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Veröffentlicht am 22.09.2019

Menschen neben dem Leben - Zille lässt grüßen....

Menschen neben dem Leben
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Nach der literarischen Wiederentdeckung von "Der Reisende" ist nun der erste (und leider auch letzte) Roman des Autors (man lese seine tragische Biografie und erfährt den Grund) auf Deutsch erschienen: ...

Nach der literarischen Wiederentdeckung von "Der Reisende" ist nun der erste (und leider auch letzte) Roman des Autors (man lese seine tragische Biografie und erfährt den Grund) auf Deutsch erschienen: "Menschen neben dem Leben" ist ein literarisch stimmungsvoller und in die Tiefe gehender Ausflug ins Berlin der frühen 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts und wurde wiederum vom Verlag Klett-Cotta (HC, gebunden, 2019) herausgegeben.

Die Weltwirtschaftskrise (1929) liegt noch nicht weit hinter den Menschen und hat ein Heer von Arbeitslosen, Prostituierten und Bettlern hinterlassen, die auch das Stadtbild von Berlin mitprägen. So besteht das Romanpersonal aus einigen Entwurzelten, die und deren Geschick und Vergangenheit hier näher kennenlernt:

Boschwitz stellt seine HauptprotagonistInnen nach und nach vor; im Romanverlauf lernt man sie immer besser kennen. Der Beginn ist in Walter Schreibers Keller, in dem er mit Gemüse handelt und einen kleinen Raum für wenig Geld an Fundholz und Tönnchen zum Schlafen vermietet: Fundholz ist ein gutmütiger, immer noch sozialer Mensch, dem sich Tönnchen einst anschloss, da dieser ihn "mitversorgt". So begleiten wir beide - oder nur Fundholz - durch Berlin und seinen "Schnorr-Alltag" - immer auf der Hut vor der Polizei.
Während Fundholz einmal Heim und Frau hatte, war das Schicksal Tönnchen gegenüber weniger gnädig: Bis zum Alter von 12 Jahren ein normaler Junge, hatte er ein traumatisches Erlebnis, das ihn das Leben hätte kosten können und ihn für viele Jahre in die Klapse brachte. Dieser Vorfall hat die Verbindung zwischen seinem Denken und Handeln vollständig unterbrochen und der einzige Lebensinhalt ist das Essen; daher wohl auch sein Spitzname....
Diesen beiden schließt sich Grissmann an; ein über sein eigenes Schicksal der Armut erboster junger Mann, der im Gegensatz zu Fundholz jedoch noch nicht mit dem Leben abgeschlossen hat, nichts mehr erwartet. Seine Besuche in der Bibliothek sind nicht dem Motiv einer Weiterbildung zuzuordnen wie es bei vielen anderen Arbeitslosen der Fall ist, sondern um ein Gegenmittel gegen die Langeweile zu finden - und Menschen zu treffen, die wie er einen absonderen erotischen Hang zu Fotografien haben, die dort getauscht werden und mit denen er kleine Geschäfte macht. Im Grunde schlummert jedoch eine kriminelle Ader in ihm und seine Vorbilder sind die Ganoven amerikanischer Kriminalromane, die "immer davonkommen". Solch ein Ganove möchte er sein, weiß jedoch, dass er die Gewieftheit eines größeren "Dings" nicht wirklich umsetzen kann. Denn im Grunde ist er ein ängstlicher Mensch...
Bis er Elsi, die Frau des blinden Sonnenbergs trifft und mit ihr tanzt sowie das viel schönere Minchen Lindner, das ihn jedoch kalt abweist. Denn letztere hat Gefallen an dem "schönen Wilhelm" gefunden, den wiederum die geistig verwirrte Frau Fliebusch für ihren seit 20 Jahren verschollenen Wilhelm hält und an dessen Tod im 1. Weltkrieg sie nicht glaubt: Sie glaubt hingegen, dass alle Menschen niederträchtig sind und sie belügen. Daher trägt sie auch in zwei Koffern seine Uniform immer bei sich, in der Hoffnung lebend, ihn wiederzusehen...

