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Veröffentlicht am 26.10.2018

48 Stunden

Slow Horses
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Nach und nach sind sie zum Slough House gekommen. Eine Abteilung des Service zwar, doch eine, deren Funktion nicht richtig greifbar ist. Bei dem letzten Neuzugang handelt es sich um River Cartwright. Mit ...

Nach und nach sind sie zum Slough House gekommen. Eine Abteilung des Service zwar, doch eine, deren Funktion nicht richtig greifbar ist. Bei dem letzten Neuzugang handelt es sich um River Cartwright. Mit seinem letzten Einsatz hat der die halbe Stadt lahmgelegt und auch noch den Falschen erwischt. Zwar handelte es sich um eine Übung. Aber Fehler ist Fehler und Fehler, die viele Menschenleben kosten könnten, dürfen noch nicht einmal während Übungen gesehen. River mag seine neuen Kollegen nicht, obwohl diese sich in einer ähnlichen Situation befinden. Mit Widerwillen arbeitet er an der Überwachung einer Zielperson. Die Entführung eines pakistanisch-stämmigen Jugendlichen könnte für die Agenten des Slough House die Chance sein, sich zu rehabilitieren.
Eine Abteilung der Entsorgten, der Weggelobten, ein Chef, der undurchsichtig seines Amtes waltet, ein geheimnisvoller Entführungsfall, der in kein Schema passt. Ein Opfer, zu dessen Rettung sich viele aufmachen und doch zunächst scheitern. Wie langsam entschlüsselt wird, wer welche Rolle spielt, wer welche Ziele verfolgt, wie Fäden zusammen gehalten werden und schließlich alles an seinem Platz ist. Lauter gute Ideen schmücken diesen ersten Band um die „Insassen“ des Slough House. Doch leider will der Funke nicht so recht überspringen. Manche Schilderungen erscheinen zu sachlich und zu distanziert. Zu subtil verfolgt der Autor den Wunsch, dem Leser seine Gedanken beinahe unmerklich unterzuschieben. Mitunter wirkt es so als säßen unbeteiligte Dritte in einem Club und erzählten bei einer Zigarette von fernen Ereignissen. Ortswechsel ohne große Erklärungen führen zum Teil zu Verwirrung. Erst in der zweiten Hälfte des Buches wird das Bild klarer und die Logik hinter den Ereignissen entfaltet sich. Dann erst kommt Spannung auf, wie man es bei einem Krimi wünscht.
Es mag vielleicht der persönlichen Situation des Lesers geschuldet sein, dass sich der Reiz dieses Romans nicht so recht offenbaren wollte, denn wie bereits erwähnt, die verarbeiteten Ideen sind bemerkenswert originell, doch weitere Ermittlungen müssen die Agenten des Slough House alleine anstellen. Einer Verfilmung, die vielleicht eher die wünschenswerten Spannungselemente enthalten würde, wird gerne entgegen gesehen.

Veröffentlicht am 02.09.2018

Väter und Töchter

Shylock
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Der reiche Kunstsammler Strulovitch hat es nicht leicht mit seiner 16jährigen Tochter Beatrice. Ihren Jahren voraus ist sie in die Kreise älterer und etwas dekadent lebender Reicher geraten. Und nun ist ...

Der reiche Kunstsammler Strulovitch hat es nicht leicht mit seiner 16jährigen Tochter Beatrice. Ihren Jahren voraus ist sie in die Kreise älterer und etwas dekadent lebender Reicher geraten. Und nun ist sie auch noch mit einem Fußballer durchgebrannt. Das schlägt dem Faß nun wirklich den Boden aus. Strulovitch sucht Rat bei seinem Zufallsbekannten Shylock, der verwitwet ebenfalls von seiner Tochter entfremdet ist. Mehr als alles andere will Strulovitch erreichen, dass seine Tochter wieder bei ihm und ihrer kranken Mutter ist. Einfach wird das allerdings nicht, denn die junge Frau ist doch sehr gewitzt.

Zum 400. Todestag des großen Barden William Shakespeare wurde mit der Veröffentlichung einer Reihe von Romanen begonnen, mit denen bekannte Schriftsteller einige der Werke des Meisters in der heutigen Zeit nachempfunden haben. Eine wunderbare Ehrung für den einzigartigen Dichter. Howard Jacobson hat sich dabei des „Kaufmanns von Venedig“ angenommen. Mit eleganter Sprache gibt er die Gespräche zwischen Strulovitch und Shylock wieder, die an ihren Familien zweifeln und verzweifeln. Wie sollen sie Shylock, verwitwet, und Strrulovitch, dessen Frau nach einem Schlaganfall ans Bett gefesselt ist, mit ihren Töchtern umgehen. Zwischen ihnen ihre Freiheit lassen und dem sie helikopterartigen Beschützen schwanken sie, ohne ein Gleichgewicht zu finden. Wie soll ein Vater da seinen Weg finden?

