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Veröffentlicht am 14.03.2019

Der indische König Lear

Wir, die wir jung sind
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Devraj ist der Gründer und Chef eines mächtigen indischen Mischkonzerns, der von allen nur „The Company“ genannt wird. Ebenso wie Ranjit Singh, seine rechte Hand, ist er eine bekannte Persönlichkeit im ...

Devraj ist der Gründer und Chef eines mächtigen indischen Mischkonzerns, der von allen nur „The Company“ genannt wird. Ebenso wie Ranjit Singh, seine rechte Hand, ist er eine bekannte Persönlichkeit im Land. Doch nun ist Devraj alt und es wird Zeit, das Erbe zu verteilen. Nur wie? Neben seinen eigenen drei Töchtern gilt es auch, die zwei Söhne von Ranjit zu bedenken. Als Sita, die jüngste Töchter, sich dem Willen ihres Vaters widersetzt, entbrennt ein Machtkampf, in den auch Ranjits unehelicher Sohn Jivan hineingezogen wird. Wer wird sich dabei durchsetzen?

„Wir, die wir jung sind“ ist ein Familienepos und der Debütroman von Preti Taneja.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sechs Teilen, die wiederum in Kapitel ganz unterschiedlicher Länge untergliedert sind. Erzählt wird einerseits aus der Sicht von Devraj in der Ich-Perspektive und andererseits im Wechsel aus der Sicht unterschiedlicher Personen wie Jivan, Gargi und Jeet. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist ungewöhnlich. Sprachbilder, Vergleiche und Beschreibungen konnten mich begeistern. Allerdings erfordert dieser Stil beim Lesen einiges an Aufmerksamkeit – zumal immer mal wieder fremde Namen und Ausdrücke auftauchen. Daher dauerte es etwas, bis ich in der Geschichte angekommen war.

Die Protagonisten wirken durchweg realitätsnah und vielschichtig. Obwohl ich längst nicht für alle Charaktere Sympathie hegen kann, habe ich ihre Gedanken- und Gefühlswelt gerne verfolgt.

Die Handlung ist, was bei der recht hohen Seitenzahl nicht verwundert, zum Teil leider ein wenig ereignisarm und daher stellenweise langatmig. Es sind aber auch spannende Passagen vorhanden. Was die angesprochenen Themen angeht, hat die Geschichte außerdem so einiges zu bieten: Es geht um Macht, um Verrat und den Willen zu überleben.

Bei dem Roman handelt es sich um eine Adaption von William Shakespeares Tragödie „König Lear“, die – bezüglich ihrer Form und Sprache – ins Indien des 21. Jahrhunderts verlegt wurde. Eine schöne Idee. Doch die Geschichte ist nicht nur angelehnt an das Stück des bekannten Briten, sondern es gibt auch weitere literarische Bezüge und Anklänge an andere Autoren wie beispielsweise Virginia Woolf.

Hilfreich beim Verständnis ist ein Glossar, das viele, aber nicht alle erwähnten Hindi-Ausdrücke erklärt. Interessant ist außerdem das Nachwort der deutschen Übersetzerin.

Der sehr bewusst gewählte englischsprachige Originaltitel „We that are young“ wurde ins Deutsche übertragen, was ich gut finde. Das Motiv des Covers wurde dagegen nicht übernommen. Ich muss jedoch gestehen, dass mir die farbprächtige deutsche Version mehr zusagt.

Mein Fazit:
„Wir, die wir jung sind“ von Preti Taneja ist keine einfache, aber eine besondere und lohnenswerte Lektüre. Der Roman eignet sich vor allem für diejenigen, die gerne ein Familienepos der etwas anderen Art lesen möchten.

Veröffentlicht am 06.03.2019

Ein Junge, ein Mädchen und ein geheimnisvoller Arzt

Das verschenkte Weinen
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Der blinde Flüchtlingsjunge Hondez und das sehende Mädchen Aristid freunden sich an und verbringen viele, viele unbeschwerte Stunden miteinander. Die Verbindung zwischen beiden wird immer stärker und mit ...

