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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.04.2018

Ein absolut mitreißendes Buch

Die geliehene Schuld
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Veras Freund Jonathan arbeitet wie sie Ende der vierziger Jahre in Berlin bei dem Magazin „Echo“. Als er für eine Geschichte über die Flüchtlingsströme in Europa recherchiert, muss er einer großen Story ...

Veras Freund Jonathan arbeitet wie sie Ende der vierziger Jahre in Berlin bei dem Magazin „Echo“. Als er für eine Geschichte über die Flüchtlingsströme in Europa recherchiert, muss er einer großen Story auf der Spur gewesen sein, denn aus Sorge, dass ihm etwas passieren könnte, schickt er Vera seine Unterlagen, verbunden mit der Bitte, die Recherche fortzuführen, wenn ihm etwas passieren sollte. Eigentlich wollte Vera die Vergangenheit voller Krieg, Hass und Verlust nur hinter sich lassen, doch als Jonathan tödlich verunglückt, ist es damit vorbei: Sie muss seine Geschichte zu Ende bringen und herausfinden, wer für seinen Tod verantwortlich ist.
Selten habe ich ein Buch so verschlungen wie „Die geliehene Schuld“ von Claire Winter. Der Aufbau des Romans mit Rückblenden zu Jonathans Recherchen im Wechsel mit der Gegenwart des Romans ein halbes Jahr später und Veras Recherche, sorgt für eine hohe Spannung und die Fakten, die die beiden über das Ende des Nationalsozialismus und handelnde Akteure aufdecken, lassen einen teilweise wirklich gruseln. Vera kämpft mühsam mit sich, um von einer antrainierten unpolitischen Haltung, in der sie einfach nur ihre Ruhe haben will, zu einer aktiven politischen Journalistin zu werden, die auch versteht, wofür Jonathan die ganze Zeit gestritten hat. Langsam tut sich ein Geflecht alter Mächte auf, die die Bundesrepublik keineswegs aus ihren Fängen gelassen hat, was auch Vera letztlich darin bestärkt, nicht aufzugeben. Sie ist eine starke Figur, die die Leser mitnimmt und berührt, was auch ein Grund dafür ist, dass einen diese Geschichte so angreift und bewegt, dass man nicht mehr aufhören kann. Man muss einfach immer weiterlesen.
Claire Winters historischer Roman „Die geliehene Schuld“ ist ein außergewöhnlich spannendes und mitreißendes Buch, das sich mit den Schattenseiten der Anfangszeit der Bundesrepublik beschäftigt. Es glänzt mit einer großartig durchstrukturierten Romanhandlung und lädt zum Nachdenken und Recherchieren buchstäblich ein, so unglaublich ist die Geschichte.

Veröffentlicht am 28.03.2018

Der perfekte Stadtführer

Hamburg MM-City Reiseführer Michael Müller Verlag
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Der nächste Städte-Trip steht an und für die Reiseplanung musste mal wieder ein Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag her. Matthias Kröner hat für den Verlag alles Wissenswerte rund um die Hansestadt ...

Der nächste Städte-Trip steht an und für die Reiseplanung musste mal wieder ein Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag her. Matthias Kröner hat für den Verlag alles Wissenswerte rund um die Hansestadt Hamburg zusammengeschrieben und in einem sehr übersichtlichen und interessanten Reiseführer zusammengefügt.
Neben dem Klassiker, die Stadtspaziergänge, die einem die einzelnen Stadtviertel mit ihren Sehenswürdigkeiten, aber auch Essens- und Shoppingtipps näher bringen, gefällt mir hier besonders der Einführungsteil. Man bekommt einen tollen Überblick, was die Highlights der Stadt sind, wo man gut essen kann und was man vielleicht lieber auslassen sollte, wenn man sich nicht mit Massen von anderen Touristen durch die Gegend schieben will. Die Kritik an der Hafenrundfahrt kann ich gut nachvollziehen – wir werden sie trotzdem machen, einfach weil es für uns dazu gehört. Aber die Tipps sind toll gestaltet und bringen auf sehr gut lesbare und übersichtliche Art und Weise einen Überblick, was man in Hamburg machen kann. Auch das Material an Stadtplänen und die Übersicht zum öffentlichen Nahverkehr ist wie immer dabei, man findet sich also problemlos in der Stadt zurecht, auch wenn man vorher noch nicht in Hamburg war.
Ein besonderer Bonus ist abschließend der Teil „Nachlesen & Nachschlagen“, der zum Schmökern einlädt und sicher auch schon die Zugfahrt bei der Anreise durch kurzweilige Lektüre verkürzen kann. Der Hamburg-Reiseführer von Matthias Kröner überzeugt durch tolle Tipps und Übersichtlichkeit, das kann ich nur weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 16.03.2018

Eine tolle Geschichte

Bis zum Himmel und zurück
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Katja sitzt gerade an einem Drehbuch über eine Familienserie, als ein Anruf ihr Leben durcheinander wirft: Ihre Mutter, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt hat, meldet sich um ihr Bescheid zu geben, ...

