Cover-Bild Verwirrnis
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 303
  • Ersterscheinung: 13.08.2018
  • ISBN: 9783518428221
Christoph Hein

Verwirrnis

Friedeward liebt Wolfgang. Und Wolfgang liebt Friedeward. Sie sind jung, genießen die Sommerferien, fahren mit dem Fahrrad die weite Strecke ans Meer, und reden stundenlang über Gott und die Welt. Sie sind glücklich, wenn sie zusammen sind, und das scheint ihnen alles zu sein, was sie brauchen. Doch keiner darf wissen, dass sie mehr sind als beste Freunde. Es sind die 1950er-Jahre, sie leben im katholischen Heiligenstadt, und für die Menschen um sie herum, besonders für Friedewards strenggläubigen Vater, ist ihre Liebe eine Sünde. Käme ihre Beziehung ans Licht, könnten sie alles verlieren. Als sie zum Studium nach Leipzig gehen – Friedeward studiert Germanistik, Wolfgang Musik –, finden sie dort eine Welt gefeierter Intellektueller, alles flirrt geradezu vor lebendigem Geist. Und sie lernen Jacqueline kennen, die ihnen gesteht, dass sie eine heimliche Beziehung zu einer Dozentin hat. Zu viert besuchen sie die legendären Vorlesungen im Hörsaal vierzig, gehen ins Theater, tauchen gemeinsam ein ins geistige Leben der Stadt.Und da reift in den drei Freunden der Plan: Wäre es nicht die perfekte ›Tarnung‹, wenn einer von ihnen Jacqueline zum Schein heiraten würde?
In seinem neuen Roman erzählt der große deutsche Chronist Christoph Hein bewegend von einer Liebe, die über Jahre hinweg allen Widrigkeiten trotzt und zeichnet zugleich ein lebendiges Panorama deutschen Geisteslebens.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.01.2019

Nicht nur wegen diesem neuen Buch zählt Christoph Hein zu den wichtigsten Zeitzeugen der Geschichte der DDR und der Wendezeit.

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Christoph Hein, Verwirrnis, Suhrkamp 2018, ISBN 978-3-51842822-1

Der neue Roman von Christoph Hein erzählt auf dem Hintergrund der Nachkriegsgeschichte der DDR die Geschichte zwei homosexueller Freunde. ...

Christoph Hein, Verwirrnis, Suhrkamp 2018, ISBN 978-3-51842822-1

Der neue Roman von Christoph Hein erzählt auf dem Hintergrund der Nachkriegsgeschichte der DDR die Geschichte zwei homosexueller Freunde.
Friedeward Ringeling und Wolfgang Zernick wachsen beide in Heiligenstadt im streng katholischen Eichsfeld auf. In beiden Elternhäusern spielt die Religion auch im neuen sozialistischen Staat eine große Rolle. Friedewards Vater ist ein strenger Lehrer, der ihn und seinen Bruder Hartwig bei jedem möglichen Vergehen mit dem Siebenstriemer schlägt. Wolfgangs Vater ist Kantor der örtlichen Kirchengemeinde und regiert in seiner Familie weitaus weniger streng.

Friedewald und Wolfgang lieben sich und erleben auf vielen Zelturlauben an der Ostsee ihr Coming-Out. Natürlich darf keiner im katholischen Heiligenstadt von ihrer verbotenen Liebe erfahren. Würde ihre Beziehung entdeckt, würden die beiden in der Schule sehr erfolgreichen jungen Männer alles verlieren.

Nach ihrem erfolgreichen Abitur gehen beide nach Leipzig zum Studium. Während Friedeward nach einem Semester in Jena schon sein Fach wechselt, nach Leipzig zieht und schließlich mit wachsender Begeisterung und großem Erfolg Germanistik studiert, widmet sich Wolfgang dem Studium der Musik und wird später mit wechselndem Erfolg als Kantor arbeiten.

