Cover-Bild Alte Sorten
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 18.03.2019
  • ISBN: 9783832183813
Ewald Arenz

Alte Sorten

Roman
Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, Regeln, Erwachsene. Fragen hasst sie am meisten, vor allem die nach ihrem Aussehen.
Liss ist eine starke, verschlossene Frau, die die Arbeit, die auf dem Hof anfällt, problemlos zu meistern scheint. Schon beim ersten Gespräch der beiden stellt Sally fest, dass Liss anders ist als andere Erwachsene. Kein heimliches Mustern, kein voreiliges Urteilen, keine misstrauischen Fragen. Liss bietet ihr an, auf dem Hof zu übernachten. Aus einer Nacht werden Wochen. Für Sally ist die ältere Frau ein Rätsel. Was ist das für Eine, die nie über sich spricht, die das Haus, in dem die frühere Anwesenheit anderer noch deutlich zu spüren ist, allein bewohnt? Während sie gemeinsam Bäume auszeichnen, Kartoffeln ernten und Liss die alten Birnensorten in ihrem Obstgarten beschreibt, deren Geschmack Sally so liebt, kommen sich die beiden Frauen näher. Und erfahren nach und nach von den Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2020

Über Wunden, die sich nie ganz schließen werden

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Liss ist über vierzig und bewirtschaftet ganz allein einen Hof mit Weinbergen, Obstgarten und Waldstück. Im Dorf ist sie nicht gerade beliebt, nur die alte Anni, die sie schon aus ihrer Kindheit kennt, ...

Liss ist über vierzig und bewirtschaftet ganz allein einen Hof mit Weinbergen, Obstgarten und Waldstück. Im Dorf ist sie nicht gerade beliebt, nur die alte Anni, die sie schon aus ihrer Kindheit kennt, spricht überhaupt noch mit ihr. Doch dann taucht eines Tages die 17-jährige Sally auf. Frisch aus einer Klinik ausgerissen, in der sie wegen einer Essstörung und Selbstverletzung behandelt wurde, ist sie voller Wut auf die Welt und vor allem auf die Erwachsenen. Als die beiden Frauen sich begegnen, scheint es wie Schicksal, denn Liss ist die erste, die Sally nicht ständig kontrollieren will und auch sie scheint umgekehrt etwas in Liss auszulösen.

Ewald Arenz gelingt es, mit "Alte Sorten" den Spätsommer vor meinen Augen zum Leben zu erwecken, seine Sprache ist sehr metaphorisch und bildhaft und dennoch einfach. Liss' Leben auf dem Hof erscheint zunächst idyllisch und voller Freiheit, mit ihrer ruhigen Art bringt sie auch Ruhe in die Handlung und vor allem in Sallys Alltag. Endlich ist da jemand, der sich ihren Wutanfällen stellt und der sie einfach nur sie selbst sein lässt. Betrachtet man diese beiden Frauen ein wenig genauer, so wird schnell deutlich, dass sie sich ähnlicher sind als zunächst gedacht. Beim gemeinsamen Arbeiten nähern sie sich an und wir erfahren, dass Liss in Sally ihr jüngeres Ich erkennt. Die beiden harmonieren miteinander, doch ewig wird ihre Gemeinschaft so nicht weiter bestehen können. Schließlich sind da noch Sallys Eltern und Liss' Vergangenheit, die sie einzuholen droht.

Was wie eine nette Geschichte über das Landleben beginnt, entwickelt sich im Verlauf der Handlung zu einer tiefgründigen Mahnung daran, was geschieht, wenn junge Menschen sich nicht frei entwickeln dürfen, wenn sie wie ein Obstbaum stur in eine Richtung gebunden werden. Und während am Anfang noch Sally diejenige ist, die Liss' stumme Unterstützung zu brauchen scheint, ist sie es letztendlich, die wichtige Gedanken und Veränderungen bei Liss anstößt und erkennt, wie es hinter deren starker Fassade wirklich aussieht. Auch das - für mich - Fazit dieses tollen Romans zieht Sally selbst: Manche Wunden werden sich niemals vollständig schließen, aber auch wenn sie schief zusammenwachsen und manchmal schmerzen, lohnt es sich, ihnen die Zeit zum Heilen zu geben.