All diese tragischen Gestalten werden kurz angetroffen, bevor sich der Autor ihnen dann auf einer sehr einfühlsamen, warmherzig-emotionalen Ebene nähert und dem Leser das oftmals leidvoll erlittene Schicksal der ProtagonistInnen beschreibt, uns daran teilhaben lässt und Verständnis hat für die jeweilige "Überlebensstrategie", ohne einen moralischen Zeigefinger. Ausser Grissmann und auch dem alten Sonnenberg, der über den Verlust seines Augenlichts im 1. Weltkrieg wütend und verbittert ist, dies auch seine Frau spüren lässt, sind die übrigen Figuren, die sich letztendlich im "Fröhlichen Waidmann" treffen, durchaus sehr sympathisch. In einer Nebenfigur skizziert Boschwitz auch die bereits vorhandene Ablehnung gegenüber Juden, die in den frühen 30er Jahren (und auch zuvor) in Form von bestehendem Antisemitismus durchaus vorhanden war und die nicht unerheblich zum Entstehen des nationalsozialistischen Denkens beitrug.

In der Eskalation zwischen Sonnenberg und Grissmann, in der die aufgestaute Wut beider Ausdruck findet, beide "unter den Rädern des Lebens" liegend, nimmt der Roman eine überaus dramatische Wendung; Boschwitz vergleicht den Kampf der beiden Unterdrückten mit dem Krieg von Nationen und sieht die Zukunft, in der noch mehr Vernichtungserfolge in Kriegen zu finden sein werden, sehr realistisch: Er sollte Recht behalten, was beim Lesen mehr als betroffen macht.
Während die beiden Kontrahenten keinen Ausweg sehen, ihrer Wut zu entkommen und auch Fundholz nicht schlichten kann, endet das Zusammentreffen in einer Katastrophe: Für andere wiederum gibt es Hoffnung auf ein besseres Leben als jenes, das sie nicht mehr führen möchten: Wird Minchen Lindner, deren Ersparnisse aus ihrer Edelprostitution stammen, mit dem früheren Zuhälter Wilhelm einen Kolonialwarenladen führen können; werden beide heiraten? Wir wissen es nicht, aber zu hoffen wäre es.

Ein sehr berührendes Gesellschaftsportrait der oftmals in schuldlos unwürdigen Lebensverhältnissen lebenden Menschen im Berlin der frühen 30er Jahre, in dem der Autor es zutiefst menschlich versteht, jeder Romanfigur Respekt, Aufmerksamkeit und Würde entgegen zubringen, dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Ein Roman, der nachhallt - und dessen Personal an "Zille sein Milljöh", an Hans Fallada ("Kleiner Mann - was nun?") und an Döblin's "Berlin Alexanderplatz". Eine absolute Leseempfehlung von mir und ein Dank an den Herausgeber Peter Graf, dessen brillantem Nachwort zum Roman ich mich gerne anschließe! 4,5*

Veröffentlicht am 22.09.2019

Ein bewegender literarischer "Stolperstein" aus Norwegen

Vergesst unsere Namen nicht
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Dieser wichtige literarische "Stolperstein", der in diesem Falle Hirsch Komissar gewidmet wurde und von dessen Leben und seinen Peinigern im besetzten Norwegen (ab 1940) der Nationalsozialisten handelt, ...

Dieser wichtige literarische "Stolperstein", der in diesem Falle Hirsch Komissar gewidmet wurde und von dessen Leben und seinen Peinigern im besetzten Norwegen (ab 1940) der Nationalsozialisten handelt, erschien im Eichborn-Verlag, August 2019. Es ist inhaltlich keine leichte Kost und lässt den Leser - gerade in der heutigen Zeit, im Erstarken von Populisten in ganz Europa - sehr nachdenklich zurück; aber das Lesen dieses ungewöhnlich geschriebenen Romans lohnt sich für historisch interessierte LeserInnen sehr!

