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Veröffentlicht am 07.04.2019

« Non, je ne regrette rien » …

Madame Piaf und das Lied der Liebe
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Paris 1944, die Stadt atmet auf. Die deutschen Besatzer sind vertrieben, das kulturelle Leben kann wieder stattfinden. Wie auch einige andere Künstler wird die 29-jährige Chanson-Sängerin Édith Piaf der ...

Paris 1944, die Stadt atmet auf. Die deutschen Besatzer sind vertrieben, das kulturelle Leben kann wieder stattfinden. Wie auch einige andere Künstler wird die 29-jährige Chanson-Sängerin Édith Piaf der Kollaboration beschuldigt, es droht ihr ein Auftrittsverbot. Während eines Engagements im wieder eröffneten Moulin Rouge trifft sie auf den damals 23jährigen Yves Montand. Sie erkennt sein hoffnungsvolles Talent und beginnt mit ihm zu arbeiten. Bald schon wird aus den beiden ein Liebespaar, sie gehen gemeinsam auf Tournee. Das glückliche Leben mit Yves inspiriert Édith zu ihrem Lied „La vie en rose“, das sie, neben „Non, je ne regrette rien“, weltberühmt machen sollte …

Michelle Marly ist das Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Micaela Jary, der Tochter des Komponisten Michael Jary. Sie wurde 1956 in Hamburg geboren und schreibt seit 1993 unter verschiedenen Künstlernamen. Die Autorin ist verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und lebt heute in München und Berlin.

In dem Roman „Madame Piaf und das Lied der Liebe“ beschreibt die Autorin einen Abschnitt im Leben der Édith Piaf, der wohl einer der glücklichsten und erfolgreichsten dieser Ausnahmesängerin gewesen sein dürfte. In Erinnerungen und Rückblicken erfährt der Leser einiges über ihre Kindheit und Jugendzeit und in einem kurzen Nachwort auch über ihr weiteres, eher tragisches Leben. Wie die fernere, äußerst erfolgreiche Karriere von Yves Montand verlief, ist ebenfalls nachzulesen, so dass man letztendlich ein umfassendes Bild beider Künstler erhält.

Die Autorin hat hier sehr gut und gewissenhaft recherchiert. Sie gibt dem Leser das Gefühl dabei zu sein, die Persönlichkeiten kennen zu lernen und Anteil an ihrem Leben zu nehmen. Man liebt und leidet mit Édith Piaf, dieser kleinen und willensstarken Frau, die sich über alle Konventionen hinwegsetzt, trinkt und feiert als gäbe es kein Morgen, und - wie in ihrem Lied „Non, je ne regrette rien“, nichts davon bedauert, nichts bereut. Man spürt förmlich ihre Liebe zu Yves Montand, die sie in ihrem Chanson das sie unsterblich gemacht hat, „La vie en rose“, zum Ausdruck bringt. Der flüssige Schreibstil, die ausführliche Darstellung der einzelnen Charaktere und die detaillierte Beschreibung der Gegebenheiten sind weitere Komponenten, die zum guten Gelingen dieses wunderbaren Buches beitragen.

Fazit: Ein ausgezeichneter Roman über eine außergewöhnliche Frau und Künstlerin, den ich gerne weiter empfehle.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Schicksal ...

Bella Ciao
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Als Giulia Masca entdeckte, dass ihr Verlobter Pietro sie mit ihrer besten Freundin Anita hinterging, verließ sie fluchtartig ihr Heimatdorf Borgo die Dentro im Piemont, um in Genua das nächste Schiff ...

