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Veröffentlicht am 24.05.2019

Großmutter in der Fremde

Der Zopf meiner Großmutter
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Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Mäxchen hat es nicht leicht, sein Opa auch nicht. Denn Großmutter Margarita hat ein ganz besonderes Temperament. Herrschsüchtig, kontrollierend, durchaus auch ...

Der Zopf meiner Großmutter - Alina Bronsky

Mäxchen hat es nicht leicht, sein Opa auch nicht. Denn Großmutter Margarita hat ein ganz besonderes Temperament. Herrschsüchtig, kontrollierend, durchaus auch beleidigend wacht sie über ihre Lieben. Auf zweifelhafte Art und Weise in einem jüdischen Flüchtlingsheim in Deutschland gelandet, wettert sie gegen alles und jeden. Gegen Deutsche, gegen Juden, Flüchtlinge im Allgemeinen, das deutsche Schulsystem und deutsche Ärzte. Keiner kann es ihr recht machen. Dann verliebt sich Opa und auf skurrile Art und Weise entsteht eine außergewöhnliche russische Patchwork Familie. Und alle Beteiligten müssen nicht nur ihren Platz im neuen Land, sondern auch noch in der neuen Familie finden.

Als Leser weiß man anfangs nicht, darf man lachen, sollte man eher weinen, angesichts der harschen, teils geradezu bösartigen Art der älteren Frau. Besonders Maxim wird zugleich verhätschelt und erniedrigt, für dumm, krank, schier lebensunfähig erklärt. Es grenzt an seelische Misshandlung und ist nicht immer leicht zu ertragen. Auch weil die Beweggründe sehr lange unbekannt bleiben bzw. nie vollständig aufgeklärt werden.
Unverständlich, der Gleichmut des Großvaters, der alles stoisch über sich ergehen lässt, statt Mäxchen in Schutz zu nehmen.

Alina Bronsky hat eine unvergleichliche Art, von unmöglichen Verhältnissen zu erzählen, auf eine seltsame Art komisch, gleichzeitig unheimlich traurig, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Den Schreibstil mag ich sehr, locker-flockig rast man durch die Seiten. Anderswo habe ich bereits den Begriff „Bronsky-Beat“ gelesen. Ja, das kann ich nachvollziehen und genau dieser Stil macht mich neugierig auf ihre anderen Werke.
Raffiniert wird die Geschichte dadurch, dass der Leser auf dem Stand des kindlichen Erzählers ist und somit ebenso wie dieser nur Häppchenweise in die Hintergründe und Zusammenhänge eingeweiht wird. Zumal die Oma eisern schweigt.

Dieser Roman hat für mich sehr sehr stark begonnen. Gegen Ende waren mir einige Zeitsprünge zu unvermittelt und einige Wendungen zu abrupt, kaum noch nachvollziehbar. Hier hätten ein paar Seiten mehr dieser Geschichte sehr gut getan. Leider gibt es dafür auch einen Stern Abzug.
Trotzdem eine absolute Leseempfehlung für einen sehr außergewöhnlichen Roman!


Veröffentlicht am 01.04.2019

Ein Schwesternroman über drei kämpferische Frauen

Eine eigene Zukunft
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Eine eigene Zukunft - Maria Duenas

1936 holt der Vater, der sich bis dahin nur sporadisch bei seiner Familie blicken ließ, diese aus der andalusischen Provinz nach New York, wo sie sich gemeinsam ein ...

Eine eigene Zukunft - Maria Duenas

1936 holt der Vater, der sich bis dahin nur sporadisch bei seiner Familie blicken ließ, diese aus der andalusischen Provinz nach New York, wo sie sich gemeinsam ein Restaurant aufbauen. Doch nach nur wenigen Monaten in der neuen Heimat hat das Familienoberhaupt einen tödlichen Unfall. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, das Restaurant hat nicht den gewünschten Erfolg, die Mutter und die drei Töchter haben in der fremden Metropole noch nicht Fuß gefasst. Nun sind sie plötzlich auf sich selbst gestellt.
Hals über Kopf stürzen sich die Frauen in die Renovierung und den Umbau des Restaurants in einen Nachtclub. Trotz aller Widrigkeiten, die ihnen in den Weg gelegt werden, dürfen sie doch feststellen, wie viele Menschen aus der spanischen Gemeinde ihnen zu Hilfe kommen und zu Freunden werden. Der Zusammenhalt der Spanier in der Fremde ist groß. Und die Liebe kommt natürlich nicht zu kurz.

Dies ist die Geschichte von vier Immigrantinnen wider Willen in die USA. Stehen die Mädchen dem Umzug anfangs mehr als skeptisch gegenüber, so sind sie durch die Ereignisse bald gezwungen, das Beste aus der Situation zu machen. Einerseits sind sie so eng miteinander verbunden, allein in der Fremde haben sie sich nur gegenseitig. Dennoch entwickeln sich die Geschicke der drei Mädchen in unterschiedliche Richtungen.