"In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch zwei Mal stirbt. Das erste Mal, wenn das Herz aufhört zu schlagen und die Synapsen im Gehirn erlöschen wie das Licht in einer Stadt, in der der Strom ausfällt. Das zweite Mal, wenn der Name des Toten zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird, fünfzig oder hundert oder vierhundert Jahre später. Erst dann ist der Betroffene wirklich verschwunden, aus dem irdischen Leben gestrichen.

Ein auf wahren Begebenheiten basierender Roman, der achtzig Jahre Geschichte und vier Generationen umfasst. Eine Erzählung über den Holocaust, über Familiengeheimnisse und über die Geschichten, die wir an unsere Kinder weitergeben." (Quelle: Verlagstext)

Ausgangspunkt des Romans und der Aufarbeitung einer Familienchronik ist ein Stolperstein (Steine der Erinnerung, die vor dem jeweiligen Haus platziert wurden, in dem eine oder mehrere jüdische Familien vor dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust wohnten). Es ist der im Roman vom Verfasser mit "du" angesprochenen Hirsch Komissar, der mit seinen Eltern einst aus Russland emigrieren musste und in Norwegen mit seiner Frau Marie einen Textilladen aus dem "Nichts" erschuf. Der Familie geht es gut, bis Norwegen von den Deutschen besetzt wird und der Vater von Gerson und Lillemor denunziert und verhaftet wird. Kurzzeitig wird er als Dolmetscher, des Russischen mächtig, in Nordnorwegen eingesetzt, um dann wieder nach Falstad, einem Gefangenenlager der Nazis, verbracht zu werden. Im Zuge eines Vergeltungsschlages wegen eines Angriffes des norwegischen Widerstands wird Hirsch Komissar mit 9 weiteren unschuldigen Gefangenen im Oktober 1942 erschossen.

Auch wenn Simon Stranger einem sehr eigenwilligen Stil folgt: Seine kurzen Kapitel beginnen in alphabetischer Reihenfolge, denen jedoch entsprechende Worte vorangehen, die - wenn auch zeitlich sprunghaft - jedem Kapitel sinngemäß voranstehen, versteht er es sehr prätentiös und eindringlich, zuweilen auch beklemmend, etwaige Gedankengänge, aber auch real Erlebtes von Komissar (wie vielen weiteren unschuldig Inhaftierten) immer wieder in den Roman einfließen zu lassen. Der Hauptprotagonist ist jedoch ein Mann namens Henry Oliver Rinnan, dessen Lebensgeschichte so bizarr klingt wie das Ausmaß seiner Grausamkeiten, nachdem er es schaffte, zum Schlimmsten aller norwegischen Nazis zu werden, mit den Deutschen zu kollaborieren (dadurch die von ihm längst ersehnte "Anerkennung" zu finden),und im Jonsvannsveien 46, dem sog. "Bandenkloster" zahlreiche Menschen, die des Verrats oder des Widerstands gegen die Nazis beschuldigt wurden, grausam folterte und ermordete.

