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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.07.2019

Ein Jahreshighlight!

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
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Der Riss trennte die Welt auf und zerbrach die Länder in Archen, die fortan schwebend am Himmel stehen. Ophelia lebt auf der Arche Anima ein ruhiges und beschaubares Leben. In ihrem Museum für Ur- und ...

Der Riss trennte die Welt auf und zerbrach die Länder in Archen, die fortan schwebend am Himmel stehen. Ophelia lebt auf der Arche Anima ein ruhiges und beschaubares Leben. In ihrem Museum für Ur- und Frühgeschichte fühlt sie sich am wohlsten und mit der Gabe der Leserin kann sie Gegenstände bis zu ihren Anfängen verfolgen, getragen durch die Emotionen und Erinnerungen derjenigen, die den Gegenstand in der Vergangenheit in Händen hielten. Doch dieses Leben endet schlagartig, als sie gezwungen wird, eine arrangierte Ehe mit einem Mann namens Thorn von der weit entfernten Arche Pol einzugehen. Am Pol erwarten sie Intrigen, Verrat und Gefahren und Ophelia gerät mitten hinein in dieses Schlangennest.

Ich hatte bereits wahre Begeisterungsstürme über dieses Buch durch die verschiedenen Lesepattformen fegen sehen. Oftmals wurde ich von solch gehypten Büchern enttäuscht, doch Cover und Klappentext machten mich schlussendlich so neugierig, dass ich pünktlich zum Erscheinen des zweiten Bandes „Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast“ diesen ersten Band einfach lesen musste.
Und wie meine Bewertung schon verrät: Ich habe mich von der Begeisterung anstecken lassen und wurde in keiner Weise enttäuscht. Ganz im Gegenteil, denn „Die Verlobten des Winters“ ist definitiv ein Jahreshighlight für mich.
Das liegt natürlich auch zu einem großen Teil an den Charakteren.
Ophelia ist eine ganz wunderbare Protagonistin, die so sehr heraussticht unter all diesen besonderen, wunderschönen und perfekten Protagonistinnen des Jugendbuch-Genres. Sie ist erfrischend anders, sehr interessant und es fiel mir leicht, mich mit ihr zu identifizieren.
Auch Thorn hat mir gut gefallen, war er doch ein Charakter, den ich sehr schwer einschätzen konnte und der mich dadurch immer wieder überrascht hat. Gerade wenn ich das Gefühl hatte, ihn besser verstanden zu haben, agierte er in einer Art und Weise, die ich nicht habe kommen sehen.
Auch die Bewohner des Mondscheinpalastes, in dem große Teile der Handlung spielen, sind interessant trotz ihrer Grausamkeit. Das enge Geflecht der Intrigen lässt den Leser hinter jeder umgeblätterten Seite neue Abgründe erkunden und Handlungen in Frage stellen.
Das Magiesystem fand ich sehr innovativ und interessant, denn jede Familie hat eine andere Begabung. Während Ophelia mit ihren Händen die Geschichte von Gegenständen lesen kann, so kann ihre Tante Papier restaurieren. Und auch in Throns Familie gibt es viele unterschiedliche Begabungen. Ich hätte mir noch ein wenig mehr Erklärungen zu diesen Begabungen gewünscht, doch da es sich bei „Die Spiegelreisende“ um eine Trilogie handelt, werden in den weiteren Bänden hoffentlich noch mehr Antworten auf meine Fragen geliefert.
Die Handlungsorte waren ebenso wie die Begabungen sehr verschieden und faszinierten mich immer wieder aufs Neue. Vor allem der Mondscheinpalast ist wirklich spannend dargestellt und ich hatte wahre Freude beim gemeinsamen Entdecken des Ortes mit Ophelia.
Der Ideenreichtum und die Fantasie der Autorin sind auf jeder Seite spürbar und bieten so viel innovatives Potential, das authentisch umgesetzt worden ist. Mir hat ein solches Buch wirklich sehr auf dem Jugendbuchmarkt gefehlt und ich bin sehr froh, dass die Bände ins Deutsche übersetzt wurden und werden.
Die Vergleiche, die zu Harry Potter gezogen werden (vor allem auf Goodreads) kann ich nicht nachvollziehen. Das Zitat der New York Times („Christelle Dabos’ Bestseller-Debüt beschwört sowohl den Humor als auch den bestechenden Gerechtigkeitssinn von Harry Potter.“) mag viel zu diesem Vergleich beigetragen haben und etliche falsche Vorstellungen geweckt haben. Ich finde es schade, dieses Buch mit Harry Potter zu vergleichen, ist es doch eine ganz andere Art der Geschichte. Auch wenn sich die New York Times viel mehr auf die Art wie die Charaktere handeln bezieht, so weckt natürlich die Erwähnung von Harry Potter Gefühle und Erinnerungen, die „Die Verlobten des Winters“ nicht erfüllen kann – für mich könnte dies kein Buch. Von daher rate ich sehr davon ab, dieses Buch zu lesen, wenn man eine ähnliche Geschichte sucht wie Harry Potter. Es ist eine wunderbare Geschichte, die ihren ganz eigenen Zauber hat und ohne diese Erwartungshaltung gelesen werden sollte.
Schlussendlich kann ich mich dem Begeisterungssturm nur anschließen und das Buch aus tiefstem Herzen empfehlen.
Ich stürze mich nun sofort kopfüber in den zweiten Teil und bin gespannt, wie es mit den Charakteren weitergeht und welche Überraschungen die Autorin im zweiten Band bereithält!