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Authentisch, schnörkellos, berührend ! Ein Roman über das Leben !

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Als Liss eines Tages in ihrem Weinberg steht und sich der Hänger ihres Traktors verhakt hat, kommt ein wütendes Mädchen des Weges entlang gestapft. Schwer bepackt und scheinbar zornig auf die ganze Welt. ...

Als Liss eines Tages in ihrem Weinberg steht und sich der Hänger ihres Traktors verhakt hat, kommt ein wütendes Mädchen des Weges entlang gestapft. Schwer bepackt und scheinbar zornig auf die ganze Welt. Liss bittet sie um Hilfe und bietet ihr kurzentschlossen an, auf ihrem Bauernhof zu übernachten, wenn sie ein Zimmer braucht.

Sally, die einfach losgelaufen ist, voller Zorn auf ihre Eltern, auf Therapeuten, auf Menschen, die sie einfach nicht verstehen oder verstehen wollen, nimmt Liss' Angebot an und ahnt nicht, dass diese Begegnung ihrer beider Leben verändern wird.

Ewald Arenz hat mit ALTE SORTEN ein unglaublich komplexes Werk geschaffen, obwohl es sehr nüchtern geschrieben ist. Er verzichtet auf ausschweifende Worte und Erläuterungen und dennoch passiert zwischen den Zeilen so viel.

Weder Liss noch Sally sind Freunde großer und vieler Worte. Sie leben beide in sich zurückgezogen und obwohl Sally erst nur eine Nacht auf dem Hof bleiben will, beginnt sie schnell, sich in Liss Gegenwart irgendwie wohlzufühlen. Liss ist keine besonders feinfühlige Person, zerfressen von eigener Schuld, immer am Hadern mit sich selbst und ihrem Leben, aber sie lässt Sally sein wie sie ist. Erträgt ihre Wutausbrüche, bindet sie in ihren Alltag ein, ohne auf etwas zu bestehen.

Und Sally fühlt sich dadurch zum ersten Mal in ihrem Leben verstanden und vollständig akzeptiert, obwohl sie Liss auch manchmal etwas seltsam findet und gerne unter die Oberfläche blicken würde.

Die Frauen nähern sich, trotz all ihrer Distanziertheit im Verlauf der Geschichte an und es entsteht eine Freundschaft, die sie, da bin ich sicher, für den Rest ihrer beider Leben begleiten würde, wären sie reale Figuren.

Die Geschichte wird aus beiden Sichten erzählt, was mir sehr gefallen hat. Sally entdeckt immer wieder neue Dinge, lernt durch Liss' Arbeiten auf dem Hof unglaublich viel, dass sie irgendwie erdet. Sei es der Umgang mit Bienen, das Brennen von Schnaps oder die Tatsache, dass es mehr Birnensorten gibt, als man zählen kann. Dieser landwirtschaftliche Einblick war ein Punkt, der mir richtig gut gefallen hat und der mich sehr an meine Kindheit erinnert hat, als ich mich besonders am Wochenende gerne auf den Höfen meiner Freunde herumgetrieben habe.

Es ist ein besonderes Buch, das vor Atmosphäre nur so strotzt, das auch durchaus Spannung mitbringt, besonders im letzten Drittel und das mich einfach von der ersten bis zur letzten Seite für sich einnehmen und von sich überzeugen konnte.

Ganz klare Leseempfehlung !

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Veröffentlicht am 13.10.2019

Ein stiller, eindringlicher Roman über eine ungewöhnliche Freundschaft

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Die siebzehnjährige Sally ist gerade ohne konkreten Plan aus einer Klinik abgehauen, als sie in einem Weinberg auf Liss trifft. Diese bittet Sally um Hilfe mit ihrem festgefahrenen Wagen und bietet ihr ...

Die siebzehnjährige Sally ist gerade ohne konkreten Plan aus einer Klinik abgehauen, als sie in einem Weinberg auf Liss trifft. Diese bittet Sally um Hilfe mit ihrem festgefahrenen Wagen und bietet ihr danach an, auf ihrem Hof zu übernachten. Liss stellt keine Fragen, und genau das unterscheidet sie in Sallys Augen von den anderen Erwachsenen. Sie beschließt, dass sie erst einmal dort bleiben kann. Bald beginnt sie, bei der Arbeit auf den Feldern mit anzufassen. Doch Liss dringt zwar nicht in sie ein, gibt im Gegenzug aber auch nichts von sich preis. Die beiden Frauen arrangieren sich vorwiegend still miteinander. Doch die Erlebnisse ihrer jeweiligen Vergangenheit prägen ihr Verhalten und holen sie immer wieder ein.

