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Veröffentlicht am 14.10.2018

wichtige Lektüre

Deutsches Haus
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Eva Bruhns, eine junge Dolmetscherin, erhält den Auftrag im ersten Auschwitz-Prozess für einen polnischen Kollegen einzuspringen. Sie soll die Zeugenaussagen der polnisch sprechenden Opfer und ...

Eva Bruhns, eine junge Dolmetscherin, erhält den Auftrag im ersten Auschwitz-Prozess für einen polnischen Kollegen einzuspringen. Sie soll die Zeugenaussagen der polnisch sprechenden Opfer und Überlebenden übersetzen.
Eva, die noch bei ihren Eltern lebt, erfährt von ihrem Umfeld, ihren Eltern, ihrer älteren Schwester und ihrem Verlobter, nur Widerspruch. Auf keinen Fall soll sie diesen Auftrag annehmen. Eva setzt sich durch.
Vollkommen unvorbereitet erfährt sie von den furchtbaren Leidenswegen der Opfer, der maßlosen Verleugnung der Täter, die ganz ohne Reue und Gefühlen alles von sich weisen.
Aber Evas Weg geht noch viel weiter...........


Ich bin dankbar, dass ich diesen Roman lesen durfte.
Das Cover ist so unscheinbar, dass ich das Buch in der Buchhandlung sicher übersehen hätte. Auch der Titel „Deutsches Haus“ erinnert mich eher an das Deutsche Haus, während der Olympischen Spiele, in dem sich die deutschen Sportler treffen.

Der Inhalt dieses Buches hat mich sehr beeindruckt. 1956 geboren, habe ich nicht viel von den Prozessen mitbekommen, außer später im Geschichtsunterricht, in dem sie aber auch nur kurz behandelt wurden.

Dieser Roman hat mich als Leser hautnah ins Geschehen gebracht. Sowie Eva sich Tag für Tag und Stück für Stück dem Thema und vor allem den Opfern nähert, so nähern auch wir Leser uns. Wenn unfassbare, einzelne Ereignisse von Opfern erzählt, beschrieben und dem einzelnen Tätern zugeordnet werden, dann sind sie glaubwürdig und real. Im Laufe des Prozesses wird deutlich, dass es keine einzelnen Opfer sind, sondern Hunderttausende und mehr gequält, gefoltert und getötet wurden. Das lässt mich auch nach über siebzig Jahren nicht unberührt.

Auch Eva muss feststellen, dass wir Deutschen nichts wiedergutmachen können.

Mit dem Wissen und dem Bewusstsein, was damals in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern passiert ist, müssen wir einen Weg finden, unser Leben weiter zu leben.

Danke Annette Hess

Veröffentlicht am 01.10.2018

Ergreifende Familiengeschichte aus unerwarteter Perspektive

Piccola Sicilia
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Nina Zimmermann, Archäologin, gerade in der Scheidungsphase mit ihrem italienischen Ehemann, wird von ihrem früheren Kollegen Patrice Legrand nach Marsala gerufen, weil er das verschollene Flugzeugwrack ...

Nina Zimmermann, Archäologin, gerade in der Scheidungsphase mit ihrem italienischen Ehemann, wird von ihrem früheren Kollegen Patrice Legrand nach Marsala gerufen, weil er das verschollene Flugzeugwrack gefunden hat, mit dem wahrscheinlich ihr Großvater Moritz Reincke bei seiner Rückkehr nach Deutschland abgestürzt ist.
Ihr Großvater arbeitete während des Rommelfeldzugs in Nordafrika als Fotograf und Kameramann für die Propagandamaschinerie der Nazis.
Während ihres Aufenthalts in Marsala lernt sie ihre Tante Joelle, Halbschwester ihrer Mutter kennen. Joelle erzählt ihr von ihrer anderen, ihr unbekannten, Familie und das ihr Großvater gar nicht mit diesem Flugzeug abgestürzt ist, sondern noch lebt.

Einen Roman mit diesem unscheinbaren und irgendwie nichtssagenden Cover hätte ich in der Buchhandlung sicher nicht in die Hand genommen, aber dann wäre mir so viel entgangen.
Für mich ist dies eins der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.