Gibt dem Leser bereits die Kindheit und Jugendzeit dieses Verbrechers sehr zu denken, der bedingt durch seine Körpergröße von 161 cm Probleme hat, sich durchzusetzen, "unauffällig" bleibt und dennoch immer mehr Gewaltpotential, Wut und Hass in sich zu mehren, so ist man im Erwachsenenalter von Rinnan zuweilen an der Grenze der eigenen Belastbarkeit, die Zeilen über seine Macht- und Gewaltfantasien, die bald in die Realität umgesetzt werden können, zu lesen: Er ist skrupellos und bar aller Gefühle, ebenso wie sein Handlanger Karl Dolmen: Mit einigen anderen versuchen sie, die Netzwerke des Widerstands zu infiltrieren, Waffen aufzuspüren und - sich gegen die eigenen Landsleute wendend - diese aufs Grausamste zu foltern und auch zu ermorden. Das Haus im Jonsvannsveien 46, das leider im Internet nur Informationen auf norwegischer Sprache preisgibt, nicht aber auf deutschen Seiten, hat eine sehr dunkle Epoche erlebt: So wundert es nicht, dass Ellen, die Frau Gersons, in diesem Haus immer mehr erschaudert und eigentlich eine andere Wohnung finden möchte, ihr Mann dies aber herunterspielt und nicht erkennt, wie sehr seine sensible Frau leidet. In diesem Zusammenhang konnte ich die Gefühle und das Verhalten von Ellen sehr gut nachvollziehen, jedoch Marie, die Frau des ermordeten Hirsch Komissar, missfiel mir sehr: Egozentrisch und leichtfertig vermittelte sie ihnen dieses Haus der Folter und der Angst, um ihren Sohn Gerson im Laden zur Hilfe zu haben.
Es geht um Flucht (nach Schweden) und um Fluchthelfer, die gerade jüdischen Flüchtlingen halfen, über die Grenze zu kommen und oft ihr eigenes Leben damit aufs Spiel setzten. Es geht um Angst der Flüchtenden (auch heute ein aktuelles Thema, denn seit dem Ende des 2. Weltkrieges gab es nicht mehr so viele Flüchtlinge auf der Welt wie seit einigen Jahren), aber auch um das Überleben. Das Weiterleben, wobei dem Leser nach dieser auf Wahrheit basierenden Lektüre sehr bewusst wird, wie viele Leben durch den Krieg zerstört wurden - und Lebenswege, Möglichkeiten sich für immer veränderten. Er ruft letztendlich dazu auf, zu verzeihen, da dies der Weg in die Zukunft sei.

Ein interessanter und nachdenklich stimmender Einblick hat der interessierte Leser auch auf die antisemitischen Anfänge bis in die heutige Zeit; die historischen Hintergründe sind gut recherchiert worden und beginnen bereits in der römischen Zeit durch die ersten Judenpogrome. Der Roman beleuchtet wie ein Scheinwerfer die Angriffe auf jüdische Siedlungen, etwa auch im russischen Zarenreich, weshalb die Familie unseres Protagonisten, dessen Name nicht vergessen werden sollte, auch die Flucht aus Russland nach Norwegen antreten musste. Man bedauert, dass die Familie während des 2. Weltkriegs nicht im sicheren Schweden verblieb (wie die Schwester von Gerson, Lillemor) und die Geschichte dieser Familie sich durch ihre Rückkehr nach Norwegen für immer veränderte...

Manche Bücher müssen weh tun, mit solch' einem haben wir es hier zu tun: Dennoch sollte man sie - oder gerade deswegen - lesen, um die Menschen und Schicksale, die hinter den bisher insgesamt 67.000 in europäischen Städten eingelassenen "Stolpersteinen" stehen, niemals zu vergessen. Und nicht nur das: Um Sorge zu tragen, dass sich solch eine dunkle Zeit weder in Deutschland noch in Europa niemals wiederholen darf! Hart an der Schmerzgrenze, aber - oder gerade deswegen - 4,5* und ein Dank an den Autor Simon Stranger, der diesen Stolperstein umgedreht und ihm eine (Roman)form gegeben hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Authentizität
  • Geschichte
Veröffentlicht am 24.04.2019

Die Geheimnisse jenes Sommers...

Das Leuchten jenes Sommers
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Zum Inhalt:

"August 1939: Auf dem malerischen Anwesen Summerhill in Cornwall lebt die junge Maddy zurückgezogen von der Welt und dem drohenden Krieg. Als ihre geliebte Schwester Georgiana von einer langen ...

