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Veröffentlicht am 15.01.2020

Kaffee - Das schwarze Gold

Der Duft der weiten Welt
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Wir schreiben das Jahr 1912 in Hamburg. Karl Deharde leitet in der Hamburger Speicherstadt ein florierendes Kaffeekontor und genau wie er, so hat auch seine älteste Tochter Wilhelmina (Mina) Kaffee im ...

Wir schreiben das Jahr 1912 in Hamburg. Karl Deharde leitet in der Hamburger Speicherstadt ein florierendes Kaffeekontor und genau wie er, so hat auch seine älteste Tochter Wilhelmina (Mina) Kaffee im Blut. Auch wenn Mina jede freie Minute im Kontor verbringt, so weiß sie doch genau, dass sie als Frau in diesem Beruf keine Chance hat, denn sie würde niemals Zugang zum Handel an der Kaffeebörse erhalten.

Mina träumt davon, nach dem bestandenen Abitur Medizin zu studieren. Aber auch das ist, zur damaligen Zeit, eine reine Männer-Domäne.

Mit Edo, einem Angestellten ihres Vaters, verbindet sie in letzter Zeit etwas mehr, als die seit Jahren bestehende innige Freundschaft und als feststeht, dass Edo für die Firma „Kopmann & Deharde“ nach Amerika gehen soll, bittet er Mina, mit ihm mitzugehen.

Minas Großmutter, bei der sie mit Vater und Schwester seit dem Tod ihrer Mutter lebt, und ihr Vater schicken Mina jedoch für 1 Jahr auf ein Pensionat für „Höhere Töchter“.

In den meisten Fällen macht einem das echte Leben einen Strich durch die Rechnung und als Minas Vater schwer krank wird, verlässt sie das Pensionat und übernimmt ohne zu zögern die Leitung des Kontors. Nach außen hin muss sie jedoch durch einen Mann vertreten werden und da kommt – durch Edos Weggang nach Amerika – nur der neue Mitarbeiter ihres Vaters, Leutnant Frederik Lohmeyer, in Betracht.

Schafft Mina es, das Kontor am Laufen zu halten?
Wird Karl Deharde wieder gesund?
Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Beziehung zwischen Mina und Edo?

„Der Duft der weiten Welt“ ist der Auftaktroman zur Trilogie der historischen Speicherstadt-Saga der Autorin Fenja Lüders. Das Buch beginnt mit einem Prolog, dessen Handlung sich im Jahr 1948 abspielt. Mina lässt die Möbel aus dem Kontor schaffen und nimmt Abschied von den Räumen. Aus welchem Grund sie das tut bleibt jedoch offen. Die eigentliche Handlung des Buches spielt in den Jahren 1912/1913 in Hamburg.

Die Hauptprotagonistin Mina ist eine sehr sympathische junge Dame. Sie ist ihrer Zeit weit voraus, hat keine Lust zu heiraten, möchte lieber das Kontor leiten oder studieren – muss sich letztendlich aber den Anordnungen von Großmutter und Vater beugen. Genau diese Frauen sind es aber, die die Vorreiterrolle für unsere heutigen Freiheiten übernommen haben. Ohne die Minas von früher hätten wir Frauen heute noch nicht die Rolle in der Gesellschaft, die wir haben.

Im Pensionat lernt sie Irma von Gusnar kennen. Irma entwickelt sich zu Minas bester Freundin, die Beiden werden fast unzertrennlich, sie verliert jedoch im Verlauf der Geschichte an Bedeutung. Ich hoffe, in den Nachfolgebänden noch einmal von ihr zu lesen.

Karl Deharde wird als sympathischer älterer Herr dargestellt, der einerseits seiner Tochter gerne jeden Wunsch von den Augen ablesen möchte, andererseits muss auch er sich den herrschenden Konventionen beugen. Die Großmutter, Karl Dehardes Mutter, wird anfangs als eine etwas strenge Person dargestellt, im Verlaufe der Geschichte merkt man jedoch, dass sie nur eines möchte – das Beste für Mina. Gegenüber Agnes, der jüngeren Schwester, ist die Großmutter nämlich nicht ganz so streng.