Veröffentlicht am 10.07.2019

Pan's Labyrinth in den Worten von Cornelia Funke. Düster, grausam, mit einem wunderbaren Schreibstil

Das Labyrinth des Fauns
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In einer alten Mühle in einem Wald in Spanien 1944 wütet der Hauptmann Vidal grausam und bekämpft die im Wald Schutz suchenden Partisanen. Mitten in dieses Geschehen hinein gerät die junge Ofelia, denn ...

In einer alten Mühle in einem Wald in Spanien 1944 wütet der Hauptmann Vidal grausam und bekämpft die im Wald Schutz suchenden Partisanen. Mitten in dieses Geschehen hinein gerät die junge Ofelia, denn ihre hochschwangere Mutter heiratete nach dem Tod ihres Vaters erneut. Ausgerechnet den Hauptmann Vidal, der die Geburt seines Kindes miterleben und kontrollieren möchte. Während Ofelias altes Leben Stück um Stück wegbricht, eröffnet sich ihr eine vollkommen andere Welt. Denn neben der Mühle ist ein altes Labyrinth und in diesem wartet der Faun auf Ofelia.

Ich kenne den Film „Pan’s Labyrinth“ bisher nicht, werde ihn mir aber nach diesem Buch definitiv ansehen. Doch ich verfolge Cornelia Funke sehr aktiv und erfuhr daher schon früh von der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Guillermo del Toro. Dementsprechend bewusst war mir vor Beginn des Buches auch, dass es sich um eine Erzählung des Films handeln würde und nicht um ein eigenständiges, neues Werk rein aus der Feder der Autorin. Bewerten kann ich in dieser Rezension nur die Geschichte und den Schreibstil, nicht aber die Geschichte in Verbindung zum Film. Ich las mir zumindest den Artikel auf Wikipedia zu dem Film durch und kann durch Rückmeldungen in einer Leserunde auf Lovelybooks nur weitergeben, dass das Buch sehr nah am Film ist, jedoch ein paar zusätzliche Informationen zu einzelnen Szenen und Objekten vermittelt.
Da durch den bereits existierenden Film viele Rahmenbedingungen gegeben waren, war ich sehr gespannt auf die Umsetzung in verschriftlichter Form. Ich stelle es mir durchaus sehr schwer vor, Charaktere, die von einer anderen Person ins Leben gerufen wurden, authentisch und treffend darzustellen. In meinen Augen ist dies Cornelia Funke durchaus sehr gut gelungen. Ofelia ist eine wirklich interessante und sehr abwechslungsreiche Protagonistin. Ich hätte mir nur ein wenig mehr Charaktertiefe und –Entwicklung gewünscht, da ich von Cornelia Funke deutlich bessere Darstellungen gewohnt bin. Dass es in diesem Buch nun nicht auf dem Niveau passiert wie in ihren anderen Büchern, liegt für mich in dem engen Spielraum begründet, der ihr zur Verfügung stand.
Auch die weiteren Charaktere sind sehr spannend und vor allem der Hauptmann Vidal ist so bildgewaltig und düster beschrieben, dass ich sein Abbild wirklich greifbar vor Augen hatte. So furchtbar der Charakter auch ist, die Darstellung von diesem ist Cornelia Funke unheimlich gut gelungen.
Was das Buch für mich zu etwas ganz besonderem machte, war der Schreibstil. Cornelia Funke schaffte es, mir eine Gänsehaut beim Lesen über den Rücken laufen zu lassen, die Augen vor der unterschwelligen Grausamkeit zu verschließen und vor Aufregung um das weitere Geschehen schlaflose Stunden zu bereiten. Der Schreibstil ist so beschreibend und detailreich, dass mir Szenen genau vor meinem inneren Auge gezeigt wurden. Der Schrecken war so greifbar durch die bildgewaltige Sprache und so grausam durch die Kühle. Dann jedoch war er wieder sehr mystisch und lockte mit neuen Abenteuern. Schon die ersten paar Sätze zogen mich vollkommen in ihren Bann. Dieses sehr hohe Niveau hielt an bis zum letzten Satz und ich kann es nun wahrlich nicht mehr erwarten, bis im Oktober mit „Palast aus Glas“ ein neues Werk aus Cornelia Funkes Feder erscheint.
Nach Beenden des Buches muss ich mich vielen anderen Rezensionen anschließen. Die Zuordnung zum Jugendbuch-Genre vom Verlag sehe ich als falsch an. Auch das Cover – so schön es sein mag – verspricht in meinen Augen eine andere Art von Geschichte. Das Buch ist grausam und brutal, Menschen sterben, werden gefoltert und getötet. Das mag ein jeder anders wegstecken, doch würde mir eine Zuordnung ins Fantasy-Genre oder zu den Romanen (mit fantastischen Elementen) deutlich besser gefallen. Eine Auswirkung auf meine Bewertung der Geschichte wird dieser Aspekt nicht haben, ich möchte ihn jedoch auch nicht unerwähnt lassen.
Alles in allem hat mir die Geschichte sehr gut gefallen, was vor allem an dem wunderbaren Schreibstil der Autorin lag. Den Film werde ich mir nun auf jeden Fall in Kürze einmal ansehen!

Veröffentlicht am 24.06.2019

Kann ich von ganzem Herzen empfehlen!

Ceviche. Das Kochbuch
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Ceviche begeisterte mich vor Jahren schon in einem Urlaub in den USA. Dort wird vor allem die mexikanische Variante/Interpretation zubereitet und ich erfuhr erst durch ein Gespräch mit einer Freundin, ...

