioneer und der Gemeinde zu entkommen, alles in allem wird aber gerade im letzten Drittel einiges an Potential zugunsten der Action verschenkt, was zwar unterhaltend ist, noch ein wenig mehr in Lylas Innere zu blicken und verfolgen zu können, was es mit ihr macht, dass ihr Weltbild auseinanderbricht wäre aber fast besser gewesen.


"Ich mag es, wo und wie ich lebe. Weißt du, je kleiner die eigene Welt ist, desto sicherer ist sie auch. Ich kenne vielleicht nicht sämtliche Arten von Junkfood, nicht jeden Film oder jedes Buch, aber dafür muss ich mir auch keine Sorgen machen, dass jemand kommt und einen Menschen wegholt, den ich liebe, oder dass ich etwas esse, was mich irgendwann umbringt, oder mich jeden Morgen fragen, ob heute jemand mit einem Gewehr in meine Schule stürmt und mich oder meine Freunde erschießt oder ob ein Haufen Terroristen das Gebäude in die Luft jagt, in dem meine Eltern arbeiten."


Denn gerade das macht dieses Buch so fesselnd: die junge Protagonistin hängt zwischen zwei Welten, immer knapp an der Grenze zum freien Fall. Ihr Zwiespalt und ihre Entwicklung sind das Kernstück der Geschichte. Auf der einen Seite ist sie naiv, unentschlossen und hat Angst davor, der Wahrheit ins Auge zu blicken, auf der anderen Seite kann man ihr das auf keinen Fall verübeln und muss sie vielmehr für ihre Stärke bewundern, gegen diese Gefühle in sich selbst anzukämpfen und sich gegen alles zu stellen, was sie jemals gekannt und an was sie jemals geglaubt hatte. Anders als ihren Eltern ist ihr keine Blindheit oder Verblendung vorzuwerfen, sie kennt es nicht anders und wächst in dem festen Glauben auf, dass die Welt endet und nur sie und ihre Gruppe überleben können weil sie gut sind; im Herzen rein, im Gegensatz zum Rest der Menschheit, der nur aus Mördern, Dieben und Lügnern besteht.


"Ich bin so froh über euren Eifer. Haltet an ihm fest. Bewahrt ihn in eurem Herzen. Lasst euch von dieser Welt und ihren Menschen nicht in die Irre führen. Nicht jetzt und niemals wieder. Geht in euch. Meditiert weiter darüber, warum wir das alles tun. Wir müssen überleben. Wir sind beauftragt zu überleben. Und wenn das Überleben von uns verlangt, Opfer zu bringen, dann ist es eben so. Lasst den Countdown beginnen.“


Ihr wird ein klares Weltbild vorgegeben, eins von schwarz und weiß, gut und böse und sie gehört zu den Guten in dieser Welt. Warum daran zweifeln, alles in Frage stellen, was man denkt und sich selbst vom moralisch hohen Ross herunterholen? Weil es falsch ist und das ganze Ross aus Lügen besteht, klar, doch das muss man sich erst einmal eingestehen. Und genau hier setzt die Geschichte an. Es ist faszinierend, berührend und erschreckend zu gleich, in welche Dilemmas Lyla hineinrutscht und welche Gräuel und Grausamkeiten sie erdulden muss, bis sie endlich versteht, dass das eigentliche Übel mitten unter ihnen sitzt und seinen Namen trägt: Pioneer.


"Gib einem Kind das, was es sich am meisten wünscht, und es legt dir sein Herz in die Hände."
-Pioneer, Gemeindeführer-


Er ist die zweite Säule, auf dem dieser Roman gebaut ist, ein wahrlich genialer Antagonist, den ich -wäre er nicht so unfassbar abstoßend gewesen- aus tiefstem Herzen gemocht hätte. Er ist der Inbegriff eines religiösen Fanatikers mit Visionen, die zwar keiner vorhandenen Sekte der Welt gleicht, der jedoch ziemlich dieselben Methoden benutzt, um seine Leute gefügig zu machen. Er weiß ganz genau, welche Knöpfe er drücken muss, um die Menschen unter ihm gekonnt zu manipulieren. Mit profanen, teilweise sehr schlichten Mitteln schafft er es, sich auf charmante Art und Weise in das Herz von Menschen in Notsituationen oder Schwächeperioden zu schleichen und sich dann zu einer Art Erlöser aufzuspielen und sie in sein Netz aus Lügen und vermeintlicher Sicherheit einzuwickeln, dem keiner entfliehen kann. Es ist wirklich erschreckend, wie schnell er es geschafft hat, ganz normale, rational denkende Bürger dazu zu bringen, ihr ganzes bisheriges Leben einfach hinter sich zu lassen und sich einen hirnrissigen Glauben einreden zu lassen, nur um sie von ihren Problemen und Schicksalsschlägen abzulenken. Von den anderen Familien erfährt man leider nicht besonders viel, Lylas Familie floh aber vor der Trauer um Karen, die als Kind entführt und nie gefunden wurde. Wenn man einfach der Realität entfliehen kann, die Welt ausblenden will, dann haben Leute wie Pioneer leichtes Spiel.


"Zwölf Tage ist nicht lange genug. Ich merke, wie ich insgeheim bete und hoffe, dass sie mich erhören. Ich flehe um mehr Zeit, um mehr Mut... um ein Wunder."


Das ist es, wonach sich die Gemeindemitglieder sehnen: Sicherheit. In diesem Roman schwingt eine ganze Menge Kritik an allem mit, was in der Welt nicht optimal läuft: "Keine Welt kann weiter existieren, in der Kinder von der eigenen Türschwelle weggeholt werden, aus Familien, die sie lieben. Terrorosten jagen Flugzeuge in Gebäude; Männer schlagen Frauen; Kinder, Teenager erschießen ihre Klassenkameraden und Länder führen gegeneinander Krieg."
Doch auch wenn die Welt voller "Bösem" ist, wie Lylas Mutter Pioneer nur zu gerne nachplappert nachdem ihre Tochter entführt wurde und seitdem nicht mehr auffindbar ist, zeigt dieser Roman auch auf, was man neben Junkfood und Promiklatsch noch alles vermissen würde, wenn man sich ganz der Sicherheit verschreibt: Freiheit. So wird wieder die altbekannte Diskussion ausgelöst, was denn nun wichtiger ist, frei zu sein oder sich sicher zu fühlen. Im besten Falle schließen sich diese zwei Optionen nicht aus, doch hier in der Geschichte würde Lyla wohl die Freiheit wählen während ihre Eltern die Sicherheit vorziehen. Und sie liefert auch die Antwort, wieso: "Weil es leichter ist aufzugeben, als wieder in diese Welt hinauszumüssen." Deshalb lässt sie sich nur zu gerne anlügen und einsperren, ganz in eine andere Realität entführen, was mich wirklich berührt und verstört hat.


"Grenzen sind gut für Menschen; sie geben ihnen Sicherheit. Wenn ihnen die Welt zu offen steht, ziehen sie womöglich los und kommen auf dumme Ideen."
-Pioneer, Gemeindeführer-


Besonders beklemmend sind die Zitate Pioneers, die die Kapitelanfänge zieren, bis sie irgendwann schleichend, dann aber immer häufiger von realen Personen wie Jim Jones, dem ehemaligen Sektenführer des Peoples Temple, Charles Mansons oder David Koresh, dem Anführer der Branch Davidians, abgelöst werden. Wer die Geschichte der Peoples Temple kennt, wird sehen, dass hier klare Parallelen gezogen werden, die der Geschichte einen weiteren eindrücklichen Ernst verleihen. Denn so abgedreht und verrückt die Handlung manchmal auch wirken mag, sie ist nicht weit von der Realität vieler Menschen entfernt. Gerade in den USA gibt es etliche Sekten, es gibt also in der Tat einige Menschen für die der dargestellte Thriller bittere Realität ist.