Welche weitreichende Folgen Entscheidungen haben können. So heißt es zu Beginn des Romans, nach dem plötzlichen Tod des Vaters, zu entscheiden, bleiben oder gehen.
Während sich die Mädchen mit der Zeit arrangieren und die Ärmel hochkrempelnd in die Zukunft blicken, hält die Mutter sehr lange an Werten und Traditionen der Heimat fest, im Hinblick auf eine möglichst schnelle Heimkehr. Der natürliche Abnabelungsprozess junger Menschen von ihren Eltern, der Wunsch auf eigenen Beinen zu stehen, ist durch die Umstände stark erschwert.

Die vier Frauenfiguren fand ich insgesamt sehr schön gezeichnet. Die traditionsbewusste, unselbstständige Mutter. Im Gegensatz dazu die Töchter mit Feuer und Temperament. Gerne hätte ich die kämpferischen jungen Frauen noch weiter auf dem Weg in ihr eigenes Leben begleitet.

Veröffentlicht am 26.03.2019

Über die Wichtigkeit von Menschlichkeit in unserer globalisierten Welt

Der Wal und das Ende der Welt
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Der Wal und das Ende der Welt – John Ironmonger

Eine Geschichte, die fast so in der Bibel stehen könnte…
Die Wichtigkeit der Menschlichkeit gerade in der heutigen globalisierten Welt

Dieser Roman spielt ...

Der Wal und das Ende der Welt – John Ironmonger

Eine Geschichte, die fast so in der Bibel stehen könnte…
Die Wichtigkeit der Menschlichkeit gerade in der heutigen globalisierten Welt

Dieser Roman spielt zum allergrößten Teil in St. Piran, einem idyllischen Fischerdorf in Cornwall, beinahe abgeschnitten vom Rest der Welt. Ausgerechnet hier überschlagen sich eines Tages die Ereignisse. Ein junger Mann wird angeschwemmt und von den Bewohnern des Dorfes geborgen. Beinahe zeitgleich strandet ein riesiger Wal an der Küste. Mit vereinten Kräften wird er wieder zurück ins Meer befördert. Dennoch spielt dieser Wal eine große Rolle in der Geschichte. Er steht sowohl für das Ende der Welt als auch für das Gute im Menschen.
Der junge Mann heißt Joe und ist aus London geflohen, wo er als Börsenhändler einen Dominoeffekt in Gang gesetzt hat. Steht nun der Kollaps der gesamten Zivilisation bevor? Und was genau hat der Wal damit zu tun?

Es sind liebenswerte, skurrile Menschen, die Bewohner von St. Piran, die Joe so gastfreundlich aufnehmen. Auf jeden Fall sind sie sehr authentisch und passen perfekt in ihr Fischerdorf, wo die neue, hektische Zeit noch nicht angekommen ist. Die moderne Finanzwelt, aus der Joe kommt, wirkt dagegen wie ein anderes Universum. Dennoch könnten gerade diese „rückständigen“ Menschen, die Rettung der Welt bedeuten, die Politiker und Trader vor die Wand gefahren haben. An sehr vielen Stellen (nicht nur die Sache mit dem Wal) fühlte ich mich an verschiedene Bibelgeschichten erinnert.

Trotz des apokalyptischen Szenarios ist dies ein Wohlfühlroman, der Mut macht und an die Menschlichkeit appelliert. Ob das ein realistisches Szenario ist, nun ja, darüber könnte man diskutieren. Es werden viele grundsätzliche Fragen aufgeworfen. Wie wird sich der Mensch in der Not verhalten, was passiert dann mit der Gesellschaft? Auch die komplexen (finanz-) politischen und Handelsbeziehungen unserer heutigen globalisierten Welt werden sehr gut dargestellt.

Ironmonger ließ sich laut Klappentext von der Bibel, sowie zwei Sachbuchautoren inspirieren. Jared Diamonds „Kollaps“ habe ich selbst gelesen und sehr gemocht. So hat mich die Ausgangsituation sehr interessiert und der Roman las sich süffig. Allerdings bin ich nach wie vor unschlüssig, ob mir die Auflösung dieses Dilemmas in dieser Geschichte nun gefällt oder nicht.

Eine klare Leseempfehlung für eine ganz besondere Geschichte!

Veröffentlicht am 25.03.2019

Auf der Suche nach der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit
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Das Echo der Wahrheit- Eugene Chirovici

"Irgendwo in einer großen Stadt, die funkelt wie ein Diamant, hatten sich drei Schicksale für immer miteinander verwoben. Ob in Liebe oder Leid, war nicht mehr ...

Das Echo der Wahrheit- Eugene Chirovici

"Irgendwo in einer großen Stadt, die funkelt wie ein Diamant, hatten sich drei Schicksale für immer miteinander verwoben. Ob in Liebe oder Leid, war nicht mehr wichtig. Allzu häufig bedeuten die beiden ein und dasselbe." (Zitat)

Laut Verlag handelt es sich hierbei um einen psychologischen Spannungsroman. Tatsächlich würde ich das Werk als eine Mischung aus anspruchsvollem Krimi und spannendem Roman einordnen.