Edo ist seit vielen Jahren im Kontor von Karl Deharde angestellt, er hat dort schon seine Ausbildung gemacht, und mit Mina verbindet ihn eine tiefe Freundschaft. Aus dieser Freundschaft entwickelt sich dann auch mehr, aber die Pläne von Edo und der bevorstehende Auslandsaufenthalt stürzen Mina in große Zerrissenheit.

Leutnant Frederik Lohmeyer ist – für mich – der einzige unsympathische Charakter in dieser Geschichte. Nein, eigentlich ist er nicht unsympathisch, er ist undurchsichtig. Lohmeyer ist der Sohn eines Kaffeeplantagenbesitzers, aber sein älterer Bruder wird diese Plantage erben und so möchte Lohmeyer sich von Deharde in die Kunst des Kaffeehandels einführen lassen. Lohmeyer ist so ein Mensch, der gerne alles an sich reißt und es gefällt ihm nicht wirklich, dass Mina während der Krankheit ihres Vaters das Kontor leitet. Nach außen hin vertritt er jedoch die Firma. Mal schauen, ob mein merkwürdiges Gefühl ihn betreffend sich bewahrheitet.

Dann haben wir noch das Fräulein Brinkmann. Sie ist die Hauslehrerin von Agnes und Mina und ihre Rolle in der Geschichte wird erst in Zusammenhang mit der Krankheit von Karl Deharde näher erläutert.

Der Schreibstil von Fenja Lüders ist sehr angenehm. Das Buch lässt sich fließend lesen. Ich mag solche historischen Geschichten sehr gerne und so freue ich mich schon auf den 2. Band „Der Glanz der neuen Zeit“, der am 29.06.2020 erscheint und den 3. Band „Der Traum von Freiheit“, der am 30.10.2020 erscheint.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2019

Kann man Schuld vergeben?

Der Schatten eines Sommertags
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Die 18jährige Tonya und ihr Freund verbringen am Bodensee einen schönen Tag im Kreise der Familie. Als die Geschwister aufbrechen um nach Hause zu fahren, beschließen Tonya und Dennis, noch eine Weile ...

Die 18jährige Tonya und ihr Freund verbringen am Bodensee einen schönen Tag im Kreise der Familie. Als die Geschwister aufbrechen um nach Hause zu fahren, beschließen Tonya und Dennis, noch eine Weile an diesem schönen Ort zu bleiben, um die Zweisamkeit zu genießen. Kurz nachdem die Beiden alleine sind wird ihre Idylle jedoch jäh zerstört – ein Motorradfahrer bedroht sie und verlangt die Herausgabe ihrer Wertsachen. Um Tonya zu schützen und ihr die Möglichkeit zur Flucht zu geben, stellt Dennis sich dem Angreifer entgegen. Tonya kann tatsächlich fliehen, aber Dennis bezahlt seinen Einsatz mit dem Leben. Was Tonya bleibt ist „der Schatten eines Sommertags“.

7 Jahre später arbeitet Tonya als IT-Spezialistin beim BKA. Diese Berufswahl hat teilweise etwas damit zu tun, dass sie sich seit 7 Jahren schuldig fühlt – schuldig am Tod ihres Freundes. Sie hofft, bei ihrer Jagd auf Verbrecher, Hinweise auf den damaligen Täter zu finden. Denn obwohl ihre Erfolgsquote generell sehr hoch ist, gibt es da immer noch den einen ungelösten Fall, dessen Akte einzig die Bezeichnung „D“ trägt.

Als in Tonyas Wohnung eingebrochen wird, gehen alle zuerst von einem ganz normalen Einbruch-Diebstahl aus. Schnell stellt sich aber heraus, dass dem hier nicht so ist, denn der Einbrecher hat nichts mitgenommen sondern, im Gegenteil, etwas hinterlassen. Beim 2. Mal greift der Täter körperlich an und jetzt steht 100%ig fest, dass er gezielt hinter Tonya her und das alles kein Zufall ist.

Wer möchte Tonya Schaden zufügen? Gibt es eine Verbindung zum Motorrad-Täter von damals? Hat sie beruflich einem „bösen Buben“ zu sehr auf die Füße getreten? Ist es ein zufälliger Stalker? Ihre Kollegen, zu der auch 2 ihrer Brüder gehören, arbeiten unter Hochdruck, um herauszufinden wer Tonya nachstellt und warum.

