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Veröffentlicht am 03.06.2019

Reise auf der Seine

Warum die Vögel sterben
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Warum die Vögel sterben – Victor Pouchet

Wer hier anhand des Titels und des Klappentextes einen spannenden Abenteuerroman erwartet, wird enttäuscht sein. Denn es handelt sich vielmehr um die Ansammlung ...

Warum die Vögel sterben – Victor Pouchet

Wer hier anhand des Titels und des Klappentextes einen spannenden Abenteuerroman erwartet, wird enttäuscht sein. Denn es handelt sich vielmehr um die Ansammlung von Abschweifungen und Überlegungen eines Studenten, der des Arbeitens an seiner Diplomarbeit leid ist und sich stattdessen lieber mehr oder weniger halbherzig auf die Suche nach der Ursache für den Regen toter Vögel an den Ufern der Seine macht.

Ein seltsamer Roman. Da fährt der Protagonist mir einem Senioren-Ausflugs-Schiff die Seine hinunter, sinniert über vom Himmel gefallene Vögel, sein zerrüttetes Elternhaus und verliert sich immer wieder in allerlei Abschweifungen, wie den biblischen Plagen, bei denen er seine Forschung beginnt. Oder eine Lachswanderung, zurück zur Quelle, mit denen er seine Reise gen Heimat vergleicht. Dies ist mal unterhaltsam, mal weniger. Um immer wieder auf die Vögel zurückzukommen, die in der Nähe seines Heimatortes zu Boden fielen. Dabei ist der Erzähler durchaus selbstkritisch. Ihm ist bewusst, dass er keine Ahnung von Vögeln hat, doch er fühlt sich gerade dadurch bestätigt, dass die Allgemeinheit, die Vogelregen ignoriert.

"Meine ornithologischen Kenntnisse waren dürftig, und mein Instinkt konnte mich trügen. (...) Ich hoffte darauf, dass die Dunstschwaden der Seine mich in eine hellsehende Pythia verwandeln würden, in einen glaubwürdigen Propheten, der die Vorzeichen und Vogelschauen deuten und die himmlischen Fingerzeige erkennen konnte." Seite 51

Die Sprache ist teils geradezu unbeholfen, einfach und direkt, dann wieder poetisch bis übertrieben schwülstig. Dieser Wechsel soll wohl die etwas ambivalente Persönlichkeit des Protagonisten ausdrücken, der sich gerade in etwas hineinsteigert.

Insgesamt eine hochinteressante Grundidee, doch in der Umsetzung wurde viel Potential verschenkt, gerade in der zweiten Hälfte gibt es beträchtliche Längen und wenig Fortschritt. Weder in der Sache der Vögel, noch in der Entwicklung des Protagonisten. Dazu ist der Roman etwas mühsam und anspruchsvoll zu lesen.
Eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 21.05.2019

Eine Ferienfreundschaft

Bell und Harry
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Jane Gardam - Bell und Harry

Eine Ferienfreundschaft

Von der bekannten britischen Autorin hab ich bisher lediglich "Weit weg von Verona" gelesen, das mich leider nicht wirklich begeistern konnte. Trotzdem ...

Jane Gardam - Bell und Harry

Eine Ferienfreundschaft

Von der bekannten britischen Autorin hab ich bisher lediglich "Weit weg von Verona" gelesen, das mich leider nicht wirklich begeistern konnte. Trotzdem wollte ich es hiermit noch einmal mit einem ihrer Werke versuchen. Auch Bell und Harry ist ein älteres Werk von Gardam, welches nun erst ins Deutsche übersetzt wurde (1981, The Hollow Land).

Es handelt sich hier um ein recht dünnes Büchlein und auch die Handlung ist im Prinzip schnell erzählt. Stadtkind (Harry) trifft auf Landkind (Bell). Die Urlauber kommen viele Jahre immer wieder und es entspinnt sich ein englisches Bullerbü, nur plätschert es etwas lustlos vor sich hin.

Dabei schreibt die Autorin in einer schönen Sprache, liefert großartige Landschaftsbeschreibungen und liebevolle Charakterzeichnungen. Trotzdem war mir das Ganze zu oberflächlich und zu ereignislos.
Insgesamt eine nette und süße Geschichte einer Ferienfreundschaft, oft aber auch irgendwie banal, Bullerbü halt. Viele schöne, auch literarisch großartige Stellen, die ein idyllisches Landleben beschreiben. Abgerundet wird die Geschichte immer wieder mit leisem Witz, typisch englisch absolut korrekt.