"Wenn man jemanden wirklich liebt muss man bereit sein, alles zu tun, was nötig ist, damit er lernt und wächst, selbst wenn es für beide schmerzhaft ist."
-Pioneer, Gemeindeführer-


Cody, der Love Interest dieser Geschichte bleibt sehr blass, was mir hier sehr gut gefallen hat. Seine Präsenz ist genau so dosiert, dass er zwar den Stein ins Rollen bringt, aber nicht die Geschichte ins Klischeehafte abstürzen lässt und Aufmerksamkeit von Lyla auf die Liebesgeschichte verschiebt. Im Gegenteil: er bleibt dezent im Hintergrund und vielmehr die Verwandlung von Lyla und die Vorbereitungen der Gemeinde auf den Untergang der Welt stehen im Fokus des Lesers.


"Es ist Cody, den ich will, und egal wie sehr ich das wegzurationalisieren versuche, es wird nichts daran ändern. Was immer das hier sein mag, es ist alles andere als rational - es ist verrückt, dumm, rücksichtslos ... und irgendwie absolut richtig. (...) Er ist mein Cheeto - nicht gut für mich, aber jetzt, wo ich auf den Geschmack gekommen bin, kann ich nicht mehr von ihm lassen."


Das Ende ist nach dem schonungslosen Showdown eigentlich recht abgeschlossen, ich werde aber auf jeden Fall in naher Zukunft zum zweiten Teil "Gated - Sie sind überall" greifen, welches die Geschichte um Lyla und Pioneer noch weiterführt.


"In der Gemeinde erschien das Leben perfekt. Ich dachte, das Böse lebe außerhalb unserer Mauern - ich habe mich geirrt."
-Lyla Hamilton, Mitglied der Gemeinde-




Fazit:

Ein fesselnder Jugendroman über die gefährlichen Verstrickungen einer Sekte und die Selbstfindung eines jungen Mädchens: aufkratzend, authentisch, hartnäckig und hochspannend.

Veröffentlicht am 07.02.2018

Jamás, mi luz

Blutbraut
0

Allgemeines:

Titel: Blutbraut
Autor: Lynn Raven
Verlag: cbt (11. November 2013)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570308871
ISBN-13: 978-3570308875
ASIN: B005QSBX1Q
Seitenzahl: 736 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
8,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Blutbraut
Autor: Lynn Raven
Verlag: cbt (11. November 2013)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570308871
ISBN-13: 978-3570308875
ASIN: B005QSBX1Q
Seitenzahl: 736 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
8,99€ (Kindle-Edition)



Inhalt:

Magie macht ihn stark, Liebe verletzlich
Seit sie denken kann, ist Lucinda Moreira auf der Flucht vor Joaquín de Alvaro, denn sie ist eine »Blutbraut«, und nur ihr Blut kann den mächtigen Magier davor bewahren, zum Nosferatu zu werden. Doch gerade als Lucinda sich zum ersten Mal verliebt hat, wird sie entführt und auf Joaquíns Anwesen gebracht. Sie ist in eine Falle gelaufen: Chris, für den sie schwärmt, ist kein anderer als Joaquín de Alvaros Bruder, und auch er sucht eine Blutbraut. Und noch andere Magier begehren Lucindas Blut. Je näher sie Joaquín aber kennenlernt, desto mehr gerät ihr Bild von ihm ins Wanken und stürzt sie in ein Wechselbad der Gefühle …


Bewertung:

Puh, diesen Bestseller des Jahres 2011 hatte ich schon eine ganze Weile im Regal stehen und aufgrund fehlender Zeit und den fast 7540 Seiten erstmal nicht angerührt. Dass ich es jetzt endlich auch mal gepackt habe, es zu lesen, war also mehr als überfällig. Und ich muss mich ausnahmsweise dem Hype mal bedingungslos anschließen und mich dafür verfluchen, diese Autorin nicht schon früher entdeckt zu haben!

Zum Cover stehe ich ein wenig gespalten da. Auf der einen Seite finde ich das Motiv durchaus passend: eine schwarzhaarige Frau in einem ebenso dunklen Spitzenkleid mit hohem Kragen, welche durch die blasse Haut und den aus dem Auge rinnenden Blutstropfen wie der Inbegriff eines Vampirs, oder eben einer Sanguaíera wirkt. Das Ganze passt natürlich perfekt zu Lucinda und ihrer Rolle, die ihr zugewiesen wurde, da sie durch die geschlossenen Augen und den hohen Kragen auch wirkt, als würde sie sich gegen ihre Bestimmung sperren, dennoch gefällt es mir wieder nicht, dass ein Model mit einem vollständigen Gesicht zusehen ist, da ich mir Luz etwas anders vorgestellt hatte. Das blasse Grau, das den Hintergrund darstellt, gespickt mit einigen dunklen Flecken, die wohl verschwommene Vögel sind, passt ebenfalls gut, meines Erachtens kommt aber keineswegs die tolle gefährlich-behagliche Atmosphäre rüber, die die Handlung umrahmt. Da wäre meiner Meinung nach viel mehr drin gewesen! Der Titel ist jedoch unangefochten perfekt, wobei ich mir auch den spanischen Titel "Sanguaíera" sehr gut vorstellen könnte.

Nachdem wir unsere Protagonistin Lucinda Moreira in Boston, Massachusetts in einer Bar kennenlernen, erleben wir mit, wie ihr schlimmster Albtraum in Erfüllung geht. Eigentlich ihr ganzes Leben lang auf der Flucht gewesen wird sie nun entführt und an den Ort gebracht, an dem sie nicht in ihren Albträumen jemals war: zu IHM, Joaquín de Alvaro, Hexer von Hermandad, welcher auf seine Blutbraut wartet, die ihn davor bewahren soll, Nosferatu zu werden. Ein seelenloses, grausames, blutrünstiges Monster. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt ist sie auf dem Anwesen Santa Reyada im Süden Amerikas, inmitten von Vampiren, die nach ihrem Blut dürsten. Von Angst und Grauen gepackt versucht sie zu fliehen, doch als Joaquín sie immer wieder aufs Neue rettet, muss sie sich die Frage stellen, ob ihr ganzes Leben nicht eine Lüge war...


"Ich verstehe." Ich war eine Gefangene in einem goldenen Käfig. Sofern es mir nicht doch noch irgendwie gelang zu entkommen, würden daran nur zwei Dinge etwas ändern: sein Tod. Oder meiner."


Nach sehr verwirrenden ersten Seiten in denen wir mit etlichen neuen Namen, Zusammenhänge und seltsamen Gruppierungen konfrontiert werden und uns in der präsentierten Welt erst einmal zurecht finden müssen, wird die Handlung ein weniger beständiger als Lucinda in Santa Reyada ankommt und beginnt sich mit ihrer Situation abzufinden. Das wunderschöne Anwesen mitten in einer mörderischen Sierra, die Hitze, die Kakteen, der spanische Touch in der Sprache, das alles erzeugt einen wunderbar mexikanischen Flair, welcher in eine ganz andere Welt entführt. Auch die Atmosphäre die vorherrscht ist einfach unglaublich: die starke Diskrepanz zwischen blutigen, grausamen, gruseligen Szenen voller Verlangen, Gier nach Blut und zarten, tragischen Szenen voller Vorsicht und Zurückhaltung spitzt sich im Laufe der Geschichte immer weiter zu. Es entsteht ein Bild, das dunkel, geheimnisvoll, tragisch ist und dessen Leidenschaft anzieht.


"Ich begegnete seinen Augen; farblos, glitzernd. Kühl. Gelassen. Und ... da war noch etwas anderes. In ihren Tiefen. Beinah verborgen. (...) Und dann war da noch etwas Anderes.
Dunkel.
Mächtig.
Alt.
Moreira.
Sanguaíera.
Mein!"


