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Veröffentlicht am 05.06.2017

Zum Ende hin zu unrealistisch

Nur ein kleiner Gefallen - A Simple Favor
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Emily und Stephanie sind Freundinnen. So ist es selbstverständlich, dass Stephanie hin und wieder auf Emilys Sohn Nicky aufpasst. Das scheint nur ein kleiner Gefallen zu sein. Doch als Emily eines Tages ...

Emily und Stephanie sind Freundinnen. So ist es selbstverständlich, dass Stephanie hin und wieder auf Emilys Sohn Nicky aufpasst. Das scheint nur ein kleiner Gefallen zu sein. Doch als Emily eines Tages ihren Sohn nicht mehr abholt und vermisst wird, setzt Darcey Bell in ihrem Buch „Nur ein kleiner Gefallen“ eine Ereigniskette in Gang, die immer neue Wendungen hervorbringt.

Als Zuhörer wird man immer vorsichtiger, wem man überhaupt noch glauben soll. Geschickt setzt Darcey Bell die verschiedenen Sichtweisen zusammen. Während anfangs nur Stephanie spricht (und ihr Blog vorgelesen wird), kommen nach und nach weitere Sichtweisen hinzu, allen voran Emily. Mal tappt der Leser so im Dunkeln, mal weiß er mehr als einzelne Protagonisten. Dass die Erzählerstimme ihre Artikulation kaum verändert, verhindert nicht, dass man als Zuhörer immer misstrauischer wird. Sich von dem, was die einzelnen Personen sagen und denken, kann man sich bald nicht mehr einlullen lassen. Sympathisch ist einem keine der Figuren in „Nur ein kleiner Gefallen“.

Allerdings schießt mir Darcey Bell deutlich übers Ziel hinaus, denn die Handlung und die Handlungsweisen der Protagonisten werden von CD zu CD immer unwahrscheinlicher. „So dumm kann niemand sein“, habe ich mir beim Zuhören immer wieder gedacht, denn das Hörbuch wirkt gerade zum Schluss hin immer konstruierter und die Protagonisten handeln gelinde gesagt sehr, sehr unrealistisch und sind kaum bis gar nicht veränderungsfähig. Man könnte fast sagen, dass das Hörbuch gut in unser postfaktisches Zeitalter passt. Beabsichtigt dürfte das wohl aber nicht sein.

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Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Junge, der seinen Weg macht

Der Junge, der Träume schenkte
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Christmas ist die jugendliche Hauptfigur in Luca Di Fulvios Roman „Der Junge, der Träume schenkte“. Als Kleinkind kommt er nach Amerika und wächst an der Lower East Side auf. Di Fulvio versetzt seine Leser ...

Christmas ist die jugendliche Hauptfigur in Luca Di Fulvios Roman „Der Junge, der Träume schenkte“. Als Kleinkind kommt er nach Amerika und wächst an der Lower East Side auf. Di Fulvio versetzt seine Leser und Zuhörer in die 1920er Jahre der Gangster, Kleinganoven und Armut.

Christmas schummelt sich so durchs leben. Christmas gehört zu denen, die hoch spekulieren, ohne überhaupt etwas in Händen zu haben, geschweige denn in der Hinterhand. Das macht ihn sympathisch. So wird er zum Leiter einer gefürchteten Gang, ohne sich seine Hände schmutzig zu machen und gründet ein Untergrundradio, das zunächst einmal von den Pseudo-Gangstergeschichten lebt.

Parallel zum Gangsterdasein von Christmas wird die Geschichte von Ruth erzählt, der Christmas nach einer Vergewaltigung hilft und in die er sich verliebt. Doch zunächst verliert er sie aus den Augen. Ruth macht hingegen als Fotografin in Los Angeles Karriere…

Spätestens ab der Hälfte des Hörbuchs ist die Handlung sehr vorhersehbar. Ich empfand das nicht als sehr schlimm, weil man doch von Christmas‘ Schlitzohrigkeit gut unterhalten wird. Ein starker Kontrast zu den eher humorvollen Anteilen des Dramas bilden die vielen Gewaltszenen, die sehr ausführlich und sehr ekelerregend geschildert sind. Es mag sein, dass die Radikalität der Beschreibung nötig war, um den Kontrast zur ansonsten vorherrschenden Leichtigkeit des Buches herzustellen – mir war es etwas zu viel. Im Vergleich zur ansonsten lockerflockig daherkommenden Geschichte kamen mir diese Gewaltszenen wie ein Fremdkörper vor.

Ein wenig irritierend ist die Angabe „bearbeitete Fassung “ auf der Hülle der CDs. Ist es doch nicht bearbeitet, sondern schlichtweg deutlich gekürzt. Das Buch hat fast 800 Seiten, vieles ist also in der Hörbuchfassung weggelassen.

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Veröffentlicht am 14.02.2024

Ein Buch mit deutlichen Schwächen

Krummes Holz
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Eine düstere Atmosphäre herrscht in Julja Linhofs Debutroman "Krummes Holz".

Nach fast sechs Jahren kehrt Jirka zurück zu seinem Elternhaus, einem Hof in Westfalen. Mit 14 wurde er aufs Internat geschickt, ...

