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WinfriedStanzick

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.07.2019

Deshalb ist das Buch nicht nur für betroffene Menschen und ihre Angehörigen zu empfehlen, sondern auch für alle, die in irgendeiner Weise an der Erziehung von Kindern beteiligt sind.

Ein Narzisst packt aus
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Leonard Anders, Ein Narzisst packt aus. Ehrlichkeit gegenüber dem inneren Kind und gesellschaftliche Anerkennung, Tectum Verlag 2019, ISBN 978-8288-4043-0

Das vorliegende Buch ist eine wie ich finde gelungene ...

Leonard Anders, Ein Narzisst packt aus. Ehrlichkeit gegenüber dem inneren Kind und gesellschaftliche Anerkennung, Tectum Verlag 2019, ISBN 978-8288-4043-0

Das vorliegende Buch ist eine wie ich finde gelungene Mischung aus biografischen Notizen, eigenen Therapieerfahrungen, wissenschaftlichen Erläuterungen und zahlreichen Interviews mit Experten (unter anderen Hans-Joachim Maaz). Dem seit seiner Jugend unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidende Leonard Anders gelingt es in einer wahren Fleißarbeit dem Leser und wohl auch vielen anderen von der Störung betroffenen Menschen nicht nur einen überzeugenden und grundlegenden Einblick in das Phänomen zu geben, sondern durch die Beschreibung seiner ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse vermittelt er dem nicht betroffenen, sondern nur am Thema interessierten Leser einen bewegenden und betroffen machenden Einblick in die Innenwelt eines unter narzisstischer Persönlichkeitsstörung leiden Menschen.

Einer der von Leonard Anders in dem Buch interviewten Fachleute, Dr. med. Bodo Karsten Unkelbach schreibt zu diesem Buch:
„Die in diesem Buch vorliegende Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist ein Aufruf an die Gesellschaft, sich kritisch zu hinterfragen. Es verdeutlicht, wie unendlich wertvoll ungeteilte Aufmerksamkeit, Respekt, Einfühlungsvermögen, Wahr- und Ernstgenommenwerden, Ermutigung, Anerkennung und eine wertschätzenden Auseinandersetzung für Kinder sind.“

Deshalb ist das Buch nicht nur für betroffene Menschen und ihre Angehörigen zu empfehlen, sondern auch für alle, die in irgendeiner Weise an der Erziehung von Kindern beteiligt sind.



Veröffentlicht am 14.06.2019

Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein erzählerisches Gesamtkunstwerk

Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer
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Jose Eduardo Agualusa, Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer, C.H. Beck 2019, ISBN 978-3-406-73374-1
Nachdem sein Roman „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“, nominiert für den International Man ...

Jose Eduardo Agualusa, Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer, C.H. Beck 2019, ISBN 978-3-406-73374-1
Nachdem sein Roman „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“, nominiert für den International Man Booker Price, im Jahr 2017 bei C.H. Beck erschienen ist, präsentiert der Münchner Traditionsverlag nun das neue Buch des angolanischen Autors Jose Eduardo Agualusa. Seit vielen Jahren schon gilt er nicht nur als ein wichtiger portugiesischsprachiger Schriftsteller, sondern wird auch als einer der wichtigsten zeitgenössischen literarischen Stimmen Afrikas geschätzt und geachtet.

Schon im allerersten Satz des aus vielen unterschiedlichen, vom Autor schließlich hervorragend zusammengeführter Erzählsträngen bestehenden Romans wird das Hauptthema formuliert, das Träumen: "Ich wachte früh auf. Durch das schmale Fenster sah ich längliche, schwarze Vögel ziehen. Ich hatte von ihnen geträumt. Als wären sie nun aus dem Traum in den Himmel geflohen, ein feuchtes Blatt Seidenpapier, dunkelblau und mit bitteren, stockigen Rändern."

Der da träumt und immer wieder als Ich-Erzähler die Geschichte weitertreibt, ist der geschiedene Journalist Daniel Benchimol, der schon im Vorgängerroman auftauchte. Er träumt immer wieder von Menschen, die er erst in der Zukunft kennenlernen wird.

Als er wieder einmal sich im Strandhotel seines alten Bekannten Hossi aufhält, findet Daniel eine Kamera im Meer. Ihre unzerstörten Bilder zeigen eine Frau, die ihm schon in seinen Träumen erschienen ist und die er als Moira, eine in Kapstadt lebende Künstlerin identifiziert.
Auch Moira träumt intensiv und lässt ihre Werke von ihren Träumen inspirieren. So wie Daniel ihre Bilder beschreibt, ist bald klar, dass die beiden sich begegnen werden:

"Ich war von den Fotografien besessen. Ich ließ sie ausdrucken, schaute sie mir vor dem Einschlafen an. Und gleich nach dem Aufwachen wieder. Verbrachte viele verlorene Augenblicke damit, diese nackte Frau anzuschauen, so entrückt, so schön. Ich strich mit den Fingern über ihre kleinen Brüste, ihre langen Beine. Und wenn ich einschlief, traf ich sie in meinen Träumen wieder, nur zog sie nun in der Ferne vorbei, nicht wie ein Mensch, sondern wie eine Landschaft. Nur die schlafwandelnden Vögel redeten mit mir."