Es ist kurzweilig, unterhaltsam und gut zu lesen. In ziemlich kurzen Häppchen erzählt es eine große Familien- und Liebesgeschichte. Der überwiegende Teil ist Geschichtsunterricht.
Daniel Speck erzählt die Geschichte des Afrika-Feldzuges aus der Sicht der Tunesier, die zu Beginn des Feldzuges noch Tunesier, französischer, italienischer und arabischer Herkunft waren. In Piccola Sicilia lebten Juden, Christen und Muslime miteinander. Sie waren Nachbarn, halfen und respektierten sich untereinander. Dem Autor gelingt es, die Veränderung der Balance innerhalb der Religion nach Einmarsch der Deutschen, zu beschreiben. Zu Beginn helfen sich noch viele untereinander, aber die Nazi-Ideologie projiziert Risse in die Gemeinschaft, die nie wieder geschlossen werden. Das ganze findet in den Köpfen und den Gedanken statt. Daran und an vielen Diskussionen lässt uns der Autor teilhaben.
Schnell wird deutlich, dass alle Menschen in diesem Krieg verloren haben, die einen ihr Leben, die anderen ihre Heimat und wieder andere verloren ihre Heimat, auch wenn sie noch im gleichen Haus wohnen nach dem Krieg. Denn alles hat sich verändert und nichts wurde wieder wie vor dem Krieg.
Mich hat dieses Buch beeindruckt, nachdenklich gemacht und es wirkt nach.
Ich werde es nicht weitergeben, wie die meisten von meinen gelesenen Büchern. Es enthält so viele wunderbare Zitate und Sätze zum Nachdenken, dass ich es noch mehrmals lesen möchte.
Einzige kritische Anmerkung: Zum Ende fehlte mir noch etwas. Das Ende der Familiengeschichte war etwas unbefriedigend. Ich hätte gerne noch mehr aus Moritz Leben erfahren.

Veröffentlicht am 12.09.2018

Spannend und unvorhersehbar

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Spannend und unvorhersehbar

Die 8-jährige Daisy Mason aus Oxford wird vermisst. Die Eltern, Detective Inspector Adam Fawley und sein Team gehen von einer Entführung aus. Als keine Lösegeldforderung gestellt ...

Spannend und unvorhersehbar

Die 8-jährige Daisy Mason aus Oxford wird vermisst. Die Eltern, Detective Inspector Adam Fawley und sein Team gehen von einer Entführung aus. Als keine Lösegeldforderung gestellt wird, ermittelt die Polizei intensiv im Umfeld (Familie, Freundinnen und Schule), aber ohne Erfolg. Die Aussagen des Vaters und der Mutter werden aber immer widersprüchlicher, so dass sich die Ermittlungen immer mehr in ihre Richtung ausweiten. In den öffentlichen Netzwerken entfacht ein regelrechter Shitstorm gegen die Eltern, der in Brandstiftung auf Daisys Elternhaus gipfelt. DI Fawley und seine Kollegen müssen tief graben, um den Geheimnissen auf die Spur zu kommen.


Wenn ich mir das Cover ansehe, wird sofort klar, dass sich in diesem Haus keine Kinder wohlfühlen können. Alles wirkt düster und lieblos. Genauso könnte man auch die Familie Mason beschreiben.
Carla Hunter hat einen spannenden und düsteren Kriminalfall entwickelt. Die Charaktere, insbesondere der von Daisy, werden behutsam entschlüsselt. Die verschiedenen Beschreibungen und Aussagen der Nachbarn und Eltern von Daisys Freundinnen waren sehr aufschlussreich.

Besonders realistisch und leider heutzutage auch nicht wegzudenken waren die Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Umfangreicher Lokalkolorit gaben mir jederzeit das Gefühl einen originalen britischen Kriminalroman zu lesen.

Der Fall war äußerst kniffelig, nicht nur für DI Fawley, der mit seinen eigenen Dämonen kämpfen musste, sondern auch für den Leser, der gerne mit ermittelt. Viele Spuren gingen in verschiedene Richtungen. Zwischendurch hatte man das Gefühl, dass Daisy lebt, dann wieder, dass sie von einem Elternteil entsorgt wurde, um dann wieder.........
Für mich war dieser Kriminalroman nahezu perfekt. Er war spannend, ein bisschen gruselig, mit vielen Cliffhanger am Ende der Kapitel versehen, so dass man ihn nicht aus der Hand legen konnte und er fesselte mich von Anfang bis zum Ende.

Veröffentlicht am 05.09.2018

Coblenz und die Festung

Die Festung am Rhein
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Coblenz, Juni 1822
Der Bau der Festung Ehrenbreitstein macht große Fortschritte, als plötzlich Verrat und der Diebstahl wichtiger, geheimer Dokumente bekannt wird. Ein Verdächtigter wird schnell ausgemacht ...

Coblenz, Juni 1822
Der Bau der Festung Ehrenbreitstein macht große Fortschritte, als plötzlich Verrat und der Diebstahl wichtiger, geheimer Dokumente bekannt wird. Ein Verdächtigter wird schnell ausgemacht und verhaftet. Christian Berger, der Sohn eines französischen Offiziers und einer deutschen Mutter, wird in den Kerker geworfen und verhört. Seine Schwester Franziska verfolgt fassungslos die Verhaftung und setzt alles in Bewegung um ihren unschuldigen Bruder wieder frei zu bekommen.
Premierleutnant Rudolph Harten, nicht beliebt bei seinem Vorgesetzten Capitain von Rülow, da er als nicht Adeliger in den Offiziersstand erhoben wurde, bekommt den Auftrag dem Schuldigen, Pionier Berger, die Tat nachzuweisen.
Franziska und Rudolph geraten dabei kämpferisch aneinander, was sich im Laufe der Ermittlungen ändert..........

