Profilbild von Anchesenamun

Anchesenamun

Lesejury Profi
offline

Anchesenamun ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Anchesenamun über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.01.2017

Ganz nett, aber hatte mir mehr Geschichten erwartet

"Keine Ahnung, wo wir hier gerade sind"
0

Ich bin selbst schon mehrere Male mit dem Fernbus gefahren, und mir gefällt diese meist kostengünstigere Art des Reisens, wenngleich man es auch hier immer mal wieder mit Unannehmlichkeiten wie nervigen ...

Ich bin selbst schon mehrere Male mit dem Fernbus gefahren, und mir gefällt diese meist kostengünstigere Art des Reisens, wenngleich man es auch hier immer mal wieder mit Unannehmlichkeiten wie nervigen Mitfahrern, zu wenig Platz, Verspätungen oder Kamikaze-Busfahrern zu tun hat. Mir persönlich ist bei meinen Fahrten jedoch noch nichts Irrwitziges passiert, und deshalb war ich umso gespannter auf Sina Poussets Erzählungen.

Eines muss man der Autorin lassen: Sie scheint ihr halbes Leben im Bus zu verbringen, reist kreuz und quer durch Deutschland und hat somit natürlich schon vieles erlebt. Sie kennt sich aus und hat Routine - sollte man zumindest meinen. Allerdings ist auch Pousset nach so vielen Fahrten nicht vor den Tücken des Busfahrens gefeit. Auf den letzten Drücker am Abfahrtsort ankommen, den Bussteig nicht finden, die wichtigsten Dinge unerreichbar nach unten packen, viel zu viel Gepäck mitnehmen und Wesentliches vergessen: Die Autorin ist herrlich unperfekt und steht auch dazu. Das machte sie mir schnell sympathisch.

Auch sprachlich wird hier einiges geboten. Poussets Schreibstil ist eloquent und pfiffig, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor und Selbstironie. Der Humor der Autorin gefällt mir.

Mir persönlich hat das Buch jedoch inhaltlich nicht so zugesagt. Ich hatte mir auf Grund des Klappentextes heitere Anekdoten aus dem Fernbus erhofft. Diese findet man hier jedoch nur selten und dann auch nur wenige Zeilen lang. Ansonsten ist das Buch eher eine Art nicht ganz ernst gemeinter Ratgeber rund um das Thema "Reisen mit dem Fernbus". Was ja auch nicht ganz verkehrt ist, aber wie gesagt, ich hatte etwas Anderes erwartet und mir haben die Geschichten gefehlt. So fand ich es nach einiger Zeit dann doch etwas langweilig und trocken, zwischendurch verließ mich auch mal die Leselust und ich legte das Buch ein paar Tage weg. Ich muss nicht x-mal mit der vollbepackten Autorin auf den letzten Drücker zum Bahnsteig hechten, um dann ihren pseudo-philosophischen Gedankengängen zu verschiedenen Themen zu folgen. Statt stereotype Beispiele aufzuzählen, hätte ich mir mehr konkrete Erlebnisse gewünscht. Dazu dann noch die Kästen, in denen selbst erfundene Begriffe wie "Der WLAN-Infarkt" oder "Die Ruckschuld" erklärt werden, welche ich persönlich nicht witzig fand und die den Lesefluss deutlich hemmten.

Von daher ist es vielleicht ein lustiges Geschenk für jemanden, der seine erste Fahrt mit dem Fernbus noch vor sich hat. Die Autorin hat schon auch interessante Gedankengänge und ich musste ab und zu schmunzeln. Schreibstil und Humor der Autorin sind klasse. Aber ich hätte mir hier statt eines Pseudo-Ratgebers eine Sammlung erfrischender Reiseanekdoten gewünscht und wurde mit diesem Buch leider nicht warm.

Veröffentlicht am 06.01.2017

Viel auf Spekulationen basierende Biographie einer umstrittenen Persönlichkeit

Die Kriege der Viktoria Savs
0

Ich habe ja schon viele Bücher über den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit gelesen, aber über den Ersten Weltkrieg weiß ich ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Dass es damals auch so genannte "Heldenmädchen" ...

Ich habe ja schon viele Bücher über den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit gelesen, aber über den Ersten Weltkrieg weiß ich ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Dass es damals auch so genannte "Heldenmädchen" gab, also Frauen, die als große Ausnahmen im Militärdienst dienten, obwohl dies nicht vorgesehen war, fand ich sehr spannend. Deshalb wollte ich die Geschichte von Viktoria Savs unbedingt lesen.

