Platzhalter für Profilbild

WinfriedStanzick

Lesejury Star
offline

WinfriedStanzick ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit WinfriedStanzick über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.05.2019

Die Lektüre dieses bewusst einseitig gehaltenen Buches ist nichtsdestotrotz sinnvoll und notwendig, um die Gesamtheit des Kernkonflikts besser zu verstehen

Die ethnische Säuberung Palästinas
0

Ilan Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas, Westend 2019, ISBN 978-3-86489-258-5

Ilan Pappe, Jahrgang 1954, war bis 2007 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Haifa und Leiter des dortigen ...

Ilan Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas, Westend 2019, ISBN 978-3-86489-258-5

Ilan Pappe, Jahrgang 1954, war bis 2007 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Haifa und Leiter des dortigen Instituts für Konfliktforschung. Von ihm stammen zahlreiche Veröffentlichungen zum israelisch-arabischen Konflikt und zur Geschichte des Nahen Ostens. Die massiven Anfeindungen und die Behinderung seiner Forschungsarbeit, denen er seit der Veröffentlichung seines Buchs „Die ethnische Säuberung Palästinas“ 2006 an der Universität ausgesetzt war, haben ihn veranlasst, in Großbritannien zu leben. Dort lehrt er an der Universität in Exeter.

Das nun hier im Westend Verlag wiederaufgelegte Buch, das 2007 beim Verlag 2001 erschien und zu dem Ilan Pappe ein aktuelles Vorwort geschrieben hat beschreibt , wie der militärische Konflikt in den Jahren 1947 bis 1949 in eine systematische Politik Israels übergegangen ist, die bis heute einen Frieden in Palästina verhindert. In der sogenannten Nakba wurden insgesamt 800 000 Palästinenser aus ihren angestammten Gebieten vertrieben und somit nach Pappe die Grundlagen dafür gelegt, dass die Politik Israels bis zum heutigen Tag einen gerechten Frieden in Palästina verhindert.

Die Lektüre dieses bewusst einseitig gehaltenen Buches ist nichtsdestotrotz sinnvoll und notwendig, um die Gesamtheit des Kernkonflikts besser zu verstehen. Über die Position Israels , über die permanenten Gewaltdrohung der Palästinenser und ihrer von Beginn der jüdischen Besiedlung bestehenden Forderung, die Juden ins Meer zu treiben (wird bis auf den heutigen Tag so vertreten von den politischen und militärischen Vertretern der Palästinenser, die ihr eigenes Volk mehr ausbeuten und unterdrücken als die Israelis), kann man sich in anderen Büchern informieren. Auch über die von Anfang an terroristischen Grundhaltung der Palästinenser.

Ilan Pappe schreibt am Ende seines neuen Vorworts:
„Wenn es uns gelänge, im historischen Palästinas e i n e n (sic!)demokratischen Staat für alle zu gründen, der auch die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge (ergänze: 7 Millionen !!) willkommen wäre, könnten wir nicht nur für das Ende des Konflikts sorgen, sondern gleichermaßen für das Ende vieler anderen Konflikte im Nahen Osten.“

Bei allem gebotene Respekt über die Leistung des vorliegenden Buches: ich halte das für naiv.




Veröffentlicht am 19.02.2019

„Der Sandmaler“ ist noch längst nicht das literarische Meisterstück, das Mankells spätere Werke auszeichnet.

Der Sandmaler
0

Henning Mankell, Der Sandmaler,tb, DTV 2019, ISBN 978-3-423-21752-1

Zwei Jahre nach dem Tod des großen schwedischen Schriftstellers Henning Mankell veröffentlicht sein Hausverlag Zsolnay in Wien sein ...

Henning Mankell, Der Sandmaler,tb, DTV 2019, ISBN 978-3-423-21752-1

Zwei Jahre nach dem Tod des großen schwedischen Schriftstellers Henning Mankell veröffentlicht sein Hausverlag Zsolnay in Wien sein allererstes in Schweden 1974 schon erschienenes Buch „Der Sandmaler“. In diesem Buch verarbeitet der junge Henning Mankell die Eindrücke, die er auf seiner ersten Afrikareise machte, die ihn 1971 nach Guinea-Bissau führte, das zu diesem Zeitpunkt noch eine portugiesische Kolonie war. Aus seinen Tagebuchaufzeichnungen entstand zwei Jahre später der Roman „Der Sandmaler“, in dem die Themen aller später folgenden Afrikaromane Mankells und sein späteres Engagement mit seinem Theaterprojekt in Maputo schon angelegt sind. Leider haben diese Bücher bei weitem nicht den großen Erfolg gehabt, wie seine Wallander-Romane, aber vielleicht werden sie länger gelesen werden als diese.