Eine tolle Idee, die einen veranlasst, sich zunächst noch einmal etwas mit der originalen Geschichte zu beschäftigen, um sich der Interpretation des Autors zuwenden zu können. Man versucht sich in die Denkweise von Strulovitch und Shylock hineinzuversetzen, sich am Witz der Geschichte zu erfreuen und die gelungene Übertragung der Story in die heutige Zeit zu würdigen.
Zwar wird es jeder heutige Autor schwer haben, es mit Shakespeares Original aufzunehmen, aber dennoch gibt der vorliegende Roman viel und erinnert auf wunderbare Weise an den großen Meister, dessen Werke es jederzeit verdienen wieder gelesen zu werden.


Veröffentlicht am 04.08.2018

Marrakesch

Niemals
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Obwohl sich Jenny Aaron trotz ihrer Blindheit gut in ihrer Umgebung orientieren kann, hat sie sich mit ihrer Behinderung nicht abgefunden. Über eventuelle Behandlungsmöglichkeiten und über noch einige ...

Obwohl sich Jenny Aaron trotz ihrer Blindheit gut in ihrer Umgebung orientieren kann, hat sie sich mit ihrer Behinderung nicht abgefunden. Über eventuelle Behandlungsmöglichkeiten und über noch einige Themen will sich Jenny während eines Aufenthaltes in Schweden Klarheit verschaffen. Etwas überrascht ist sie von dem Angebot, zur Abteilung zurückzukehren. Zwar würde sich damit ihr sehnlichster Wunsch erfüllen, aber kann sie den Job überhaupt noch ausüben? Natürlich kann Jenny Aaron nicht ablehnen und gemeinsam mit ihren ehemaligen Partner Pavlik übernimmt sie einen Fall, der sie in große Gefahr bringt.

In ihrem zweiten Auftritt muss Jenny Aaron abwägen, inwieweit sie ihre Tätigkeit trotz ihrer Sehbehinderung ausüben kann. Gleichzeitig erweist sich der Fall als äußerst knifflig, immer mehr Bezüge zu ihrer Vergangenheit und alten Fällen tauchen auf. Hin und hergerissen zwischen der Sorge um ihre Gesundheit und ihrem Willen, die Ermittlung zum Abschluss zu bringen, schwebt Jenny Aaron häufig in Gefahr, sich zu viel zuzumuten.

In diesem intelligent komponierten Thriller wird sachkundig über das Leben mit einer Sehbehinderung geschrieben. Man bewundert Aaron wie sie es gelernt hat, das Sehen mit anderen Sinnen zu ersetzen. Fast wirkt sie wie eine Frau mit Superkräften. Gerade wenn sie als Polizistin sich gegen Verbrecher behaupten muss, erscheint es beinahe unglaublich, wie sie das alles schafft. Gleichzeitig fordert der Fall sie außerordentlich, um ihr hier folgen zu können, wird in die Vergangenheit zurückgeblendet. Mitunter ist man doch etwas erstaunt, welche Befugnisse die Abteilung hat. Heutzutage wundert man sich zwar manchmal über gar nichts mehr, aber man fragt sich schon, ob es nicht doch etwas zu weit geht. Durch die zwar interessante Beschäftigung mit dem Umgang mit der Blindheit und die erläuternden Rückblenden geht allerdings die Spannung ein wenig verloren. Und so kleinteilig der Verlauf der Untersuchung beschrieben wird, so plötzlich und schnell kommt die Auflösung.

Dieser kluge Kriminalroman erfordert aufmerksames Lesen und bietet informative Unterhaltung.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Die Buchhändlerin

Ed ist tot
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Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Schon vor einiger Zeit ist eine gute Freundin der Buchhändlerin Jen verschwunden. Jens Leben verläuft eigentlich in ruhigen Bahnen, müsste sie sich nicht immer wieder ...

Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Schon vor einiger Zeit ist eine gute Freundin der Buchhändlerin Jen verschwunden. Jens Leben verläuft eigentlich in ruhigen Bahnen, müsste sie sich nicht immer wieder über ihren Freund Ed aufregen. Nachdem er sich mal wieder ganz besonders blöd verhalten hat, schafft sie es, sich von ihm zu trennen. Leider vergisst sie, ihm den Schlüssel zu ihrer Wohnung abzufordern. Als Jen also eines Abends spät nach hause kommt, hört sie Geräusche in ihrer Wohnung. Entsetzt glaubt sie an einen Einbrecher und mit einem Küchenmesser bewaffnet will sie diesen davon jagen. Unglücklicherweise stolpert der vermeintliche Einbrecher aus dem Wandschrank direkt in die Klinge. Und unglücklicherweise ist es Ed.