„Der Schatten eines Sommertags“ ist das 6. Buch, das die Autorin Elisabeth Büchle unter ihrem Pseudonym Noa C. Walker veröffentlicht hat und es ist das 6. Buch, welches ich von ihr gelesen habe.

Wie bei allen vorhergehenden Büchern hat die Autorin es auch hier wieder geschafft, eine fesselnde Geschichte mit Tiefgang zu schreiben. Im großen Ganzen geht es um Schuld – wer trägt die Schuld an etwas, was passiert? Lädt man trotzdem Schuld auf sich, auch wenn man für eine Situation überhaupt nichts kann? Wie schwer wiegt Schuld und was kann man dagegen tun, sich für etwas schuldig zu fühlen, was man nicht beeinflussen konnte? Kann man anderen, vor allem aber auch sich selbst, Schuld vergeben?

Die Geschichte um Tonya beginnt im Prolog an diesem unsagbar grausamen Tag, an dem Dennis sein Leben lassen musste. Nachdem nicht nur Tonya, sonder auch der Leser Zeuge dieses Verbrechens wurde, gibt es einen Zeitsprung von 7 Jahren und von da an begleiten wir Tonya in der Gegenwart. Die Autorin schont weder ihre Protagonisten noch ihre Leser und so heule ich mit Tonya um den Verlust ihres Hundes, ich halte mit ihr den Atem an, wenn es in ihrer Umgebung mitten in der Nacht mal wieder im Gebälk knackt und ich bin aufmerksam, wenn sie sich mit jemandem trifft, der genau so gut ihr Freund wie auch ihr Feind sein könnte.

Tonya ist eine sehr sympathische junge Frau, die in einer großen Familie aufgewachsen ist. Sie hat 2 Schwestern und 6 Brüder, von denen 2 auch noch den gleichen Job machen wie sie, und von allen wird sie behütet und beschützt. Für mich war die Über-Fürsorge ihrer Geschwister manchmal ein klein wenig zu viel, andererseits wünscht man sich doch genau das – eine Familie, die bedingungslos zusammenhält und füreinander da ist. Aufgrund ihrer Erlebnisse mit Dennis möchte Tonya jedoch nicht behütet werden. Sie hat Angst, dass wieder Menschen die sie beschützen ihretwegen leiden könnten oder schlimmeres. Nach außen hin mimt sie die toughe Frau, tief in ihrem Innersten leidet sie unter Selbstzweifeln und ist extrem verletzlich und angreifbar

Neben ihren Arbeitskollegen und ihren Brüdern, bekommt sie Jake Sturm an die Seite gestellt. Jake ist ebenfalls BKA-Mitarbeiter und versteht es seinen Job zu machen ohne Tonya dabei das Gefühl zu geben, überwacht oder gar beschützt zu werden. Zwangsläufig verbringen die Beiden viel Zeit miteinander und es tut gut, über Dinge zu reden, die vor Jahren passiert sind. Durch seine unaufdringliche und charmant-witzige Art schafft Jake es nach und nach, dass Tonya sich ein klein wenig öffnet und sich nicht mehr mit Krallen und Klauen dagegen wehrt, beschützt zu werden. Irgendwann wird ihr klar, dass auch sie die Menschen beschützt, die ihr wichtig sind.

Die Suche nach dem Angreifer gestaltet sich nicht sehr leicht, weil niemand weiß in welchem Umfeld man nach ihm suchen sollte. Hat es etwas mit dem Mord an Dennis zu tun oder ist Tonya jemandem bei ihren Ermittlungen zu sehr auf die Füße gestiegen oder ist es gar der nerdige IT-Arbeitskollege? Der Täter selbst äußert sich nur in 2 Buch-Abschnitten und die Gedanken geben keinerlei Hinweis auf seine Identität oder das Geschlecht. Auch wenn es sich nicht um einen Krimi handelt, so kann man als Leser sehr schön miträtseln und wird von der Autorin einige Male auf die falsche Fährte gelockt.

