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Veröffentlicht am 27.02.2019

Im Schatten der Macht

Rheinblick
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Deutschland im November 1972

Vor dem Hintergrundgrund des immensen Wahlsieges der SPD und der anschließenden Sprachlosigkeit des Kanzlers, bedingt durch eine Operation der Stimmbänder, wird ...

Deutschland im November 1972

Vor dem Hintergrundgrund des immensen Wahlsieges der SPD und der anschließenden Sprachlosigkeit des Kanzlers, bedingt durch eine Operation der Stimmbänder, wird neben den gewaltigen Positionskämpfe während der Koalitionsverhandlungen, die Geschichte dreier Frauen erzählt, deren Leben in dieser kurzen Zeitspanne entscheidende Veränderungen wiederfuhr.
Hilde Kessel, die Wirtin des Rheinblicks, erlebt jeden Mittag und Abend die politischen Diskussionen und Ränkespiele. Sonja Engel kämpft um einen Arbeitsplatz als Logopädin, indem sie um eine Behandlungsmethode für Brandt ringt. Die Provinzjournalistin Lotti Legrand kämpft um ihren Platz als ernstzunehmende Journalistin, die auch als Frau über Politik, Jugendheime und Mord recherchieren und berichten kann.


Und dann plötzlich, viel zu plötzlich war er dann zu Ende der Roman.

Ich habe es genossen, in dieser Zeit zu schwelgen. Frau Glaser hat es exzellent verstanden, den Leser in die siebziger Jahre zu versetzen. In dieser Zeit war ich in der Oberstufe eines Mädchengymnasiums in einer Kleinstadt am Niederrhein. Wir haben die turbulenten politischen Umschwünge im Unterricht beobachtet und verfolgt.

Die Darstellung der Ereignisse vermischt mit fiktiven Charakteren hat mich voll überzeugt.
Die Beschreibung Brandts und seinem Charisma ist treffend. Die Diskussionen an den Tischen und der Theke im Rheinblick kamen mir so bekannt vor als wäre es gestern gewesen und ich empfand sie authentisch. Genau darüber und mit diesen Argumenten wurde diskutiert unter Jugendlichen, Studenten genauso wie unter Politikern.

Die heftigen und teilweise zersetzenden Diskussionen innerhalb der Partei, die es ja heute immer noch gibt, um die Sprachlosigkeit des Kanzlers zu gruppieren, finde ich sehr interessant. Lässt es doch gleich den Gedanken aufkommen, ob ein starker, sprachgewandter Kanzler die Kämpfe um Posten und Pöstchen hätte verhindern können. Aber das gelingt heute ja auch keinem Parteivorsitzenden.

Warum gerade diese zwei Wochen im November 1972? Weil es der Anfang vom Ende Brandts Kanzlerschaft war? Ich hätte auch die Enttarnung des Agenten Guillaume und was um Brandt herum geschah in dieser Zeit, sehr interessant gefunden.

Das Buch hat mich mitgerissen und begeistert.
Nachdem es ein Buch über die 50er Jahre mit dem Hintergrund Konrad Adenauer, jetzt eins der 70er Jahre mit dem Hintergrund Willy Brandt gab, was wird wohl folgen, Schmidt, Kohl oder Schröder? Ich bin gespannt und freue mich drauf.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Starkes Kind - starke Frau

BECOMING
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Wer mit 54 Jahren eine Autobiographie schreibt und diese sich zum Bestseller entwickelt muss viel sehr viel erlebt haben. Michelle Obama hat nicht nur viel erlebt. Sie hat mit einer enormen Kraft und Stärke, ...

Wer mit 54 Jahren eine Autobiographie schreibt und diese sich zum Bestseller entwickelt muss viel sehr viel erlebt haben. Michelle Obama hat nicht nur viel erlebt. Sie hat mit einer enormen Kraft und Stärke, die sie aus ihrer Kindheit zieht, ihr Leben immer wieder neu gestaltet, ja geradezu neu erfunden.

Erst einmal möchte ich festhalten, dass der Hörverlag in Katrin Fröhlich, die richtige bzw. passende Stimme und Sprecherin für die Buch gefunden hat. Sie hat das Buch so engagiert eingesprochen, dass ich zwischenzeitlich das Gefühl hatte, Michelle Obama persönlich sprechen zu hören.

Die Lebensgeschichte der Michelle Robinson Obama ist von Ehrgeiz, Arbeit und Zweifeln geprägt. Dass sie von ihren Selbstzweifeln und ihrer Unsicherheit als Kind, als Studentin und auch als First Lady erzählt macht sie sympathisch. Nur mit harter Arbeit, immensen sozialen Einsatz und persönlichen Verzicht kann man Veränderungen herbeiführen, so ihre Botschaft.