In Leipzig entfliehen sie der Enge des Eichsfelds, tauchen ein in eine Welt von berühmten und gefeierten Intellektuellen und erleben eine vorher nicht gekannte Freiheit. Sie lernen die sympathische Jacqueline kennen, die eine heimliche Beziehung zu einer älteren Dozentin namens Herlinde hat, die sie ein Leben lang führen wird. Diese Freundschaft zu Jacqueline wird Friedeward lange schützen und auch die junge Frau hat mit ihrer Beziehung zu dem bald zum Assistenten aufsteigenden Friedeward ein willkommenes Alibi.

Später, als nach dem 17. Juni 1953 und erst recht nach dem Mauerbau 1963 die Verhältnisse rigider werden und auch der berühmte Hans Mayer, der bald schon zum väterlichen Mentor von Friedeward geworden ist, seine Privilegien verliert und schließlich in den Westen flieht, kann nur noch die Heirat Friedewards mit Jacqueline ihn in der Fakultät weiter schützen.

Christoph Hein nimmt seinen Leser mit in die Geschichte Leipzig zwischen 1950 und 1993, seine berühmte Universität und ihre auch im Westen bekannten und anerkannten Gelehrten, "auf die ganz Leipzig stolz war und die überall in der Stadt, in jedem Café mit bewundernden Blicken bedacht wurden und deren Namen selbst den Taxifahrern vertraut waren…, die heimlichen, die eigentlichen Fürsten von Leipzig".
Sein Roman ist eine berührende Geschichte zweier homosexueller Männer, die sich später trotz verschiedener Wege nie aus den Augen verlieren und gleichzeitig ein lebendiges Panorama deutschen Geisteswesens.

Er wirft, wenn er die Zeit nach der Wende beschreibt, einen sehr kritischen Blick darauf, wie nach der Wende auch die Universitäten abgewickelt und unzählige wissenschaftliche Existenzen für immer zerstört wurden. Gleichzeitig ist es eine Hommage an den unvergessenen Germanisten Hans Mayer, in dessen geistige Nähe Hein seinen Protagonisten Friedeward angesiedelt hat.

Friedewards trauriges Lebensende 1993 zeigt nicht nur die persönlichen Folgen einer rigiden Wendepolitik, sondern auch, wie noch vor 25 Jahren bei aller Liberalität Homosexuelle ihre Sexualität und Liebe verstecken mussten.

„Verwirrnis“ ist deshalb ein doppeldeutiger Titel eines Buches, das nüchtern erzählt ist und doch zu seinen Figuren eine große Nähe spüren lässt.

Nicht nur wegen diesem neuen Buch zählt Christoph Hein zu den wichtigsten Zeitzeugen der Geschichte der DDR und der Wendezeit.








Veröffentlicht am 11.09.2018

Emotionale Chronik einer Liebesgeschichte

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Friedeward und Wolfgang lernen sich während ihrer Schulzeit in Ostdeutschland kennen und lieben. Sie fahren gemeinsam in den Urlaub und verlieben sich fern vom konservativen katholischen Zuhause ineinander. ...

Friedeward und Wolfgang lernen sich während ihrer Schulzeit in Ostdeutschland kennen und lieben. Sie fahren gemeinsam in den Urlaub und verlieben sich fern vom konservativen katholischen Zuhause ineinander. Sie halten ihre Beziehung geheim bis sie eines Tages von Friedls Vater überrascht werden . Dieser droht damit den älteren Wolfgang anzuzeigen, wenn er nicht sofort den Ort verlässt, die Schule wechselt und jeden Kontakt zu Friedeward abbricht.
Jahre später treffen sie sich zufällig wieder, in Jena, wo Friedeward beginnt Philosophie zu studieren. Sie lernen Jacqueline kennen, eine Studentin, die Friedhelm dazu bringt sich zu Wolfgang zu bekennen und ihm im Gegenzug verrät, dass sie lesbisch und in einer Beziehung mit der älteren Herlinde, einer Dozentin, ist. Er wechselt nach Leipzig um seinen Traum von einem Germanistikstudium zu verfolgen und bei Wolfgang, der Musik studiert, zu sein. Die vier werden Freunde und Friedeward und Jacqueline denken darüber nach zum Schein zu heiraten um seinen Vater ruhigzustellen und jeglichen Anschuldigungen zu entgehen.