Ceviche begeisterte mich vor Jahren schon in einem Urlaub in den USA. Dort wird vor allem die mexikanische Variante/Interpretation zubereitet und ich erfuhr erst durch ein Gespräch mit einer Freundin, die ein Auslandsjahr in Peru absolvierte, von dem peruanischen Nationalgericht. Immer schon hatte ich mir vorgenommen, mich mit Ceviche mehr auseinanderzusetzen. Ich war also begeistert, als ich von diesem Buch erfuhr und konnte es kaum erwarten, dass es seinen Weg zu mir findet.
Die Einführung des Autors gefiel mir sehr gut. Es werden nicht all zu viele Worte verloren und doch alles gesagt und so bekommt der Leser/Koch einen tollen Einstieg in das Thema Ceviche. Nach einem kurzen Exkurs über die Aji-Pfefferschote – einer Zutat, die in fast allen folgenden Gerichten enthalten ist – begann auch schon der Rezeptteil dieses Kochbuches.
Die Rezepte sind in Kategorien geordnet, welche mich durchaus überraschen konnten. So lassen sich neben den traditionellen Gerichten Kreationen und andere Interpretationen wie zum Beispiel „Nikkei“ finden, einer Fusionsküche aus japanischen und peruanischen Stilen. Doch auch vegetarische Gerichte und sogar Desserts finden in diesem Buch einen Platz. Im hinteren Teil des Buches fasst der Autor weitere Rezepte zusammen, die als Grundlage oder Beilage für einzelne Gerichte dienen. Als zusätzliche Dreingabe findet am Ende noch ein Kapitel über Pisco Sour seinen Platz, dem Cocktail, der seinen Ursprung in Peru hat und als Nationalgetränk gehandelt wird.
Im Glossar werden kurz und knapp vor allem die in Deutschland eher unbekannteren Zutaten erklärt, wie zum Beispiel der mir bis dato unbekannte Mais Chulpi. Wichtige Tipps zum Einkauf einiger exotischer Zutaten lassen sich auf den letzten Seiten auch noch finden und die erste Bestellung von Ajischoten werde ich noch diese Woche aufgeben, nachdem ich sie bisher leider nicht in einem Supermarkt/Markt/Geschäft gefunden habe. Auch eine kurze Anweisung für das Putzen und Filettieren von Fischen hat der Autor mit aufgenommen. Anhand von Bildern werden die einzelnen Schritte gut erklärt.
Ich markierte mich schon nach dem ersten Durchblättern sehr viele Rezepte, die ich unbedingt ausprobieren wollte.
Da es mir wie bereits erwähnt nicht gelungen war, Ajischoten zu besorgen, griff ich auf Habaneros zurück, die in den Zutatenlisten als Alternative erwähnt wurden.