Es gibt zahlreiche (historische) Zeitungsberichte über diese Frau, die damals zur Heldin hochstilisiert wurde, letztendlich aber eine umstrittene Figur auch unter Militärangehörigen blieb. Sowohl im Ersten als auch Zweiten Weltkrieg war sie aktiv und wurde dort für Propagandazwecke "missbraucht" - oder auch nicht, denn so wie es aussieht, hat die kampfbegeisterte Viktoria selbst all die Heldengeschichten um ihre Person nur zu gerne in Umlauf gebracht bzw. bestätigt.

Nun ist also der Journalist Frank Gerbert auf Viktoria Savs Spuren gewandelt. Gleich im Vorwort kam für mich das überraschende Eingeständnis, dass Gerbert lediglich den Versuch vornehmen kann, ein Bild von Viktoria Savs zu zeichnen. Ich hatte eigentlich vermutet, dass er mehr gesicherte Informationen über diese Frau zu bieten hätte und hier mit einer fundierten Biographie aufwartet. Dem ist jedoch nicht so, und so sind die meisten Geschichten rund um die Savs mit Vorsicht zu genießen, in einigen Teilen gibt es auch widersprüchliche Überlieferungen. Es muss also meist bei Mutmaßungen bleiben, was ich sehr schade fand. Immerhin ist der Autor aber diesbezüglich ehrlich, so dass man gleich zu Beginn weiß, worauf man sich beim Lesen einlässt.

Gerber rekonstruiert also anhand von Zeitungsberichten, erhaltenen Dokumenten, bereits vorhandenen Recherchearbeiten und Gesprächen mit Zeitzeugen Viktoria Savs Leben und ihren Charakter. Viele Überlieferungen bleiben hierbei umstritten und gehören in den Augen des Journalisten eher in das Reich der Mythen. So ist es zum Beispiel fraglich, ob Viktoria Savs wirklich als Soldatin an der Front gekämpft hat oder lediglich niedrige Aufgaben übernahm, für die durchaus auch Frauen eingesetzt werden konnten. So gibt es gar einen Leserbrief von anderen Soldaten, denen die Heroisierung ihrer "Kameradin" in den Zeitungen so sauer aufstößt, dass sie behaupten, ihr wurde der Fuß völlig unprätentiös bei einer Sprengung von Felsgestein abgerissen, als die Dame gerade auf dem Lokus weilte...

Die Frau, die der Leser kennenlernt, ist doch eher unsympathischer Natur. Viktoria war ein "Tomboy", verhielt sich Zeit ihres Lebens wie ein Mann, hatte vermutlich auch eine lesbische Beziehung mit einer jüngeren Frau, die sie offiziell nach dem Zweiten Weltkrieg adoptierte. Ihre Halbschwester, mit der sie jedoch kaum etwas zu tun hat, beschreibt Viktoria als herrisch, egozentrisch und wenig liebenswert. Dem Vater folgt sie begeistert in den Krieg, sie möchte unbedingt gegen die Italiener kämpfen. Auch nach dem Unfall, bei dem Viktoria einen Fuß verlor, wollte sie sofort wieder zurück an die Front. Später dann ließ sie sich nur allzu gern von den Nationalsozialisten einspannen und arbeitete u. a. als Spionin gegen ihre eigene Heimat. Ein Bild zeigt sie mit hohen Funktionären der gefürchteten Waffen-SS. Spätestens hier werden wohl alle Sympathien für sie verpuffen. So bezeichnet Gerber sie denn auch im seinem Schlusswort als "ebenso faszinierendes wie abstoßendes politisch-psychologisches Unikum".

Die ersten Kapitel fand ich noch etwas holprig, ich kam nicht so recht in den Schreibstil hinein. Das mag aber auch daran liegen, dass ich erstmal dem Buch gegenüber negativ eingestellt war, nachdem ich gelesen hatte, dass es lediglich auf Rekonstruktionen und Mutmaßungen basiert. Im Laufe des Buches fand ich jedoch immer mehr hinein, und dann ließ es sich auch flüssig und durchaus unterhaltsam lesen. Gerber hat keinen nüchtern-sachlichen Stil, sondern einen lockeren, ja mitunter humorigen Erzählstil, der das Buch recht kurzweilig gestaltete.

