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Marshall-Trueblood

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.05.2019

Genial

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Wie wäre unser Leben verlaufen, wenn wir andere Entscheidungen getroffen hätten, wenn unsere Eltern für sich selbst und für uns anders entschieden hätten, wenn wir links statt rechts gegangen wären, wenn ...

Wie wäre unser Leben verlaufen, wenn wir andere Entscheidungen getroffen hätten, wenn unsere Eltern für sich selbst und für uns anders entschieden hätten, wenn wir links statt rechts gegangen wären, wenn wir zu einem Termin fünf Minuten zu spät erschienen wären? Diesen und anderen Fragen geht Paul Auster in seinem "Meisterwerk" 4 3 2 1 nach. Er erzählt vier Romane in einem und führte mich als Leser souverän von der ersten bis zur letzten Seite.

Ich begegne Ferguson, dem Protagonisten, in vier Versionen seines Lebens. Er hat im Grunde immer die gleichen Interessen, die gleichen Gefühle, die gleiche Ausgangssituation, aber er entwickelt sich durch äußere Faktoren und eigene Entscheidungen recht unterschiedlich. Den vier Fergusons ist allen die Liebe zum Sport, zur Literatur und zu Filmen gegeben, alle haben eine besondere Beziehung zur Mutter, eine schwierige zum Vater und alle lieben sie die gleiche Frau. Paul Auster ist ein unglaublich guter Erzähler; er führte mich durch die Kindheit, die Jugend und das junge Erwachsenenalter von vier Fergusons und oft habe ich gedacht: Ja, genauso ist es.

Was nicht zu Punktabzug führen kann, ist die Tatsache, dass der Roman für mich an einer einzigen Stelle eine Länge hat. Wenn von den Studentenunruhen in den USA erzählt wird, wird das Ganze für mich unübersichtlich, da sich das Bildungssystem in den Staaten von unserem stark unterscheidet. Da musste ich meinen Lesefluss mal kurz unterbrechen, weil die Abkürzungen für mich doch sehr verwirrend waren. Aber bei einem Roman von fast 1300 Seiten sei das dem Autor verziehen.

Besonders gut gelungen finde ich auch die erotischen Begegnungen von Ferguson. Das ist nicht Porno, das ist nicht klischeehaft, das ist einfach gut gemacht, was auch den besonderen Autor ausmacht. Das muss erwähnt werden, weil die Erotik neben dem Sport, der Literatur und den Filmen die große Leidenschaft der vier Fergusons ist. Zitat: Beständig ficken tut uns gut!

Man sollte sich nicht von den 1300 Seiten abschrecken lassen, sondern sich auf eine Reise begeben; eine Reise, auf der man sich vielleicht manchmal selbst wiedererkennt und sich an deren Ende fragen, wo man selber wäre, wenn manches im eigenen Leben anders verlaufen wäre!

Für mich ganz klar ein Lesehighlight der letzten Jahre. So ein Wurf gelingt einem Autor vielleicht einmal im Leben. Paul Auster ist er eindeutig gelungen!

Veröffentlicht am 12.04.2019

Einfach schön!

#ichwillihnberühren
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Durch eine Empfehlung auf einer Buchseite bin ich auf dieses kleine, aber sehr feine Buch aufmerksam geworden. Da ich die Thematik sehr spannend finde, habe ich es sofort bestellt...und nach der Abholung ...

Durch eine Empfehlung auf einer Buchseite bin ich auf dieses kleine, aber sehr feine Buch aufmerksam geworden. Da ich die Thematik sehr spannend finde, habe ich es sofort bestellt...und nach der Abholung habe ich es an einem Abend ausgelesen. Die Geschichte hat mich sehr berührt; sie ist sehr ehrlich, sehr authentisch, sehr romantisch, sehr witzig und, sie räumt auf mit vielen Klischees. Gut so!

Eine Geschichte über das Verliebtsein; über die Frage, wie sage ich es dem anderen? Ich glaube, jeder, egal ob schwul oder hetero, wird sich an irgendeiner Stelle wiedererkennen. Und das ist gut so!

Selten stimmt der Satz: Kein Wort zuwenig, kein Wort zuviel...hier stimmt er für mich! Ausrufezeichen!

Veröffentlicht am 25.03.2019

Agatha Christies Liebling

Das krumme Haus
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Das krumme Haus hat für mich einen besonderen Stellenwert im Werk von Agatha Christie. Zum einen, weil die Autorin selbst den Krimi als einen von zwei Romanen nennt, der ihr besonders gut gelungen ist ...