Zum Inhalt:

"August 1939: Auf dem malerischen Anwesen Summerhill in Cornwall lebt die junge Maddy zurückgezogen von der Welt und dem drohenden Krieg. Als ihre geliebte Schwester Georgiana von einer langen Reise zurückkehrt, bringt sie ihren neuen Freund Victor mit. Maddy ist der düstere junge Mann auf Anhieb unsympathisch. Aber sie ahnt nicht, wie groß die Gefahr wirklich ist....

Sechzig Jahre später führt ein Auftrag die junge Fotografin Chloe nach Summerhill. Sie hat gerade erfahren, dass sie schwanger ist. Eigentlich eine freudige Nachricht, aber Chloes Gefühle sind gespalten. In Summerhill stößt sie auf ein Geheimnis, das Jahrzehnte zurückliegt - und das die Kraft hat, ihr gesamtes Leben auf den Kopf zu stellen....

(Quelle: Buchrückentext)

Dieser berührende Roman von Nikola Scott, die mich bereits durch ihr Début "Zeit der Schwalben" begeistern konnte, steht dem Erstlingswerk in Nichts nach: In einer prägnanten und sehr gefühlvollen Sprache lernen wir zum einen Madeleine Hamilton, genannt Maddy, immer besser kennen (im Erzählstrang Ende der 30er Jahre kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges in Cornwall, England) - und zum anderen die Lebenswelt von Chloe MacAllister, die etwas beklemmend ist, da ihr Mann Aidan bereits früh den Unmut der LeserInnen auf sich zieht: Er lebt mit Chloe in einem sterilen weiß eingerichteten Haus, ist Arzt und zeigt seine Art von Liebe darin, dass er seine Frau am liebsten für sich alleine haben möchte. Eine äußerst subtile Form von Besitzanspruch kommt in der Beziehung immer stärker zum Tragen, woher verständlicherweise die gespaltenen Gefühle Chloe's herrühren.

Maddy, (16) die sich sehr auf ihre Schwester freut, begrüßt mit Georgiana auch eine illustre Gesellschaft junger Leute, die einige Zeit auf Summerhill verbringen möchten und gerne sowie ausgiebig feiern. Ihre Schwester Georgiana ist um die 20 und kehrt von einer Europareise zurück: Da beide elternlos sind; die Mutter die Familie früh verlassen hat und der Vater durch einen tragischen Unfall starb, haben die Geschwister eine sehr enge Beziehung zueinander.

Während Maddy immer mit dem Zeichenblock unterwegs ist, denkt sich Georgiana Geschichten zu den Bildern aus: So entstehen später einige berühmte Kinderbücher, in denen es meist um Tiere wie einen kleinen Fuchs geht und die Geschichten auf dem herrlichen Anwesen Summerhill "am Ende der Straße" verortet sind, das Maddy so sehr liebt.

Mit dem Erwachsenwerden Georgianas hinterfragt diese ihr Leben und ihre Beziehung zu Maddy: Sie ist in Victor verliebt und merkt leider nicht, welche üblen Spiele dieser mit den Schwestern treibt, auch bleibt sein Motiv lange verborgen, weshalb er mit nach Summerhill reiste...

Ob Maddy noch rechtzeitig ihre Schwester warnen kann?

Auf der Erzählebene der Gegenwart erscheint das Leben von Chloe wie ein Alptraum: Vortäuschend, dass Aidan ja genug Geld verdient und sie ihren Job als Fotografin nicht wirklich braucht, ist er dagegen, dass sie ein Angebot annimmt, Fotos der berühmten Kinderbuchautorin Madeleine Hamilton aufzunehmen: Wird Chloe es schaffen, dem umfassenden Besitzanspruch Aidans zu entkommen? Wird sie auch Danny, ihren kranken Bruder, den sie sehr liebt, vor Aidans Bevormundung retten können, als dieser auch in Dannys Leben vollmächtig eingreifen will?