Alles in allem wird dem Leser hier eine interessante, wenn auch nicht gerade sympathische Persönlichkeit vorgestellt, von der leider noch zu viele Fakten im Dunkeln liegen, so dass man sich zusammen mit dem Autor oft mit Spekulationen zufrieden geben muss.

Veröffentlicht am 06.01.2017

Ganz nette Unterhaltung, aber ohne Emotionen und Höhepunkte

Das schwarze Loch in mir
0

"Das schwarze Loch in mir" ist so ein Buch, das mich eher emotionslos zurücklässt. Kernthema ist der Bau des Tunnels und die Veränderungen, die in dem (fiktiven) Dorf Fjeldvig vor sich gehen. Anfangs trifft ...

"Das schwarze Loch in mir" ist so ein Buch, das mich eher emotionslos zurücklässt. Kernthema ist der Bau des Tunnels und die Veränderungen, die in dem (fiktiven) Dorf Fjeldvig vor sich gehen. Anfangs trifft man eine harmonische Dorfgemeinde, die mich vom Lebensstandard an ein Amish-Dorf erinnert, wenn man mal moderne Dinge wie Telefone oder die zwei Computer in der Schule ausblendet. Doch man merkt schnell, dass hier viele Reibereien bestehen. Der Streit um die allen Dorfbewohnern gehörenden Schafe, das Alkoholproblem mancher Einwohner, die fehlende Toleranz gegenüber Davids Autismus. Als sich dann noch durch den Tunnelbau das Dorf mit der modernen Welt konfrontiert sieht, läuft einiges aus dem Ruder.

Die Geschichte wird aus Davids Sicht geschildert. Ich denke, dass es dem Autor durchaus gelungen ist, die Sicht eines Autisten realistisch wiederzugeben. David hat Probleme mit Ironie und Metaphern, er sieht Dinge natürlich anders als "normale" Menschen und ist oft mit einfachen Situationen überfordert. Obwohl er bereits 14 Jahre alt ist, hat er noch ein kindliches, unschuldiges Gemüt. Um sich selbst zu beruhigen, zählt er gerne Wetterrekorde und Vogelnamen auf, was zuweilen für die Anderen - und auch für den Leser - etwas anstrengend sein kann.

Die diesem Buch zugrunde liegende Idee ist eigentlich gut. Aber mich hat die Geschichte ehrlich gesagt ziemlich gelangweilt. Sie plätscherte so vor sich hin. Zu keiner Zeit konnte ich für die Figuren in der Geschichte irgendwelche Gefühle entwickeln. David tat mir leid, da er von allen gehänselt wird und keine Freunde hat. Dennoch konnte ich keine Bindung zu ihm aufbauen. Den Vater empfand ich als sehr anstrengende Person. Er ist über alle Maßen bigott und könnte mit seinen Ansichten genauso gut ins Mittelalter passen. Ständig zitiert er Bibelverse. Von seinem Gehabe her könnte er einer dieser schrägen Wanderprediger sein. Davids Mutter ist sehr liebevoll, und Peter ist wirklich ein toller großer Bruder.

Die anderen Dorfbewohner fand ich sehr unangenehm. Es gibt ein paar neutrale Leute, die ganz nett sind und zumindest nicht negativ auffallen. Aber der Rest ist einfach unsympathisch, und es ist frustrierend, dass fast niemand im Dorf mit David umgehen kann und auch nur ansatzweise versucht, ihn zu akzeptieren. Stattdessen wird er als Trottel beschimpft und ausgelacht. Wirklich positiv blieben mir nur der Lehrer und der Pastor im Gedächtnis.

Durch die vielen Landschaftsbeschreibungen kann man sich Fjeldvig ganz gut vorstellen. Ich persönlich war noch nie auf einer solchen Insel und fand die vielen Beschreibungen irgendwann ermüdend, ich bin aber generell kein Freund davon. Ich habe vermutlich einfach nicht genug für die Schönheit der mir völlig fremden Färöer-Inseln übrig und empfand vieles eher negativ: Das schlimme Wetter, die Abgeschiedenheit, der Rückschritt auf Fjeldvig nicht nur technisch, sondern auch in den Köpfen der Einwohner.

Die Altersempfehlung liegt bei 12 Jahren, aber ich zweifle etwas daran, dass das Buch junge Leser begeistert. Auch wenn es aus Sicht eines 14jährigen ist, fällt nicht nur die Identifizierung mit dem Protagonisten schwer. Auch die Handlung ist meiner Meinung nach nichts, was Teenager begeistert und fesselt. Der im Klappentext versprochene Höhepunkt in Form eines Unfalls kommt erst am Ende der Geschichte, so dass lange Zeit einfach keine Spannung aufkam und die Geschichte so vor sich hindümpelte.

