Profilbild von Bibliomarie

Bibliomarie

Lesejury Star
offline

Bibliomarie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bibliomarie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.10.2018

Wanda erlebt in eigenen Krimi

Tod in Schmargendorf
0

Schmargendorf ist ein beschaulicher Stadtteil Berlins, eher ein Dorf, wo jeder jeden kennt. So trifft es Wanda, die liebenswert-chaotische Buchhändlerin von der Krimibuchhandlung „Agathe“ ganz besonders, ...

Schmargendorf ist ein beschaulicher Stadtteil Berlins, eher ein Dorf, wo jeder jeden kennt. So trifft es Wanda, die liebenswert-chaotische Buchhändlerin von der Krimibuchhandlung „Agathe“ ganz besonders, als sie beim morgendlichen Geldwechseln Zeugin eines Raubmords wurde. Der sympathische Bankangestellte Herr Hellmann liegt im Vorraum der Bank in einer Blutlache.
Wer so viele Krimis gelesen hat wie Wanda, fühlt sich durchaus zum Ermitteln berufen, auch wenn das der Kommissar Kamat ganz anders ist. Wandas Chefin und Freundin Miriam ist da auch nicht abgeneigt, so ein bisschen Publicity könnte der kleinen Buchhandlung nicht schaden. Die Online Konkurrenz macht auch ihr zu schaffen. Gut dass Miriam eine erfolgreiche Scheidung hinter sich hat und als Abfindung ein Mehrfamilienhaus bekommen hat.
Da Bank und Altersheim Hof an Hof liegen und zudem noch einen gemeinsamen Keller haben, ist das Wandas erster Ermittlungsansatz. Ein Krimilesekreis bei den Senioren bietet doch die beste Möglichkeit zum Schnüffeln.
Wanda hat zwar ziemlich oft den richtigen Riecher, aber mit dem Kombinieren hapert es ein wenig. Trotzdem liefert sie Kommissar Kamat, übrigens ein ausgesprochen gutaussehendes Exemplar seiner Gattung, immer wieder ein Ansatz und einen Grund zur Befragung. Neben Job und Ermittlungen stemmt Wanda noch die Aufgaben einer alleinerziehenden Mutter und findet trotzdem immer noch Zeit ihrer Freundin Miriam unter die Arme zu greifen, die Probleme mit ihren Mietern hat.
Dieser Krimi ist wie Schmargendorf, heimelig und gemütlich. Man muss Wanda einfach sympathisch finden, auch wenn ihre Ticks manchmal nerven. Gemütlich entwickelt sich auch die Spannung dieses richtigen Cosy Krimis. Es macht Spaß mit Wanda zu kombinieren und zu rätseln und die Autorin trifft ihrem Sprachstil und ihren Protagonisten genau meinen Geschmack.
Das war genau das richtige Buch um die Herbstlesesaison auf dem Sofa einzuläuten.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Spannender Südtirol Krimi mit viel Lokalkolorit

Wut kommt selten allein
0

Commissiario Fabio Fameo macht sich Sorgen. Der Umbau des neuerworbenen historischen Ansitzes wird teurer als geplant, vor allem seit der Denkmalschutz mitmischt. Dabei wollte er nur seiner größer werdenden ...

Commissiario Fabio Fameo macht sich Sorgen. Der Umbau des neuerworbenen historischen Ansitzes wird teurer als geplant, vor allem seit der Denkmalschutz mitmischt. Dabei wollte er nur seiner größer werdenden Familie ein Heim schaffen. Seine erwartete Beförderung zum Vicequestore scheint zunehmend unsicher. Gut, dass es dafür auf der Dienststelle ruhiger zugeht.

Es gibt eine Tote, aber ganz offensichtlich ein Bergunfall, auch wenn Freund und Kollege, der Carabiniere Tommaso Caruso ein seltsames Gefühl dabei hat. Dann der tote Jogger vor dem Hotel, aber auch da scheint alles ganz harmlos. Doch dann schlägt die Pathologie Alarm, beim Bergunfall findet man Anzeichen einer Schussverletzung und der tote Jogger hat einen abgerissenen Halswirbel. Gibt es eine Verbindung?

Ralph Neubauer liebt Südtirol und kennt es wie seine Westentasche. Ihn in die Berglandschaft zu begleiten ist immer ein Gewinn. Man kann auf den Spuren seiner Kriminalromane Südtirol entdecken und erwandern. Die Lokale, in den Fabio und Tommaso speisen, sind immer auch in der Realität zu finden und immer auch ein kulinarischer Tipp.