Das krumme Haus hat für mich einen besonderen Stellenwert im Werk von Agatha Christie. Zum einen, weil die Autorin selbst den Krimi als einen von zwei Romanen nennt, der ihr besonders gut gelungen ist (bei 66 Romanen ist das ja keine große Ausbeute!), und das, obwohl keiner ihrer Star-Ermittler auftaucht...vielleicht gerade deswegen. Zum anderen ist er für mich besonders, weil er der einzige der 66 Romane geblieben ist (auch keine gute Ausbeute!), bei dem ich den Mörder von Anfang an in Verdacht hatte und auch die Spuren, die Agatha Christie gelegt hat, richtig gelesen habe.

Die eigentliche Story ist für mich dagegen nicht besonders; ein alter, reicher Mann wird ermordet und die gesamte Familie steht unter Verdacht. Was der Autorin hier aber sehr gut und für mich besser als in jedem anderen Roman gelungen ist, ist die psychologische Ausarbeitung der Charaktere. Hier erfährt man nämlich nicht sehr viel über die Ermittlung, aber jede Menge über das handelnde Personal. Ich muss langen Dialogen folgen, die nur den einen Sinn haben: Zuhören, zwischen den Zeilen lesen und die Menschen kennenlernen. Eine Mischung aus Krimi und Familienroman. Auch deswegen ist Das krumme Haus so gut gelungen und unterhält grandios. Das Finale ist für mich persönlich ein bißchen kurz geraten, da hätte ich noch gerne weitergelesen; da fehlt halt die ausführliche Aufarbeitung eines Hercule Poirot. Aber das ist geschenkt...für mich ein weiterer Meilenstein der Agatha Christie.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Erschreckend, aber sehr sehr gut

Die Stadt der Blinden
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In einer namenlosen Stadt können immer mehr namenlose Menschen nicht mehr sehen. Sie selber beschreiben den Zustand, als "in einem See aus Milch schwimmen". Die Geschichte beginnt erschreckend, aber das ...

In einer namenlosen Stadt können immer mehr namenlose Menschen nicht mehr sehen. Sie selber beschreiben den Zustand, als "in einem See aus Milch schwimmen". Die Geschichte beginnt erschreckend, aber das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was einen als Leser noch erwartet. Da immer mehr Menschen erblinden, sieht die Regierung nur den Ausweg, die Erkrankten in einer verlassenen Anstalt zu separieren. Und jetzt beginnt der wahre Horror, der aber (erschreckend genug!) immer realistisch bleibt. Alles im Roman bleibt namenlos, für mich die klare Botschaft, daß die Handlung überall spielen kann und jeden treffen kann.

Wer behält seine Menschlichkeit und wer wird zum Tier, für das vor allem das Überleben zählt? Wer stellt sich an den Anfang der Nahrungskette? Wer überwindet Anstand, Skrupel und behält seine Würde? Das Thema über die eigene Würde zieht sich als roter Faden durch den Roman.

Wie die Frau eines erblindeten Augenarztes, die als einzige noch sehen kann, sieht man als Leser den Schrecken und die Konsequenzen einer Epidemie, die immer weiter fortschreitet. An den Schreibstil musste ich mich gewöhnen: Viele Kommas, wenige Punkte, keine Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Aber der Roman hat mich von Anfang bis Ende nicht losgelassen. Erschreckende Geschichte, aber sehr sehr gut geschrieben!

Veröffentlicht am 10.03.2019

Erzählkunst

Die Eishexe (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
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Erica Falck und Patrik Hedström ermitteln in ihrem mittlerweile zehnten Fall.

Ich verfolge die Serie, die in Fjällbacka spielt, von Beginn an...und ich hatte nach dem letzten Fall die Befürchtung, daß ...

Erica Falck und Patrik Hedström ermitteln in ihrem mittlerweile zehnten Fall.

Ich verfolge die Serie, die in Fjällbacka spielt, von Beginn an...und ich hatte nach dem letzten Fall die Befürchtung, daß sich Camilla Läckberg auserzählt hat. Dieser Fall hat mir wieder besser und sogar sehr gut gefallen. Die Autorin begibt sich in die sehr großen Fußspuren von Elizabeth George, und ich finde, sie macht das sehr gut. Das Drumherum nimmt einen sehr großen Teil der fast 750 Seiten ein; viele Charaktere, die ich aber gut auseinander halten konnte, viele Schauplätze und sehr aktuelle Themen, aber den eigentlichen Fall verliert man in keiner Sekunde aus den Augen. So bin ich den drei Handlungssträngen sehr aufmerksam gefolgt, ohne bei dem, der 1672 spielt, zu ahnen, wozu ich gebeten werde. Am Ende löst sich natürlich alles, für mich schlüssig, auf, vielleicht ist der Showdown ein wenig zu dramatisch, aber das verzeihe ich der Autorin, da sie mich bis dahin sehr abwechslungsreich und spannend unterhalten hat.

So kann es gerne weitergehen; ich erwarte schon den nächsten Fall.