Der blinde Flüchtlingsjunge Hondez und das sehende Mädchen Aristid freunden sich an und verbringen viele, viele unbeschwerte Stunden miteinander. Die Verbindung zwischen beiden wird immer stärker und mit zunehmendem Alter wird aus der Freundschaft eine tiefempfundene Liebe. Als Aristids Vater merkt, dass er die zwei nicht trennen kann, will er Hondez von seiner Blindheit befreien. Er findet in Dr. Pretorius einen geheimnisvollen Arzt, der Hondez das Augenlicht wiedergeben will. Doch der Preis, den Aristid dafür zahlen soll, ist sehr hoch…

„Das verschenkte Weinen“ ist ein Märchen für jedes Alter von Werner Heiduczek.

Meine Meinung:
Erzählt wird eine Geschichte in der Geschichte: Auf einer Bootsfahrt unterhalten sich drei Männer, von denen einer vom Schicksal von Hondez und Aristid berichtet. Die Geschichte der beiden Liebenden wird daher immer wieder von Passagen unterbrochen, in denen es um die Männer auf dem Boot geht. Diese Struktur trifft nicht ganz meinen Geschmack.

Die beiden Protagonisten Hondez und Aristid sind sehr sympathische Charaktere. Sie wirken wie die übrigen Figuren ziemlich eindimensional. Das ist jedoch dem Genre geschuldet und hat mich deshalb nicht gestört.

Das Hörbuch ist mit einer Spieldauer von weniger als zwei Stunden recht kurz, was ich aber für ein Märchen passend finde. Beim Zuhören kommt keine Langeweile auf.

Gut gefallen hat mir die Botschaft der Geschichte: Akzeptiere, dass das Leben unvollkommen ist. Diese Aussage hat bis heute nicht an Aktualität und Gültigkeit verloren. Dabei hat der Autor das Märchen bereits zu der Zeit des DDR-Sozialismus, also vor mehr als 40 Jahren, geschrieben.

Ein Highlight des Hörbuches ist die Musik, die Marion von Tilzer eigens für die Geschichte komponiert hat. Sie selbst spielt Klavier. Zu hören sind außerdem Geige, Singende Säge und Cello. Der Soundtrack ergänzt die Geschichte auf ganz hervorragende Weise und verleiht ihr das besondere Etwas. Die Stücke werden zwischendurch eingestreut. Zudem hat der Zuhörer am Ende noch einmal die Gelegenheit, die zehn einzelnen Werke zu genießen.

Das Hörbuch wird gelesen von Alexander Pensel. Der Sprecher macht einen guten Job.

Das hübsch gestaltete Cover passt zur Geschichte und gefällt mir sehr gut. Der Titel verrät leider – ebenso wie der Klappentext – schon sehr viel.

Mein Fazit:
„Das verschenkte Weinen“ von Werner Heiduczek ist eine anrührende Geschichte. Das Hörbuch lohnt nicht nur wegen des Inhalts des Märchens, sondern vor allem auch wegen der gelungenen Musik.

Veröffentlicht am 25.02.2019

Zwei Hunde auf einer gefährlichen Reise

Die Ballade von Max und Amelie
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Die Hündin Narbe lebt auf einer Müllkippe und schlägt sich dort durch, nachdem ihr Bruder ihr in einem Kampf ein Auge herausgerissen hat. Sie hat viel von ihrem Lebensmut verloren, als plötzlich der Hund ...

Die Hündin Narbe lebt auf einer Müllkippe und schlägt sich dort durch, nachdem ihr Bruder ihr in einem Kampf ein Auge herausgerissen hat. Sie hat viel von ihrem Lebensmut verloren, als plötzlich der Hund Max bei der Müllkippe aufgetaucht. Sie bewahrt ihn davor, von Menschenkindern erschlagen zu werden. Er wiederum überzeugt sie, ihn auf der Suche nach seiner Menschenfamilie zu begleiten. Zusammen begeben sich die beiden auf eine gefährliche Reise…

„Die Ballade von Max und Amelie“ ist ein fantasievoller Roman von David Safier.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 72 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Hündin Narbe, die später Amelie heißt. Der Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist flüssig und anschaulich. Sprachlich ist der Roman an eine Ausdrucksweise angepasst, die auch von Hunden verwendet werden könnte, falls sie tatsächlich ähnlich wie Menschen denken würden. Das gefällt mir gut, obgleich dieser Versuch nicht immer ganz konsequent durchgehalten wird. Als etwas störend habe ich empfunden, dass es mehrere Vorausdeutungen gibt, die gewisse Aspekte vorwegnehmen. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Die Idee, einen Erwachsenenroman zu schreiben, bei dem Hunde die Protagonisten sind, finde ich schön. Als Hauptcharaktere sind mir Narbe und Max schnell sympathisch gewesen. Beide sind recht unterschiedlich, haben aber positive Eigenschaften: Bei Narbe sind es Mut und Kampfgeist, bei Max ist es seine sanfte, liebevolle Art. Wie in einer Fabel sprechen die Hunde nicht nur innerhalb ihrer Art, sondern auch mit anderen Tieren.