Ich bin sehr schlecht im „Täter raten“, aber an irgend einem Punkt in der Geschichte hatte ich dann doch die richtige Person im Visier – auch, wenn ich bis zuletzt nicht wirklich daran glauben wollte. Genau so überraschend wie die Enthüllung des Täters ist auch das Motiv.

Auch wenn mich der ein oder andere Bruder mit seiner Fürsorge für Tonya ebenfalls erdrückt hat, so fand ich die Charaktere allesamt sehr schön beschrieben. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen und doch halten sie als Familie oder als Arbeitskollegen zusammen. Durch die bildhaften Beschreibungen kann man sich jede einzelne Person vorstellen und alle handeln durchaus so, wie man im richtigen Leben wahrscheinlich auch handeln würde, wäre man in einer solchen Situation.

Wie auch schon mit ihren Büchern vorher, hat die Autorin es wieder einmal geschafft, mich einzufangen. Sie versteht es, ihre fiktiven Geschichten mit tiefgründigen Themen zu verweben, so dass man sich beim Lesen unweigerlich mit der Thematik beschäftigt. Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt flüssig, voller Emotionen und wenn man einmal in die Geschichte eingetaucht ist, möchte man erst wieder auftauchen, wenn man den letzten Satz gelesen hat. Ich habe in letzter Zeit öfter mal bei einem Buch bemängelt, dass mir in diesen etwas ganz wichtiges gefehlt hat – nämlich die Tatsache, dass Charaktere so angelegt wurden, dass man sich mit ihren identifizieren kann. Das ist Noa C. Walker hier wunderbar gelungen. Jeden einzelnen der Protagonisten konnte ich „fühlen“. Das ist es, was für mich ein gutes Buch ausmacht. Es braucht schon etwas mehr, dass ein Buch mich wirklich fesselt. Dieses hier hat es getan.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Ein dunkler Teil deutscher Geschichte spannend verpackt

Die Vergessenen
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Vera Mändler ist Journalistin und arbeitet für „Amélie“, einer Frauenzeitschrift mit Zielgruppe fünfzig plus. Als ihre Tante mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Vera in Kathrins ...

Vera Mändler ist Journalistin und arbeitet für „Amélie“, einer Frauenzeitschrift mit Zielgruppe fünfzig plus. Als ihre Tante mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Vera in Kathrins Wohnung etwas abholen soll, findet sie diese verwüstet vor. Hier hat definitiv jemand etwas gesucht – kurioserweise finden sich aber keinerlei Einbruchspuren. Auf dem Sofa im Wohnzimmer liegt ein geöffnetes Fotoalbum. Das Bild auf der aufgeschlagenen Seite zeigt eine Gruppe von Krankenschwestern und die Unterschrift unter dem Foto lautet „Adele und ich in Winkelberg“. Dem Zeitpunkt nach, zu dem dieses Foto aufgenommen wurde, kann es sich nur um die „Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg“ gehandelt haben. Selbst Veras Mutter - und somit Kathrins Schwester Annemie - weiß nichts darüber, dass Kathrin in dieser Anstalt gearbeitet haben soll. Was also hat Kathrin mit Winkelberg zu tun? Vera wäre nicht Journalistin, wenn sie diese Ungereimtheit auf sich beruhen lassen würde.

Manolis Lefteris ist Besitzer eines Autohauses, arbeitet ab und an jedoch auch als „Mann für besondere Fälle“ für einen befreundeten Anwalt. Er arbeitet unauffällig, korrekt und stellt nicht viele Fragen. Sein neuester Auftrag scheint einfach zu sein: Er soll jemanden überwachen, der auf der Suche nach einem Dossier ist. Sobald dieser das Dossier gefunden hat, soll Lefteris es ihm entwenden, an den Auftraggeber aushändigen und fertig. Doch so einfach wie es scheint, ist es nicht. Der Mann, den Lefteris überwachen soll, heißt Christian Wiesinger …….. und ist der Neffe von Vera Mändler.