Als erstes Rezept testete ich die „Ceviche de Nauta“, denn auf dieses Rezept war ich mehr als gespannt. Da ich sowieso viel mit Koriander, Limette, Chili & Co. arbeite, waren die meisten Zutaten der Listen schon vorrätig. Die Tigermilch, Basis für die meisten Rezepte, war unglaublich einfach herzustellen, denn alle Zutaten werden einfach nur fix püriert. Die Rezepte bedürfen also einer kleinen Vorbereitung, doch diese Vorbereitung kostete mich gerade mal fünf Minuten meines Vormittags. Für das eigentliche Zubereiten der „Ceviche de Nauta“ musste dann nur viel geschnippelt werden – wie immer eigentlich in der Küche. Ich setzte die Ceviche meiner Familie beim gemeinsamen Essen als Vorspeise vor und alle waren schlichtweg begeistert. Es schmeckte fantastisch, das Zusammenspiel aus Säure, Lachs und der Süße der Mango war unglaublich.
Auch das traditionelle Gericht „Ceviche de Pescadores“ schmeckte toll und brillierte in seiner Einfachheit. Die Zutatenliste besteht in diesem Fall nur aus Fisch, Salz, Chili und Limette. Doch so sehr ich simple Gerichte schätze, bei Ceviche haben es mir doch auch die Kreationen und Interpretationen angetan!
Als drittes Rezept probierte ich „Tataki de Atún“ aus. Tataki ist eine japanische Zubereitungsform, die ich sehr schätze. Hierfür holte ich mir jedoch Unterstützung in Form meines Bruder, einem gelernten Koch der gehobenen Gastronomie, der mir die Zubereitung zeigte. Jetzt weiß ich jedoch: Das hätte ich auch ohne ihn geschafft, die Anweisungen sind sehr klar und deutlich formuliert und viel falsch machen kann man kaum.
Ich brannte so auf die Rezepte mit Fisch, da ich Ceviche immer noch klar mit diesem in Verbindung bringe, weshalb ich keine vegetarische Option oder Dessert nachkochte. Dies werde ich aber auf jeden Fall nachholen, denn die Säure der Limetten und die eher leichten Zutaten passen perfekt zum Sommer.

Veröffentlicht am 02.05.2019

Ergreifend, grandios und wunderschön geschrieben

Der Wal und das Ende der Welt
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In St. Piran, diesem abgelegenen kleinen Dorf in Cornwall, passiert eigentlich nie viel aufregendes. Doch dann liegt morgens am Strand ein unbekleideter Mann, den das Meer wieder ausgespuckt hat. Der gerettete ...

In St. Piran, diesem abgelegenen kleinen Dorf in Cornwall, passiert eigentlich nie viel aufregendes. Doch dann liegt morgens am Strand ein unbekleideter Mann, den das Meer wieder ausgespuckt hat. Der gerettete Mann Joe Haak, der für eine Bank in London als Analyst tätig ist, findet sich plötzlich wieder in der Gemeinschaft der Dorfbewohner. Als wäre dies nicht schon Aufregung genug für den kleinen Ort, strandet dann auch noch ein Wal an eben jenem Strand und das Dorf eilt zusammen mit Joe zur Hilfe herbei.
Doch Joe weiß, dass dies nicht die letzten nervenaufreibenden Nachrichten sein werden, denn er sieht die Zusammenhänge und weiß, dass allen das schlimmste erst noch bevorsteht.