Ich war neugierig auf das Buch, weil deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts ein ziemlich leeres Blatt in meiner Sammlung ist. Ich liebe historische Romane, die gut recherchierten, weil sie alle meine Lücken auf unterhaltsame Weise füllen oder verloren gegangenes Wissen wieder auffrischen.

Bei diesem Buch habe ich richtig ins Schwarze getroffen. Maria W. Peter hat ganze Arbeit geleistet. Ihr Roman ist hervorragend recherchiert. Sie hat ihre Liebe zu dieser Region deutlich gemacht. Kartenmaterial, Glossar und Nachwort, in dem die gesamte geschichtliche Lage und Ereignisse noch einmal beschrieben werden, waren ausführlich und umfangreich. Alle historischen Figuren werden im Anhang nochmals mit wichtigen historischen Daten aufgeführt. Ergänzend gibt es Reise-und Stöbertipps um den Spuren der Figuren folgen zu können oder die Festungen und Burgen in dieser Region besuchen zu können.

Die Geschichte der Franziska, ihrem Bruder und des Rudolph Harten wurde einfühlsam, aber nicht kitschig erzählt. Ich habe den Verdacht, dass sie eigentlich nur dazu diente, die Lebensweise-und Bedingungen der einfachen Leute im Gegensatz zur preußischen Armee in der Köln/Koblenzer Region zu schildern. Die Koblenzer Bevölkerung hat große Schwierigkeiten mit den Gesetzen, Bauvorhaben und der nicht vorhandenen Religionsfreiheit unter ihrem neuen preußischen König klarzukommen. Ein Sammelsurium von Sprachen und Dialekten wird in Koblenz gesprochen, was die Autorin veranlasste dem Leser kleine Kostproben in Dialogen anzubieten, was dem Roman eine außergewöhnliche Lebendigkeit und Lokalkolorit verleiht.
Sequenzen aus der Schlacht um Waterloo ermöglichen dem Leser Verhaltensweisen und Entscheidungen nachzuvollziehen.

Selbst heutige Redewendungen wurden erklärt, die in dieser Zeit entstanden sind, wie zum Beispiel „Sich ins Hemd machen“.

Ich fühle mit bestens informiert und unterhalten. Ich freue mich schon auf ihr nächstes Projekt.

Veröffentlicht am 30.08.2018

Bedrückend aktuell

Hass im Fadenkreuz
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Nachdem Esther die Gruppe IFFAR in der Presse hat hochgehen lassen, sind die Mitglieder, auch Lys, in der Welt verstreut. Lys hält sich in Kambodscha in einer Kinderarzt-Praxis auf. Er hält brieflichen ...

Nachdem Esther die Gruppe IFFAR in der Presse hat hochgehen lassen, sind die Mitglieder, auch Lys, in der Welt verstreut. Lys hält sich in Kambodscha in einer Kinderarzt-Praxis auf. Er hält brieflichen Kontakt zur Esther. Sie glaubt er lebe zur Zeit in Thailand. Lys wird allerdings vom Hauptquartier aufgespürt und für einen wichtigen Auftrag zurückbeordert.
Der Vorsitzende der Partei für Recht und Freiheit und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Daniel Kraußler soll getötet werden.
Für Lys eine Gelegenheit Esther wiederzusehen. Bringt er mit seiner Rückkehr sich und Esther in Gefahr?

Dies war wieder ein bedrückender und aufrüttelnder Roman von Tatjana Flade. Die Fortsetzung von Herz im Fadenkreuz wirkt noch beklemmender und aktueller als sein Vorgänger.

Neben den Gesprächen und dem Pläneschmieden der eigentlichen Drahtzieher, natürlich ohne Namensnennung, wird Esthers Gefühlslage, ihre Ängste und Befürchtungen beschrieben. Kann sie mit einem Attentäter leben? Kann sie ihn vom Unrecht Gewalt gegen Gewalt überzeugen?

Mehrere Attentate, Schlägereien und Ausschreitungen bei Demonstrationen unterstreichen die Brisanz der Situation. Die einzelnen Szenen sind von der Autorin so gut beleuchtet worden, dass sich bei mir als Leser Fiktion und Realität zu vermischen drohten.

Lys’ Gedankengänge bleiben uns meist verborgen. Trotzdem wird augenscheinlich, dass er mit sich und vor allem um seine Liebe kämpft.

Es ist erschreckend dieses Buch während der Ausschreitungen von Chemnitz und immer wiederkehrender Angriffe von rechts zu lesen. Es ist bedrückend aktuell.

Es ist ein gutes, ein wichtiges Buch, das uns dafür sensibilisiert, was in unseren Zeit um uns herum passiert.

Augen auf und aufgepasst!