Die Geschichte beginnt an einem 1. September und erzählt vom ersten Aufeinandertreffen von Sally und Liss. Die beiden sind sehr verschieden: Sally ist siebzehn, dünn, von Narben gezeichnet und gerade aus der Klinik abgehauen. Liss hingegen ist eine erwachsene, starke Frau, die einen Hof bewirtschaftet und von den anderen Dorfbewohnern gemieden wird. Für Sally ist das Angebot, bei Liss zu übernachten, eine gute Gelegenheit, nach ihrer Flucht durchzuschnaufen. Da sie nicht gebeten wird zu gehen und auch keinen Grund sieht, weiterzuziehen, wird aus der einen Übernachtung auf Liss’ Hof bald eine längere Zeit.

Der Autor hat mit Sally und Liss zwei Charaktere geschaffen, die schon einiges mitgemacht haben. Sally ist wütend auf ihr Umfeld, das ihr ständig Vorschriften machen will und ihr mit betontem Verstänis begegnet. Ihre Eltern bringen ihr wenig Liebe entgegen, sind vor allem abwesend und haben sie schon mehrfach wegen Selbstverletzung und Magersucht in eine Klinik gesteckt. Als sie bei Liss zum ersten Mal eine Birne ist, die zu den Alten Sorten zählt, hat sie das Gefühl, endlich wieder etwas zu schmecken.

Warum Liss eine Einzelgängerin ist und gemieden wird, bleibt lange ein Geheimnis. Sie selbst schiebt die entsprechenden Erinnerungen weg. Stattdessen denkt sie oft an ihre Jugend zurück, in der sie in einen Jungen namens Sonny verliebt war. Sally und sie werden bald zu einem Team und ich fand es schön, wie die beiden sich ohne große Worte gegenseitig Kraft geben. Dann gibt es jedoch auch Momente, in denen aufgestaute Gefühle durchbrechen. Ich war gespannt, was Sally und Liss voneinander lernen werden und welchen Weg die beiden Charaktere für sich finden.

„Alte Sorten“ ist eine vorwiegend stille, eindringliche Geschichte, in der sich der Teenager Sally und die erwachsene Liss durch einen Zufall begegnen und daraus eine ungewöhnliche Freundschaft entsteht. Beide haben ihr Päckchen zu tragen und erhalten durch die andere einen neuen Blick auf ihr Leben. Lasst Euch vom Autor mit aufs Land nehmen und lernt diese zwei Frauen kennen, die jeweils auf ihre eigene Weise Stärke zeigen!

Veröffentlicht am 19.05.2019

Ein wunderbar multisensorisches Erlebnis

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Rezension zu "Alte Sorten" von Ewald Arenz


Achtung! Spoilerwarnung


Zusammenfassung:

Eine schicksalhafte Begegnung zweier auf den ersten Blick völlig verschiedener Frauen in einem Weinberg ist der ...

Rezension zu "Alte Sorten" von Ewald Arenz




Achtung! Spoilerwarnung


Zusammenfassung:

Eine schicksalhafte Begegnung zweier auf den ersten Blick völlig verschiedener Frauen in einem Weinberg ist der Beginn dieses außerordentlichen Buches. Sally, 17, voller Frust und unbändiger Wut in sich, streift allein durch die Lande, hauptsache weg von der Stadt, von der Klinik, von der ständigen geheuchelten Fürsorge. Liss, um die 50, blickt von ihrer täglichen Hofarbeit zurück auf eine schwere Vergangenheit.
An diesem Herbsttag kehren die beiden zusammen zurück auf den Hof, am Rande des altertümlichen, kleinen Dorfes. Und so beginnt, ganz langsam und leise, eine wunderbare, unendlich starke Freundschaft zu wachsen.