Von Beginn an verspricht die Geschichte Abwechslung und Spannung. Sie nimmt gleich Fahrt auf und bleibt trotz eines eher ruhigen Mittelteils kurzweilig.

Ein Pluspunkt des Romans ist es auch, dass er sowohl traurige als auch lustige Passagen beinhaltet. Mehrfach konnte mich die Geschichte bewegen. Das liegt auch daran, dass es um universelle Themen wie Liebe, Freundschaft, Krankheit und Leid geht. Somit regt das Buch durchaus zum Nachdenken und Mitfühlen an. Leider spielt der Reinkarnationsaspekt eine zu große Rolle. Während der Autor das Thema in „Mieses Karma“ noch eher augenzwinkernd und sehr humorvoll behandelt, driftet „Die Ballade von Max und Amelie“ stark ins Spirituelle und zum Teil auch ins Kitschige ab. Vor allem gegen Ende wirkt die Geschichte damit übertrieben.

Das Cover ist stimmig. Die hübsche Gestaltung wird im Inneren des Hardcovers aufgegriffen, denn zu Beginn der Kapitel ist jeweils eine Hundesilhouette abgebildet ist. Der Titel ist durchaus passend.

Mein Fazit:
Mit „Die Ballade von Max und Amelie“ konnte mich David Safier nicht restlos begeistern. Eine kurzweilige, unterhaltsame Geschichte ist es dennoch – vor allem für Tierfreunde.

Veröffentlicht am 22.02.2019

Eines Tages sind sie einfach da

Ein wirklich erstaunliches Ding
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Übermüdet macht sich April May nachts um 3 Uhr auf den Nachhauseweg. Die 23-jährige Grafikdesignerin hat noch lange gearbeitet und sehnt sich nach ihrem Bett, als sie mitten in Manhattan eine überlebensgroße ...

Übermüdet macht sich April May nachts um 3 Uhr auf den Nachhauseweg. Die 23-jährige Grafikdesignerin hat noch lange gearbeitet und sehnt sich nach ihrem Bett, als sie mitten in Manhattan eine überlebensgroße Roboterskulptur entdeckt. Schnell ist ihr Kumpel Andy Skampt zur Stelle, um ein Video fürs Netz zu drehen von dieser Art Kunstprojekt – so jedenfalls interpretiert es die junge Frau, die das Ding kurzerhand Carl tauft. Als April am nächsten Tag aufwacht, ist das Video über YouTube viral gegangen und wurde überall angeschaut. Mehr noch: Plötzlich sind auch in Dutzenden anderen Städten der Welt solche Carls aufgetaucht. Was hat es bloß mit ihnen auf sich? Unverhofft wird April May zur Expertin für die riesigen Skulpturen deklariert und steht im Zentrum des internationalen Interesses, was nicht nur positive Folgen hat…

„Ein wirklich erstaunliches Ding“ ist der Debütroman von Hank Green.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 25 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von April May. Dieser Aufbau funktioniert prima.

Der Schreibstil ist flott, locker, flüssig und anschaulich. Die Sprache ist zum Teil ziemlich flapsig und frech, definitiv recht umgangssprachlich, was aber ganz gut zu dieser Generation passt. Hilfreich für die Lektüre ist die Kenntnis der modernen Jugendsprache. Normalerweise mag ich es nicht, wenn sich der Erzähler an den Leser richtet. In diesem Fall hat mich die direkte Ansprache aber nicht gestört, weil es gut mit dem restlichen Schreibstil harmoniert. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

April May, deren Name ich übrigens nicht besonders originell finde, ist ein interessanter Charakter. Mir hat gut gefallen, dass sie als bisexuelle, etwas chaotische, aber durchaus selbstbewusste und aufgeweckte Person beschrieben wird. Auch wenn ich mich nicht in allen Punkten mit ihr identifizieren konnte, habe ich ihre Geschichte ganz gerne verfolgt. Sie wird etwas überspitzt und weniger realitätsnah dargestellt, ist aber eine unterhaltsame Protagonistin.