Meine Meinung:

Der atmosphärische Roman, der Spannung bis zuletzt aufbaut, in dem die Zeiten der beiden Erzählstränge immer wieder wechseln, ist sehr emotional und wundervoll sowie nachvollziehbar geschrieben: Es geht um viele Themen, die hier nicht nur angerissen werden, sondern in die Tiefe gehen:

Geschwisterliebe, traumatische Erlebnisse, Verluste, Vertrauen, Eigenständigkeit, Schuld und Unschuld, Rollen, in die man zuweilen als Kind "hineingedrängt" wird und die einen das ganze Leben mitunter (auch unbewusst) begleiten und prägen (können); aber auch Mut zu Veränderungen, wenn Liebe erdrückt - nicht mehr atmen kann.

So hat sich die Autorin besonders dem Thema der psychischen Gewalt in Beziehungen gewidmet, was ihr anhand der beiden Figuren Maddy und Georgiana sowie besonders Chloe sehr gelungen ist. Besonders beeindruckt hat mich die Passage, als sich Chloe und Maddy kennenlernen - und miteinander anfreunden, sich eine große Hilfe sind, trotz ihres Altersunterschieds. Ein Kernthema dieses Romans ist für mich, wie man sich einander nah sein kann, ohne den anderen in seiner Eigenständigkeit und Freiheit zu beschneiden. Hier durchleben beide Charaktere eine positive Veränderung, wohingegen Aidan überhaupt nicht aufzufallen scheint, wie sehr seine "Liebe" erdrückt und jedes Gefühl in Chloe mehr und mehr im Keim erstickt wird. Bedrückend finde ich, dass psychische Gewalt (auch in einer Ehe) erst seit einigen Jahren strafbar ist und besonders Frauen zuvor oftmals hilflos dieser ausgesetzt waren.

Die Figuren sind sehr facettenreich gezeichnet und bis auf Aidan MacAllister und Victor Deverill sympathisch: Je weiter der Roman voranschritt, desto mehr hat er mich begeistert, was ich dem wirklich guten Schreibstil und Spannungsaufbau von Nikola Scott zuschreibe. Die Anmerkungen der Autorin hierzu im Anhang fand ich als Ergänzung sehr informativ und bemerkenswert.

Fazit:

Ein berührender, gefühlvoller Roman über die zerstörerischen - aber auch tröstenden Kräfte, die sich Liebe nennen. Nikola Scott hat wunderbare Figuren geschaffen, die in ihrem Lebensweg aufzeigen, dass es sich lohnt, Eigenständigkeit und Authentizität zu bewahren, ganz besonders auch in Liebesbeziehungen! Eine klare Leseempfehlung und 4,5* von mir sowie ein herzliches dankeschön an sowohl die Autorin als auch die Übersetzerin Nicole Seifert für berührende und ergreifende sowie sehr unterhaltsame Lesestunden.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Abenteuer und Magie auf der irischen Insel Arranmore

Sturmwächter 1. Das Geheimnis von Arranmore
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"Sturmwächter" von Catherine Doyle erschien (HC, gebunden) im Oetinger-Verlag (2018) und sowohl das Cover (zu dem man Cornelia Haas gratulieren darf, denn es passt perfekt zum Inhalt dieses Jugendbuchs ...

"Sturmwächter" von Catherine Doyle erschien (HC, gebunden) im Oetinger-Verlag (2018) und sowohl das Cover (zu dem man Cornelia Haas gratulieren darf, denn es passt perfekt zum Inhalt dieses Jugendbuchs im Genre Fantasy) als auch der Inhalt sind - nicht nur für Jugendliche, auch für Erwachsene! - magisch, fantasievoll - und sehr abenteuerlich und spannend.