Meine Meinung:

"Alte Sorten" war mein erstes Buch von Ewald Arenz und außerdem mal etwas anderes. In meiner Freizeit greife ich eher selten zu solchen, "richtigen" Romanen. Und eins kann ich schonmal sagen: das werde ich in Zukunft öfter machen!


Von außen macht das Buch bereits mächtig was her. Der Dumont Verlag hat hier keine Mühen gescheut und das Exemplar mit hochwertigem Leineneinband, festem Material und detailverliebter Gestaltung zu einem echten Hingucker gemacht! Der Titel passt perfekt zum Inhalt, im ersten Moment sagt er nicht viel aus, doch es steckt sehr viel dahinter und hat den selben Geschmack wie das ganze Buch. Das Cover zeigt einen beigen, schlichten Hintergrund mit Titel und Autor und ein Stück eines Birnenzweigs mit zwei besonders aussehenden Birnen. Als Detail ist eine Biene daneben fliegend zu sehen. Diese beiden Motive lassen sich fühlen, sie heben sich leicht vom Buchdeckel ab und fühlen sich angenehm an. Zusätzlich enthalten ist ein integriertes Lesezeichen in einem passenden Gelb.

Das Cover repräsentiert genau den großartigen Schreibstil von Ewald Arenz wider. Dieses minimalistische, klare, ländliche, einfache aber gleichzeitig aussagekräftige mit so einer großen Bedeutung , dieses echte. Es erinnert mich an ein Stillleben, wo man das Gefühl hat, die Gegenstände anfassen zu können. Denn genau das schafft der Autor: jeden Geruch riechen, Geschmack schmecken, die Geräusche hören, die Dinge vor sich sehen zu können, dafür sorgt Ewald Arenz mit diesem einzigartigen, klaren, bildgewaltigen Schreibstil.

Diese aufwühlende, emotionale Geschichte reißt den Leser mit, er erlebt die Entwicklung dieser außergewöhnlichen Freundschaft, wie die beiden langsam eine funktionierende, effektive Dynamik aufbauen, sich vorsichtig aneinander herantasten, sich mehr und mehr öffnen, sich gegenseitig Halt geben, aufeinander wirken. Ganz besonders und leise wurde dies vermittelt.

Die beiden Protagonistinnen sind sich sehr ähnlich, dies merkt man während des Lesens ganz deutlich. Es wird zwischen den beiden Perspektiven hin- und hergewechselt, wobei man klar einen Unterschied in der Sicht auf die Dinge feststellt. Und obwohl ein Er-/Sie-Erzähler spricht, fühlt man sich Liss und Sally nah. Sally erinnert an die junge Liss, die auch zu kämpfen hatte und doch nur raus wollte, die Welt sehen wollte, die Gewalt vergessen wollte.
Durch perfekt ausgewählte Rückblicke in verschiedene Situationen der Vergangenheit der beiden, setzt sich langsam das Gesamtbild der jeweiligen vergangenen Geschichte der beiden zusammen.

Im Laufe dieses Werkes erkennt man einen klare Wendung in der Komposition: anfangs ist es Liss, die Sally half; sie gab ihr Halt, Stärke und stützte sie in ihrem aufwühlenden Inneren. Sie gewährte ihr einen Einblick in eine neue Welt, die sie angekommen fühlen ließ, und zur Ruhe verhalf. Dann, kurz nach der Hälfte, wird Sally zum Retter von Liss. Sie rettet primär natürlich ihr Leben, klar, doch nicht nur das. Es geht um die Zeit danach, wo sie Liss half, wieder auf die Beine zu kommen, weiterzuleben mit ihrer Last, wieder etwas zu fühlen. Sally ist es, die sie weiterleben lässt, und sie tut das, für sie.
Das zeigt nochmal deutlich die Stärke dieser Freundschaft, einer Freundschaft von zwei allein kaputten Frauen, die zusammen ein ganzes Stück weniger kaputt sind. Ihre Wunden sind zu tief, um je ganz zu verheilen, doch sie verbinden ihre Wunden gegenseitig, sodass der Schmerz weniger wird, in den Hintergrund rückt und nur noch dumpf widerhallt.
Sie sind wie zwei Puzzelstücke, zwei Dinge, die genau zueinander passen, einander ergänzen und nur zusammen gut funktionieren. Etwas ganz Besonderes.