Hossi hingegen, ehemaliger UNITA-Kämpfer, leidet darunter, dass er gegen seinen Willen anderen Menschen im Traum erscheint, was teilweise drastische Folgen hat.


Daniels Tochter indes träumt davon, den korrupten Staat zu stürzen. Sie schließt sich einer Aktivistengruppe an, die sich die friedliche Stürmung des Parlaments in Luanda als Ziel gesetzt hat. Bei diesem Versuch wird sie verhaftet. Ihren Traum von einer fairen, unkorrupten Regierung gibt sie dennoch nicht auf.
Dieser Strang des Romans basiert auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 2015, als eine Gruppe jugendlicher Aktivisten um den Rapper Luaty Beirão genau das versucht hatte.

Eine wichtige Rolle spielt auch noch ein brasilianischer Neurowissenschaftler, der in seinem Labor Träume in Bilder verwandelt. Daniel wird dorthin fliegen, um ihn kennenlernen und die Träume der Menschen besser verstehen.

Durch die nichtchronologische Erzählweise Agualusas und die vielen unterschiedlichen Personen und die mit ihnen verbundenen Erzählstränge in Vergangenheit und Gegenwart ist die Lektüre des Buches nicht ganz unanstrengend, jedenfalls solange bis er gekonnt die Stränge zusammenfügt.

„Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer“, im Original, das Michael Kegler gekonnt ins Deutsche übersetzt hat, schon 2017 in Lissabon erschienen, ist ein rebellischer und gleichwohl komischer Roman voller Poesie. Er handelt von der enormen Sprengkraft von Träumen und ihrem Zauber, die, wenn viele Menschen träumen, sogar, wie in Angola tatsächlich geschehen, ein Regime zum Abtreten zwingen können.
Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein erzählerisches Gesamtkunstwerk.


Veröffentlicht am 28.05.2019

Ein Kochbuch, das in keinem Regal fehlen sollte

Risotto, ti amo!
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Riso Gallo, Risotto, ti amo. 101 Rezepte der besten Köche der Welt, Callwey 2019, ISBN 978-3-7667

Risotto ist ähnlich wie Pasta oder Pizza seit Generationen eine Mahlzeit, wie sie das arme Volk in Italien ...

Riso Gallo, Risotto, ti amo. 101 Rezepte der besten Köche der Welt, Callwey 2019, ISBN 978-3-7667

Risotto ist ähnlich wie Pasta oder Pizza seit Generationen eine Mahlzeit, wie sie das arme Volk in Italien aß. In den letzten Jahrzehnten, auch durch den Tourismus und durch die vielen italienischen Gaststätten und später dann Restaurants und Trattorien, die überall in Deutschland seit Ende der fünfziger Jahre eröffnet wurden, haben diese Gerichte eine grandiose Erfolgsgeschichte geschrieben. Gerade das Risotto mit seiner sehr einfachen Grundherstellung ist nicht nur bei Kindern beliebt überall auf der Welt.

Nicht nur in feinen italienischen Restaurants, sondern auch bei den großen Köchen dieser Welt, steht Risotto in den unterschiedlichsten Variationen auf der Speisekarte. Mit wenigen Zutaten lassen sich fantastische Rezepte kochen, egal ob man für zwei oder eine ganze Mannschaft kocht.

Paul Riso hat für diesen Band mit fantastischen Fotografien Spitzenköche aus aller Welt zu einem Wettstreit eingeladen. Herausgekommen sind 101 wunderbare, größtenteils leicht nachzukochende Rezepte, voller Vielfalt um eine einfache Grundzutat herum.

Auch die Zutaten der meisten Rezepte lassen sich ohne großen Aufwand organisieren, wenn man von einigen exotischen Variationen einmal absieht.

Natürlich sind die großen Köche Italiens vertreten, genauso wie Heinz Winkler und Cornelia Poletto für Deutschland sowie das weltberühmte Le Cirque in New York. Ein Kochbuch, das in keinem Regal fehlen sollte.


Veröffentlicht am 10.04.2019

Indem er von seiner eigenen Suche sehr persönlich erzählt, lädt er seine vielleicht ebenfalls auf der Suche befindlichen Leser ein auf einen Weg, der Glaubenserkenntnis verspricht.

Gott funktioniert nicht
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Thomas Frings, Gott funktioniert nicht. Deswegen glaube ich an ihn, Herder 2019, ISBN 978-3-451-38026-6

Vor drei Jahren hat Thomas Frings sein Pfarramt aufgegeben und ist zunächst in ein Kloster gegangen. ...

Thomas Frings, Gott funktioniert nicht. Deswegen glaube ich an ihn, Herder 2019, ISBN 978-3-451-38026-6

Vor drei Jahren hat Thomas Frings sein Pfarramt aufgegeben und ist zunächst in ein Kloster gegangen. Er hat darüber in einem erfolgreichen und vieldiskutierten Buch geschrieben.