Trotz dass das Buch ein wahrhaftiger Schmöker ist, hatte ich es runtergelesen wie 200 Seiten. Die ständig brodelnde Grundspannung, die vielen mystischen Zwischenfälle, Actionszenen, das abwechslungsreiches Setting und nicht zuletzt die Vielfalt an verschiedenen Gefühlen, die hier präsentiert werden, machen das Buch zu einem einzigen Abenteuer, von dem ich gar nicht mehr wollte, dass es zu Ende ging. Eigentlich kommt die Story gerade in den ersten zwei Drittel nicht wirklich vom Fleck. Die schleichende, sich aufbauende Beziehung zwischen Lucinda und Joaquín, das Vertrauen das geknüpft und die Angst die überwunden werden muss, dieser langsame Prozess ist jedoch das Grundgerüst, auf dem alles andere aufbaut. Strenggenommen sind all die Actionsszenen, Verfolgungsjagden und Ausflüge nur schönes Geplänkel um den Leser auf Trab zu halten, die vorrangige Funktion der Handlung ist es die beiden Protagonisten einander langsam näher zu bringen. Ob da nun Mafiafamilien, das Wetter, ein Geist, ein Bruder oder die Vergangenheit zwischen den beiden stehen, ist eigentlich egal. Und genau deshalb wird das Buch auch nie langweilig. Lynn Raven hat etwas geschafft, woran viele Autoren - gerade die von umfangreichen Geschichten - oft scheitern: sie hat der Geschichte einen roten Faden gegeben, der gleichzeitig voranbringt und ausbremst und die ganze Handlung stabil vor sich her trägt.


"Er wollte mein Blut und mein Leben. Meinetwegen. Aber ich würde mich nicht freiwillig in mein Schicksal fügen, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, ihm zu entgehen. Egal wie."


Während die Geschichte ihren Lauf nimmt, wird es zunehmend schwierig, den Überblick über alle Namen, Motive und Zusammenhänge zwischen Hermandad, den Ordre de Sorciers, dem Konsortium zu behalten. Dennoch ist der Plot trotz einiger Wendungen überraschend gradlinig und hat mich entfernt ein wenig an "Die Schöne und das Biest" erinnert. Aufgrund der fast vollkommen fehlenden Romantik läuft die sich anbahnende Liebe (oder sagen wir mal neutraler "Besessenheit") zwischen Lucinda und Joaquín an keiner Stelle Gefahr, kitschig oder nervig zu werden. Wir bekommen zwar als Leser gegen Ende die erotische Anziehungskraft zwischen den Beiden mit, es geht aber in erster Linie um das wachsende Vertrauen zwischen dem monströsen Hexer und seiner ängstlichen Blutbraut. Wer also auf glühende Liebesszenen und Liebe, Drama, Wahnsinn wartet, wird wahrscheinlich enttäuscht.

Auch die Grundidee des Romans gefällt mir sehr gut. Als ich mit dem Lesen begann dachte ich erst so: "Oh nö, nicht schon wieder ein Vampir-Roman." Lynn Raven schafft es hier jedoch alle möglichen Elemente aus Mythen, Sagen, Legenden und Realität zu vermischen, sodass eine Geschichte entsteht, die man noch nie in dieser Form gelesen hat. Vampire werden eigentlich komplett unwichtig, bis auf die Tatsache, dass Joaquín Blut trinken muss. Statt dem Mainstream-Blutsauger bekommen wir es hier mit grausamen Nosferatu, alten Flüchen, gewieften Hexern, farbigen Siegeln, mafiösen Machtstrukturen der Hermandad, Blutbräuten und schlauen Ärzten zu tun. Natürlich ist irgendwie von Anfang an klar, dass Lucinda sich in das "Monster" Joaquín verlieben muss, der Grundverlauf der Handlung ist also relativ vorhersehbar, durch den großen Facettenreichtum und den tollen Schreibstil der Autorin, bildet sich jedoch bald eine unerbittliche Sogwirkung aus.


"Ich war es leid davonzulaufen. Nie irgendwo länger bleiben zu können als ein paar Wochen oder höchstens Monate, wenn ich Glück hatte; kein wirkliches Zuhause, keine richtigen Freund zu haben ... Aber letztendlich hatte ich keine andere Wahl. Weil ich war, was ich war: eine Blutbraut."


Lynn Raven schreibt sehr flüssig und leicht verständlich, worunter aber nicht der Detailreichtum der Geschichte leidet. Gefühle bannt sie greifbar in die Seiten und schafft es immer wieder aufs Neue, den Seelenzustand der Protagonistin auch sprachlich zu verkörpern: mal dominieren malerisch schöne Beschreibungen das Bild, in anderen Szenen bekommen wir abgehackte, gehetzte Szenenbeschreibungen in Form von Ein-Wort-Sätzen und Wiederholungen vorgesetzt. Als Jugendbuch das das Buch das eindeutig und ich kann die strenge Kritik nicht nachvollziehen, die diese dynamisch wechselnde Erzählweise auf sich gezogen hat. Manche formulierungstechnischen Wiederholungen lassen sich auf 740 Seiten wohl kaum vermeiden, ich sehe hier aber eindeutig noch Ausbaufähigkeit. Trotzdem schafft es die Autorin in all der dunklen, von Angst und Leidenschaft geprägten Stimmung wunderbar modern und unheimlich erfrischend zu erzählen und Szenen durch humorvolle, sogar ironische Bemerkungen aufzulockern
.

"Wie geht es ihr heute morgen?"
"Gut genug, um mich zum Teufel zu wünschen."
"Oha, was genau hat sie gesagt?"
"Ich glaube, der entscheidende Satz war: "Verpiss dich endlich, du Scheißkerl!"


Auch die immer wiederkehrenden spanischen Wörter/Sätze, die Joaquín oft von sich gibt, haben mich keineswegs gestört. Sie passten sehr gut ins Setting, zu seinem Charakter und gaben noch einmal ein Tick mehr Geheimnis und Emotion dazu. Obwohl ich kein Wort Spanisch spreche, sind alle Bemerkungen aus dem Kontext verständlich geworden und falls jemand ganz extrem verwirrt sein sollte, gibt es auf der Verlagshomepage von cbt auch ein Special mit den entsprechenden Übersetzungen.

Erzählt wird die Story in erster Linie aus Lucindas Ich-Perspektive, wobei das Familienwappen der Moreira Frauen ihre Kapitel ziert. Ein fünfzackiger Stern in einem Kreis - ein Hexen-Pentagram - weist jedoch auf die Perspektive einer der Hexer hin. Hierbei erzählt zum einen Joaquín als Er-Erzähler, wie auch in kurzen Abschnitten der Antagonist, dessen Identität und Pläne für einige Zeit ungeklärt bleiben, wodurch es immer spannend bleibt.

Lucinda Moreira ist unter den Lesern ein sehr umstrittener Charakter. Auf der einen Seite wird versucht, sie kämpferisch und stark zu charakterisieren, als "tigresa", wie Rafael sie liebevoll nennt. Da sind aber auch ihre unüberwindbaren Ängste, die sie im Zusammenhang mit Vampiren plagen, nachdem ihre "Tante Maria" von einem von ihnen grausam vor ihren Augen ermordet wurde. Es ist ihr also nicht zu verübeln, dass sie sich vor Joaquín fürchtet. Natürlich verhält sie sich manchmal ein wenig irrational, aber genau das macht eine Angst ja auch aus: man begreift sie nicht, sie ist nicht immer logisch, sie ist einfach da. So konnte ich mit ihr fühlen und mit etwas Abstand zu ihr mit den Geschehnissen mit fiebern. Umso authentischer ist es, wie sich ihre Angst Schritt für Schritt legt und sie beginnt unter ihrer Panik noch ganz andere Dinge zu fühlen...


"Als sie da lag ... Ich dachte tatsächlich für eine Sekunde, sie wäre vor Angst gestorben."
Er konnte Rafael geradezu den Kopf schütteln hören. Joaquin rieb sich übers Gesicht.
Ja, gestorben. Aus Angst vor ihm. Viel hatte möglicherweise nicht gefehlt."