"Das schwarze Loch in mir" ist ganz nette Unterhaltung, und wer einen Bezug zu den Färöer-Inseln hat, hat bestimmt seine Freude an dem Handlungsort. Ansonsten stehe ich dem Buch recht emotionslos gegenüber.

Veröffentlicht am 04.01.2017

Ganz unterhaltsam, aber ich hatte etwas Anderes erwartet

Soja-Steak an Vollmondwasser
0

Markus Barth ist Autor und Headwriter für Fernsehshows wie "Ladykracher" oder "Die Wochenshow" und tritt selbst als Stand Up-Comedian auf. In seinem neuen Buch macht er sich über den total übertriebenen ...

Markus Barth ist Autor und Headwriter für Fernsehshows wie "Ladykracher" oder "Die Wochenshow" und tritt selbst als Stand Up-Comedian auf. In seinem neuen Buch macht er sich über den total übertriebenen Hype um diverse Lebensmittel lustig.

Das Buch ist in vier Kapitel unterteilt: "Gesund! Vegan! Geschmacksneutral! Trendfood", "Besonders schlechte Ideen der Lebensmittelindustrie", "Auch Mutter Natur hat mal 'nen schlechten Tag" und "Leck mich am Arsch, sind wir kultiviert!". Seine Auswahl der Nahrungsmittel scheint dennoch recht willkürlich zu sein, und die jeweiligen Kapitelüberschriften sind im Endeffekt austauschbar. Von daher ist es eher ein Sammelsurium ohne wirklichen Sinn, dem ein roter Faden oder eine bestimmte Richtung fehlt.

Der Untertitel ist sowieso etwas irreführend. Es geht nicht nur um überschätztes Trend- oder Superfood. Hier wird einfach alles querbeet beschimpft und schlecht gemacht. Ich dachte erst, man könnte es z. B. diesen ewigen Öko-Bio-Faschisten in die Hand drücken und sagen: "Da, schau hin, dein Chia-Samen-Grünkohl-Smoothie ist für die Tonne." Aber es werden auch Sachen beschimpft, die wirklich ganz offensichtlich ungesund sind (z. B. Mars-Riegel, Maggi Fix, Schokopudding). Manche Lebensmittel wiederum werden zu Unrecht verunglimpft. Ich denke bzw. weiß, dass manche Sachen durchaus besser schmecken oder gesünder sind, als hier behauptet wird. Selbst das Grundnahrungsmittel Wasser wird gemobbt. Hier ist wirklich nichts Ess- oder Trinkbares vor Barth sicher!

Man lernt immerhin auch so manches über diverse Lebensmittel. So wusste ich z. B. nicht, dass die teuer verkauften Goji-Beeren auch in Deutschland wild wachsen. Aber es war schade, dass die meisten interessanten Fakten nicht weiter ausgeführt wurden.

Die wenigen s/w-Fotos im Buch waren nicht unbedingt nötig, da (fast) nur Lebensmittel gezeigt wurden, deren Aussehen den meisten Leuten eher geläufig sein dürfte. Ich weiß, wie Reiswaffeln, Physalis oder Ingwer aussehen. Mich hätte da eher interessant, wie man sich Tempeh oder Surimi vorstellen muss.

Bei aller Kritik: Der Humor an sich ist schon klasse. Das ist ein Feuerwerk an Wortwitzen, und die Beleidigungen sind sehr kreativ und einfallsreich. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Nahrungsmittel direkt angesprochen werden, was doch etwas kurios wirkt. Lustig zu lesen, aber leider so überspitzt, dass es mit der Zeit nichts Neues mehr ist und zu gewollt wirkt.

Ich glaube, das Buch würde zumindest bei mir als Hörbuch besser rüberkommen. Ich habe mir immer vorgestellt, wie sich jemand immer mehr in Rage brüllt. Richtig vorgetragen ist es bestimmt amüsant, aber wenn man es selbst liest, wird es irgendwann anstrengend.

Alles in allem hatte ich mir bei Titel und Klappentext etwas Anderes vorgestellt. Das Buch ist durchaus unterhaltsam, aber wirkt etwas kopf- und zusammenhanglos geschrieben. Nette Unterhaltung für zwischendurch, nicht mehr und nicht weniger.