Konnte man in den beiden letzten Büchern von Henning Mankell „Treibsand“ und „Die schwedischen Gummistiefel“ den sich selbst todkrank wissenden Schriftsteller bei einer einzigartigen literarischen Bilanz seines Lebens und seiner Erfahrungen begleiten, kann der Leser von „Der Sandmaler“ Mankells erste zugegebenermaßen noch etwas unsicheren Schritte als Schriftsteller mitgehen. 23 Jahre war er damals alt und doch schon in der Lage, mittels seiner Hauptfiguren Wesentliches einzufangen von Afrika und dem Kolonialismus, das er dann später auf viel tieferem Niveau und mit immer erfahrener literarischer Kunst beschrieben hat.

Elisabeth und Stefan, die sich schon seit einiger Zeit kennen, treffen sich zufällig auf dem Flughafen, weil sie die gleiche Reise nach Westafrika gebucht haben. In einem Land, das ohne Namen bleibt, wollen sie zwei Wochen Urlaub machen und viel im Meer baden. Auch an Bord ist Sven, den Mankell als männlichen Gegenpart zu dem nur auf Genuss und Lustgewinn bedachten voller rassistischer Vorurteile steckenden Stefan zeichnet. Er hat eine ziemlich klare Analyse, kritisiert den Kolonialismus und den Kapitalismus, die die Menschen dort so arm halten.


Elisabeth, mit der sich Mankell stark identifiziert, bemüht sich, die Menschen, die sie dort trifft, die Bräuche und ihre Lebenseinstellungen wirklich kennenzulernen und zu achten. Sie trifft auf Ndou, einen kleinen Jungen, der ihr seine Dienste anbietet, und mit dem sie so etwas wie eine Freundschaft entwickelt. Auch seiner großen Schwester Yene kommt sie näher, und verachtet sie auch nicht, als sie mitbekommt, dass Sven mit diesem Mädchen, das sich ihm aus Not angeboten hat, sexuellen Verkehr hat.
Aus vielen kleinen Episoden zusammengesetzt, die die einzelnen Personen einzeln oder in wechselnden Konstellationen zusammen erleben, ergibt sich ein beeindruckend vielfältiges Panorama aus Eindrücken und Erfahrungen. Mankell will schon hier eine Botschaft senden, der er später sein halbes Leben widmen sollte, nämlich Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln mit Achtung und Respekt aufgeschlossen zu begegnen.

Der "Sandmaler", der dem Buch seinen Titel gab, ist ein etwa Zwanzigjähriger junger Mann, auf dessen in den Sand gemaltes Porträt Elisabeth eines Tages trifft. Der junge Mann beobachtet sie, malt dann in Minutenschnelle ein Porträt Elisabeths und schreibt zwei Sätze in den Sand. „Die Zukunft ist ein sozialistisches Afrika“ und „Der Sozialismus rettet auch euch“.

Damals, so denke ich, war auch Henning Mankell noch dieser Meinung. Heute wissen wir, dass dieses Modell Afrika nicht das gebracht hat, was es braucht, und es scheint, als stünde der Kontinent noch immer am Anfang. Wenn Angela Merkel sagt, Afrika wird uns noch jahrzehntelang beschäftigen, dann ist das richtig und das nicht nur wegen der Millionen von Menschen, die aus mangelnder Perspektive diesen Kontinent in Richtung Europa verlassen wollen.

„Der Sandmaler“ ist noch längst nicht das literarische Meisterstück, das Mankells spätere Werke auszeichnet. Es zeigt aber die Anfänge eines Schriftstellers, der wie kaum ein anderer sein literarisches unermüdliches Schaffen mit einem nicht weniger engagierten politischen Engagement vor Ort verband.



Veröffentlicht am 25.01.2019

Das Buch ist für alle Menschen von Interesse, die sich für deutsche Politik und die SPD im Besonderen interessieren bzw. deren Herz dafür schlägt

Sozialdemokratie wagen!
0

Simone Lange, Sozialdemokratie wagen. Neue Politik für Deutschland und die SPD, Plassen Verlag 2018, ISBN 978-3-86470-611-0

Wir erinnern uns: Simone Lange, im Rest Deutschlands recht unbekannte Oberbürgermeisterin ...