Die wirkliche Perle des Buches ist aber ER: Joaquín de Alvaro. Schon mit seinem ersten Satz im Roman hatte er mich:
"Sie hätten dich niemals finden sollen, mi corazón."
Mit diesem Satz, der es einem kalt den Rücken hinunter laufen lässt, hat er mein Herz gestohlen und es bis zum Ende nicht mehr hergegeben. Auch wenn es eigentlich klar ist, dass er in gewissem Maße "gut" sein muss, ist er in erster Linie über ein Großteil der Geschichte eines: ein Monster. Zuerst wird er eiskalt als der geheimnisvolle, erschreckend gutaussehende Hexer charakterisiert, dem Lucinda versprochen wurde, da er ihr Blut braucht um nicht Nosferatu zu werden, eine zügellose, mächtige, geflügelte Kreatur der Hölle. Der immerwährende Flucht der Hermandad betrifft wie alle Männer der Familie auch ihn: trinkt er nicht regelmäßig das Blut seiner Sanguaíera, seiner Blutbraut, stirbt mit jeder Nacht ein kleiner Teil von ihm, der ihn menschlich macht. Das Problem ist bloß, dass Lucinda es nicht ertragen würde, Joaquíns Blutbraut zu sein, zu sehr plagen sie ihre irrationalen Ängste, sodass dieser hier die Rolle des leidenden Helden übernimmt. Mit seinen diamantfahlen Augen, der blassen Haut, den langen Reißzähnen und den schwarzen, klauenartigen Fingernägeln ähnelt er in der Tat einem schrecklich schönen Monster, welches Qualen leidet, vor Blutdurst und Verlangen kaum Lucindas Blut widerstehen kann und es doch immer wieder schafft, sie zu beschützen, sie zu nichts zu zwingen und seine Ehre zu bewahren. Der Zwiespalt, in dem er sich befindet ist denkbar groß, sein täglicher Kampf, den er gegen die dunkle Seite in sich ausfechten muss, ebenso, was ihm meinen größten Respekt einbringt. Falls Lucinda sich weiterhin geziert hätte: ich hätte ihn sofort genommen

Auch die liebevoll gestalteten Nebenfiguren wie der fürsorgliche Arzt Fernán, Joaquíns treuer Freund Rafael, oder auch Cris, den ich von Anfang an nicht leiden konnte - zu Recht -, machen die Geschichte um einige Details reicher. Ebenfalls ein Stein in meinem Leser-Brett, hat sich Rosa, ein nach Lavendel duftendes Gespenst und ehemalige Sanguaíera, bei mir ergattert, wenn sie durch die Hallen von Santa Reyada weht und alle zur Weißglut bringt.

Als die Geschichte gegen Ende nochmal auf einen absoluten Showdown zuging, begann ich die Vorhersehbarkeit des Buches noch einmal zu hinterfragen und war mir plötzlich absolut nicht mehr sicher, wie das alles wirklich ausgehen würde. Irgendwie hatte ich so das Gefühl, dass Lynn Raven da tatsächlich alles zuzutrauen wäre. Ich hielt alle virtuellen Daumen für meine Protagonisten gedrückt, dass sie doch bitte - bitte - ein halbwegs schönes Ende finden würden. Anscheinend haben meine Stoßgebete zum Lesegott auch etwas gebracht, denn auch wenn das Ende viel zu kurz war und eine Menge Potential verschenkte, bekamen eigentlich alle alles was sie wollten.

Auch wenn mir nicht ganz klar ist, ob denn mit einer Fortsetzung auch nach 7 Jahren noch zu rechnen ist, würde ich es mir sehr wünschen und sofort wieder kaufen, denn schließlich geht ganz am Ende die Liebesgeschichte ja erst richtig los und die ein oder anderen Frage ist ja schließlich auch offen geblieben.


Zum Schluss noch mein Lieblingszitat:


"Seine Lippen legten sich auf meine Kehle. Federleicht. Kaum mehr als ein Hauch. Kein Biss, ein...Kuss. Quälend sanft. "Jamás, mi luz!", rau, knurrend. Ein Flüstern, kaum zu verstehen. "Jamás! Niemals!" Sein Mund streifte meine Schulter, entsetzlich zärtlich. Dann war er fort."


Fazit:

Eine unglaublich intensive Geschichte über Magie, Vampire, Intrigen, Freundschaft, Liebe und Vertrauen.

Veröffentlicht am 07.02.2018

Jamás, mi luz

Blutbraut
0

Allgemeines:

Titel: Blutbraut
Autor: Lynn Raven
Verlag: cbt (11. November 2013)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570308871
ISBN-13: 978-3570308875
ASIN: B005QSBX1Q
Seitenzahl: 736 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
8,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Blutbraut
Autor: Lynn Raven
Verlag: cbt (11. November 2013)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570308871
ISBN-13: 978-3570308875
ASIN: B005QSBX1Q
Seitenzahl: 736 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
8,99€ (Kindle-Edition)



Inhalt:

Magie macht ihn stark, Liebe verletzlich
Seit sie denken kann, ist Lucinda Moreira auf der Flucht vor Joaquín de Alvaro, denn sie ist eine »Blutbraut«, und nur ihr Blut kann den mächtigen Magier davor bewahren, zum Nosferatu zu werden. Doch gerade als Lucinda sich zum ersten Mal verliebt hat, wird sie entführt und auf Joaquíns Anwesen gebracht. Sie ist in eine Falle gelaufen: Chris, für den sie schwärmt, ist kein anderer als Joaquín de Alvaros Bruder, und auch er sucht eine Blutbraut. Und noch andere Magier begehren Lucindas Blut. Je näher sie Joaquín aber kennenlernt, desto mehr gerät ihr Bild von ihm ins Wanken und stürzt sie in ein Wechselbad der Gefühle …


Bewertung:

Puh, diesen Bestseller des Jahres 2011 hatte ich schon eine ganze Weile im Regal stehen und aufgrund fehlender Zeit und den fast 7540 Seiten erstmal nicht angerührt. Dass ich es jetzt endlich auch mal gepackt habe, es zu lesen, war also mehr als überfällig. Und ich muss mich ausnahmsweise dem Hype mal bedingungslos anschließen und mich dafür verfluchen, diese Autorin nicht schon früher entdeckt zu haben!

Zum Cover stehe ich ein wenig gespalten da. Auf der einen Seite finde ich das Motiv durchaus passend: eine schwarzhaarige Frau in einem ebenso dunklen Spitzenkleid mit hohem Kragen, welche durch die blasse Haut und den aus dem Auge rinnenden Blutstropfen wie der Inbegriff eines Vampirs, oder eben einer Sanguaíera wirkt. Das Ganze passt natürlich perfekt zu Lucinda und ihrer Rolle, die ihr zugewiesen wurde, da sie durch die geschlossenen Augen und den hohen Kragen auch wirkt, als würde sie sich gegen ihre Bestimmung sperren, dennoch gefällt es mir wieder nicht, dass ein Model mit einem vollständigen Gesicht zusehen ist, da ich mir Luz etwas anders vorgestellt hatte. Das blasse Grau, das den Hintergrund darstellt, gespickt mit einigen dunklen Flecken, die wohl verschwommene Vögel sind, passt ebenfalls gut, meines Erachtens kommt aber keineswegs die tolle gefährlich-behagliche Atmosphäre rüber, die die Handlung umrahmt. Da wäre meiner Meinung nach viel mehr drin gewesen! Der Titel ist jedoch unangefochten perfekt, wobei ich mir auch den spanischen Titel "Sanguaíera" sehr gut vorstellen könnte.

Nachdem wir unsere Protagonistin Lucinda Moreira in Boston, Massachusetts in einer Bar kennenlernen, erleben wir mit, wie ihr schlimmster Albtraum in Erfüllung geht. Eigentlich ihr ganzes Leben lang auf der Flucht gewesen wird sie nun entführt und an den Ort gebracht, an dem sie nicht in ihren Albträumen jemals war: zu IHM, Joaquín de Alvaro, Hexer von Hermandad, welcher auf seine Blutbraut wartet, die ihn davor bewahren soll, Nosferatu zu werden. Ein seelenloses, grausames, blutrünstiges Monster. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt ist sie auf dem Anwesen Santa Reyada im Süden Amerikas, inmitten von Vampiren, die nach ihrem Blut dürsten. Von Angst und Grauen gepackt versucht sie zu fliehen, doch als Joaquín sie immer wieder aufs Neue rettet, muss sie sich die Frage stellen, ob ihr ganzes Leben nicht eine Lüge war...