„Die Vergessenen“ ist das 2. Buch der Autorin, welches ich gelesen habe, es war jedoch das 1. Buch, das die Autorin unter ihrem Pseudonym Ellen Sandberg veröffentlicht hat. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich die Krimi-Autorin Inge Löhnig, die unter ihrem Klarnamen Kriminalromane um den Münchner Ermittler Konstantin Dühnfort schreibt.

In diesem Buch, das unter der Bezeichnung „Spannungsroman„ läuft, geht es um die juristische Aufarbeitung bzw. Nicht-Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Gibt es 70 Jahre nach Ausübung dieser Kriegsverbrechen überhaupt noch irgend eine Art von Gerechtigkeit?

Die Handlung in „Die Vergessenen“ spielt auf 2 Zeitebenen. Zum einen befindet sich der Leser im aktuellen Handlungsstrang um Vera und Kathrin Mändler, Christian Wiesinger und Manolis Lefteris im Jahr 2013 und parallel dazu der 2. Strang, der sich zu Zeiten des Nationalsozialismus abspielt und aus dem Leben der Kathrin Mändler erzählt, die 1944 ihren ersten Job nach Beendigung der Ausbildung angetreten hat. Dieser neue Job führt sie in die Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg, in der man für behinderte/kranke Patienten eine ganz besondere Art der „Pflege“ anwendet. Ausgerechnet mit ihrem Vorgesetzten lässt Kathrin sich auf eine Beziehung ein; aber nicht jede Beziehung entsteht aus Liebe, manchmal ist es auch nur die Anziehungskraft zweier Menschen.

Während Manolis Lefteris sich der Frage widmet, was genau an diesem Dossier für seinen Auftraggeber so wichtig sein könnte, möchte Vera Mändler gerne wissen, welche Rolle ihre Tante in Zusammenhang mit diesen Vorkommnissen gespielt hat. Hatte sie eine aktive oder passive Rolle oder wusste sie von nichts? Da Kathrin im Koma liegt, kann sie selbst diese Fragen leider nicht beantworten.

Beide bringen auf ihre Art und Weise die Wahrheit ans Licht und zum Schluss gibt es eine Enthüllung, die wahrscheinlich so niemand erwartet hätte.

Es hat ein wenig gedauert, bis ich in der Handlung des Buches richtig drin war. Zu Beginn werden Fragmente aus dem Leben des Manolis Lefteris thematisiert, die 18 Jahre vor seiner Geburt stattgefunden haben und seinen Vater und dessen Familie in Griechenland betreffen. Zu diesem Zeitpunkt ist das alles noch nicht zu verstehen, der Sinn erschließt sich dem Leser erst in Richtung Ende des Buches. Man versteht dann aber auch Lefteris‘ Vorgehensweise in seinem aktuellen Fall. Also, auch wenn man sich durch die ersten Seiten ein wenig durch“quälen“ muss, lohnt es sich doch, diese Zeilen zu lesen und nicht zu überspringen.

Wie immer interessiert mich die Handlung in der Vergangenheit mehr, als die Gegenwart. Auch wenn die Geschichte der Kathrin Mändler und der sonstigen agierenden Personen fiktiv ist, stützt sie sich doch auf Geschehnisse, die im Nazideutschland tatsächlich passiert sind und einiges an Abscheulichkeit zu bieten haben.

Während des Lesens stellt man sich unweigerlich die Frage: Was hätte ich an Stelle von Kathrin Mändler gemacht? Hätte ich mein Leben riskiert um diese Greueltaten aufzudecken und öffentlich zu machen? Hätte ich mich gegen meinen Vorgesetzten gestellt, um dann auf direktem Wege in einem KZ zu landen? Hätte ich das Unrecht gedeckt und meinen Mund gehalten? Oder hätte ich sogar – zum Selbstschutz – diese abscheulichen Dinge ausgeführt? Vom Sofa aus ist es einfach, hier eine Antwort zu finden und Menschen „aus der Ferne“ zu verurteilen – damals war es sicherlich nicht ganz so einfach eine Entscheidung zu treffen.

Die Autorin hat alle Charaktere realistisch und lebensecht angelegt, so dass sie sich im Laufe der Geschichte entsprechend weiterentwickeln können. Die Geschehnisse zu Zeiten des 2. Weltkriegs sind gut recherchiert und schlüssig, wenn sie auch beim Leser eher ungute Gefühle entstehen lassen und meiner Meinung nach hat das Buch die Bezeichnung „Spannungsroman“ durchaus verdient.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm flüssig und auch wenn das Thema von Spaß weit entfernt ist, hat es mir großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.