Ed ist tot. Vage kommt Jen die Idee, sie könnte die Sache ehrlich bei der Polizei melden. Je länger sie allerdings nachdenkt, desto unwahrscheinlicher erscheint es ihr, dass man ihr glauben wird. Schließlich war Ed kein Kind von Traurigkeit. Sein Verhalten und das, was er in ihrem Wandschrank versteckt hatte, könnten schon für ein Motiv gehalten werden. Jen wendet sich daher nicht an die Polizei, sondern an Eds Mitbewohner Dave, mit dem sie berät, was zu tun ist. Und nun tritt sie aus der beschaulichen Buchhändlerwelt heraus, in der man Kriminalromane eigentlich nur liest. Auf sie wartet ein skurriles Abenteuer in der Welt der Schuldeneintreiber und anderer Verbrecher, in der sie sich bald besser zurecht findet als sie selbst von sich erwartet hätte.

Welch ein toller Ansatz für einen schrägen schwarzhumorigen Roman. Allerdings werden die Erwartungen, die der so aus der normalen Welt gefallene Beginn weckt, nicht ganz erfüllt. Auf ihrem Pfad durch die Unterwelt, überschreitet Jen eine gewisse Grenze und wie im Buch mehrfach erwähnt pflastern Leichen ihren Weg. Das wirkt dann doch manchmal wie etwas zu viel des Guten oder besser des Bösen. Insgesamt liest sich der Roman schnell und er ist so spannend aufgebaut, dass man wissen will wie es weitergeht. Allerdings wären mehr skurrile Situationen, in denen es ein knappes Entkommen gegeben hätte, vielleicht witziger gewesen und ein paar Leichen weniger wären mehr gewesen. Doch schließlich schafft es Jen, die Sympathien zurück zu gewinnen. Man wünscht ihr, dass sie ihren Ausflug in die Unterwelt hinter sich lassen kann, und sich fröhlich einem neuen Buchhändlerdasein widmet.

Veröffentlicht am 26.07.2018

Die Madonna

Schattenbach
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Museumsdirektor mag er sich nicht nennen, schließlich betreut er die kleine Kunstsammlung des Ortes Schattenbach alleine. Mit der Belebung des Museums, bei dessen Schmuckstück es sich eine Madonnenfigur ...

Museumsdirektor mag er sich nicht nennen, schließlich betreut er die kleine Kunstsammlung des Ortes Schattenbach alleine. Mit der Belebung des Museums, bei dessen Schmuckstück es sich eine Madonnenfigur handelt, kommt der Archäologe Mario Carozzi nicht so recht voran. Da ist es im beschaulichen Schattenbach fast schon eine Sensation als die Figur verschwindet. So wertvoll ist die Madonna doch auch wieder nicht. Aber wieso war sie nicht in der Kirche untergebracht. Eine Anzeige bei Bürgermeister und Dorfpolizisten bringt nicht viel, außer dass Carozzi selbst unter Verdacht gerät und nun selbst beginnen muss, nach der Heiligenfigur zu fahnden.

Gerade erst frisch angestellt wird aus dem Archäologen eine Art Privatermittler. Der Dorfsheriff macht sich seine Welt so wie sie ihm gefällt, was mit ordentlicher Polizeiarbeit nichts zu tun hat. Als Täter kommen nur der Zugereiste oder die neue Putzfrau in Betracht. Die Lage verschlimmert sich als eine Leiche gefunden wird. Nun wird es wirklich Zeit, den dörflichen Sumpf und Stumpfsinn zu durchdringen. Vielleicht wird die Madonna schon am internationalen Kunstmarkt angeboten. Wo kann es weitere Informationen über eine Heiligenfigur geben, wenn nicht in der Kirche des Ortes. Dort entdeckt Carozzi zwar weitere Figuren, aber keine Spuren.

Man merkt, dass der Autor auch Kochbücher geschrieben hat, denn sein Ermittler schwelgt des öfteren in kulinarischen Genüssen. Interessant, wenn die Mahlzeiten je nach Gemütszustand schärfer werden. Auch seine Unbefangenheit um Umgang mit den Bewohnern des Asylantenheims nimmt einen für Carozzi ein. Auch wenn es vielen am liebsten wäre, den Täter dort zu sehen, Carozzi bohrt weiter nach. Was er bei seinen Forschungen findet, bietet ein Abbild des dörflichen Lebens, das an der Oberfläche idyllisch scheint und bei dem, schaut man näher hin, zutage tritt, dass auch auf dem Dorf unter einem Deckmäntelchen so manches Unheil verborgen ist.

Dieser eher ruhige Krimi bietet stimmige Unterhaltung von einem, der sein Handwerk versteht.