Auch inhaltlich wirkt die kreative Geschichte stellenweise übertrieben und abgedreht. Aber im Großen und Ganzen habe ich mich dennoch gut unterhalten gefühlt. Trotz der eher umfangreichen Seitenzahl wird das Lesen nicht langweilig. Es gibt mehrere Überraschungen. Zudem kommt der Humor nicht zu kurz.

Der wohl größte Pluspunkt des Romans ist seine sehr aktuelle Thematik. Es geht um das Internet, YouTube, die sozialen Medien und alles, was damit zusammenhängt. Dabei wird eine gesellschaftskritische Komponente deutlich: Die Gier nach Klicks, die negativen Folgen, die mit der Berühmtheit im Internet einhergehen können, und die Schnelligkeit, mit der sich Beiträge übers Netz verselbstständigen können, werden dargestellt.

Das Cover entspricht nicht ganz meinem Geschmack, aber passt zur Geschichte. Positiv hervorzuheben ist, dass sich der Titel stark am amerikanischen Original orientiert.

Mein Fazit:
Seinem Bruder John kann Hank Green in schriftstellerischer Hinsicht (noch) nicht das Wasser reichen. Dennoch hat „Ein wirklich erstaunliches Ding“ mir unterhaltsame Lesestunden bereitet.

Veröffentlicht am 16.02.2019

Zwei Generationen

Fünf Tage im Mai
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Illy, die eigentlich Leonore heißt, war schon immer anders. Sie ist ein Wildfang mit einem scharfen Verstand. Auch ihr Urgroßvater Korbinian Hofer, den sie liebevoll Tat'ka nennt, ist ein ungewöhnlicher ...

Illy, die eigentlich Leonore heißt, war schon immer anders. Sie ist ein Wildfang mit einem scharfen Verstand. Auch ihr Urgroßvater Korbinian Hofer, den sie liebevoll Tat'ka nennt, ist ein ungewöhnlicher Mensch. Der Mann im Greisenalter ist der letzte Fassbinder Tirols und der Älteste in seinem Dorf. Obwohl die beiden viele Jahre trennen und sie ein ungleiches Gespann sind, verbringen sie gerne ihre Zeit miteinander. Wenn Illy an ihren freien Nachmittagen bei ihm in der Werkstatt sitzt, erzählt er ihr Geschichten und erklärt ihr sein Handwerk. Die Urenkelin teilt mit ihm wiederum ihre Geheimnisse. Doch eines Tages muss Illy erkennen, dass sie eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen treffen muss…

„Fünf Tage im Mai“ ist ein berührender Roman von Elisabeth R. Hager.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fünf Kapiteln. Jedes ist einem Tag im Mai zugeordnet, aber in unterschiedlichen Jahren: 1986, 1996, 1998 und 2004. Dazwischen gibt es Zeitsprünge. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Illy. Dieser Aufbau gefällt mir gut.

Der Schreibstil ist locker, flüssig und anschaulich. Er ist geprägt von einem warmherzigen Blick auf den Urgroßvater. Gestört hat mich, dass so viel Dialekt im Text eingebaut ist. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir jedoch leicht.

Uropa und Urenkelin stehen im Mittelpunkt des Romans. Mit seiner eigenwilligen, aber liebevollen Art ist mir Tat'ka schnell ans Herz gewachsen. Auch Illy war mir schon nach wenigen Seiten sympathisch. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt wird sehr gut deutlich. Beide Charaktere wirken absolut authentisch.

Die Geschichte setzt weniger auf Spannung als auf ruhige Töne. Dennoch ist der Roman nicht langweilig, was nicht nur der eher geringen Seitenzahl geschuldet ist. Mich konnte die Geschichte durchaus emotional berühren, denn es geht um Themen, die viele ansprechen: Liebe, das Erwachsenwerden, Freundschaft, Verlust und einiges mehr.

Das Cover wirkt sehr modern und gleichzeitig nostalgisch. Das gefällt mir gut. Inhaltlich erschließt es sich mir leider nicht. Allerdings ist der Titel des Romans umso passender gewählt.

Mein Fazit:
„Fünf Tage im Mai“ von Elisabeth R. Hager ist eine anrührende Lektüre, die mir unterhaltsame Lesestunden beschert hat.