Als Giulia Masca entdeckte, dass ihr Verlobter Pietro sie mit ihrer besten Freundin Anita hinterging, verließ sie fluchtartig ihr Heimatdorf Borgo die Dentro im Piemont, um in Genua das nächste Schiff nach Amerika zu nehmen. Jetzt, 1946, 45 Jahre später, kehrt sie als wohlhabende Frau mit ihrem Sohn Michael zu einem kurzen Aufenthalt zurück. Sie möchte mit der Vergangenheit abrechnen, erfahren wie es Anita und Pietro erging. Giulia selbst hatte Glück. Als sie Anfang des 20. Jahrhunderts schwanger in New York ankam, lernte sie den älteren Krämer Libero Manfredi kennen, der sie heiratete und für ihr Kind wie ein leiblicher Vater war. Doch nun, zurück in der alten Heimat, zögert sie. Soll sie sich zu erkennen geben? Soll sie Anita und Pietro aufspüren? Soll sie alte Wunden aufreißen? …

Die Autorin Raffaella Romagnolo wurde 1971 in Casale Monferrato/Piemont geboren. Sie ist Lehrerin für Geschichte und Italienisch und schreibt seit 2007 auch Romane, für die sie bereits für den Premio Strega nominiert war. Heute lebt die sie in Rocca Grimalda im Piemont.

Der Roman „Bella Ciao“ (Original „Destino“) befasst sich sowohl mit dem Leben einiger Familien in Italien, als auch mit dem Schicksal italienischer Auswanderer in New York, und umfasst den Zeitraum von etwa 1900 bis 1946. Der Leser erhält einen tiefen Einblick in die Not in Italien während der beiden Weltkriege, erfährt über die Ausbeutung der Fabrikarbeiter und der Landpächter, liest über Naturkatastrophen, über Gemetzel an der Front und über den schier aussichtslosen Kampf der Partisanen gegen den aufkommenden Faschismus unter Mussolini. Es sind viele Tote und Verletzte zu beklagen. Auch die ausgewanderten Italiener in den USA hatten ihre Probleme, mussten sie doch gegen manche Vorurteile ankämpfen. Während Giulia durch das Dorf wandert und auf ihr eigenes, manchmal hartes, Leben zurückblickt erfährt man auch, wie es ihrer damals besten Freundin Anita, deren Familie und Giulias Verlobten Pietro nach ihrer Flucht ergangen ist.

Das Buch beeindruckt durch seine Sprachintensität, ist jedoch wegen der vielen Zeitsprünge, Rückblenden und Perspektivwechsel nicht ganz einfach zu lesen. Es erfordert schon ein gewisses Maß an Konzentration, um das Geschehen zu verfolgen und die Ereignisse richtig einzuordnen. Sehr viele Personen bevölkern die Geschichte, so dass die eingefügten Familien-Stammbäume und die Übersicht über weitere Personen zu Beginn jedes der drei Teile sehr hilfreich sind. Die Autorin zeichnet ein atmosphärisch dichtes Bild des Lebens der Menschen im Piemont zur damaligen Zeit und besitzt ein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Die Charaktere sind sehr lebensecht und authentisch. Auf eindrückliche, höchst lesenswerte Weise wurden hier fiktive Familiendramen mit historischer, sehr gut recherchierter Zeitgeschichte verbunden.

Fazit: So muss gute Literatur sein, anspruchsvoll, ernsthaft und doch unterhaltend.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Gibt es noch eine Zukunft? …

Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung
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Alfredo ist tot, wirklich tot - heute ist die Beerdigung. Beatrice weiß mit ihren Gefühlen nichts anzufangen. Soll sie um ihren Freund trauern wenn sie nicht mal sicher ist, ob sie ihn wirklich geliebt ...

Alfredo ist tot, wirklich tot - heute ist die Beerdigung. Beatrice weiß mit ihren Gefühlen nichts anzufangen. Soll sie um ihren Freund trauern wenn sie nicht mal sicher ist, ob sie ihn wirklich geliebt hat? Aber eines weiß sie ganz sicher, sie will weg, weg aus diesem Haus, weg aus diesem Armenviertel, in dem sie zusammen aufgewachsen sind und wo man sie die Zwillinge nannte. Bea erinnert sich zurück an schöne und weniger schöne Stunden, an Tage und Nächte, die sie zusammen verbrachten und die nun der Vergangenheit angehören. Ob sie es schaffen wird, sich mit 20 Jahren irgendwo anders ein neues Leben aufzubauen? …

Valentina D’Urbano war gerade 26 Jahre alt, als sie sich bei einem italienischen Schreibwettbewerb bewarb, dessen erster Preis die Buchveröffentlichung war - sie gewann und der Verlag Longanesi veröffentlichte 2012 ihren Roman „Il rumore dei tuoi passi“. Valentina D‘Urbano wurde 1985 geboren, stammt aus Rom und wuchs in einem Viertel auf, das dem im Buch beschriebenen sehr ähnlich ist.