Die Charaktere und alles andere ist so unglaublich echt und realitätsnah geschrieben, man kann jede noch so verquere Handlung der beiden nachvollziehen. Am Anfang ist man ein wenig misstrauisch, man weiß nicht genau, wie die Protagonistinnen so handeln, doch mit jeder Seite erfährt man mehr über sie und wird berührt von diesen unfassbar gut transportierten Emotionen.

Die alltägliche, harte Arbeit auf dem Hof wurde überragend gut porträtiert, hier hat der Autor ganze physische Recherche geleistet. Es ist ein durchgehendes, wunderschönes Element, wobei fast jeder sogar noch etwas dazu lernt. Es wird nichts romantisiert oder gar verweichlicht, alles kommt sehr authentisch, echt und real rüber.

Besonders gut gefallen haben mir die sinnspielenden Metaphern und wie echt alles transportiert wurde. Mit allen Sinnen liest man diese Geschichte und kann sich durch diesen grandiosen Schreibstil perfekt hineinfühlen.

Fazit:

Alles in allem schafft dieser Autor eine einzigartige, wunderbare Atmosphäre in dieser Geschichte. Man kann das Buch genießen, sich voll darauf einlassen, jede Seite und jedes Detail wunderbar erfassen. Die Charaktere sind unfassbar echt, die Handlung sehr interessant und spannend und der Schreibstil ein einziger Genuss!
Eine große Leseempfehlung, dieses Buch wird mich auch noch länger begleiten!


9,5/10 Punkten

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Veröffentlicht am 19.05.2019

Stiller, atmosphärischer, überraschend tiefgründiger Roman, der berührt

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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Sie scheinen grundverschieden zu sein: Die junge, rebellische Sally, die aus einer Klinik ausgebrochen ist, und die ruhige, stoische, um dreißig Jahre ältere Liss, die ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Sie scheinen grundverschieden zu sein: Die junge, rebellische Sally, die aus einer Klinik ausgebrochen ist, und die ruhige, stoische, um dreißig Jahre ältere Liss, die zurückgezogen auf ihrem Bauernhof lebt. Als die beiden Frauen zufällig aufeinandertreffen und Sally Liss hilft, bietet diese ihr an, eine Nacht auf ihrem Hof zu verbringen. Aus dieser einen Nacht werden Wochen. Langsam entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung zwischen den Frauen. Und bald wird klar, dass die beiden sich ähnlicher sind, als es auf den ersten Blick scheint…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: DuMont
Seitenzahl: 256
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive (Liss und Sally)
Kapitellänge: mittel bis kurz
Tiere im Buch: - Für TierliebhaberInnen ist dieses Buch nicht immer leicht zu ertragen, da das Leben auf dem Dorf oft damit einhergeht, dass Tiere verletzt oder getötet werden. Es gibt Rinder, die immer noch in Kettenhaltung leben, ein Reh wird angefahren und durch einen Schuss mit einer Pistole erlöst, ein Schwein wird geschlachtet und Hühner werden getötet. Immerhin zeigt sich Liss (bis auf einen Vorfall) als Tierfreundin, was positiv ist.

Warum dieses Buch?

Bei diesem Buch habe ich mich ins Cover und in die sehr vielversprechende Leseprobe verliebt. Sofort war mir klar, dass ich diese Geschichte unbedingt lesen musste! Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Sally und Liss weitergeht.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg fiel mir leicht. Es dauerte nur wenige Seiten, bis ich in der Geschichte angekommen war und ihre entschleunigende Wirkung beim Lesen gespürt habe.

"Auf den abgeernteten, von Stoppeln glänzenden Feldern stand der Weizen noch als überwältigender Geruch nach Stroh; staubig, gelb, satt. Der Mais begann, trocken zu werden, und sein Rascheln im leichten Sommerwind klang nicht mehr grün, sondern wurde an den Rändern heiser und wisperig." Seite 5

Schreibstil (♥)