Sie beschreibt Ereignisse und Stationen ihrer Kindheit, ihr glückliches Familienleben, dass ihre Eltern sie nicht verbogen sondern stets gestärkt und unterstützt haben und dass sie ständig von Musik begleitet wurde.

Der Weg in „Weiße Haus“ war nicht gerade und sicher nicht vorgezeichnet, aber Michelle und Barack Obama haben ihn geschafft und viel erreicht.

Ihre Lebensgeschichte fand ich bis zum Ende ihrer Präsidentenzeit interessant und spannend. Die Zusammenfassung und mehr oder weniger Aufzählung ihrer Erfolge während Obamas Präsidentschaft empfand ich im letzten Kapitel überflüssig und störend.

Das Nachwort war wieder Mut machend für jeden, der etwas verändern will.
Außerdem macht Michelle Obama noch einmal deutlich, dass sie kein politisches Amt anstrebt, weil sie nach wie vor nichts von der Politik hält. Ihr Weg ist aber noch nicht zu Ende. Sie wird sich weiter entwickeln und nach vorne streben.

Veröffentlicht am 13.02.2019

Ist meine Wahrheit objektiv?

Das Echo der Wahrheit
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Elf Monate ist es her, dass der Psychiater James Cobb nach einem Vortrag in New York von dem Millionär Joshua Fleischer angesprochen wurde. Der Millionär bittet James Cobb um eine Hypnosebehandlung ...

Elf Monate ist es her, dass der Psychiater James Cobb nach einem Vortrag in New York von dem Millionär Joshua Fleischer angesprochen wurde. Der Millionär bittet James Cobb um eine Hypnosebehandlung um herauszufinden, was sich in einer bestimmten Nacht in einem Hotelzimmer in Paris vor rund vierzig Jahren ereignet hat.

Es folgen elf Monate der Suche nach Wahrheit, psychischer Entwicklung der einzelnen Beteiligten, verschiedener Wahrheiten der verschiedenen Personen und Cobbs eigenen Dämonen.


Ich bin total begeistert, welche Spannung und Dynamik diese Geschichte entwickelt hat. Ein an sich klarer Auftrag mit einer relativ einfachen Geschichte entwickelt sich Seite für Seite immer komplizierter. Viele verschiedene Wahrheiten, alle relativ logisch, bauen ein immer komplizierteres Geflecht auf. Zwischendurch wusste man gar nicht mehr, was man glauben sollte.

Neben der spannenden und aufregenden Geschichte, regt das Buch zum Nachdenken an. Obwohl ich schon öfters erlebt habe, dass mehrere Personen das gleiche Erlebnis aus der Vergangenheit unterschiedlich wiedergeben und erinnern, hätte ich nicht erwartet, dass es eine objektive Vergangenheitserinnerung gar nicht gibt. Das macht uns vielleicht etwas geduldiger gegenüber überraschende Erinnerungen der Eltern oder Partner.
In der Danksagung konnte ich lesen, welch hartes Stück Arbeit dieses Buch für den Autor war.

Ich kann nur sagen, gut, dass er sich Mühe gegeben hat, denn es ist ihm, meiner Meinung nach, richtig gut gelungen, einen spannenden, zum Nachdenken anregenden Roman zu schreiben, den man kaum aus der Hand legen konnte.

Ich hatte übrigens zwischendurch ganz andere Lösungsansätze bzw. Ideen. Der Autor ging andere Wege, zum Teil weil er den Fokus geändert hat und anderen Fragen nachgegangen ist.

Chapeau!

Veröffentlicht am 31.01.2019

Lügen - eine Krimi-Familiengeschichte

Der Verrat
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Sie sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Pia, die Älteste, führt ein geordnetes und wohlhabendes Leben an der Seite ihres Mannes Thomas von Manthey, 73 Jahre, den anerkanntesten ...

Sie sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Pia, die Älteste, führt ein geordnetes und wohlhabendes Leben an der Seite ihres Mannes Thomas von Manthey, 73 Jahre, den anerkanntesten Winzer im Saarland.
Birgit, die Mittlere, gescheitert als Lehrerin, führt den Antiquitätenhandel ihrer Eltern weiter und betätigt sich als Mittlerin zwischen ihren beiden Schwestern.
Nane, die Jüngste, verlässt nach zwanzig Jahren das Gefängnis auf Bewährung. Sie ist die Chaotin der Familie. Vor zwanzig Jahren hat sie einen Menschen ermordet.
Von Nanes Freilassung fühlt sich Pia bedroht.