Nun, nach einer langen Pause der Reflexion meldet er sich wieder mit einem neuen Buch zu Wort. Hatte sich das erste noch weitgehend damit beschäftigt, warum er in der gegenwärtigen katholischen Kirche nicht mehr als Pfarrer arbeiten kann, beschäftigt er sich nun mit der Vorstellung von Gott. Denn schon kurz nach seiner Weihe musste er bestürzt feststellen, dass er trotz Studium und Seminar zu Gott weder eine Beziehung hatte noch eine tiefe Vorstellung von ihm.

Er schreibt nun bewegend und beeindruckend von seinen Zweifeln, von seinem ernsthaften Suchen, von seinem schmerzhaften Ringen um eine Vorstellung von Gott. Und er erzählt von dem Mut, den er dazu brauchte.

Denn er ist davon überzeugt, dass nur ein Glaube trägt, der Gott wirklich ernst nimmt. Ohne einen solchen Glauben als Fundament von allem weiteren wird die Kirche nicht überleben, von welcher Konfession auch die Rede ist.

Indem er von seiner eigenen Suche sehr persönlich erzählt, lädt er seine vielleicht ebenfalls auf der Suche befindlichen Leser ein auf einen Weg, der Glaubenserkenntnis verspricht.

Ob das die Strukturen der Kirche aufbrechen kann, wage ich zu bezweifeln. Vgl. hierzu das Buch von Marco Marzano, Die unbewegliche Kirche (2019), das ebenfalls bei Herder erschienen ist.


Veröffentlicht am 10.04.2019

Ich muss gestehen, dass mich dieser Optimismus beeindruckt hat, aber nicht meine Skepsis vertreiben konnte, was die Zukunft der arabischen Gesellschaften betrifft

Der Nahe Osten geht nicht unter
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Daniel Gerlach, Der Nahe Osten geht nicht unter. Die arabische Welt vor ihrer historischen Chance, Edition Körber 2019, ISBN 978-3-89684-268-8

Seit vielen Jahrzehnten scheint der Nahe Osten als eine Weltgegend, ...

Daniel Gerlach, Der Nahe Osten geht nicht unter. Die arabische Welt vor ihrer historischen Chance, Edition Körber 2019, ISBN 978-3-89684-268-8

Seit vielen Jahrzehnten scheint der Nahe Osten als eine Weltgegend, die, von Kriegen, religiösen Konflikten und zunehmender Hoffnungslosigkeit geprägt, nicht selten als möglicher Ausgangspunkt eines großen Weltenbrandes gesehen wird. Wohin man auch schaut in der Medienlandschaft, dem Mittleren und Nahen Osten wird keine große Zukunft vorausgesagt.

Doch für den Orientalisten und Journalisten Daniel Gerlach ist der von allen schon längst totgesagte arabische Frühling noch lange nicht zu Ende. Für ihn, wie er in dem hier vorliegenden Buch „Der Nahe Osten geht nicht unter“ immer wieder aufzeigt, hat 2011 etwas Irreversibles begonnen:
„In jedem Fall handelt es sich um eine epochale Entwicklung, die sich trotz etlicher Bemühungen autoritärer Kräfte in der arabischen Welt nicht mehr ungeschehen machen lässt. Denn sie hat gezeigt: Kein Diktator, kein Autokrat kann mehr sicher sein zu herrschen, bis er an Altersschwäche stirbt. Und absolute Macht ist eine Illusion.“

Er zeigt überzeugend optimistisch, dass die arabische Welt, auch wegen ihrer immer jünger werdenden Gesellschaften, Veränderungsprozesse historischen Ausmaßes erlebt, die hierzulande noch kaum angemessen wahrgenommen werden.

Gerlach erzählt in seinem Buch von Menschen, die er auf seinen vielen Reisen in die Region getroffen hat. Menschen, die mit ihrem Engagement Hoffnung machen können auf eine bessere Zukunft. Eine heranwachsende Generation, der er zutraut, dass sie die großen Übel der Region an der Wurzel bekämpfen können. Den Sektarismus etwa, die Trennung zwischen Sunniten und Schiiten und den Konfessionalismus. Denn „diese Geisteshaltung hat dem Nahen Osten großen Schaden zugefügt. Sie war nicht die Ursache, sehr wohl aber der Brandbeschleuniger für Kriege. Sie stellte die Betriebstemperatur für explosive Reaktionen her. Nach dem Despotismus ist der Sektarismus die zweite große Geißel der nahöstlichen Gesellschaften.“

Gerlach weist auf eine Tatsache hin, die bei uns beim Blick auf den Nahen Osten meist vergessen wird. Für ihn sind die jungen Menschen dort nicht nur Opfer, sondern können zu Herrinnen und Herren ihres eigenen Schicksals werden. Er traut ihnen zu, in naher Zukunft schon ihr Leben lebenswerter zu gestalten.

Ich muss gestehen, dass mich dieser Optimismus beeindruckt hat, aber nicht meine Skepsis vertreiben konnte, was die Zukunft der arabischen Gesellschaften betrifft