"Ich verstehe." Ich war eine Gefangene in einem goldenen Käfig. Sofern es mir nicht doch noch irgendwie gelang zu entkommen, würden daran nur zwei Dinge etwas ändern: sein Tod. Oder meiner."


Nach sehr verwirrenden ersten Seiten in denen wir mit etlichen neuen Namen, Zusammenhänge und seltsamen Gruppierungen konfrontiert werden und uns in der präsentierten Welt erst einmal zurecht finden müssen, wird die Handlung ein weniger beständiger als Lucinda in Santa Reyada ankommt und beginnt sich mit ihrer Situation abzufinden. Das wunderschöne Anwesen mitten in einer mörderischen Sierra, die Hitze, die Kakteen, der spanische Touch in der Sprache, das alles erzeugt einen wunderbar mexikanischen Flair, welcher in eine ganz andere Welt entführt. Auch die Atmosphäre die vorherrscht ist einfach unglaublich: die starke Diskrepanz zwischen blutigen, grausamen, gruseligen Szenen voller Verlangen, Gier nach Blut und zarten, tragischen Szenen voller Vorsicht und Zurückhaltung spitzt sich im Laufe der Geschichte immer weiter zu. Es entsteht ein Bild, das dunkel, geheimnisvoll, tragisch ist und dessen Leidenschaft anzieht.


"Ich begegnete seinen Augen; farblos, glitzernd. Kühl. Gelassen. Und ... da war noch etwas anderes. In ihren Tiefen. Beinah verborgen. (...) Und dann war da noch etwas Anderes.
Dunkel.
Mächtig.
Alt.
Moreira.
Sanguaíera.
Mein!"


Trotz dass das Buch ein wahrhaftiger Schmöker ist, hatte ich es runtergelesen wie 200 Seiten. Die ständig brodelnde Grundspannung, die vielen mystischen Zwischenfälle, Actionszenen, das abwechslungsreiches Setting und nicht zuletzt die Vielfalt an verschiedenen Gefühlen, die hier präsentiert werden, machen das Buch zu einem einzigen Abenteuer, von dem ich gar nicht mehr wollte, dass es zu Ende ging. Eigentlich kommt die Story gerade in den ersten zwei Drittel nicht wirklich vom Fleck. Die schleichende, sich aufbauende Beziehung zwischen Lucinda und Joaquín, das Vertrauen das geknüpft und die Angst die überwunden werden muss, dieser langsame Prozess ist jedoch das Grundgerüst, auf dem alles andere aufbaut. Strenggenommen sind all die Actionsszenen, Verfolgungsjagden und Ausflüge nur schönes Geplänkel um den Leser auf Trab zu halten, die vorrangige Funktion der Handlung ist es die beiden Protagonisten einander langsam näher zu bringen. Ob da nun Mafiafamilien, das Wetter, ein Geist, ein Bruder oder die Vergangenheit zwischen den beiden stehen, ist eigentlich egal. Und genau deshalb wird das Buch auch nie langweilig. Lynn Raven hat etwas geschafft, woran viele Autoren - gerade die von umfangreichen Geschichten - oft scheitern: sie hat der Geschichte einen roten Faden gegeben, der gleichzeitig voranbringt und ausbremst und die ganze Handlung stabil vor sich her trägt.


"Er wollte mein Blut und mein Leben. Meinetwegen. Aber ich würde mich nicht freiwillig in mein Schicksal fügen, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, ihm zu entgehen. Egal wie."


Während die Geschichte ihren Lauf nimmt, wird es zunehmend schwierig, den Überblick über alle Namen, Motive und Zusammenhänge zwischen Hermandad, den Ordre de Sorciers, dem Konsortium zu behalten. Dennoch ist der Plot trotz einiger Wendungen überraschend gradlinig und hat mich entfernt ein wenig an "Die Schöne und das Biest" erinnert. Aufgrund der fast vollkommen fehlenden Romantik läuft die sich anbahnende Liebe (oder sagen wir mal neutraler "Besessenheit") zwischen Lucinda und Joaquín an keiner Stelle Gefahr, kitschig oder nervig zu werden. Wir bekommen zwar als Leser gegen Ende die erotische Anziehungskraft zwischen den Beiden mit, es geht aber in erster Linie um das wachsende Vertrauen zwischen dem monströsen Hexer und seiner ängstlichen Blutbraut. Wer also auf glühende Liebesszenen und Liebe, Drama, Wahnsinn wartet, wird wahrscheinlich enttäuscht.

Auch die Grundidee des Romans gefällt mir sehr gut. Als ich mit dem Lesen begann dachte ich erst so: "Oh nö, nicht schon wieder ein Vampir-Roman." Lynn Raven schafft es hier jedoch alle möglichen Elemente aus Mythen, Sagen, Legenden und Realität zu vermischen, sodass eine Geschichte entsteht, die man noch nie in dieser Form gelesen hat. Vampire werden eigentlich komplett unwichtig, bis auf die Tatsache, dass Joaquín Blut trinken muss. Statt dem Mainstream-Blutsauger bekommen wir es hier mit grausamen Nosferatu, alten Flüchen, gewieften Hexern, farbigen Siegeln, mafiösen Machtstrukturen der Hermandad, Blutbräuten und schlauen Ärzten zu tun. Natürlich ist irgendwie von Anfang an klar, dass Lucinda sich in das "Monster" Joaquín verlieben muss, der Grundverlauf der Handlung ist also relativ vorhersehbar, durch den großen Facettenreichtum und den tollen Schreibstil der Autorin, bildet sich jedoch bald eine unerbittliche Sogwirkung aus.


"Ich war es leid davonzulaufen. Nie irgendwo länger bleiben zu können als ein paar Wochen oder höchstens Monate, wenn ich Glück hatte; kein wirkliches Zuhause, keine richtigen Freund zu haben ... Aber letztendlich hatte ich keine andere Wahl. Weil ich war, was ich war: eine Blutbraut."


Lynn Raven schreibt sehr flüssig und leicht verständlich, worunter aber nicht der Detailreichtum der Geschichte leidet. Gefühle bannt sie greifbar in die Seiten und schafft es immer wieder aufs Neue, den Seelenzustand der Protagonistin auch sprachlich zu verkörpern: mal dominieren malerisch schöne Beschreibungen das Bild, in anderen Szenen bekommen wir abgehackte, gehetzte Szenenbeschreibungen in Form von Ein-Wort-Sätzen und Wiederholungen vorgesetzt. Als Jugendbuch das das Buch das eindeutig und ich kann die strenge Kritik nicht nachvollziehen, die diese dynamisch wechselnde Erzählweise auf sich gezogen hat. Manche formulierungstechnischen Wiederholungen lassen sich auf 740 Seiten wohl kaum vermeiden, ich sehe hier aber eindeutig noch Ausbaufähigkeit. Trotzdem schafft es die Autorin in all der dunklen, von Angst und Leidenschaft geprägten Stimmung wunderbar modern und unheimlich erfrischend zu erzählen und Szenen durch humorvolle, sogar ironische Bemerkungen aufzulockern
.

"Wie geht es ihr heute morgen?"
"Gut genug, um mich zum Teufel zu wünschen."
"Oha, was genau hat sie gesagt?"
"Ich glaube, der entscheidende Satz war: "Verpiss dich endlich, du Scheißkerl!"


Auch die immer wiederkehrenden spanischen Wörter/Sätze, die Joaquín oft von sich gibt, haben mich keineswegs gestört. Sie passten sehr gut ins Setting, zu seinem Charakter und gaben noch einmal ein Tick mehr Geheimnis und Emotion dazu. Obwohl ich kein Wort Spanisch spreche, sind alle Bemerkungen aus dem Kontext verständlich geworden und falls jemand ganz extrem verwirrt sein sollte, gibt es auf der Verlagshomepage von cbt auch ein Special mit den entsprechenden Übersetzungen.

Erzählt wird die Story in erster Linie aus Lucindas Ich-Perspektive, wobei das Familienwappen der Moreira Frauen ihre Kapitel ziert. Ein fünfzackiger Stern in einem Kreis - ein Hexen-Pentagram - weist jedoch auf die Perspektive einer der Hexer hin. Hierbei erzählt zum einen Joaquín als Er-Erzähler, wie auch in kurzen Abschnitten der Antagonist, dessen Identität und Pläne für einige Zeit ungeklärt bleiben, wodurch es immer spannend bleibt.