Wow, was für eine Familiengeschichte. In ihrer unnachahmlichen Art hat Frau Sandberg, die ja sonst spannende Krimis schreibt, eine faszinierende Familiengeschichte für uns entblättert. Genauso wie man eine Rose entblättert, in dem man immer wieder rundherum ein Blatt entfernt, so wurde in verschiedenen Zeitebenen, von verschieden Personen ein Blatt nach dem anderen entfernt und uns eine neue Einsicht ermöglicht. Der Spannungsbogen wurde dabei immer hoch gehalten, so dass ich kaum Möglichkeiten hatte, das Buch aus der Hand zu legen. Gelesen habe ich es an vier Wochentagen, an den ich eigentlich keine Zeit habe lange zu lesen. Ausgelesen hatte ich es dann nachts um drei oder so. Ich war so müde, aber das Buch hat mich immer wieder wach gehalten.
Die Geschichte ist schier unglaublich. In den Lesepausen hat sie mich unentwegt beschäftigt, weil ich überlegt habe, was denn noch alles im Geheimen liegt und nicht an Licht kommen darf.
Da im Laufe der Geschichte einzelne Lebensabschnitte aller Schwestern beleuchtete wurden sind mir eigentlich alle Charaktere an Herz gewachsen. Ich habe dann mal mit der einen, mal mit der anderen Schwester gebangt. Auch die chaotische Nane ist immer nachvollziehbarer rüber gekommen. Bis auf Birgit haben die Schwestern zum großen Teil ihre Geschichte aus ihrer Sicht schildern können. Ich glaube, dass diese Erzählweise für größere Ein- und auch Übersicht geführt hat.
Alle Achtung, dass die Autorin bei dem ganzen Lügengeflecht nicht den Überblick verloren hat und immer nur einen kleinen Teil Preis gegeben hat um den Leser bis zum Schluss im Unklaren zu lassen.
Bravo, mich hat’s gefesselt und mir hat’s sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 26.01.2019

Fesselnde Geschichtsstunde

Die Tochter der Toskana
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Toskana 1832: Junge Männer aus Ligurien, Piemont, der Emilia und der Toskana folgen begeistert der Giovane Italia, organisieren Aufstände und kämpfen gegen die staatliche Zersplitterung und für einen einheitlichen ...

Toskana 1832: Junge Männer aus Ligurien, Piemont, der Emilia und der Toskana folgen begeistert der Giovane Italia, organisieren Aufstände und kämpfen gegen die staatliche Zersplitterung und für einen einheitlichen Nationalstaat.
Antonella bekommt davon nichts mit. Sie lebt als eine von drei Töchtern des Schäfers Battistoni in einem kleinen Dorf in den Bergen. Ihr Leben richtet sich nach den Jahreszeiten und dem Kampf um die kargen Lebensmittelreserven.
Als Paolo, der Sohn des wohlhabenden Müllers, um Antonella freit, stimmen ihre Eltern erfreut einer Heirat zu. Antonella ist sich nicht sicher. Als sie feststellt, dass Paolo ein Weiberheld ist, entschließt sie sich zur Flucht. Marco, ein geheimnisvoller Fremder, begleitet sie. Mit gegenseitiger Hilfe und Unterstützung gelingt ihnen die Flucht nach Genua, aber dort überrollen sie die politischen Unruhen.

Ich liebe gut recherchierte historische Romane. So kann man verpennte oder nicht beachtete Geschichtsstunden nachholen. Wenn die geschichtlichen Ereignisse dann auch noch in eine unterhaltsame Story verpackt sind, macht es richtig Spaß zu lesen.
Die Zusatzinformationen im Nachwort haben noch einmal deutlich gemacht, wie viel Recherche für einen guten historischen Roman nötig ist.

Zu Beginn fällt mir die sehr gute Darstellung des dörflichen Lebens und Überlebens auf.
Dieses karge Leben mit dem sich die Bevölkerung sichtlich eingerichtet hat. Frauen wie Antonella oder auch ihre Tante, selbstsicher und mutig, müssen aus der Gemeinschaft fliehen um ein eigenständiges Leben zu führen.

Auf der anderen Seite müssen junge adelige Männer, verstoßen von ihren Vätern oder unerkannt und heimlich, für ein selbständiges Italien kämpfen.

Frau Seemayer ist es wieder einmal gelungen einen nicht enden wollenden Spannungsbogen zu spannen, der mir kaum die Möglichkeit bot, das Buch zu schließen. Die beiden Protagonisten Antonella und Marco hab ich gleich ins Herz geschlossen.

Auf wunderbarer Weise versetzt sie uns in eine Zeit, die für die italienische Bevölkerung sicher von großer Wichtigkeit ist, die aber an unserem Geschichtsbewusstsein vorbei gegangen ist.

Nachdem ich das bereits erwähnte Nachwort gelesen habe, war meine Neugier geweckt, darauf wie es wohl in der italienischen Geschichte weitergeht und in wie weit Antonella und Marco daran beteiligt sein werden. Antonella und Marco sind, wie von der Autorin erwähnt, fiktiv, aber ich sehe sie schon stellvertretend für Teile der Bevölkerung.

Ich freue mich auf eine Fortsetzung.