Schon als ich die Verlagsvorschau durchstöberte und dabei vollkommen zufällig auf „Der Wal und das Ende der Welt“ stieß, hatte ich das Gefühl, dass es sich bei dem Roman um etwas wirklich außergewöhnliches handeln würde. Mit viel freudiger Erwartung begann ich das Buch und wurde direkt hinein gesogen in das kleine Dorf St. Piran und die Geschichten rund um seine Bewohner.
Auch wenn Joe Haak als Protagonist durchgehen könnte, so ist eigentlich das gesamte Dorf eher als solcher anzusehen. St. Piran ist der Protagonist, Joe Haak nur ein sehr präsenter Hauptcharakter, abgelöst durch immer wieder auftretende Charaktere des Dorfes.
Ich habe mich den Bewohnern sehr verbunden gefühlt, viele in mein Herz geschlossen und wirklich alle vor meinen geschlossenen Augen als geistiges Bild hervorrufen können. Ich schätze es in Büchern ungemein, wenn viel Zeit und Beschreibungen in die Nebencharaktere fließen. John Ironmonger ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat jedem Charakter eine ganz eigene Note verliehen. So lebendige Charaktere sind mir schon lange nicht mehr untergekommen.
Das wirklich Herausragende an dem Buch ist der wunderbare Schreibstil. Seit langem schon habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mir stilistisch so gut gefallen hat.
Der Erzählton ist trotz des ernsten Themas eher ruhig, nicht gemächlich, mehr bedacht. Dieser Ton erzeugte eine wirklich einmalige Stimmung. Ich spürte die Verzweiflung und Angst immer im Hintergrund mitschwingen, doch wurde die Geschichte viel mehr geprägt durch Optimismus und ein wahnsinnig bestechendes Gemeinschaftsgefühl.
Das Thema ist wirklich brandaktuell und wirft die wirklich großen Fragen auf. Mit einem philosophischen Anklang geht es immer wieder um die Verhaltensweise des Individuums und der Gemeinschaft in Krisensituationen. Wo andere dystopische Bücher ein gewaltsames Bild eines egoistischen Einzelkämpfers zeichnen, wird hier mehr und mehr auf die Wesenszüge eingegangen, die uns Menschen einzigartig machen und eine Gemeinschaft bereichern. Immer wieder auch ertappte ich mich beim abschweifenden Nachdenken darüber, wie ich mich wohl in einer Situation wie dieser verhalten würde.
„Der Wal und das Ende der Welt“ ist eine hell leuchtende Erscheinung mitten in dem düsteren Wald der grausamen Dystopien. In meinen Augen handelt es sich jedoch nicht um eine „richtige“ Dystopie, nein, es ist ein wunderbarer Roman, der an ein paar Stellen dystopische Züge aufweist.
Auch wenn ich das Buch als eher ruhig und bedacht betitelt habe, so hat es durchaus auch grausame Züge. Der Verfall und Zerfall einer Gesellschaft ist immer grausam, die Fragen, denen man sich in Krisenzeiten gegenüberstehen sieht, sind keine, die man mit Freude und Schnelligkeit beantworten kann. Dennoch ist John Ironmonger der Balanceakt hier sehr gut gelungen.
Das gezeichnete Krisenbild fand ich sehr gelungen, nachvollziehbar und erstaunlich authentisch. Ein sehr realer Ausblick darauf, wie schnell eine Zivilisation in dem Geflecht der fein gesponnenen Netzwerke doch abhängig ist von anderen und wie schnell ein Zerfall vonstatten gehen könnte.
Am Rande möchte ich nur kurz noch erwähnen, wie unglaublich schön ich die Beschreibungen des Wals fand. John Ironmongers Vorwissen durch sein Studium der Zoologie klang in jedem Wort mit und ich konnte mich genau in diesen Worten absolut verlieren.
Ich habe wahnsinnig viel aus der Lektüre mitnehmen können und kann dieses Buch wirklich mit sehr gutem Gewissen und Freude weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Berührend und ergreifend

Was mir von dir bleibt
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Für Griffin war Theo immer mehr als nur sein bester Freund und irgendwann auch fester Freund. Als Theo aber nach Kalifornien zieht, um dort aufs College zu gehen, beschließt Griffin, mit ihm Schluss zu ...