Zum Inhalt:

Fionn und seine 14jährige Schwester Tara besuchen in den Sommerferien ihren Großvater auf der irischen Insel Arranmore (die real existiert und der die Vorfahren der Autorin entstammen), nicht ahnend, was sie auf der Insel erleben werden...
Die Kinder sind in Dublin aufgewachsen und der 11jährige Fionn, der seinen Großvater Malachy Boyle das erste Mal sieht, versteht sich auf Anhieb mit ihm: Erstaunt bemerkt er die zauberhaften Eigenheiten der prachtvollen Kerzen, die sein Großvater selbst herstellt und erfährt mehr und mehr, was es mit diesen auf sich hat. Er ist klug und Abenteuern nicht abgeneigt, jedoch nicht der Mutigste aller Boyles - bis er seinen Fuß auf die Insel setzt, denn der Großvater, der auch Sturmwächter ist und die Insel vor der bösen Zauberin bewacht, die im Felsen eingeschlossen darauf sinnt, eines Tages wieder an der Oberfläche zu erscheinen, ist alt geworden: Die Insel sucht sich einen neuen Sturmwächter....
5 Clans sind mit den Gaben Dagdas, einem Zauberer, der sich einst gegen die Zauberin stellte, ausgestattet: Der alte Boyle ist nicht nur Sturmwächter, er beherrscht auch die Elemente! Wird er es schaffen, der drohenden Finsternis aus der Vergangenheit erneut trotzen zu können? Sein Enkel Fionn wird herausfinden müssen, wie mutig er tatsächlich ist, zumal ein anderer Clan, die Beasleys, schon lange vorhaben, den nächsten Sturmwächter zu stellen.

Meine Meinung:

Es handelt sich hier um ein wirklich schön und auch stimmig ausgearbeitetes und fein gesponnenes Abenteuergarn, das nicht nur Jungs ab ca. 10 Jahren begeistern dürfte: Mich hat es ebenfalls in seinen Bann schlagen können und zwar aus folgenden Gründen: Der Autorin gelingt es, den Leser bereits bei der Überfahrt mit der Fähre nach Arranmore mit auf die Insel zu nehmen, die vor Magie nur so strotzt und auf der der eher ängstliche Fionn, der "das Meer nicht in den Augen hat" wie sein Vater oder Großvater, eine wundersame Wandlung macht - und auf Reisen durch die Zeitschichten der Insel spürt, dass doch viel Mut in ihm steckt. Nun liegt es an ihm, das Schicksal der Insel zu wenden und im Guten zu belassen, die Finsternis abzuwenden.
Die Gaben, die der gute Zauberer hinterließ sowie diese Zeitreisen fand ich sehr spannend zu lesen. Der Autorin gelingt es, Abenteuer, Fantasie und auch viele Themen des Zwischenmenschlichen in diesem Jugendroman wundervoll miteinander zu verflechten: Für mich war es eine Freude, die schönen Naturbeschreibungen und auch die Entwicklung, die Fionn nimmt, mitzuerleben!

Obgleich spannend und magisch, äußerst fantasievoll, finden sich hier Themen wie Verlust, Mut und auch Ängste, der ewige Kampf um das Gute gegen das Böse, Familienzusammenhalt und Schuldgefühle. der Roman ist dabei authentisch, menschlich und spannend zu lesen. Am Ende wünscht man sich eine Fortsetzung, nachdem man das Buch zufrieden zuklappte.

Fazit:

Abenteuerlich, atmosphärisch, gut und jugendgerecht geschrieben, spannend, äußerst fantasievoll: Diese Adjektive beschreiben am besten diesen sehr lesenswerten Kinder- und Jugendroman (ab 10 Jahren wäre meine Empfehlung), in dem es um Magie - um das Gute und das Böse geht - auch darum, sich seinen Ängsten zu stellen, um seine Aufgaben erfüllen zu können.
Von mir gibt es eine Buchempfehlung - auch für Erwachsene, die sich ihre Fantasie bewahren konnten - und 4,5 * .

Veröffentlicht am 26.12.2018

Mehr als eine fantastische Reise durch die Welt der Sprache...