Ein netter Roman, ich persönlich werde es aber mit der Autorin kein weiteres Mal versuchen. Irgendwie liegt mir ihr Erzählstil einfach nicht.

Veröffentlicht am 10.05.2019

Eine Reise mit dem Greyhound-Bus, ohne Ziel und ohne Sinn

Willkommen in Lake Success
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Willkommen in Lake Success – Gary Shteyngart

Was anfangs als Parodie auf die Mächtigen der amerikanischen Finanzbranche und als beißende Gesellschaftskritik gelesen werden kann, verliert sich am Ende ...

Willkommen in Lake Success – Gary Shteyngart

Was anfangs als Parodie auf die Mächtigen der amerikanischen Finanzbranche und als beißende Gesellschaftskritik gelesen werden kann, verliert sich am Ende in geschmacklosen Episoden, die immer unplausibler werden.

Hals über Kopf bricht Barry Cohen aus seinem unglücklichen Luxusleben aus, entsorgt Handy und Kreditkarte. Auf seiner ereignisreichen Reise mit einem Greyhound-Bus quer durchs Land, erkennt er, dass er jahrelang in einer Blase der Reichen und Perfekten lebte. Das echte Amerika ist ihm weitgehend fremd. Auf der Suche nach dem echten Amerika und einem einfacheren Leben durchquert er es von Ost nach West. Erstes Hauptziel ist seine Jugendliebe Leyla, von der er annimmt, dass sie all die Jahre nur auf ihn gewartet hat.
Barry ist eine selbstverliebte, unsympathische Katastrophe. Beruflich zwar erfolgreich (Multimillionär), menschlich aber ein Desaster mit hohem Fremdschäm-Faktor. Er verkörpert eine besondere Art des American Dream. Vom Sohn des Poolreinigers zum Millionär und wieder zurück, oder so ähnlich.
Ein Grund für Barrys Flucht ist sein autistischer Sohn. Dieser passt nicht in seine perfekte Welt, stellt für seine Eltern einen Makel dar. Dieses Thema finde ich durchaus sensibel beschrieben.

Der Leser muss damit klarkommen, dass mindestens der Hauptprotagonist sich wie ein absoluter Kotzbrocken verhält, Ähnlichkeiten zu Trump, den Barry nur deshalb nicht wählt, weil er Witze über Behinderte macht, sind unverkennbar. Und ja, zumindest teilweise ist es satirisch überspitzt und nicht ganz ernst zu nehmen, trotzdem könnte ich mich mit Barrys Frauenbild und zügellosen Trieben nicht anfreunden. Vor allem aber sehe ich auch den Sinn dahinter nicht, warum diese Aspekte so extrem hervorgehoben wurden.

Shteyngart zeichnet ein Bild Amerikas im Jahr vor Trump. Gerade der Anfang erschien mir als gelungene Mischung aus Gesellschaftskritik und Humor. Oft derb mit deftigen Anspielungen und Seitenhieben, aber durchaus treffend. Es ist unheimlich viel versteckt, wovon ich mit Sicherheit nicht alles überhaupt erkannt habe.
Für mich hat dieses Buch stark begonnen, mit vielen kleinen Spitzen und Satireelementen, leider hat es ab der Hälfte des Romans stark nachgelassen. Ich hatte mir ein umfassenderes Bild Amerikas kurz vor Trumps Amtszeit erhofft. Gerne auch als Satire aufgearbeitet. Im ersten Teil wirkt es noch so, als könnte der Roman entsprechendes liefern, doch dann driftet er in Banalitäten und sinnlose Provokation ab. Bis zum Ende ist keinerlei wirkliche Entwicklung des Protagonisten erkennbar, der Nervfaktor sehr hoch.