Lucinda Moreira ist unter den Lesern ein sehr umstrittener Charakter. Auf der einen Seite wird versucht, sie kämpferisch und stark zu charakterisieren, als "tigresa", wie Rafael sie liebevoll nennt. Da sind aber auch ihre unüberwindbaren Ängste, die sie im Zusammenhang mit Vampiren plagen, nachdem ihre "Tante Maria" von einem von ihnen grausam vor ihren Augen ermordet wurde. Es ist ihr also nicht zu verübeln, dass sie sich vor Joaquín fürchtet. Natürlich verhält sie sich manchmal ein wenig irrational, aber genau das macht eine Angst ja auch aus: man begreift sie nicht, sie ist nicht immer logisch, sie ist einfach da. So konnte ich mit ihr fühlen und mit etwas Abstand zu ihr mit den Geschehnissen mit fiebern. Umso authentischer ist es, wie sich ihre Angst Schritt für Schritt legt und sie beginnt unter ihrer Panik noch ganz andere Dinge zu fühlen...


"Als sie da lag ... Ich dachte tatsächlich für eine Sekunde, sie wäre vor Angst gestorben."
Er konnte Rafael geradezu den Kopf schütteln hören. Joaquin rieb sich übers Gesicht.
Ja, gestorben. Aus Angst vor ihm. Viel hatte möglicherweise nicht gefehlt."



Die wirkliche Perle des Buches ist aber ER: Joaquín de Alvaro. Schon mit seinem ersten Satz im Roman hatte er mich:
"Sie hätten dich niemals finden sollen, mi corazón."
Mit diesem Satz, der es einem kalt den Rücken hinunter laufen lässt, hat er mein Herz gestohlen und es bis zum Ende nicht mehr hergegeben. Auch wenn es eigentlich klar ist, dass er in gewissem Maße "gut" sein muss, ist er in erster Linie über ein Großteil der Geschichte eines: ein Monster. Zuerst wird er eiskalt als der geheimnisvolle, erschreckend gutaussehende Hexer charakterisiert, dem Lucinda versprochen wurde, da er ihr Blut braucht um nicht Nosferatu zu werden, eine zügellose, mächtige, geflügelte Kreatur der Hölle. Der immerwährende Flucht der Hermandad betrifft wie alle Männer der Familie auch ihn: trinkt er nicht regelmäßig das Blut seiner Sanguaíera, seiner Blutbraut, stirbt mit jeder Nacht ein kleiner Teil von ihm, der ihn menschlich macht. Das Problem ist bloß, dass Lucinda es nicht ertragen würde, Joaquíns Blutbraut zu sein, zu sehr plagen sie ihre irrationalen Ängste, sodass dieser hier die Rolle des leidenden Helden übernimmt. Mit seinen diamantfahlen Augen, der blassen Haut, den langen Reißzähnen und den schwarzen, klauenartigen Fingernägeln ähnelt er in der Tat einem schrecklich schönen Monster, welches Qualen leidet, vor Blutdurst und Verlangen kaum Lucindas Blut widerstehen kann und es doch immer wieder schafft, sie zu beschützen, sie zu nichts zu zwingen und seine Ehre zu bewahren. Der Zwiespalt, in dem er sich befindet ist denkbar groß, sein täglicher Kampf, den er gegen die dunkle Seite in sich ausfechten muss, ebenso, was ihm meinen größten Respekt einbringt. Falls Lucinda sich weiterhin geziert hätte: ich hätte ihn sofort genommen

Auch die liebevoll gestalteten Nebenfiguren wie der fürsorgliche Arzt Fernán, Joaquíns treuer Freund Rafael, oder auch Cris, den ich von Anfang an nicht leiden konnte - zu Recht -, machen die Geschichte um einige Details reicher. Ebenfalls ein Stein in meinem Leser-Brett, hat sich Rosa, ein nach Lavendel duftendes Gespenst und ehemalige Sanguaíera, bei mir ergattert, wenn sie durch die Hallen von Santa Reyada weht und alle zur Weißglut bringt.

Als die Geschichte gegen Ende nochmal auf einen absoluten Showdown zuging, begann ich die Vorhersehbarkeit des Buches noch einmal zu hinterfragen und war mir plötzlich absolut nicht mehr sicher, wie das alles wirklich ausgehen würde. Irgendwie hatte ich so das Gefühl, dass Lynn Raven da tatsächlich alles zuzutrauen wäre. Ich hielt alle virtuellen Daumen für meine Protagonisten gedrückt, dass sie doch bitte - bitte - ein halbwegs schönes Ende finden würden. Anscheinend haben meine Stoßgebete zum Lesegott auch etwas gebracht, denn auch wenn das Ende viel zu kurz war und eine Menge Potential verschenkte, bekamen eigentlich alle alles was sie wollten.

Auch wenn mir nicht ganz klar ist, ob denn mit einer Fortsetzung auch nach 7 Jahren noch zu rechnen ist, würde ich es mir sehr wünschen und sofort wieder kaufen, denn schließlich geht ganz am Ende die Liebesgeschichte ja erst richtig los und die ein oder anderen Frage ist ja schließlich auch offen geblieben.


Zum Schluss noch mein Lieblingszitat:


"Seine Lippen legten sich auf meine Kehle. Federleicht. Kaum mehr als ein Hauch. Kein Biss, ein...Kuss. Quälend sanft. "Jamás, mi luz!", rau, knurrend. Ein Flüstern, kaum zu verstehen. "Jamás! Niemals!" Sein Mund streifte meine Schulter, entsetzlich zärtlich. Dann war er fort."


Fazit:

Eine unglaublich intensive Geschichte über Magie, Vampire, Intrigen, Freundschaft, Liebe und Vertrauen.

Veröffentlicht am 07.02.2018

"Jamás, mi luz!"

Blutbraut
1

Allgemeines:

Titel: Blutbraut
Autor: Lynn Raven
Verlag: cbt (11. November 2013)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570308871
ISBN-13: 978-3570308875
ASIN: B005QSBX1Q
Seitenzahl: 736 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
8,99€ ...

Allgemeines:

Titel: Blutbraut
Autor: Lynn Raven
Verlag: cbt (11. November 2013)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3570308871
ISBN-13: 978-3570308875
ASIN: B005QSBX1Q
Seitenzahl: 736 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
8,99€ (Kindle-Edition)



Inhalt:

Magie macht ihn stark, Liebe verletzlich
Seit sie denken kann, ist Lucinda Moreira auf der Flucht vor Joaquín de Alvaro, denn sie ist eine »Blutbraut«, und nur ihr Blut kann den mächtigen Magier davor bewahren, zum Nosferatu zu werden. Doch gerade als Lucinda sich zum ersten Mal verliebt hat, wird sie entführt und auf Joaquíns Anwesen gebracht. Sie ist in eine Falle gelaufen: Chris, für den sie schwärmt, ist kein anderer als Joaquín de Alvaros Bruder, und auch er sucht eine Blutbraut. Und noch andere Magier begehren Lucindas Blut. Je näher sie Joaquín aber kennenlernt, desto mehr gerät ihr Bild von ihm ins Wanken und stürzt sie in ein Wechselbad der Gefühle …


Bewertung:

Puh, diesen Bestseller des Jahres 2011 hatte ich schon eine ganze Weile im Regal stehen und aufgrund fehlender Zeit und den fast 7540 Seiten erstmal nicht angerührt. Dass ich es jetzt endlich auch mal gepackt habe, es zu lesen, war also mehr als überfällig. Und ich muss mich ausnahmsweise dem Hype mal bedingungslos anschließen und mich dafür verfluchen, diese Autorin nicht schon früher entdeckt zu haben!