Veröffentlicht am 23.05.2018

Gute Grundidee, öde Umsetzung

36 Fragen an dich
0

Ich wollte das Buch gerne lesen, da ich die Idee dahinter sehr spannend fand. Können sich zwei Fremde durch das Beantworten eines Fragenkataloges innerhalb kurzer Zeit so gut kennenlernen, dass sie sich ...

Ich wollte das Buch gerne lesen, da ich die Idee dahinter sehr spannend fand. Können sich zwei Fremde durch das Beantworten eines Fragenkataloges innerhalb kurzer Zeit so gut kennenlernen, dass sie sich anfreunden oder gar eine Beziehung eingehen würden?

Die Umsetzung allerdings war so la la. Zuerst einmal konnte ich den beiden Protagonisten nicht viel abgewinnen. Hildy ist irgendwie total farblos und langweilig. Sie erfüllt das typische Klischee der netten High School-Schülerinnen: Eigentlich total gut aussehend, aber denkt, sie sei für Männer nicht interessant genug. Sie lebt eigentlich ein angenehmes Leben in einer wohlhabenden Familie, hat jedoch Kummer, da ihre Eltern kurz vor der Trennung stehen. Um das Klischee perfekt zu machen, hat sie natürlich noch einen obligatorischen besten schwulen Freund.

Hildys Gegenpol bildet Paul. Der Typ mit der tättowierten Träne unter dem Auge. Der Typ, der abweisend, unfreundlich und brutal ehrlich ist. Der Bad Boy, der eine schwere Kindheit hatte und niemanden an sich ranlassen will.

Da wird es natürlich schwierig, ein ernsthaftes Gespräch zu führen, wenn zwei solch verschiedene Welten aufeinandertreffen. Und tatsächlich läuft der Versuch total aus dem Ruder. Ein teurer Fisch fliegt – Ich mag es übrigens nicht, wie wenig Hildy dem Wert eines Fischlebens beimisst! – und Hildy macht sich aus dem Staub. Was im Nachhinein ärgerlich ist, weil sie Paul eigentlich ziemlich supi fand, obwohl er so mies zu ihr war. Aber der macht sie zum Glück ausfindig, und so geht das mit den Fragen eben online weiter.

Und spätestens hier hat mich die Langeweile gepackt. Vielleicht lag es daran, dass ich erst kurz vorher „New York zu verschenken“ von Anna Pfeffer gelesen hatte, welches komplett im Chat-Stil verfasst wurde. Ich finde diese Art von Kommunikation anstrengend. Vor allem wenn sie mit Tipp- und Grammatikfehlern verziert wird, um das Ganze authentisch zu machen. Die Fragen und vor allem die Antworten der beiden erschienen mir schier endlos. Und das ewige Herumgeeiere, fast schon wie im Kindergarten, nervte mich zunehmend. Erst im letzten Viertel konnten die beiden mich dann nochmal aufwecken, als es wieder zum Real Life-Treffen kam und noch so einige Dinge geklärt wurden. Das Ende war dann auch total überraschend – nicht.

Die 36 Fragen an sich sind ganz interessant. Ich kann mir gut vorstellen, dass man mit seinem Gegenüber eine Bindung eingehen kann, wenn man sich darauf einlässt. Und ja, Hildy und Paul lernen sich dadurch immer besser kennen. Aber mal ehrlich: Würden die beiden nicht toll aussehen und hätten sich nicht bereits auf den ersten Blick optisch anziehend gefunden, hätten die 36 Fragen sie auch nicht zusammengebracht. Im Endeffekt konnten sie damit halt ausschließen, dass der heiße Hengst/die süße Schnecke kein totaler Psycho ist. Aber ich fand weder Paul noch Hildy besonders liebenswert. Paul hat immerhin noch den „Ich hatte schweres Leben, bin aber gar nicht so tough, wie ich tue“-Mitleidsbonus. Und ja, sie sind beide ganz nett. Aber das war’s halt eben auch. Von daher hat die Geschichte mir kein Herzklopfen entlockt, sondern eher ein müdes Lächeln.

Alles in Allem ist „36 Fragen an dich“ ein ganz netter Roman mit einer guten Grundidee, die allerdings meiner Meinung nach recht öde umgesetzt wurde. Wer aber kein Problem mit langweiligen Stereotypen und Klischees hat, der wird sich hier ganz gut unterhalten fühlen.