Katja sitzt gerade an einem Drehbuch über eine Familienserie, als ein Anruf ihr Leben durcheinander wirft: Ihre Mutter, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt hat, meldet sich um ihr Bescheid zu geben, dass ihr Vater im Koma liegt. Der Vater, der sie vor über zehn Jahren einfach im Stich gelassen hat, nachdem ihre jüngere Schwester bei einem Unfall ums Leben kam. Er verließ ihre Mutter für eine andere Frau und auch Katja hat nie wieder etwas von ihm gehört. Jetzt muss sie sich der Frage stellen, ob sie alles so belassen will wie es ist, oder aus ihrem Schneckenhaus herauskommt, um ihren Vater zu besuchen und eventuell sogar seine neue Familie kennenzulernen. Eine schwere Frage für Katja, die alte Wunden wieder aufreißt.
Der Titel und das Cover wirken zwar wie ein etwas kitschiger Liebesroman, aber wie bei ihrem Debut „Auf Null“ überzeugt Catharina Junk wieder mit einer sehr schönen und gar nicht kitschigen Geschichte. Katja ist eine sehr ambivalente Hauptfigur, die nicht nur sympathisch ist, sondern einen als Leser auch das ein oder andere Mal mit ihrer Sturheit auf die Palme bringen kann. Doch davon lebt die Geschichte, denn der Leser kann sich zwar gut in Katja einfühlen, dabei aber auch die anderen Perspektiven gut nachvollziehen. Das Buch ist zwar an vielen Stellen traurig, aber die Autorin Catharina Junk schafft es dennoch immer, eine gewisse Komik einfließen zu lassen, so dass man beim Lesen immer noch viel Freude hat und nicht von negativen Gefühlen überrannt wird. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt sich daran, wie Katjas Figur angelegt ist: sie gibt sich die Schuld am Tod ihrer Schwester, ihre Vater hat sie verlassen, ihre Mutter wurde alkoholabhängig, der Beginn ist eigentlich prädestiniert dafür, auch Katja in den Abgrund zu stoßen. Die die Autorin gibt ihrer Figur die Chance, ihr Leben neu zu beginnen und lässt uns Leser auf manchmal traurige, aber oft auch komische und immer mitreißende Art daran teilhaben.
Catharina Junk ist auch mit ihrem zweiten Roman „Bis zum Himmel und zurück“ ein bewegender, spannender und unterhaltsamer Roman gelungen, der einfach Freude am Lesen macht. Ihr Blick auf menschliche Emotionen und ihr Mitgefühl für die Hauptfigur sprechen aus jeder Zeile und machen das Buch für jeden Leser zu etwas Besonderem, was lange in Erinnerung bleibt. Das perfekte Buch, um ein Wochenende auf dem Sofa abzutauchen und sich voll auf Katja und ihr Schicksal einzulassen.

Veröffentlicht am 15.03.2018

Eine Familie am Abgrund

Stellt euch vor, ich bin fort
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Es gibt Menschen, die haben ein leichtes Leben. Sie sind glücklich mit ihrer Familie, gesundheitlich geht es allen gut und die Entscheidungen im Leben sind leicht zu treffen, weil ein ruhiger Weg vorgezeichnet ...