Zum Cover stehe ich ein wenig gespalten da. Auf der einen Seite finde ich das Motiv durchaus passend: eine schwarzhaarige Frau in einem ebenso dunklen Spitzenkleid mit hohem Kragen, welche durch die blasse Haut und den aus dem Auge rinnenden Blutstropfen wie der Inbegriff eines Vampirs, oder eben einer Sanguaíera wirkt. Das Ganze passt natürlich perfekt zu Lucinda und ihrer Rolle, die ihr zugewiesen wurde, da sie durch die geschlossenen Augen und den hohen Kragen auch wirkt, als würde sie sich gegen ihre Bestimmung sperren, dennoch gefällt es mir wieder nicht, dass ein Model mit einem vollständigen Gesicht zusehen ist, da ich mir Luz etwas anders vorgestellt hatte. Das blasse Grau, das den Hintergrund darstellt, gespickt mit einigen dunklen Flecken, die wohl verschwommene Vögel sind, passt ebenfalls gut, meines Erachtens kommt aber keineswegs die tolle gefährlich-behagliche Atmosphäre rüber, die die Handlung umrahmt. Da wäre meiner Meinung nach viel mehr drin gewesen! Der Titel ist jedoch unangefochten perfekt, wobei ich mir auch den spanischen Titel "Sanguaíera" sehr gut vorstellen könnte.

Nachdem wir unsere Protagonistin Lucinda Moreira in Boston, Massachusetts in einer Bar kennenlernen, erleben wir mit, wie ihr schlimmster Albtraum in Erfüllung geht. Eigentlich ihr ganzes Leben lang auf der Flucht gewesen wird sie nun entführt und an den Ort gebracht, an dem sie nicht in ihren Albträumen jemals war: zu IHM, Joaquín de Alvaro, Hexer von Hermandad, welcher auf seine Blutbraut wartet, die ihn davor bewahren soll, Nosferatu zu werden. Ein seelenloses, grausames, blutrünstiges Monster. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt ist sie auf dem Anwesen Santa Reyada im Süden Amerikas, inmitten von Vampiren, die nach ihrem Blut dürsten. Von Angst und Grauen gepackt versucht sie zu fliehen, doch als Joaquín sie immer wieder aufs Neue rettet, muss sie sich die Frage stellen, ob ihr ganzes Leben nicht eine Lüge war...


"Ich verstehe." Ich war eine Gefangene in einem goldenen Käfig. Sofern es mir nicht doch noch irgendwie gelang zu entkommen, würden daran nur zwei Dinge etwas ändern: sein Tod. Oder meiner."


Nach sehr verwirrenden ersten Seiten in denen wir mit etlichen neuen Namen, Zusammenhänge und seltsamen Gruppierungen konfrontiert werden und uns in der präsentierten Welt erst einmal zurecht finden müssen, wird die Handlung ein weniger beständiger als Lucinda in Santa Reyada ankommt und beginnt sich mit ihrer Situation abzufinden. Das wunderschöne Anwesen mitten in einer mörderischen Sierra, die Hitze, die Kakteen, der spanische Touch in der Sprache, das alles erzeugt einen wunderbar mexikanischen Flair, welcher in eine ganz andere Welt entführt. Auch die Atmosphäre die vorherrscht ist einfach unglaublich: die starke Diskrepanz zwischen blutigen, grausamen, gruseligen Szenen voller Verlangen, Gier nach Blut und zarten, tragischen Szenen voller Vorsicht und Zurückhaltung spitzt sich im Laufe der Geschichte immer weiter zu. Es entsteht ein Bild, das dunkel, geheimnisvoll, tragisch ist und dessen Leidenschaft anzieht.


"Ich begegnete seinen Augen; farblos, glitzernd. Kühl. Gelassen. Und ... da war noch etwas anderes. In ihren Tiefen. Beinah verborgen. (...) Und dann war da noch etwas Anderes.
Dunkel.
Mächtig.
Alt.
Moreira.
Sanguaíera.
Mein!"


Trotz dass das Buch ein wahrhaftiger Schmöker ist, hatte ich es runtergelesen wie 200 Seiten. Die ständig brodelnde Grundspannung, die vielen mystischen Zwischenfälle, Actionszenen, das abwechslungsreiches Setting und nicht zuletzt die Vielfalt an verschiedenen Gefühlen, die hier präsentiert werden, machen das Buch zu einem einzigen Abenteuer, von dem ich gar nicht mehr wollte, dass es zu Ende ging. Eigentlich kommt die Story gerade in den ersten zwei Drittel nicht wirklich vom Fleck. Die schleichende, sich aufbauende Beziehung zwischen Lucinda und Joaquín, das Vertrauen das geknüpft und die Angst die überwunden werden muss, dieser langsame Prozess ist jedoch das Grundgerüst, auf dem alles andere aufbaut. Strenggenommen sind all die Actionsszenen, Verfolgungsjagden und Ausflüge nur schönes Geplänkel um den Leser auf Trab zu halten, die vorrangige Funktion der Handlung ist es die beiden Protagonisten einander langsam näher zu bringen. Ob da nun Mafiafamilien, das Wetter, ein Geist, ein Bruder oder die Vergangenheit zwischen den beiden stehen, ist eigentlich egal. Und genau deshalb wird das Buch auch nie langweilig. Lynn Raven hat etwas geschafft, woran viele Autoren - gerade die von umfangreichen Geschichten - oft scheitern: sie hat der Geschichte einen roten Faden gegeben, der gleichzeitig voranbringt und ausbremst und die ganze Handlung stabil vor sich her trägt.


"Er wollte mein Blut und mein Leben. Meinetwegen. Aber ich würde mich nicht freiwillig in mein Schicksal fügen, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, ihm zu entgehen. Egal wie."


Während die Geschichte ihren Lauf nimmt, wird es zunehmend schwierig, den Überblick über alle Namen, Motive und Zusammenhänge zwischen Hermandad, den Ordre de Sorciers, dem Konsortium zu behalten. Dennoch ist der Plot trotz einiger Wendungen überraschend gradlinig und hat mich entfernt ein wenig an "Die Schöne und das Biest" erinnert. Aufgrund der fast vollkommen fehlenden Romantik läuft die sich anbahnende Liebe (oder sagen wir mal neutraler "Besessenheit") zwischen Lucinda und Joaquín an keiner Stelle Gefahr, kitschig oder nervig zu werden. Wir bekommen zwar als Leser gegen Ende die erotische Anziehungskraft zwischen den Beiden mit, es geht aber in erster Linie um das wachsende Vertrauen zwischen dem monströsen Hexer und seiner ängstlichen Blutbraut. Wer also auf glühende Liebesszenen und Liebe, Drama, Wahnsinn wartet, wird wahrscheinlich enttäuscht.

Auch die Grundidee des Romans gefällt mir sehr gut. Als ich mit dem Lesen begann dachte ich erst so: "Oh nö, nicht schon wieder ein Vampir-Roman." Lynn Raven schafft es hier jedoch alle möglichen Elemente aus Mythen, Sagen, Legenden und Realität zu vermischen, sodass eine Geschichte entsteht, die man noch nie in dieser Form gelesen hat. Vampire werden eigentlich komplett unwichtig, bis auf die Tatsache, dass Joaquín Blut trinken muss. Statt dem Mainstream-Blutsauger bekommen wir es hier mit grausamen Nosferatu, alten Flüchen, gewieften Hexern, farbigen Siegeln, mafiösen Machtstrukturen der Hermandad, Blutbräuten und schlauen Ärzten zu tun. Natürlich ist irgendwie von Anfang an klar, dass Lucinda sich in das "Monster" Joaquín verlieben muss, der Grundverlauf der Handlung ist also relativ vorhersehbar, durch den großen Facettenreichtum und den tollen Schreibstil der Autorin, bildet sich jedoch bald eine unerbittliche Sogwirkung aus.


"Ich war es leid davonzulaufen. Nie irgendwo länger bleiben zu können als ein paar Wochen oder höchstens Monate, wenn ich Glück hatte; kein wirkliches Zuhause, keine richtigen Freund zu haben ... Aber letztendlich hatte ich keine andere Wahl. Weil ich war, was ich war: eine Blutbraut."