Beachtlich finde ich auch, wie sich Neubauer bis in die Details seiner Handlungen kundig macht. Wenn er von geschichtlichen, kulturellen oder politischen Ereignissen spricht, dann spürt man, dass alles bestens recherchiert ist.

Vielleicht ist mir deshalb aufgefallen, dass das berühmte Schloss Burg vom bergischen Solingen nach Wuppertal verlegt wurde. Das sollte nicht passieren, vor allem da Neubauer quasi um die Ecke zu Hause ist. Wenn ich hier schon bei der Kritik bin: einige Druckfehler fand ich auch peinlich. Ich will nur ein Beispiel nennen: das Glas wurde langsam gelehrt.

Aber das hat meinen gesamten Leseeindruck nicht geschmälert, der Kriminalroman war von der Idee her ausgefallen und die Handlung wurde geschickt zusammengeführt. Ich fand das Buch spannend, auch wenn es eine eher gemächliche Spannung ist, die sich Lauf des Plots entwickelt. Gut gefallen haben mir wieder die Personen, die Neubauer sehr genau charakterisiert und die dadurch sehr realistisch wirken.

Die Südtirol Krimis des Autors haben sich einen festen Platz im Genre der Regionalkrimis erobert.

Veröffentlicht am 25.09.2018

Schreib den alten Gaul nicht zu früh ab

Slow Horses
0

Slough House ist die Endstation für ausgemusterte Agenten des britschen MI5. Dorthin werden sie versetzt, wenn sie einen unverzeihlichen Fehler gemacht haben oder in Diskredit geraten sind. Dorthin hat ...

Slough House ist die Endstation für ausgemusterte Agenten des britschen MI5. Dorthin werden sie versetzt, wenn sie einen unverzeihlichen Fehler gemacht haben oder in Diskredit geraten sind. Dorthin hat es auch River Cartwright verschlagen, als er eine Übung zur Terrorabwehr gründlich vermasselt hat – sagen seine Chefs. Aber River ist sicher, dass er hereingelegt worden ist.
Die Slow Horses so der Begriff für die Loser, werden mit unnützen Aufgaben beschäftigt, sie durchsuchen Müll, hören endlose unwichtige Telefonate ab und legen Akten an. Ein frustrierender, Zustand, vor allem da es noch nie einer zurückgeschafft hat.
Doch die Entführung eines pakistanischen Jungen scheint eine Chance für Jackson Lamb, den „Chef“ der lahmen Gäule zu sein. Er will mitmischen!
Mick Herron hat einen klassischen Spionagethriller geschrieben, trickreich, voller Wendungen und Verschwörungstheorien. Es gibt auf Seite 312 den Satz von Rivers Großvater: Vergewissere dich, dass niemand das sieht, was er zu sehen glaubt. Der Autor geht nach der gleichen Devise vor: Schreib so, dass kein Leser das liest, was er zu lesen glaubt. Das macht die Geschichte sehr undurchsichtig und fordernd, aber auch spannend, wie ich das von einem Spionagethriller erwarte.
Nach einem rasanten Beginn, lässt sich die Handlung dann mehr Zeit um die vielen Protagonisten im Slough House vorzustellen, ihre Schwächen und Stärken zu thematisieren und ihre Fehler bei ihrer Arbeit im Geheimdienst. Das hat mit anfangs etwas verwirrt und manchem Abschnitt musste ich ein weiteres Mal lesen um auch ja keine versteckte Informationen zu übersehen.
Im Schlussteil findet Herron wieder zu seinem Anfangstempo und der Thriller endet mit einem echten Paukenschlag.
Der Untertitel „Ein Fall für Jackson Lamb“ weist ja schon darauf hin, dass noch weitere Bücher ins Deutsche übersetzt werden, denn Slow Horses ist bereits 2010 erschienen und es gibt im Englischen bereits mehrere Fortsetzungen. Die Presse vergleicht den Autor bereits mit Le Carré, ein würdiger Nachfolger ist er auf jeden Fall.

Veröffentlicht am 22.09.2018

Großstadtkrimi

Mexikoring
1

In Hamburg brennt ein Auto. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, es brennen landauf landab die Autos – so machen sich meist perspektivlos-rebellische Jugendliche Luft. Dass es nicht immer Luxuskarossen sind, ...