Eine düstere Atmosphäre herrscht in Julja Linhofs Debutroman "Krummes Holz".

Nach fast sechs Jahren kehrt Jirka zurück zu seinem Elternhaus, einem Hof in Westfalen. Mit 14 wurde er aufs Internat geschickt, mit 19 Jahren betritt er zum ersten Mal wieder das elterliche Anwesen. Aufgenommen wird er alles andere als freundlich. Es herrscht eine kühle, beklemmende Atmosphäre auf dem Hof. Bald wird klar, dass Jirka auf dem Hof Schlimmes erlebt haben muss.

Das impressionistisch wirkende Titelbild des Romans verweist auf den Schreibstil der Schriftstellerin. Es geht ihr um die inneren Gefühle, nicht um eine spannungsgeladene Handlung.

Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich mit diesem Roman hadere. Es passiert einfach nichts. Es gibt gerade am Anfang sehr viele Andeutungen, aber sie bleiben vage, unklar - und das ändert sich bis zum Schluss des Buches auch kaum. So sorgen all die Anspielungen auf in der Vergangenheit Geschehenes eben gerade nicht für Spannung, sondern sind eher nervig und machen das Lesen etwas mühsam. Auch dass der Vater nicht anwesend ist und seine Abwesenheit auch gar nicht diskutiert wird, macht das Buch nicht spannender. Auch die Frage nach der Zukunft des Bauernhofs - Malene würde ihn übernehmen, das will aber Vater Georg nicht - ist kein Spannungsthema.

Auf der anderen Seite gefällt mir an dem Buch sehr, wie die Figuren charakterisiert sind. Sie sind nicht schwarz-weiß gemalt, sondern mehrdimensional. Vor allem Jirka, die Hauptperson, ist in sich zutiefst widersprüchlich, agiert ambivalent. Aber auch seine Schwester Malene und Leander, der bereits in Jirkas Jugend auf dem Hof ausgeholfen hat, sind äußerst kantig dargestellt. Aus meiner Sicht ein absolutes Qualitätsmerkmal für ein Buch.

Dass Jirka in seiner Jugend eine "Erschütterung" erlebt hat, wird nach und nach deutlich. Noch immer hat er Albträume davon. Allerdings rächt sich hier aus meiner Sicht die personale Erzählperspektive. Da alles aus der Sicht von Jirka beschrieben ist, wirkt die rückblickende Beschreibung des traumatischen Erlebnisses in ihrer bruchstückhaften Beschreibung gerade nicht so schrecklich, wie sie wohl war. Da sich Jirka nicht wirklich auf seine Vergangenheit einlassen kann, auf das, was zwischen ihm und einem Fremdarbeiter geschehen ist, kann auch deren Beschreibung nicht umfassend sein. Das ist umso bedauerlicher, da ein personaler Ich-Erzähler ja eigentlich den Blick in sein Inneres viel mehr öffnen könnte.

Gefallen wiederum hat mir, dass das Thema der Homosexualität sehr feinsinnig und vielschichtig angegangen ist. Neugier, Ekel, Anziehungskraft, Vertrauen, sich aufeinander einlassen, ein verspätetes Coming-out: all das spielt eine Rolle in Linhofs Roman. Dazu kommt, dass Jirka sich auch verstärkt mit seinen Zeichnungen auszudrücken versucht.

So gar nicht überzeugt hat mich der Schluss des Romans. Viel zu vieles bleibt offen, und der Umgang mit dem Vater ist nicht nachvollziehbar.

Sprachlich hat mich der Roman nicht ganz überzeugt. Einerseits gibt es vieles, was sehr anschaulich und ansprechend beschrieben ist. Aber es gibt doch einige sprachliche Bilder, die sehr überbordend sind, wenn Jirka etwa "in Leanders Körper einfallen" will oder wenn Jirka weint. Da weint er nicht einfach nur, sondern weint "trübweißes Wasser in den zerfasernden Spülschaum". Unverständlich wird es, wenn die Finger des Vaters sich aus dem Dickicht der Kindheit und Jugend "häkeln"  wie auch das zusammengewachsene Innere Jirkas mit einem offenen Spalt in der Mitte, durch den es pfeift und zieht.

Immerhin: am Ende des Romans beginnen Jirka, Malene und Leander tatsächlich miteinander zu reden, statt einen Eiertanz aufzuführen. Retten kann das die Schwächen des Buches aber nicht.

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Veröffentlicht am 26.10.2022

Anstrengende Frau, anstrengendes Buch

Euphorie
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Eine Frau voller Stimmungsschwankungen, die an ihrem Leben zerbricht: Elin Cullhed hat mit "Euphorie" einen Sylvia-Platz-Roman geschrieben, der vom Leser einiges abverlangt. 

Geprägt von Stimmungsschwankungen, ...

Eine Frau voller Stimmungsschwankungen, die an ihrem Leben zerbricht: Elin Cullhed hat mit "Euphorie" einen Sylvia-Platz-Roman geschrieben, der vom Leser einiges abverlangt. 