Der Wortschatz
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Dieser fantastische Roman ist - dies vorneweg - eine Reise wert: Es ist in der Tat mehr als eine Reise durch die Welt der Wörter und der Sprache: Es ist ein Versuch der Selbstfindung mittels sprachlicher ...

Dieser fantastische Roman ist - dies vorneweg - eine Reise wert: Es ist in der Tat mehr als eine Reise durch die Welt der Wörter und der Sprache: Es ist ein Versuch der Selbstfindung mittels sprachlicher Metaphern und wundervoller Wortspiele. Optisch noch weiter aufgewertet wird jedes Kapitel (und das wunderschöne Cover ohnehin) durch sehr schöne Ilustrationen von Julia Maria Stolba.


Die Reise teilt sich in nicht allzulange 11 Kapitel und jedes von ihnen steckt voller (sprachlicher) und auch inhaltlicher Überraschungen! Die Reise beginnt am Küchentisch von "Wort", dessen Vater in der Forschung tätig ist und behauptet, dass Wörter Menschen brauchen: An diesem Vormittag vergisst unser Wort seine Bedeutung, seinen Sinn und macht sich auf die nicht ungefährliche Suche nach ihnen...

So lernen wir "Zeig" kennen, den tauben Freund von Wort und erkennen die Verfolger, die sich an die "Verse" bzw. Fersen von Wörtern hängen, die in dieser Welt ihre Bedeutung verloren haben oder durch andere ersetzt wurden: Vor ihnen muss "Wort" sich hüten! Im Romantext kann man getrost und oft das Wort mit dem Menschen assoziieren, wenn es etwa heißt:

"... ohne Familie und ohne Sinn im Leben bist du nichts" (....)

So tritt unser Wort mutig seinen Weg an, um seinen Sinn (wieder) zu finden; es gerät in den Sprachfluss und in die Stadt Sprachen, in der gerade Wortspiele ausgetragen werden, die großen Erzähl- und auch durchaus "olympischen" Charakter aufweisen! Können die stattfindenden Spiele dem Wort helfen, die Gefahr zu bannen und seinen Sinn zu finden?

Es geht in diesem Büchlein um Zweifel und Ängste, aber auch um Mut und Zuversicht, um Freude an Abenteuern, Freundschaft und Lebensfreude, die allesamt mit fantasievollen und außergewöhnlichen Sprachideen und -einfällen von Elias Vorpahl prätentiös und teils sehr humorvoll zum Ausdruck gebracht werden: Vieles von dem, was unser "Wort", das wie sich herausstellt, durch seinen Artikel "weiblich" ist und den Leser herausfordert, seinen Sinn zu erraten, könnte auch für die Reise durch das eigene Leben stehen, für die Flussschnellen und auch die ruhigeren Fahrwasser, in die es uns zuweilen bringt. Ich fand diese Verbindung von tiefgründiger Poesie und Weisheit und der überbordenden Fantasie sehr gelungen - und erfreulich zu lesen! Besonders gefallen hat es mir bei den Wortspielen in "Sprachen", der Erwähnung "des stets schlechtgelaunten Imperativs" und die über allem stehende Sinnfindung: Eingerahmt wird die Geschichte von einem "alten Mann mit Papier und Feder" - ein Synonym für die Literatur und eine Hymne auf das geschriebene Wort? - der seinerseits unserem Wort auf die Silben und Buchstaben hilft - und den Leser am Schluss noch in magischer Weise miteinbezieht in die Handlung. Chapeau! Das hatte ich SO auch noch nicht ;)

Fazit:

Eine wirklich lesenswerte fantastische Geschichte über den Sinn im Leben und dass Wörter (zur richtigen Zeit ausgesprochen) ihre Wirkung wie pure Magie entfalten können. Von mir gibt es mit einem Kompliment an den Autor und Dank für schöne Lesestunden 4,5 Sterne.