In Hamburg brennt ein Auto. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, es brennen landauf landab die Autos – so machen sich meist perspektivlos-rebellische Jugendliche Luft. Dass es nicht immer Luxuskarossen sind, ist auch nicht verdächtig. Aber dieses Mal sitzt ein Mensch im Wagen, die Tür ist verschlossen und die Frage, warum er sich nicht befreit hat ist ein Fall für die Pathologie. Staatsanwältin Riley ist gleich am Tatort. Eine Frau, die psychisch und auch physisch angeschlagen wirkt. Zu viel Alkohol, zu viel Stress, zu wenig Anerkennung haben sie zynisch werden lassen.
Interessant wird der Fall, als der Tote als verstoßener Sohn des türkisch-libanesischen Familienclans der Saroukhan aus Bremen identifiziert wird. Ein Clan, der sich wie ein Krake in Norddeutschland ausgebreitet hat. Ihr Geld wird mit allem gemacht, was illegal ist und Gesetze oder Vorschriften des Landes, das sie einst aufgenommen hat, werden verlacht.
Die Bremer Polizei, die den Hamburger Ermittlern hilft, hat längst resigniert. Aber was führte zur Ermordung von Nouri Saroukhan? Eine Abrechnung unter Gangstern oder eine Familienfehde?
Sabine Buchholz schreibt ihre Großstadtkrimis hart und desillusioniert. Die Sprache ist ihr Stilmittel diese Atmosphäre zu transportieren. Ich finde, das gelingt ihr ausgezeichnet. Die Innenansicht der libanesischen Familienclans beschreibt sie mit beklemmender Realität. Etwas, was erst mit viel Verspätung von der bundesdeutschen Wirklichkeit wahrgenommen wird. Insofern erschien mir der Hintergrund des Kriminalromans wie ein gesellschaftspolitisches Psychogramm.
Mit den Ermittlern Riley und Stepanovic musste ich erst warm werden. Kurz angebunden, schnoddrig und doch mit Empathie gehen sie an ihre Ermittlungen. Ich fand den Krimi richtig spannend zu lesen, es war Unterhaltung mit Anspruch. Das hat mir gut gefallen.
Für mich ist es das erste Buch von Sabine Buchholz gewesen, aber sicher nicht das letzte.

Veröffentlicht am 19.09.2018

Allgäuer Heimat

Abschied am Alpsee
0

Es hat Carina viel Überredung gekostet, bis ihr Mann und ihre zwei Kinder zu einem Ferienaufenthalt in ihrer alten Heimat Immenstadt bereit waren. Aber es lässt sich nicht gut an, Sohn und Tochter langweilen ...

Es hat Carina viel Überredung gekostet, bis ihr Mann und ihre zwei Kinder zu einem Ferienaufenthalt in ihrer alten Heimat Immenstadt bereit waren. Aber es lässt sich nicht gut an, Sohn und Tochter langweilen sich und die Krise in ihrer Ehe bricht in den Ferien so richtig aus. Carina und Frank reden schon lange nicht mehr richtig über ihre Bedürfnisse und Sorgen, Frank geht seine eigenen Wege und das scheint auch im Allgäu nicht anders zu sein.
Da wird Carina Zeugin, wie die Floristin der Blumenkiste als Notfall ins Krankenhaus muss, all die Pflanzen stehen noch vor dem Laden und spontan hilft Carina aus. Da merkt sie erst, wie sehr sie ihren Beruf vermisste und bietet der Tochter ihre Hilfe an. Gerne schnuppert sie mal wieder Luft in ihrem alten Beruf und die Immenstädter akzeptieren die Allgäuerin und ihre Hilfsbereitschaft.
Es ist eine herrliche Kulisse die die Autorin den Leserinnen bietet. Tolle Beschreibungen von Land und Leuten machen die Geschichte lebendig und warmherzig. Als Allgäuerin, die genau wie Carina schon lange in der Großstadt lebt, hat mich dieser Ausflug in die Heimat richtig berührt. Das Allgäu hat wohl eine besondere Kraft, denn bald können sich Sohn und Tochter gar nicht mehr vorstellen, woanders Ferien zu machen und auch Carina findet in der Anerkennung, die sie für ihre Sträuße und Gestecke bekommt wieder neue Kraft.
In ihre Figuren lässt Susanne Bahro viel Alltagsrealität einfließen. Wer kennt nicht den Spagat einer Mutter zwischen eigenen Bedürfnissen und die der Familie und wenn die Erkenntnis kommt, dass die Kinder ihre eigenen Wege gehen und plötzlich eine Leere zurückbleibt. Wenn sich dann auch in der Ehe ein Trott und ein Nebeneinanderher-Leben eingeschlichen hat, die die Zukunft ganz grau erscheinen lässt.
Das Buch hat den Untertitel „Allgäu Romantik“ und das trifft es ganz genau, eine romantische Geschichte, gar nicht abgehoben, die natürlich ein Happy End haben muss. Sie hat mir gut gefallen und mein Herz gewärmt.