Geprägt von Stimmungsschwankungen, geplagt von Neid und Missgunst: So präsentiert Elin Cullhed ihre Protagonistin Sylvia Plath. Mit ihrem Mann, Ted Hughes, will sie sich auf dem Land einrichten, während sie auf ihr zweites Kind warten. Egoistisch und narzisstisch ist Sylvia Plath dargestellt. Alles dreht sich um sie, ihren Mann betrachtet sie wie ein Besitztum. Er soll nach ihrer Pfeife tanzen. 

Ihre instabile Seelenlage wird im Laufe des Buches rauf- und runtergeleiert, immer wieder aufs Neue präsentiert, sodass man von dieser Sylvia Plath als Leser ziemlich schnell die Schnauze voll hat. Und das, obwohl der ganze Roman aus ihrer Sicht erzählt wird. Schon nach den ersten Seiten weiß man als Leser, dass Sylvia, wenn sie einmal glücklich oder fröhlich zu sein scheint, nur wenige Zeilen braucht, bis sich ihre Stimmung wieder ins Gegenteil verkehrt. Leute, die sie zum Essen einlädt, findet sie kurz darauf unmöglich. Jede Freundlichkeit scheint sie bald wieder zu bedauern. Ted Hughes, ihr Mann, kann einem nur Leid tun - und das, obwohl er es ist, der sie und die Kinder schließlich Hals über Kopf verlässt. 

Schade ist, dass alles, was nur mit Sylvia selbst zu tun hat, wo niemand anderes involviert ist, im Roman kaum eine Rolle spielt. Die Geburt selbst: eine Nebensächlichkeit, das Schreiben: nur dann erwähnenswert, wenn sie nicht dazu kommt, weil sie sich um die Kinder kümmern muss. So ergießt sich das Buch in langen Strecken in Wiederholungen der immergleichen Verhaltensmuster, Elin Cullhed geht es um die Person Sylvia Plath, nicht um ihr Werk. 

Die Sylvia Plath dieses Romans ist - wie sie es wohl auch im wirklichen Leben war - eine anstrengende Frau, gut verpackt in einem anstrengenden Buch. Elin Cullhed hat mit "Euphorie" ein sprachlich eindrucksvolles Werk geschrieben. Freilich: ein Lesegenuss ist es nicht. 

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Veröffentlicht am 04.06.2022

Keine leichte Kost

Zum Paradies
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Zum Paradies? Nein, Hanya Yanagiharas Buch „Zum Paradies“ zeigt alles andere auf, nur nicht den Weg zum Paradies.

Drei Romane sind in „Zum Paradies“ vereint. Drei Romane, die im Abstand von 100 Jahren ...

Zum Paradies? Nein, Hanya Yanagiharas Buch „Zum Paradies“ zeigt alles andere auf, nur nicht den Weg zum Paradies.

Drei Romane sind in „Zum Paradies“ vereint. Drei Romane, die im Abstand von 100 Jahren spielen: 1893, 1993 und 2093. In allen drei Teilen geht es um Liebe, um zerbrechliche Beziehungen. Und alle drei Teile spielen in fiktiven Gesellschaften. Die Verknüpfungspunkte zwischen den drei Teilen sind eher zufällig, allerdings führen gleiche Namen und Rückbezüge auf geschichtliche Entwicklungen eher zur Irritation beim Leser.

Da ist zunächst das Jahr 1893: New York gehört zu den Gebieten, in denen liberale Freiheitsrechte gelten. Der Sohn eines Bankiers quält sich mit dem Gedanken an einen Ehemann, steht zwischen Verpflichtung und Leidenschaft, zwischen dem vom Vater ausgesuchten Heiratskandidat und einem wenig durchschaubaren Musiklehrer.

Im Jahr 1993 wiederum zieht sich ein junger Hawaiianer in die Einöde zurück – sein Liebesglück allerdings bricht immer mehr auseinander. Die andere Erzählebene thematisiert die AIDS-Epidemie, den Umfang mit Kulturgütern Hawaiis.

2093 dann beherrschen Epidemien die Gesellschaft. Der Einzelne muss sich in einer dystopischen Welt beweisen. Yanagihara beschreibt eine Welt, die trostlos, instabil und ohne echte Liebe ist. Erschüttert ist diese Welt von Epidemien, die in regelmäßigen Abständen das Leben auf der Erde immer schwieriger machten. Die Maßnahmen der Staatsmacht sind dabei schwer zu durchschauen, der Staat lässt sich aber als zutiefst autoritär beschreiben.
Es ist müßig, nach den Parallelen der drei Teile zu suchen. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten, Anknüpfungspunkte, gleiche Grundkonflikte, gleichermaßen Verletzlichkeiten und Sehnsüchte. Die Bezüge zwischen den Teilen entspringen aber eher einer Spielerei der Autorin, als dass sie sinnstiftend wären.Den drei Romanen fehlt hingegen eine erzählerische Verspieltheit.
Der Leser muss sich durch lange Beschreibungen, quälend lange Entscheidungsprozesse und ellenlange, eingefügte Briefe kämpfen. „Zum Paradies“ ist alles andere als leichte Kost.

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