Veröffentlicht am 21.05.2019

Nicht immer ist alles so, wie es zu sein scheint

Die Entführung
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Die beiden Freundinnen Leni und Ronja verbringen einen Teil der Sommerferien mit Ronjas Vater in einem Haus am Chiemsee. An ihrem letzten Ferientag möchten die Beiden nochmal mit dem Rad zum See. Ihre ...

Die beiden Freundinnen Leni und Ronja verbringen einen Teil der Sommerferien mit Ronjas Vater in einem Haus am Chiemsee. An ihrem letzten Ferientag möchten die Beiden nochmal mit dem Rad zum See. Ihre übliche Abkürzung durch den Wald wird jedoch von einem Kleinlaster blockiert und beim Versuch diesen Kleinlaster zu umgehen, springen maskierte Männer aus dem Auto und kidnappen die beiden 15jährigen Mädchen. Schnell stellt sich heraus, dass die Erpressung dem millionenschweren Unternehmer Karl Festing gilt, Lenas‘ Vater.

Die Lösegeldforderung beläuft sich auf 3 Millionen DM und wird von einer Person eingefordert, die sich „Der Vollstrecker“ nennt. Die erste Kontaktaufnahme zwischen Festing und dem Entführer entwickelt sich zur Machtprobe, denn Festing möchte zum einen einen Betrag in dieser Höhe nicht zahlen und zum anderen glaubt er, dass der Vollstrecker nach seiner Pfeife zu tanzen hat und nicht anders herum. Nur der Einwirkung eines nahestehenden Mitarbeiters hat Leni es zu verdanken, dass ihr Vater dann doch bereit ist, die volle Summe für sie zu zahlen und die Bedingungen der Entführer zu akzeptieren. Trotzdem verlieren im Zusammenhang mit dieser Entführung mehrere Menschen ihr Leben.

Mit diesem nicht so ganz einfachen Fall (oder aber auch mit den nicht so ganz einfachen Menschen) setzen sich dieses Mal die Kriminalhauptkommissare Eva Schaller und Jakob Schuster auseinander.

Die Handlung im Buch ist in 2 Teile gegliedert.

Die Entführung selbst spielt im Jahr 2000 und aus diesem Grund fordern die Entführer ihr Lösegeld auch noch in DM und nicht in Euro. Am Ende dieses Abschnittes ist eine Person tot, die Entführung ist vorbei, es wurde jemand für diese Tat verurteilt und der Fall ist abgeschlossen. Aber ist er das auch wirklich?

Auch wenn man Traumata irgendwie verarbeiten kann und die Entführung schon 17 Jahre zurück liegt, so wird man als Betroffener wahrscheinlich niemals ganz mit dem Erlebten abschließen können. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass eine plötzlich aufgetauchte Leiche, ein achtlos hingeworfener Satz, eine unbedacht gemachte Aussage in einem Gespräch oder ein Mann, der auf einmal regelmäßig in einem Café auftaucht aber niemals etwas verzehrt, alles in Frage stellt, was vor 17 Jahren passiert ist. Nach und nach kommt die Wahrheit ans Licht – und diese Wahrheit ist eine andere als die im Jahr 2000.

Mit „Die Entführung“ habe ich nunmehr den 4. Krimi aus der Feder von Petra Johann gelesen. Sie gehört zu den wenigen Autorinnen, bei denen ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass das Buch mich begeistern wird. So auch hier wieder.
Die Produktbeschreibung des Verlags sagt: „Petra Johann wird Sie in die Irre führen – bis zur letzten Seite“. Und genau das tut sie. Neben ihrem sehr angenehmen und lockeren Schreibstil verfügt sie über die Fähigkeit, winzige Details in ihren Sätzen unterzubringen, die man als Leser tunlichst nicht überlesen sollte. Manche dieser Details sind wichtig um die Geschichte der einzelnen Personen verstehen zu können, manche Details führen den Leser näher zum Täter, aber einige Details führen einen auch ganz einfach eine Zeit lang in die falsche Richtung.