Ewald Arenz hat einen unglaublich schönen, atmosphärischen, oft leisen, aber dennoch sehr eindringlichen Schreibstil. Er schreibt etwas anspruchsvoller (aber trotzdem flüssig und anschaulich) und verwöhnt seine LeserInnen mit unglaublich gelungenen sprachlichen Bildern und poetischen Formulierungen. Die kreativen Vergleiche und Metaphern zergehen einem auf der Zunge wie ein Stück reife Birne. Ich habe beim Lesen den Wind im Haar und die Hitze auf der Haut gespürt und den Geruch der reifen Früchte beinahe selbst gerochen. Es handelt sich hierbei um einen Schreibstil, der sowohl in ruhigen als auch in dramatischen, emotionalen und spannenden Momenten glänzen kann. Sehr gut gefallen hat mir auch, dass Ewald Arenz gefühlvoll erzählt, ohne dabei jemals pathetisch oder kitschig zu werden. Ein Balance-Akt, der dem Autor problemlos gelingt. Kurz: Es ist ein Schreibstil zum Hineinlegen und Genießen!

Ganz wunderbar fand ich auch, wie sich die Sprache den verschiedenen Persönlichkeiten der zwei Frauen in ihren jeweiligen Kapiteln anpasst. Das verleiht ihrer Erzählstimme große Authentizität. In sehr emotionalen Momenten zerfällt die geordnete Sprache auch mal in eine Art Bewusstseinsstrom, wird chaotisch und spiegelt die Gefühle der Figur eindrucksvoll wider. Großartig!

„Und dann spürte sie, wie es tief innen in ihr wild kratzte, wie das lange eingesperrte Tier in ihr zu toben begann und dann, wie ein plötzlich aufloderndes Feuer, die Wut in ihr hochschlug.“ Seite 83

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (♥)

„Alte Sorten“ ist ein sehr entschleunigendes Buch, das einem Kurzurlaub auf dem Lande gleicht. Das Leben auf dem Bauernhof hat etwas Beruhigendes. Es muss tröstlich sein, einen festen Tagesablauf ohne Überraschungen zu haben, am Tag hart körperlich zu arbeiten und am Abend müde ins Bett zu fallen. Viele verschiedene Arbeitsschritte werden dabei detailliert geschildert, ohne dass das Geschriebene jedoch je langatmig wird. Ganz nebenbei habe ich viel Neues (z. B. über Bienen) dazugelernt. Neben der interessanten Beziehung und Dynamik zwischen Sally und Liss wird auch das Dorfleben sehr gelungen porträtiert. Die schönen, aber auch die anstrengenden Seiten werden sehr treffend eingefangen – wodurch das Buch in geringem Maße auch Züge einer Milieustudie aufweist.

Was mich beim Lesen am meisten überrascht hat, ist die unerwartete Tiefe der Geschichte, die mich absolut begeistert hat. Es geht in „Alte Sorten“ um das Gefühl, nicht dazu zu passen, um gesellschaftliche Erwartungen, Engstirnigkeit, unerfüllte Träume, alte Verletzungen, Gewalt gegen Kinder, Einengung durch die Eltern, Suizidgedanken, psychische Krankheiten, Selbstverletzung und Einsamkeit. Alle diese Themen behandelt der Autor feinfühlig und tiefgreifend und hat so eine einzigartige Geschichte geschaffen, die mich berührt hat und die mir lange in Erinnerung bleiben wird. Das Ende hat mir ebenfalls sehr gut gefallen – ich mochte den hoffnungsvollen Unterton, der leise mitschwingt.

„Jede Frage und jede Antwort spann einen Faden zwischen dem Mädchen und ihr. Wenn man von jemandem alles wusste, dann konnte man ihn an tausend Fäden halten.“ Seite 49

Haupt- & Nebenfiguren (♥)

Die Figurenzeichnung ist ebenfalls sehr gut gelungen. Die wütende, rebellierende Sally und die ruhige, einzelgängerische Liss sind vielschichtige, komplexe Figuren, die beide ihr Päckchen zu tragen haben. Vereinzelt gibt es Rückblenden, die uns helfen, zu verstehen, wie Liss und Sally zu dem geworden sind, was sie heute sind. Beide sind auf ihre Weise sehr sympathisch, haben Schwächen und offenbaren nach und nach auch ihre verletzlichen Seiten. Mit jeder Seite sind mir diese zwei ungewöhnlichen Frauen mehr ans Herz gewachsen. Es ist erstaunlich, wie gut es dem männlichen Autor gelingt, sich in diese zwei Frauenseelen einzufühlen und wie nuanciert er ihr Innenleben einfangen kann. Vielleicht hat Ewald Arenz sein Beruf als Lehrer hierbei geholfen.