Lynn Raven schreibt sehr flüssig und leicht verständlich, worunter aber nicht der Detailreichtum der Geschichte leidet. Gefühle bannt sie greifbar in die Seiten und schafft es immer wieder aufs Neue, den Seelenzustand der Protagonistin auch sprachlich zu verkörpern: mal dominieren malerisch schöne Beschreibungen das Bild, in anderen Szenen bekommen wir abgehackte, gehetzte Szenenbeschreibungen in Form von Ein-Wort-Sätzen und Wiederholungen vorgesetzt. Als Jugendbuch das das Buch das eindeutig und ich kann die strenge Kritik nicht nachvollziehen, die diese dynamisch wechselnde Erzählweise auf sich gezogen hat. Manche formulierungstechnischen Wiederholungen lassen sich auf 740 Seiten wohl kaum vermeiden, ich sehe hier aber eindeutig noch Ausbaufähigkeit. Trotzdem schafft es die Autorin in all der dunklen, von Angst und Leidenschaft geprägten Stimmung wunderbar modern und unheimlich erfrischend zu erzählen und Szenen durch humorvolle, sogar ironische Bemerkungen aufzulockern
.

"Wie geht es ihr heute morgen?"
"Gut genug, um mich zum Teufel zu wünschen."
"Oha, was genau hat sie gesagt?"
"Ich glaube, der entscheidende Satz war: "Verpiss dich endlich, du Scheißkerl!"


Auch die immer wiederkehrenden spanischen Wörter/Sätze, die Joaquín oft von sich gibt, haben mich keineswegs gestört. Sie passten sehr gut ins Setting, zu seinem Charakter und gaben noch einmal ein Tick mehr Geheimnis und Emotion dazu. Obwohl ich kein Wort Spanisch spreche, sind alle Bemerkungen aus dem Kontext verständlich geworden und falls jemand ganz extrem verwirrt sein sollte, gibt es auf der Verlagshomepage von cbt auch ein Special mit den entsprechenden Übersetzungen.

Erzählt wird die Story in erster Linie aus Lucindas Ich-Perspektive, wobei das Familienwappen der Moreira Frauen ihre Kapitel ziert. Ein fünfzackiger Stern in einem Kreis - ein Hexen-Pentagram - weist jedoch auf die Perspektive einer der Hexer hin. Hierbei erzählt zum einen Joaquín als Er-Erzähler, wie auch in kurzen Abschnitten der Antagonist, dessen Identität und Pläne für einige Zeit ungeklärt bleiben, wodurch es immer spannend bleibt.

Lucinda Moreira ist unter den Lesern ein sehr umstrittener Charakter. Auf der einen Seite wird versucht, sie kämpferisch und stark zu charakterisieren, als "tigresa", wie Rafael sie liebevoll nennt. Da sind aber auch ihre unüberwindbaren Ängste, die sie im Zusammenhang mit Vampiren plagen, nachdem ihre "Tante Maria" von einem von ihnen grausam vor ihren Augen ermordet wurde. Es ist ihr also nicht zu verübeln, dass sie sich vor Joaquín fürchtet. Natürlich verhält sie sich manchmal ein wenig irrational, aber genau das macht eine Angst ja auch aus: man begreift sie nicht, sie ist nicht immer logisch, sie ist einfach da. So konnte ich mit ihr fühlen und mit etwas Abstand zu ihr mit den Geschehnissen mit fiebern. Umso authentischer ist es, wie sich ihre Angst Schritt für Schritt legt und sie beginnt unter ihrer Panik noch ganz andere Dinge zu fühlen...


"Als sie da lag ... Ich dachte tatsächlich für eine Sekunde, sie wäre vor Angst gestorben."
Er konnte Rafael geradezu den Kopf schütteln hören. Joaquin rieb sich übers Gesicht.
Ja, gestorben. Aus Angst vor ihm. Viel hatte möglicherweise nicht gefehlt."



Die wirkliche Perle des Buches ist aber ER: Joaquín de Alvaro. Schon mit seinem ersten Satz im Roman hatte er mich:
"Sie hätten dich niemals finden sollen, mi corazón."
Mit diesem Satz, der es einem kalt den Rücken hinunter laufen lässt, hat er mein Herz gestohlen und es bis zum Ende nicht mehr hergegeben. Auch wenn es eigentlich klar ist, dass er in gewissem Maße "gut" sein muss, ist er in erster Linie über ein Großteil der Geschichte eines: ein Monster. Zuerst wird er eiskalt als der geheimnisvolle, erschreckend gutaussehende Hexer charakterisiert, dem Lucinda versprochen wurde, da er ihr Blut braucht um nicht Nosferatu zu werden, eine zügellose, mächtige, geflügelte Kreatur der Hölle. Der immerwährende Flucht der Hermandad betrifft wie alle Männer der Familie auch ihn: trinkt er nicht regelmäßig das Blut seiner Sanguaíera, seiner Blutbraut, stirbt mit jeder Nacht ein kleiner Teil von ihm, der ihn menschlich macht. Das Problem ist bloß, dass Lucinda es nicht ertragen würde, Joaquíns Blutbraut zu sein, zu sehr plagen sie ihre irrationalen Ängste, sodass dieser hier die Rolle des leidenden Helden übernimmt. Mit seinen diamantfahlen Augen, der blassen Haut, den langen Reißzähnen und den schwarzen, klauenartigen Fingernägeln ähnelt er in der Tat einem schrecklich schönen Monster, welches Qualen leidet, vor Blutdurst und Verlangen kaum Lucindas Blut widerstehen kann und es doch immer wieder schafft, sie zu beschützen, sie zu nichts zu zwingen und seine Ehre zu bewahren. Der Zwiespalt, in dem er sich befindet ist denkbar groß, sein täglicher Kampf, den er gegen die dunkle Seite in sich ausfechten muss, ebenso, was ihm meinen größten Respekt einbringt. Falls Lucinda sich weiterhin geziert hätte: ich hätte ihn sofort genommen

Auch die liebevoll gestalteten Nebenfiguren wie der fürsorgliche Arzt Fernán, Joaquíns treuer Freund Rafael, oder auch Cris, den ich von Anfang an nicht leiden konnte - zu Recht -, machen die Geschichte um einige Details reicher. Ebenfalls ein Stein in meinem Leser-Brett, hat sich Rosa, ein nach Lavendel duftendes Gespenst und ehemalige Sanguaíera, bei mir ergattert, wenn sie durch die Hallen von Santa Reyada weht und alle zur Weißglut bringt.

Als die Geschichte gegen Ende nochmal auf einen absoluten Showdown zuging, begann ich die Vorhersehbarkeit des Buches noch einmal zu hinterfragen und war mir plötzlich absolut nicht mehr sicher, wie das alles wirklich ausgehen würde. Irgendwie hatte ich so das Gefühl, dass Lynn Raven da tatsächlich alles zuzutrauen wäre. Ich hielt alle virtuellen Daumen für meine Protagonisten gedrückt, dass sie doch bitte - bitte - ein halbwegs schönes Ende finden würden. Anscheinend haben meine Stoßgebete zum Lesegott auch etwas gebracht, denn auch wenn das Ende viel zu kurz war und eine Menge Potential verschenkte, bekamen eigentlich alle alles was sie wollten.

Auch wenn mir nicht ganz klar ist, ob denn mit einer Fortsetzung auch nach 7 Jahren noch zu rechnen ist, würde ich es mir sehr wünschen und sofort wieder kaufen, denn schließlich geht ganz am Ende die Liebesgeschichte ja erst richtig los und die ein oder anderen Frage ist ja schließlich auch offen geblieben.


Zum Schluss noch mein Lieblingszitat:


"Seine Lippen legten sich auf meine Kehle. Federleicht. Kaum mehr als ein Hauch. Kein Biss, ein...Kuss. Quälend sanft. "Jamás, mi luz!", rau, knurrend. Ein Flüstern, kaum zu verstehen. "Jamás! Niemals!" Sein Mund streifte meine Schulter, entsetzlich zärtlich. Dann war er fort."


Fazit:

Eine unglaublich intensive Geschichte über Magie, Vampire, Intrigen, Freundschaft, Liebe und Vertrauen.