Die Autorin lässt Beatrice die Geschichte erzählen – vom heruntergekommenen Viertel La Fortezza am Rande der Stadt, vom besetzten Haus, in dem sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder lebt und von Alfredo und seinen Brüdern, die von ihrem betrunkenen Vater ständig verprügelt werden. Sie berichtet wie es ist, an einem Ort aufzuwachsen, wo man fürs Leben gezeichnet ist und wo sich nicht mal die Polizei hin traut, wo man sich aber trotz allem zu Hause fühlt. Sie schildert ihre Gefühle zu dem Jungen, der für sie erst wie ein Bruder war, den sie liebte, später begehrte und gleichzeitig auch hasste.

Sehr beeindruckend ist die Sprache und Ausdruckskraft dieses Erstlingswerkes der jungen Autorin. In Rückblenden, manchmal auch vorausschauend, erfährt der Leser Beas Geschichte, leidet mit ihr, ist bestürzt und entsetzt darüber, wie man so leben kann. Schonungslos und brutal schildert D’Urbano das Leben in diesem Elendsviertel. Man spürt hautnah die Tiefe der Gefühle der beiden Protagonisten Beatrice und Alfredo - Hass, Missgunst und Verzweiflung wechseln in rascher Folge mit Vertrauen, Freundschaft und Liebe. Wie das Verhältnis der beiden zueinander, die von Kindheit an nur die „Zwillinge“ genannt wurden, wirklich war, klärt sich erst ganz zum Schluss, was die Geschichte meiner Meinung nach perfekt abrundet. Auf weitere Romane dieser begabten Autorin darf man gespannt sein.

Fazit: Ein beeindruckendes Buch das mitreißt und begeistert, auch wenn man die Jugendzeit schon lange hinter sich gelassen hat.

Veröffentlicht am 09.02.2019

Rache für eine niederträchtige Intrige …

Die Farben des Feuers
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Paris 1927: Der Trauerzug für den verstorbenen Bankier Marcel Péricourt, an dem alles was Rang und Namen hat und sogar der Präsident der Republik teilnimmt, setzt sich eben in Bewegung, als der 7jährige ...

Paris 1927: Der Trauerzug für den verstorbenen Bankier Marcel Péricourt, an dem alles was Rang und Namen hat und sogar der Präsident der Republik teilnimmt, setzt sich eben in Bewegung, als der 7jährige Enkel des Verstorbenen, Paul, aus dem Fenster des oberen Stockwerks der Villa fällt und auf dem Sarg landet. Er überlebt den Sturz schwerverletzt, ist aber fortan querschnittsgelähmt. Madeleine, die Mutter des Jungen und Alleinerbin des Bankenimperiums, kümmert sich aufopfernd um ihn, wobei sie vom Hauslehrer André und der Gesellschafterin Léonce tatkräftig unterstützt wird. Die Geschäfte überlässt sie vertrauensvoll Gustave Joubert, dem ehemaligen Vertrauten ihres Vaters und Prokuristen der Bank. Unbesehen unterschreibt sie alles, was man ihr vorlegt, was sich jedoch als großer Fehler erweisen sollte. Als Madeleine merkt, dass nicht jeder ihr Freund ist, ist es zu spät - die Bank ist ruiniert, ihr Vermögen veruntreut. Nun schmiedet sie einen perfiden Plan, um sich an den vermeintlichen Freunden zu rächen …

Pierre Lemaitre, geb. 1951, war als Lehrer für Literatur in der Ausbildung von Bibliothekaren tätig, bevor er Schriftsteller und Drehbuchautor wurde. Für seine Werke erhielt er mehrere französische Auszeichnungen und bekam 2013 den wohl bedeutendsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt. Der Autor lebt heute in Paris.