Wie in jedem Krimi gibt es „die Guten“ und „die Bösen“ und die, die sich später dann als etwas anderes herausstellen, als sie zuerst zu sein scheinen. Die von der Autorin erschaffenen Charaktere mit ihren Hintergrundgeschichten sind lebensecht und man kann sich durchaus mit ihnen identifizieren (wenn auch nicht immer mit ihren Handlungen).

Leni – lebt bei ihrem wohlhabenden Vater, der sich mehr um seine Geschäfte kümmert als um seine Tochter. Sie ist eher zurückhaltend und unsicher, im Falle der Entführung entwickelt sie jedoch ihre ganz eigene Stärke.

Ronja – lebt auch bei ihrem Vater, der sich als Journalist seinen Lebensunterhalt verdient. Sie ist selbstbewusst, zielstrebig und an einigen Stellen zu forsch in ihrem Auftreten.

Karl Festing – Vater von Leni, ehemaliger Boxer, millionenschwerer Unternehmer und im ersten Anlauf nicht bereit das Lösegeld für seine Tochter zu zahlen. Was für ein Vater !?

Corinna Festing – Mutter von Leni und liebt wahrscheinlich nur sich selbst

Stefan und Birgit Aurich – Eltern von Ronja, getrennt lebend, lieben ihre Tochter über alles und würden alles tun, damit ihrer Ronja nichts passiert.

Gloria Bauer und Nathan Müller: Haushälterin und Buchhalter von Karl Festing und die engsten Bezugspersonen von Leni

Weiterhin noch ein paar Mitarbeiter von Karl Festing, die mehr oder weniger oft durch die Szenen laufen.

Auch die beiden Kriminalbeamten Eva Schaller und Jakob Schuster bringen ihre eigenen Geschichten/Schicksale mit und die Beziehung zwischen den Beiden wird thematisiert, während sie sich mit den mehr oder weniger anstrengenden Angehörigen der Entführungsopfer auseinandersetzen müssen. Während Jakob mir von Anfang an sympathisch ist, braucht Eva da ein bisschen länger um mich zu überzeugen. Letzten Endes schafft aber auch sie es, dass ich sie mag. Die Beiden machen einen guten Job und sind auch bei der Aufklärung 17 Jahre nach der Entführung aktiv bei der Aufklärung dabei.

Das Buch ist von Anfang bis Ende unterhaltsam. Die Aufklärung des Falles kommt ganz anders als gedacht daher und das macht die Geschichte so spannend. Immer wieder hat man jemand anderen als Täter im Visier und ist dann in der Regel doch auf der falschen Fährte.

Petra Johann zeigt, dass man auch ohne großes Blutvergießen einen spannenden Kriminalroman schreiben kann.

Veröffentlicht am 09.05.2019

Das entbehrungsreiche Leben auf der Alb

Die Fotografin - Die Zeit der Entscheidung
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Laichingen 1911: Mimi Reventlow lebt auf der Schwäbischen Alb, im kleinen Weberdorf Laichingen, wo sie auf ihrem Weg als Wanderfotografin Station bei ihrem Onkel gemacht hat, der an Tuberkulose erkrankt ...

Laichingen 1911: Mimi Reventlow lebt auf der Schwäbischen Alb, im kleinen Weberdorf Laichingen, wo sie auf ihrem Weg als Wanderfotografin Station bei ihrem Onkel gemacht hat, der an Tuberkulose erkrankt ist. Seine Erkrankung schreitet unaufhörlich voran, so dass Mimi nun auch noch in die Pflege eingebunden ist, statt nur – wie bisher – den Haushalt am Laufen zu halten. Um den Lebensunterhalt für sich und ihren Onkel zu bestreiten, hat sie Josefs Fotoatelier wieder eröffnet, die Kundschaft bleibt jedoch weitestgehend aus. Zum einen liegt das daran, dass nicht viel Geld für „Schnickschnack“ übrig ist, zum anderen sind die Tage der Laichinger voll mit Arbeit und es bleibt keine Zeit für einen Besuch beim Fotografen. Mimi begegnet diesem Umstand damit, dass sie ihr Atelier auch am Sonntag öffnet – das bringt ihr tatsächlich mehr Kunden und somit mehr Einnahmen, ruft aber auch den Webereibesitzer Gehringer auf den Plan, dem Mimi durch ihre offene Art sowieso von Anfang an ein Dorn im Auge ist. Lässt Mimi sich von Gehringer einschüchtern?