Keine Frage, dieses Buch polarisiert und provoziert. Am Ende war für mich aber keine klare Message erkennbar. Mein Eindruck ist, der Autor hat sich zu viel vorgenommen, zu viele Themen angerissen, und am Ende keines vernünftig umgesetzt

Veröffentlicht am 23.04.2019

Nicht sehr überzeugend

Einer wird sterben
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Einer wird sterben - Wiebke Lorenz

Auf der Straße parkt tagelang ein Auto, mit zwei Insassen darin, die meist stundenlang ins Leere starren. Was allen Anwohnern seltsam vorkommt, ist für Stella ein riesiges ...

Einer wird sterben - Wiebke Lorenz

Auf der Straße parkt tagelang ein Auto, mit zwei Insassen darin, die meist stundenlang ins Leere starren. Was allen Anwohnern seltsam vorkommt, ist für Stella ein riesiges Problem. Ihr Mann Paul ist als Pilot beruflich unterwegs und kaum erreichbar. Stella reagiert geradezu panisch auf das parkende Auto. Der Grund dafür liegt in der Vergangenheit. Es scheint, als würde die Wahrheit nun mit aller Macht an die Oberfläche drängen.

Leicht und locker lesbar, hatte ich diesen Psychothriller innerhalb kürzester Zeit durch. Insgesamt fand ich ihn etwas sehr flach und zu eindimensional gestrickt. Andererseits gibt es wieder Handlungsstränge, die ins Leere laufen.
Die Geschichte selbst fand ich zwar interessant, teilweise auch spannend, für einen Thriller reicht mir das aber nicht. Vielmehr plätschert die Handlung vor sich hin. Ein Teil der Auflösung war für mich schon sehr früh offensichtlich, den Rest fand ich etwas übertrieben. Aber auch das nicht so spannend, das es die Bezeichnung „Psychothriller“ verdient hätte…

Ein weiterer Kritikpunkt: die Protagonistin Stella ist total nervig. Sie ist extrem unselbstständig und psychisch abhängig von ihrem Mann, wie ein kleines Kind. Unerträglich. Im weiteren Verlauf der Handlung fand ich einige ihrer Verhaltensweisen auch unlogisch, aber das mag mit der Auflösung am Ende zu erklären sein.

Insgesamt nett zu lesen, wirklich überzeugend fand ich es aber nicht.


Veröffentlicht am 11.02.2019

Träumereien in Utrecht

Frühling in Utrecht
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Frühling in Utrecht – Julia Trompeter

"Die Welt war so schön, so reich, so anbetungswürdig, und man selbst als Teil von ihr bisweilen so tot." Seite 111

Klara hat ihren Freund und ihr bisheriges Leben ...

Frühling in Utrecht – Julia Trompeter

"Die Welt war so schön, so reich, so anbetungswürdig, und man selbst als Teil von ihr bisweilen so tot." Seite 111

Klara hat ihren Freund und ihr bisheriges Leben in Berlin zurückgelassen. Hals über Kopf zieht sie nach Utrecht, um dort ein neues Leben anzufangen. In angenehmem Plauderton lässt sie den Leser an ihren Gedanken und Sprachverwirrungen teilhaben. Mit Neugier und Witz erobert sie sich die niederländische Kultur und Sprache. Hat sie sich bisher in Berlin schon etwas ziel- und planlos treiben lassen, setzt sie dies nun in neuer Umgebung fort. Dabei lässt sie natürlich das ein oder andere Fettnäpfchen nicht aus.

In schöner, poetischer Sprache vermittelt Julia Trompeter Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den Niederlanden. Beinahe mutet das Buch wie ein Kultur-Reiseführer an.
Außerdem geht es darum, eine Lebenskrise zu meistern, und um schädliche Beziehungen. Alles für sich sehr interessant, dennoch meiner Meinung nach zu wenig für einen Roman von 260 Seiten. Während ich die erste Hälfte des Buches sehr genossen habe, wurde mir das Ganze irgendwann nämlich dann doch zu langatmig. Denn tatsächlich passiert praktisch nichts. Klara hat sehr viele kluge, beinahe weise Gedanken, ihre Handlungen stehen dazu aber in starkem Kontrast. Diese sind nämlich oft kindisch und unreif. Und das Ende schlägt schließlich dem Fass den Boden aus. Man möchte sie aufrütteln: „Klara, Zeit erwachsen zu werden und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen!“

Bedingt empfehlenswert für all jene, die sich für die niederländische Sprache und Kultur interessieren und über eine nervige, selbstbezogene Protagonistin milde hinwegsehen können.