Gefängnis oder Freiheit?
Die Frauen von SjälöJohanna Holmströms aktueller Roman „Die Frauen von Själö“, der im Februar 2019 im Ulstein-Verlag erschienen ist, beschäftigt sich mit der Geschichte der auf dieser Insel im finnischen Schärengarten gelegenen ...
Johanna Holmströms aktueller Roman „Die Frauen von Själö“, der im Februar 2019 im Ulstein-Verlag erschienen ist, beschäftigt sich mit der Geschichte der auf dieser Insel im finnischen Schärengarten gelegenen Nervenanstalt für Frauen und deren Bewohnerinnen. Beispielhaft stehen die Schicksale zweier Patientinnen und einer betreuenden Krankenschwester im Mittelpunkt der Erzählung.
Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Jahr 1891 mit Kristina, die nach der Geburt eines unehelichen Kindes an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde. Sie findet zwar einen Partner, mit dem sie eine kleine Familie gründet, als Einari zur See fährt, um ihre gemeinsame Existenz zu sichern, ist Kristina mit der Last des Alltags und der Einsamkeit überfordert. Ihre Zunehmende Erschöpfung führt eines Abends zu einer dramatischen Szene, in der Kristina nicht ganz bei Sinnen ihre eigenen Kinder im Fluss ertränkt. Nach einigen Zwischenstationen landet Kristina in der Anstalt in Själö, die für die meisten Patientinnen eine Endstation bedeutet und die nur wenige jemals wieder verlassen. Es gibt keine wirkliche Therapie, die Patientinnen, die in der Gesellschaft unerwünscht sind, werden dort verwahrt und isoliert, sobald sie den Ansprüchen nicht genügen. Insgesamt erinnert das Krankenhaus eher an ein Gefängnis.
Ein Zeitsprung führt in die 1930 Jahre, als die 17-jährige Elli nach depressiven Phasen und einem Ausreißversuch mit ihrer ersten großen Liebe auf Själö eingewiesen wird. Wenig vor Elli hat Sigrid in der Anstalt als Pflegerin begonnen. Sie hat sich bewusst diesen Ort als Arbeitsstätte gewählt und versucht den Frauen dort mit mehr Empathie und Verständnis zu begegnen, stößt in dem damals herrschenden System und eingefahrenen Denken jedoch an ihre Grenzen.
Der Roman bewegt, stimmt nachdenklich und erschreckt immer wieder mit seinen schonungslosen Schilderungen. Frauen mit ernsten psychischen Problemen zerbrechen aufgrund mangelnder Hilfe, andere passen nicht in die Gesellschaft, ecken mit ihren Gefühlen und Verhaltensweisen an und werden nach Själö abgeschoben. Die Abgeschiedenheit der Insel führt zu einer ganz eigenen Dynamik, nicht zuletzt, weil die Frauen dort weitgehend auf sich allein gestellt sind.
Johanna Holmström greift auf sensible Weise tatsächliche Schicksale auf schildert mit zum Teil sehr eindringlichen Bildern, wie nah in dieser Zeit auf der Insel Själö der Eindruck von Gefängnis und Freiheit beieinander lagen. „Die Frauen von Själö“ ist ein ruhiger Roman, für den man sich Zeit nehmen sollte, um die wechselnden Stimmungen auf sich wirken zu lassen.