Der 2. Teil „Die Zeit der Entscheidung“ der Fotografinnen-Saga schließt unmittelbar an Band 1 „Am Anfang des Weges“ an und somit verpasst man keinen Moment im Leben der Fotografin Mimi Reventlow.
Die handelnden Personen sind identisch mit den Charakteren, die die Autorin in Band 1 dem Leser liebevoll und realistisch nahegebracht hat, weswegen es sich empfiehlt, die Bücher in Reihenfolge zu lesen.

Mimi fasst langsam Fuß in Laichingen. Durch ihre Arbeit als Fotografin, aber auch durch ihre offene und unkomplizierte Art, öffnen sich ihr nach und nach die Menschen und es entwickeln sich Bekanntschaften, die durchaus das Potential haben, zu Freundschaften zu werden. Vor allem bei der Dorfjugend steht Mimi hoch im Kurs, bestärkt sie diese doch darin, ihren Träumen zu folgen und die eingefahrenen Traditionen zu durchbrechen. Um ihre Ziele zu erreichen, schmieden Alexander, Anton und auch Christel Pläne – ob sie jedoch auch zum Erfolg führen ..... ??

Pünktlich zum Pfingstmarkt kehrt Johann Merkle nach Laichingen zurück. Eigentlich wollte er nie mehr wieder in seinen Heimatort zurückkehren, tut es aber dennoch und arbeitet in der Weberei Gehringer. Als Gewerkschafter möchte er natürlich gegen die dort herrschenden, unzumutbaren Arbeitsbedingungen angehen, es wird aber wahrscheinlich noch eine Zeit lang dauern, bis sich die Weber gegen ihren Arbeitgeber auflehnen.

Mimi hatte Johann in Ulm als „Hannes“ kennengelernt und sie hegt ihm gegenüber mehr als freundschaftliche Gefühle, er lässt sie jedoch so ein klein wenig am ausgestreckten Arm verhungern. Gibt es da noch eine andere Frau in seinem Leben?

An Eveline und ihrem Mann Klaus beschreibt Petra Durst-Benning sehr eindrucksvoll das tägliche Leben der Familien in Laichingen. Klaus arbeitet 10 Stunden und mehr am Tag in der Weberei, Eveline kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, den Acker, der mehr als 1 Stunde Fußmarsch von Laichingen entfernt ist, und abends stickt sie für Gehringer Motive auf Kissenbezüge, trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Das Leben ist hart, mühsam und entbehrungsreich und es wundert nicht, dass Klaus immer schwermütiger wird.

Um Mimi unter Kontrolle zu haben, lässt Gehringer sich einiges einfallen. In einer Sache hat sie nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, das bedeutet aber nicht, dass sie sie sich einreiht in die Schlange derer, die vor Gehringer aus Angst um ihren Arbeitsplatz kuschen. Mimi ist eben Mimi.

Der Schreibstil der Autorin ist, wie gewohnt, angenehm und flüssig. Neben den Beschreibungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf der Alb, bekommt man auch einen kleinen Einblick in die Arbeit der Fotografen und die damals schon vorhandene Möglichkeit der Retusche. Die Charaktere sind alle sehr gut ausgearbeitet, handeln entsprechend der Zeit, in der der Roman angesiedelt ist und entwickeln sich (mehr oder weniger) weiter. Dass auch Erwachsene nicht immer alles richtig machen, verleiht der ganzen Geschichte in meinen Augen etwas ehrliches.

Das Ende dieses Buches ist anders als erwartet, ist aber zur Weiterentwicklung der Protagonisten wahrscheinlich die einzige Möglichkeit und nun bleibt es nur noch, die Zeit bis zum 3. Band der Reihe „Die Fotografin“ zu überbrücken, der im Frühjahr 2020 erscheint.