Simone Lange, Sozialdemokratie wagen. Neue Politik für Deutschland und die SPD, Plassen Verlag 2018, ISBN 978-3-86470-611-0

Wir erinnern uns: Simone Lange, im Rest Deutschlands recht unbekannte Oberbürgermeisterin von Flensburg in Schleswig-Holstein, kandidiert mutig am 22. April 2018 auf dem Bundesparteitag gegen Andrea Nahles und holt als Newcomerin und Außenseiterin aus dem Stand 28 %. Wieviel davon ihrer engagierten Vorstellungsrede geschuldet war oder dem tiefsitzenden Frust der Delegierten über die Parteiführung konnte schon damals nicht überzeugend beantwortet werden.
Seit dieser Zeit ist die SPD in den Umfragen weiter abgestürzt und befindet sich wenige Monate vor den Europawahlen kurz vor dem parteihistorischen Abgrund.
Simone Lange war seit dieser Zeit etliche Male Gast in Talkshows und manche haben sich gefragt, was ihre persönlichen Pläne im Zusammenhang mit der SPD sind.

In dem vorliegenden Buch verrät sie darüber nichts, wohl aber beschreibt sie ausführlich und authentisch, wofür sie steht und welchen Weg aus der Krise sie sich für ihre Partei vorstellt.
Offen, ehrlich und konsequent benennt sie die Fehler, die der SPD den Status Volkspartei und das Vertrauen der Bürger geraubt haben, darunter nicht zuletzt die Agenda 2010. Sie setzt ihre eigene, ziemlich linke Agenda für eine menschliche Politik, eine sozialdemokratische Erneuerung und eine Reform der politischen Mechanismen in diesem Land.

Nach der Lektüre dieses durchaus erfrischenden Buches bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass eine Erneuerung der SPD nicht möglich sein wird, solange sie mit der CDU eine Regierung bildet. Ich rechne noch in diesem Jahr, spätestens nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland, mit einer grundlegenden Veränderung. Dann, da bin ich sicher, wird man auch von Simone Lange und ihren politischen Ideen wieder mehr hören.

Das Buch ist für alle Menschen von Interesse, die sich für deutsche Politik und die SPD im Besonderen interessieren bzw. deren Herz dafür schlägt.


Veröffentlicht am 25.10.2018

Unterhaltsam, aber keine wirklich große Literatur

Lügen. Nichts als Lügen
0

Helen Callaghan, Lügen. Nichts als Lügen, Knaur 2018, ISBN 978-3-426-22671-1

Familiendrama und gefährlicher Kult, diese Kurzbeschreibung des neuen Buches von Helen Callaghan im Werbetext des Verlags beschreibt ...

Helen Callaghan, Lügen. Nichts als Lügen, Knaur 2018, ISBN 978-3-426-22671-1

Familiendrama und gefährlicher Kult, diese Kurzbeschreibung des neuen Buches von Helen Callaghan im Werbetext des Verlags beschreibt den vorliegenden Roman ziemlich gut. Aber es ist nicht wie behauptet ein Psychothriller. Dazu fehlt ihm der Thrill. Über seine sonstige literarische Qualität ist aber damit noch nichts gesagt.

Sophias Mutter Nina hat ihre Tochter, die beruflich als Architektin erfolgreich in London lebt, und der elterlichen Gärtnerei mit angeschlossenem Cafe schon lange entflogen ist, schon oft mit dramatischem Tremolo in der Stimme angerufen. Doch als sie nun ihre Mutter am Telefon „Bitte komm nach Hause, Sophia!“ stammeln hört, spürt sie, dass es dieses Mal ernst ist. Fast panisch hat die Mutter geklungen.

Nach einem aus dem Ruder gelaufenen Date mit ihrem Vorgesetzten packt Sophia entgegen ihrem ursprünglichen Entschluss dann doch ihre Sachen und fährt nach Suffolk. Doch dort in der wildromantischen Gärtnerei angekommen, ist es totenstill und nach längerem Suchen präsentiert sich ihr ein Szenario von unendlicher Grausamkeit: die Mutter hängt tot an einem Baum und der Vater liegt niedergestochen und lebensgefährlich verletzt daneben.
Mord mit anschließendem Selbstmord, vermutet die Polizei, doch für Sophia ist das ausgeschlossen. Das passt nicht zu ihren ruhigen Eltern. Sie beginnt nachzuforschen und findet in der Werkstatt des Vaters sehr gut versteckt, ein eng beschriebenes Tagebuch ihrer Mutter und den Hinweis, dass sie dies als Buch veröffentlichen wollte. Es stellt sich heraus, dass in den sechs Monaten vorher mehrmals in das Haus der Eltern eingebrochen wurde.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Einbrüchen, dem Tod der Mutter und dem im Koma liegenden Vater und dem Inhalt des Tagebuchs, in dem Nina erzählt , wie sie in die Fänge der obskuren Sekte „Morningstar“ unter der Leitung eines Rocksängers namens Aaron Kessler geriet und was sie dort alles erlebt hat.