Es gibt nur sehr wenige Nebenfiguren, die eine Rolle in der Geschichte spielen – im Fokus stehen nämlich eindeutig die beiden starken Frauenfiguren. Jene Charaktere, die aber dennoch den Weg der beiden Frauen kreuzen, sind angemessen ausgearbeitet und wirken ebenfalls sehr glaubwürdig und authentisch. Am liebsten mochte ich hier Anni, diese beeindruckende alte Persönlichkeit, die es sich nicht nehmen lässt, auch im hohen Alter noch mit dem Rad durchs Dorf zu fahren.

„‘Und ich weiß, wie es ist, wenn dieses Gefühl, wenn diese Sicherheit, besonders zu sein, Stück für Stück kaputt geht wie ein Baum, den man in die falsche Erde gepflanzt hat, und ihn mit Stricken und Pfählen dazu zwingt, von der Sonne weg zu wachsen.‘“ Seite 157

Spannung & Atmosphäre (♥)

„Alte Sorten“ ist ein stiller, eindringlicher kleiner Roman, der mich fasziniert hat und absolut überzeugen konnte. Die entschleunigende, dichte Atmosphäre hat mir von Anfang an gut gefallen – und gerade in dem Moment, in dem ich mir dachte, dass ich etwas mehr Spannung vertragen könnte, bekam ich diese auch, weil einige unerwartete Wendungen und atemlos spannende, emotionale und dramatische Ereignisse folgten. Auch was den Spannungsaufbau betrifft, hat der Autor in diesem Buch also alles richtig gemacht.

Feministischer Blickwinkel (♥)

Ich finde es toll, dass zwei so starke, mutige Frauen im Zentrum dieser Geschichte stehen. Ewald Arenz zeigt, dass auch eine Frau alleine einen Bauernhof führen und die körperlich fordernde Arbeit erledigen kann. Es gibt zwar einige Momente, in denen frauenfeindliche Sprache und gegenderte Beschimpfungen vorkommen (Schlam--, Fo---), aber diese Wörter benutzt Sally, um in jugendlicher Manier zu rebellieren und möglichst zu schockieren, weswegen diese Ausdrücke einen Zweck haben und ich sie verzeihen kann.

Mein Fazit

„Alte Sorten“ ist ein stiller, eindringlicher kleiner Roman, der mich absolut verzaubern konnte. Ewald Arenz schreibt wunderschön, atmosphärisch, poetisch und feinfühlig. Die kreativen Vergleiche und Metaphern zergehen einem auf der Zunge wie ein Stück reife Birne. Es ist ein Schreibstil zum Hineinlegen und Genießen! Es handelt sich um ein entschleunigendes Buch, das aber trotzdem auch seine dramatischen, spannenden, berührenden und hochemotionalen Momente hat. Zudem behandelt der Autor Themen wie das Dorfleben, gesellschaftliche Erwartungen, Engstirnigkeit, unerfüllte Träume, alte Verletzungen und Einsamkeit unerwartet tiefgründig. Es ist erstaunlich, wie gut es Ewald Arenz gelingt, sich als Mann in seine beiden starken, vielschichtigen Heldinnen hineinzufühlen und wie nuanciert und mühelos er deren Innenwelt einfängt. Beide Hauptfiguren, die stoische Liss und die wütende Sally, sind sehr komplex, zeigen sich verletzlich, und sind mir mit jeder Seite mehr ans Herz gewachsen. Auch was die dichte Atmosphäre und den Spannungsaufbau betrifft, bin ich sehr zufrieden, denn: Gerade in dem Moment, in dem ich mir dachte, dass ich etwas mehr Spannung vertragen könnte, folgten einige unerwartete Wendungen und atemlos spannende, emotionale und dramatische Ereignisse. Kurz: „Alte Sorten“ ist ein rundum gelungener, tiefgründiger Roman, den ich euch nur wärmstens ans Herz legen kann.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 5 Sterne ♥
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Spannung: 4,5 Sterne
Ende / Auflösung: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf begeisterte Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

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