Der Multimillionär Joshua Fleischer konsultiert den berühmten Psychiater Dr. James Cobb. Er will endlich wissen, was in jener verhängnisvollen Nacht in den siebziger Jahren tatsächlich passiert ist. Wer war schuld an der Tragödie, die sein Leben für immer verändert hat und ihn nun seit Jahrzehnten nicht mehr loslässt. Er ist todkrank und will nicht sterben ohne zu wissen, was sich hinter seinen bruchstückhaften Erinnerungen verbirgt. Ist er am Ende selbst ein Mörder?
Cobb betritt ein Labyrinth aus Erinnerung und Täuschung. Wessen Erinnerung ist die richtige? Eine einzige Nacht, die das Leben mehrerer Personen für immer verändert hat. Nur was ist eigentlich passiert? Denn jeder der Beteiligten erinnert sich an etwas anderes.

Reizvoll und anspruchsvoll finde ich die Kombination aus verschiedenen, sich im Laufe der Zeit verändernden Erinnerungen und der offensichtlichen Geisteskrankheit eines der Protagonisten. Ist nicht ein schizophrener Beteiligter automatisch verdächtig?
Chirovici schreibt fesselnd und klug, in schöner Sprache, der man dennoch sehr gut folgen kann. Gerade die psychologischen Aspekte machen seine Geschichten so interessant.

Wie schon im "Buch der Spiegel" konstruiert der Autor kompliziert verschlungene Handlungsstränge, ein regelrechtes Labyrinth. Am Ende ist nichts so wie es scheint, man wird immer wieder überrascht.
Tatsächlich hat mir „Das Echo der Wahrheit“ noch besser gefallen. Ich fand es spannender, wenn es natürlich auch gewisse Parallelen in der Erzählweise gibt.
Einzig Cobbs Geschichte fand ich sehr dünn und konstruiert als Grund für die anhaltenden Nachforschungen.

Klare Leseempfehlung für alle, die das Besondere mögen und sich gerne auf psychologische Gedankenspiele einlassen!


Veröffentlicht am 01.03.2019

Ein empfehlenswerter Krimi mit blindem Protagonisten

Blind
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Blind - Christine Brand

Dieser Krimi überzeugt gleich durch zwei grundlegende Aspekte. Zum einen ist dies ein ungewöhnliches, aber authentisch-sympathisches Ermittlerduo aus Polizist und Journalistin. ...

Blind - Christine Brand

Dieser Krimi überzeugt gleich durch zwei grundlegende Aspekte. Zum einen ist dies ein ungewöhnliches, aber authentisch-sympathisches Ermittlerduo aus Polizist und Journalistin. Zum anderen der blinde Protagonist Nathaniel, der den Leser ganz unkompliziert in die Welt eines Blinden einführt und für daraus resultierende Schwierigkeiten sensibilisiert.

Nathaniel will wissen, welches der drei Hemden vor ihm blau ist. Dafür nutzt er eine spezielle App für Blinde, be-my-eyes, mit deren Hilfe er Kontakt zu einem zufällig und anonym ausgewählten, hilfsbereiten Sehenden erhält. Doch die Verbindung wird plötzlich unterbrochen, kurz zuvor hört Nathaniel noch einen Hilfeschrei der Frau am anderen Ende der Leitung. Er ist überzeugt, dass ihr etwas zugestoßen ist und schlägt sofort Alarm. Doch wer glaubt einem Blinden, der selbst noch mit den Folgen eines schweren Kindheitstraumas kämpft?

Die meisten Kapitel beschäftigen sich mit Nathaniel und dem Ermittlerduo. Immer mal wieder ist aber ein kürzeres Kapitel eingeschoben, in dem man erfährt, wie es dem (hochschwangeren) Opfer inzwischen ergeht.
Zum Inhalt möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr verraten. Die Schweizer Autorin hat hier einen besonderen Protagonisten geschaffen und stellt ihn und seine Probleme in der sehenden Welt sehr glaubwürdig dar. Auch das ein oder andere Vorurteil Behinderten gegenüber wird thematisiert. Schon lange konnte mich inhaltlich kein Krimi mehr derart fesseln und überzeugen.

Der Handlungsablauf und letztendlich die Auflösung des Falls sind komplex und wirklich geschickt konstruiert. Nicht nur einmal wird der Leser auf eine komplett falsche Fährte geschickt. Der Krimi bleibt durchgehend spannend und ist immer wieder für eine Überraschung gut. Lediglich den Einstieg fand ich leider etwas holprig, aber bei dem Thema (gynäkologische Untersuchung einer Schwangeren) bin ich wohl sehr kritisch (habe selbst drei Kinder). Sprachlich gesehen fielen mir gerade in dem Bereich ein paar Ausdrücke auf, die mich gestört haben. Nach den ersten paar Seiten ist das aber komplett verschwunden.

Insgesamt eine klare Leseempfehlung für Krimifans!