Was zunächst mit einem Knalleffekt beginnt und sich dann wie ein Familienroman liest, entwickelt sich bald zu einem psychologischen Sittenroman einer dekadenten Gesellschaft. Sei es der Dünkel der Oberschicht, die Überheblichkeit der Politiker oder die Selbstverliebtheit von Journalisten, alles wird vom Autor kritisch unter die Lupe genommen und treffsicher in die Handlung eingebunden. Der Schreibstil ist dabei recht anspruchsvoll und erfordert vom Leser ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit, um dem komplexen Geschehen zu folgen. Die Sprache ist bildgewaltig und von großer erzählerischer Kraft, oftmals gewürzt mit tiefschwarzem Humor. Paris in der Zeit zwischen dem I. und dem II. Weltkrieg, die gesellschaftlichen Veränderungen sowie die schleichende Entwicklung zum Nationalsozialismus sind gut eingefangen und werden dem Leser von einem unbeteiligten Beobachter nahe gebracht, der ihn gelegentlich auch direkt anspricht. Die Charaktere mit ihren Dialogen sind sehr lebensecht und authentisch heraus gearbeitet. Jeder hat seine Ecken und Kanten die sie so realistisch wirken lassen, als würde es sich bei diesem Roman um einen Tatsachenbericht handeln. Einige Längen zwischendurch kann man dabei getrost vernachlässigen.

Fazit: Ein gut gelungener, spannender Roman über die Rache einer Frau, die sich in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht anders wehren konnte.

Veröffentlicht am 15.01.2019

Sey es, wie es sey, gute Freunde sind die zwey …

Durch Nacht und Wind (Goethe und Schiller ermitteln)
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Es trug sich Ende März Anno 1798 zu. Während Hofrat Schiller gerade als Gast bei Geheimrat Goethe weilte, erhielt dieser ein Billet von Herzogin Anna Amalia, der Mutter des Weimarer Regenten Carl August, ...

Es trug sich Ende März Anno 1798 zu. Während Hofrat Schiller gerade als Gast bei Geheimrat Goethe weilte, erhielt dieser ein Billet von Herzogin Anna Amalia, der Mutter des Weimarer Regenten Carl August, mit der Bitte um Hilfe. Großherzog von N., der zur Zeit das Sommerschloss Belvedere des Regenten bewohnte, habe einen bedrohlichen Brief erhalten. Sein äußerst wertvoller Smaragdring wäre mit einem Fluch beladen, der dem Besitzer einen baldigen Tod prophezeit. Die beiden Herren sollten den abergläubischen Mann beruhigen, doch sie bestärkten den unsympathischen Zeitgenossen noch in seiner Angst. Am nächsten Morgen wird Großherzog von N. erwürgt in einer von innen verschlossenen Truhe aufgefunden. Mord, Selbstmord oder doch der Fluch? Goethe und Schiller sollen den Fall möglichst diskret klären …

Stefan Lehnberg, geb. 1964 in Hannover, ist Autor, Schauspieler und Regisseur. Als Schauspieler war er an einigen namhaften deutschen Theatern tätig, so in Nürnberg, Düsseldorf, Göttingen und Berlin. Er lebt heute in Berlin und ist als Autor hauptsächlich im humoristischen Bereich zu finden. Ein zweiter Band der criminalistischen Werke Goethes ist bereits 2018 erschienen.

Auch im richtigen Leben waren Goethe und der zehn Jahre jüngere Schiller befreundet. Darauf baut der Autor in diesem doch recht spannenden Krimi auf und lässt Schiller selbst die Ereignisse erzählen. Dass dabei auch einige historische Personen mitwirken, verleiht der Geschichte eine gewisse Authentizität. Trotz der teils veralteten Schreibweise und des etwas altertümlich anmutenden Erzählstils lässt sich das Buch flüssig lesen. Der Leser wird schnell von der Geschichte gefangen genommen und geht mit Goethe und Schiller auf eine spannende Jagd nach dem Mörder. Dabei fühlt man sich gut unterhalten, die Komik mancher Situationen und der zum Teil bissige Humor begeistern. Man rätselt bis zum Schluss über die Zusammenhänge, deren Auflösung dann doch sehr überrascht.

Fazit: Ein Lesespaß auf historischer Grundlage, eine herrliche Geschichte, die man jedoch nicht ganz ernst nehmen sollte.