Der Roman wird chronisch erzählt, entfaltet sich Seite an Seite der Geschichte des geteilten Deutschlands. So wird in der DDR bereits 1957 Homosexualität legalisiert, in der Gesellschaft und vor allem in Friedewards Bewusstsein, das geprägt ist von seinem Vater, der ihn über lange Zeit mit Schlägen misshandelt hat und für den Homosexualität eine Sünde ist, ist die Akzeptanz noch lange nicht angekommen.
Christoph Hein erzählt nüchtern und fast distanziert von Friedwards Leben, wörtliche Rede kommt kaum vor, die erzählte Zeit wird teilweise stark gerafft. Trotz der relativ sachlichen Erzählweise wachsen den Lesenden die Figuren ans Herz. Wir erleben Friedewards ganzes Leben, bleiben immer an seiner Seite, gehen durch Höhen und Tiefen, leiden und lieben mit ihm.

Hein gelingt mit seinem Roman ein großartiges Zeitzeugnis am Beispiel des schwulen Studenten, später Universitätsprofessoren, Friedeward Ringeling. Er schafft es, mich trotz seines nüchternen Schreibstils emotional zu berühren und mir Friedewards Lebensgeschichte nahezubringen. Der Roman liest sich durchweg fesselnd, die Figuren sind überzeugend und authentisch gestaltet. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.03.2019

Starkes geschichtliches Werk mit emotionalem Leck

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Von Beginn an besticht dieses Werk durch einen gehobenen und angenehmen Schreibstil. Die langen Satzkonstruktionen wirken zu keinem Zeitpunkt aufdringlich oder mühsam, sondern machen einfach Lust auf dieses ...

Von Beginn an besticht dieses Werk durch einen gehobenen und angenehmen Schreibstil. Die langen Satzkonstruktionen wirken zu keinem Zeitpunkt aufdringlich oder mühsam, sondern machen einfach Lust auf dieses Buch. Dieses Buch wird durchgehend gut und unterhaltsam erzählt.

Trotz dieses positiven Gesamteindrucks bleiben zwei Kritikpunkte von meiner Seite:

Zum einen wirkt die Geschichte über eine homosexuelle Liebe zweier junger Männer sehr klischeehaft erzählt, da sie nach Schema F abläuft. Zwei Jungen verlieben sich, wobei sie sich nicht outen wollen, aus Angst vor gesellschaftlichen Konsequenzen und strafrechtlichen Folgen (zur Zeit der DDR). So beschließen sie ihre Liebe nur im Verborgenen zu leben. Dies ist in sich sehr schlüssig und nachvollziehbar, vor allem unter Betrachtung der historischen Gesichtspunkte. Jedoch zieht sich dieses Schema durch unzählige vergleichbare Romane, die sich mit dem Thema der Homosexualität beschäftigen. Daher fehlt diesem Roman ein Stück weit das überraschende Element, um sich von thematisch ähnlich gelagerten Werken abzugrenzen.

Zweiter Kritikpunkt ist die schwer nachvollziehbare Distanz und Emotionslosigkeit, mit der sich der Autor der Thematik nähert. Auch wenn ich kein Fan gefühlsduseliger Schnulzen bin, fand ich es doch seltsam, wie der Autor mit zunehmender Dauer des Buches sich immer mehr von der Hauptthematik abwendet. Die Liebesgeschichte und das Thema Homosexualität wird auf das Minimum reduziert und ist auf den letzten hundert Seiten so gut wie nicht mehr existent, was aus meiner Sicht etwas verschenktes Potenzial ist.

Positiv zu erwähnen gilt, dass der Autor nicht nur moralisch mit dem Finger auf die intolerante Gesellschaft zeigt, sondern dass er auch das Individuum in die Pflicht nimmt, für sein Glück zu kämpfen und nicht immer die Schuld auf andere zu schieben.

Alles in allem bleibt ein sehr starkes und unterhaltsames Werk, dass sich allerdings durch fehlende Innovation und Emotionalität ein wenig seinem eigenen Potenzial beraubt.