Für Griffin war Theo immer mehr als nur sein bester Freund und irgendwann auch fester Freund. Als Theo aber nach Kalifornien zieht, um dort aufs College zu gehen, beschließt Griffin, mit ihm Schluss zu machen, um ihm nicht im Weg zu stehen. Doch sie bleiben auch weiterhin Theo und Griff, auch wenn mehrere tausend Kilometer zwischen ihnen liegen und Theo nun in Jackson einen neuen Partner gefunden hat. Doch dann kommt Theo ums Leben und für Griffin stürzt eine Welt zusammen.

Von Adam Silvera habe ich vor „Was mir von dir bleibt“ bisher kein Buch gelesen, doch schon wahnsinnig viel über den Autor erfahren. Vor allem im englischsprachigen Bücher-Bereich tauchte der Name immer wieder auf und ich las mehrere Rezensionen, die vor Begeisterung nur so überquollen. Ich war dementsprechend sehr gespannt auf mein erstes Buch dieses Autors und wollte unbedingt erfahren, ob er mit seinen Geschichten auch mich so begeistern könnte.
Griffin gefiel mir wahnsinnig gut als Protagonist. Dadurch, dass das Buch in der Ich-Perspektive geschrieben ist, fällt es noch leichter, sich in Griffin hineinzuversetzen.
Das Buch besteht dabei in großen Teilen aus inneren Monologen, die den Schmerz, den Griffin fühlt, wirklich sehr gekonnt dargestellt hat. Auch Griffins Ticks, die mehr eine Zwangsstörung sind, hat der Autor wirklich mit viel Feingefühl aufgenommen.
Die Verknüpfung von wichtigen Themen im Buch-Bereich, wie Homosexualität, Verlust, Trauerbewältigung und mental health Themen ist hier rundum gelungen.
Auch die weiteren Charaktere konnten mich berühren. Mit viel Verständnis, Gefühl und Verbundenheit agierten diese miteinander, ohne dass es je küntlich oder konstruiert schien. Der Autor schuf authentische Personen, die alle über eine gewisse Tiefe verfügten und niemals flach oder austauschbar wirkten.
Immer wieder konnte mich der Autor mit kurzen Sätzen, ganzen Passagen oder einzelnen Dialogen tief ins Herz treffen. Alleine der Originaltitel „History is all you left me“ lässt mich nun mit einer Mischung aus Trauer und Freude zurück, denn Geschichten eines Lebens sind wirklich das, was von einem geliebten Menschen übrig bleiben. Und vor allem für Griffin gibt es viele Geschichten und Erinnerungen, die ihm von Theo bleiben.
Der Schreibstil ist teilweise sehr der jungen Zielgruppe angepasst, dabei aber nie überzogen oder zu überkandidelt. Er passt zu den Figuren und wirkte sehr authentisch. Auf der anderen Seite wiederum ist er auch wieder sehr poetisch und einfach schön, so dass man sich alleine seinetwegen in dem Buch verlieren konnte.
Erzählt wird die Geschichte mit zwei Strängen. Der eine erzählt die Dinge der Gegenwart, im anderen berichtet Griffin über seine Vergangenheit mit Theo, ihren Erlebnissen und ihrer Liebesgeschichte.
Über jedem Kapitel steht immer, ob es sich nun über die Vergangenheit oder Gegenwart handelt, zusätzlich versehen mit einem Datum. Außerdem wird im Buch selber auch wieder das Cover aufgegriffen, so steht neben der Vergangenheit immer die abnehmende Mondsichel, neben der Gegenwart immer die Sonne. Ein kleines Detail der Gestaltung, was mir unheimlich gut gefiel.
Mit „Was mir von dir bleibt“ hat Adam Silvera ein Buch geschaffen, das mich wahnsinnig berühren konnte und das ich auf jeden Fall irgendwann einmal ein zweites Mal lesen werde. Den Autor werde ich von nun an viel intensiver verfolgen und hoffe, dass er mit seinen wertvollen Büchern auch im deutschsprachigen Raum noch mehr Leser erreichen kann.