Rowan, der mit seiner Familie einem Haus auf dem Gelände der Gärtnerei lebt und ohne dessen Arbeit der Betrieb schon lange pleite wäre, kann ihr auch nicht viel weiterhelfen.

Großen Raum in diesem Buch nehmen die beiden Tagebücher von Sophias Mutter und die Beschreibungen des Lebens in Morningstar ein. Sie sind mit der Rahmenhandlung, in der Sophia versucht herauszufinden, was den Eltern widerfahren ist, nur wenig geglückt verbunden.

Helen Callaghan beschreibt gut gelungen das Leben in einer Sekte und die psychischen Abhängigkeiten. Wirkliche Spannung aber will nicht so recht aufkommen, bis zu einem wirklich kaum erwartenden Ende und einer nicht für möglich gehaltene Lösung. Das hat dann doch etwas von einem Thriller.

Ansonsten aber ist es ein Roman über die Folgen eines Lebens in einer Sekte und ein Buch über Menschen, die vom ersten Tag ihres Lebens belogen wurden.

Unterhaltsam, aber keine wirklich große Literatur







Veröffentlicht am 13.09.2018

Dennoch bleibt „Was zu dir gehört“ in seiner Hoffnungslosigkeit ein sehr trauriges Buch.

Was zu dir gehört
0

Garth Greenwell, Was zu dir gehört, Hanser Berlin 2018, ISBN 978-3-446-25852-5

Ein von seinem amerikanischen Arbeitgeber für einige Zeit zur bulgarischen Filiale entsandter Mann in mittleren Jahren erzählt ...

Garth Greenwell, Was zu dir gehört, Hanser Berlin 2018, ISBN 978-3-446-25852-5

Ein von seinem amerikanischen Arbeitgeber für einige Zeit zur bulgarischen Filiale entsandter Mann in mittleren Jahren erzählt in diesem Buch von Garth Greenwell von seinen Erfahrungen, die er als Homosexueller in Sofia gemacht hat.
Der namenlose Erzähler ist Lehrer. Eines Tages - es ist Hebst und ungewöhnlich warm- betritt er auf der Suche nach Sex die öffentlichen Toiletten des Kulturpalastes in Sofia. Dort trifft er auf Mitko, einen jungen Mann, der auf den Lehrer sofort einen großen Eindruck macht. Das Charisma aus Begehren und Gefahr zieht ihn unwiderstehlich an.

Der Amerikaner gibt Mitko Geld für seine Dienste, auch in den nächsten Wochen, als er ihn immer wieder trifft. Wahnsinnig angezogen von diesem widersprüchlichen jungen Mann, fühlt er sich zunehmend gefangen in seinem Begehren und in einer so noch nie erlebten Beziehung, in der das Bedürfnis nach Zärtlichkeit immer wieder gewalttätige Züge annimmt.

In vielen historischen Rückblenden lässt Garth Greenwell seinen Protagonisten sich seiner durchaus komplizierten Vergangenheit stellen. Immer wieder versucht er, sich von dem jungen Mann zu lösen, doch nicht nur das sexuelle Begehren, sondern auch Gefühle für ihn, die er bald schon hat, verhindern das. Auch seine viele Privilegien als Ausländer stehen wie eine Mauer zwischen den beiden Männern.
Garth Greenwell baut auf eine ehrliche, schonungslose und trotzdem poetische Weise eine spannungsvolle Atmosphäre auf, in der Scham, Begehren, Lust und unterschwellige Aggression ein widersprüchliches Gemisch bilden.

Der namenlose Ich-Erzähler übt sich vergeblich in einer permanenten Selbstreflexion, die ihn aber nicht aus seinem Dilemma heraushelfen kann.

Obwohl mir selbst als heterosexueller Leser die Thematik völlig fremd blieb, kann ich den Roman würdigen, der sich mit einer alle Menschen berührenden Thematik beschäftigt: wie bin ich eigentlich zu dem geworden, der ich bin?

Dennoch bleibt „Was zu dir gehört“ in seiner Hoffnungslosigkeit ein sehr trauriges Buch.