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Veröffentlicht am 09.04.2019

Kein Märchen, sondern ein Albtraum!

Royal Passion
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Von einer Leseprobe, vom darin zu bestaunenden Schreibstil und der Geschichte, die aufgeschlagen wird, noch positiv überrascht, hat sich meine Meinung leider grundlegend geändert, als ich das Buch gelesen ...

Von einer Leseprobe, vom darin zu bestaunenden Schreibstil und der Geschichte, die aufgeschlagen wird, noch positiv überrascht, hat sich meine Meinung leider grundlegend geändert, als ich das Buch gelesen habe.
Ich finde es anmaßend und widerlich, dass 'Royal Passion' mit der Widmung 'Für alle Mädchen, die ein neues Märchen brauchen' versehen ist. Denn was innerhalb des Buches beschrieben wird, ist meiner Meinung nach kein Märchen, sondern eine düstere Geschichte über Unterwerfung und Unterdrückung. Ein Prinz, der seinen Status voll ausnutzt und ungehemmt und rücksichtslos 'animalischen Bedürfnissen' (zitiert aus dem Buch) nachgeht und ein naives, unbedarftes Mädchen, das sich ihm ergibt und sich klein macht, ohne dass die positive Wendung, die einem Märchen anhaftet, irgendwann auch nur ansatzweise geschehen würde. Die beabsichtigte Liebesgeschichte der Protagonisten kommt nicht zum Tragen, stattdessen wird in jeder nahen Szene und auch in alltäglichen Begebenheiten auf mit dem Geschlechtsverkehr Verbundenes angespielt, sodass sich die Beziehung der Hauptcharaktere nicht entwickelt, sondern zu einem Nebenschauplatz verkommt, der Körperlichem hintenansteht, faktisch nie begreifbar gemacht wird.
Auf jeder zweiten Seite macht das Buch dem Genre, das man leider - aus welchen Gründen auch immer - nicht sofort vom Buchrücken aus bestimmen kann, alle Ehre und das so ordinär, geschmacklos und abwertend, dass ich mehrmals den Reiz unterdrücken musste, zu würgen. Auch wenn wir uns hier im Genre der Erotikliteratur bewegen und die Dinge damit anders zu sehen sind, findet sich in diesem Buch meiner Meinung nach keine Handlung, die eines Märchens - nicht in der ursprünglichen, Grimm-ähnlichen Form und auch nicht auf die Art, wie die neue Gegenwartsliteratur sie schon vielfältig (und auch dystopisch angehaucht) zustande brachte - würdig ist. Nachdem ich mich durch die Seiten gekämpft und einige Tage Abstand zum Buch gewonnen hatte, habe ich das Experiment begangen, durchs Überfliegen den Handlungsverlauf nachvollziehen zu wollen. Es ist mir gelungen, das durch das Überblättern und stichprobenweise Lesen einiger Seiten zu tun, weil es keine Handlung gibt. Das interessante (wenn auch klischeehafte) Konstrukt eines Adligen und einer frischgebackenen, bürgerlichen Oxford-Absolventin wird ebenso wenig ausgenutzt wie das ab und an aufflammende Talent der Autorin, unbekümmert und erfrischend zu schreiben.
Selbst wenn der Schreibstil angenehm zu lesen ist, kann ich 'Royal Passion' nicht weiterempfehlen. Weder an Personen, die dieses Genre mögen, noch an solche, die dank der unberechtigten Widmung auf ein modernes Märchen hoffen.