Es gibt Menschen, die haben ein leichtes Leben. Sie sind glücklich mit ihrer Familie, gesundheitlich geht es allen gut und die Entscheidungen im Leben sind leicht zu treffen, weil ein ruhiger Weg vorgezeichnet ist. Aber es gibt auch die andere Möglichkeit, den steinigen Weg, den Margeret wählt, als sie sich für ihre Liebe John entscheidet, obwohl sie weiß, dass er unter bipolaren Störungen leidet, die wohl nie ganz verschwinden werden. Sie bekommen drei Kinder, leben halbwegs glücklich zusammen, denkt man als Leser zunächst. Doch Johns Krankheit beeinflusst das Leben aller, auch noch in der nächsten Generation und ist das prägende Element, um das die Familie kreist, immer und ohne Ausnahme.
„Stellt euch vor, ich bin fort“ von Adam Haslett ist ein unglaublich aufwühlendes und emotionales Buch. Diese Krankheit, die nicht steuerbar ist, zerreißt die Familie beinahe und während Margaret immer versucht, Johns Verhalten auszugleichen, kommt sie irgendwann an einen Punkt, wo sie auch das nicht mehr kann. Die drei Kinder können ihre Lebensentwürfe nicht unbeeinflusst von der Erkrankung gestalten und schwanken so immer zwischen Vorwürfen und Mitgefühl für ihre Mutter. Zwar sind sie eine Familie und auch oft zusammen, doch jeder ist wie eine Insel in dieser Gemeinschaft mit eigenen Problemen beschäftigt, ständig von dem Versuch vereinnahmt, ein Leben zu schaffen, dass sich nicht um den Vater, seine Erkrankung und sein Schicksal dreht, welches besonders für seinen ältesten Sohn Michael ungeahnte Folgen hat. Die Geschichten haben mich sehr berührt, Adam Haslett reißt einen regelrecht in die Handlung hinein und schont die Leser nicht. Wir müssen uns mit den Figuren auseinandersetzen, dürfen nicht wegsehen, müssen uns konfrontieren mit dieser zerrütteten Familie, die doch eigentlich hätte glücklich werden sollen. Der Autor schafft es auf bemerkenswerte Weise, Mitgefühl für alle Positionen zu wecken und uns alle Figuren mit ihren Eigenarten nahe zu bringen. Das macht das Buch zu etwas Besonderem, was einen nach der Lektüre nicht loslässt, sondern weiter beschäftigt und in einem arbeitet.
Was wäre wohl passiert, wenn Margaret oder John sich in dieser oder jener Situation anders verhalten und anders entschieden hätten? Wären ihre Kinder jetzt glücklicher, während sie als junge Erwachsene ihren Weg suchen? Diese Fragen schwirren einem im Kopf herum, während man die Familie auf einer Reise begleitet, die sie fast zerreißt und die kein Happy End im eigentlichen Sinne haben kann. Ob Hasletts Schluss dann doch ein glücklicher ist, sollte jeder Leser für sich selbst entscheiden. Mich hat der Roman „Stellt euch vor, ich bin fort“ von der ersten bis zur letzten Seite beeindruckt und mitgerissen, es hat mich bewegt und nicht losgelassen und verbindet damit alles, was ein wirklich großartiges Buch mitbringen muss.

Veröffentlicht am 12.03.2018

Ein toller Erzählband

Strafe
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Die Welt ist nicht zu unterteilen in Schwarz und Weiß und was wir als Gut oder Böse empfinden, ist nicht immer im Einklang mit der juristischen Sichtweise auf die Dinge. In mehreren Erzählungen zeigt Ferdinand ...

Die Welt ist nicht zu unterteilen in Schwarz und Weiß und was wir als Gut oder Böse empfinden, ist nicht immer im Einklang mit der juristischen Sichtweise auf die Dinge. In mehreren Erzählungen zeigt Ferdinand von Schirach, wohin Einsamkeit und Verzweiflung die Menschen treiben kann und dass das Rechtssystem nicht immer wirklich Recht hat, wenn man es von der persönlichen oder emotionalen Position betrachtet. Im Mittelpunkt dieser Erzählungen steht immer der Mensch als Teil eines Gefüges. Die Gesellschaft, die Erwartungen an ihn hat (z.B. bei der Schöffin) oder auch nur ein Partner, der Hilfe erwartet in einem Rahmen, der alles übersteigt.
Ferdinand von Schirach fasst in seinem Buch „Strafe“ viele Erzählungen zusammen, die einen als Leser sehr berühren. Sie sind sehr sachlich und distanziert beschrieben und führen eben dadurch die Absurdität der Situationen vor Augen und machen es für den Leser so nah, wie es anders gar nicht möglich gewesen wäre. Der Autor verurteilt seine Figuren nicht, er beobachtet nur. Die Charaktere sind in den seltensten Fällen böse, sie sind allein, überfordert oder vielleicht auch rachsüchtig und persönlich betroffen. Ob sie ihre Strafe erhalten oder nicht hat nichts mit der wirklichen Tat zu tun, sondern mit Zusammenhängen, die aufgedeckt oder eben unter den Teppich gekehrt werden. Mich haben die Erzählungen sehr bewegt. Besonders wie abwechslungsreich und verschieden die Situationen waren, hat mir außerordentlich gut gefallen.
„Strafe“ ist ein großartiges Buch, eine Sammlung von Erzählungen Ferdinand von Schirachs, der einem das Wesen der Menschen vor Augen führt und die Leser berührt durch die Darstellung seiner Figuren. Ein großartiges, kurzweiliges Buch, das viel zu schnell zu Ende war.