Platzhalter für Profilbild

SofieWalden

Lesejury Star
offline

SofieWalden ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SofieWalden über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.08.2019

Mein besonderer Brief an dich, meine Mutter

Auf Erden sind wir kurz grandios
0

Ein Sohn schreibt einen Brief an seine Mutter. Er öffnet ihr darin seine Seele, ehrlicher, echter und schonungsloser allem gegenüber, was mit ihm in seinem bisherigen noch jungen Leben in Berührung kam. ...

Ein Sohn schreibt einen Brief an seine Mutter. Er öffnet ihr darin seine Seele, ehrlicher, echter und schonungsloser allem gegenüber, was mit ihm in seinem bisherigen noch jungen Leben in Berührung kam. Zusammen mit seiner Mutter reist er als kleines Kind aus Vietnam in die USA ein, nach Connecticut, wo seine Großmutter und der amerikanische Vater seiner Mutter leben. Seine Mutter spricht kaum amerikanisch und ihr Leben pendelt zwischen der lebenslangen harten Art in einem Nagelstudio und ihrem Zuhause, in dem der Junge in der vietnamesischen Sprache mit vietnamesischem Essen und viel vietnamesischem Denken aufwächst. Aber er erlebt natürlich auch die amerikanische Welt 'da draußen', lebt in ihr und mit den Menschen darin. Und er findet einen Freund, Trevor; den Freund, mit dem er so viel teilt, nur sie beide.
Der Autor/dieser Junge, er erzählt seine Geschichte, berührend und durchzogen von feiner Poesie, so grandios und irgendwie kaum beschreibbar, meisterhaft in diesem Brief, den seine Mutter nicht lesen kann. Warum, weil sie nicht lesen kann.
Dieser Roman ist ein besonderes Buch und man erfährt und erfasst dies nur, wenn man es liest. Und daher sollte man genau das tun.

Veröffentlicht am 17.08.2019

Ein authentischer Kassettenmitschnitt mit berührenden Lebenserinnerungen

Ein Lied von Liebe und Verrat
0

Aliki, Takis und Stelios sind fast noch Kinder, als sie in den letzten Kriegsjahren des zweiten Weltkriegs sowohl ihre Väter wie auch einige Zeit später ihre Mütter verlieren. Bis dahin hatten sie in einem ...

Aliki, Takis und Stelios sind fast noch Kinder, als sie in den letzten Kriegsjahren des zweiten Weltkriegs sowohl ihre Väter wie auch einige Zeit später ihre Mütter verlieren. Bis dahin hatten sie in einem kleinen Dorf in Griechenland gelebt und ihr dortiges Leben wird sehr authentisch und ohne Aussparen der Grausamkeiten, die der Krieg so mit sich bringt, beschrieben. Und auch die anderen Bewohner des Ortes werden sehr emotional berührend in das Gesamtgeschehen mit eingebunden. Nachdem die drei nun völlig allein dastehen, beschließen sie, alles hinter sich zu lassen. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie von nun an durch Vorführungen kleiner Geschichten mit einem selbst gebauten Schattentheater und bringen so etwas Freude in die Herzen der vom Krieg abgestumpften und gezeichneten Menschen. Und auch sie selbst haben in dieser Zeit nicht nur mit den äußeren Umständen des Krieges zu kämpfen, auch die Gefühlswelt zwischen den drei eigentlich eng verbundenen Freunden ist emotional durch die Liebe, ob erfüllt oder unerfüllt, das starke Gefühl von Verantwortung gerade von Seiten von Aliki und die durchaus auch starken negativen Emotionen sehr belastet.
Erzählt wird diese Geschichte auf eine sehr besondere Art, durch einen Kassettenmitschnitt, auf dem die inzwischen alt gewordenen Aliki von diesen prägenden und gravierenden Jahren berichtet. Manchmal vergisst man dabei , dass da praktisch eine Kassette läuft, aber das Thematisieren der Kassettenwechsel und die auf diese Weise geschickte Einbeziehung der Dinge im hier und jetzt, gibt dem Roman eine zusätzliche Facette an der 'gelungenen Gesamtheit eines Lebens'. Und das damit zugleich einhergehende beruhigende Dazwischenschalten eines 'puffernden Mediums' macht dieses 'Lied von Liebe und Verrat' zu einem absolut gelungenen Romanwerk, das den Leser genau im richtigen Maße einbindet in 'dieses Leben'. Ich fühle nach Beenden dieses Buches, dass ich hier eine sehr wertige Geschichte habe lesen dürfen. Ich kann den Roman nur empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Thema
Veröffentlicht am 08.07.2019

Die schockierende Rassendiskriminierung in den USA der 1960er Jahre, hautnah

Die Nickel Boys
0

Elwood lebt in einer kleinen US-amerikanischen Stadt in den 1960er Jahren. Er wächst bei seiner Großumtter auf, die ihn umsorgt und aufpasst, dass er nur 'guten Umgang' hat. In der Schule ist er der Beste ...

Elwood lebt in einer kleinen US-amerikanischen Stadt in den 1960er Jahren. Er wächst bei seiner Großumtter auf, die ihn umsorgt und aufpasst, dass er nur 'guten Umgang' hat. In der Schule ist er der Beste und erhält so die Chance, bald Kurse am College besuchen zu dürfen. Das ist etwas besonderes, denn Elwood ist schwarz und die Rassendiskriminierung in dieser Zeit ist immer noch stark ausgeprägt. Doch dann lässt Elwood sich von einem Auto ein Stück mitnehmen, dessen Fahrer ein Autodieb ist und dieser wird zusammen mit dem Jungen auf dem Beifahrersitz erwischt. Elwood landet in einer Jungenbesserungsanstalt, der Nickel Academy. Als er dort eintrifft, hofft er, dieses ungute Kapitel deines Lebens bald hinter sich gebracht zu haben und sein altes Leben wieder aufnehmen zu können. Doch sehr bald merkt er, wo er hier gelandet ist. Die Trennung und die unterschiedliche Behandlung von Schwarzen und Weißen ist hier genauso gegeben und spiegelt die Welt 'da draußen' wieder, nur weitaus krasser, brutal, willkürlich bis zu Auswüchsen, die das Töten und Verschwinden lassen von einigen dieser Jungen zur Folge habt. Elwoods Schicksal in dieser Einrichtung, wie er sich nach anfänglichem Aufbäumen gegen die absolute Rechtlosigkeit und Ungerechtigkeit einfindet in dieses System, sich aber 'insgeheim' doch nicht brechen lässt, das wird hier erzählt auf eine trotz allem ruhige, nur bedingt emotionale Weise. Es ist einfach so, aber so ist es dann auch sehr wirklich.
Der Autor Colson Whitehead, Pulitzerpreisträger von 2017, nimmt sich dieses Themas an, ausgehend von den tatsächlich in dieser Zeit vorhandenen Academies, deren ganzes Ausmaß an menschlicher Entwürdigung erst viele Jahre später aufgedeckt und öffentlich gemacht wird. Hier wurden Menschen gebrochen fürs Leben, wenn sie denn überlebt haben. Whiteheads Geschichte ist, wie nicht anders zu erwarten, absolut gut, packend in seiner Realität, für die einzelnen Personen und auch für das Gesamte Konstrukt. Und dann, als sich das Buch schon dem Ende nähert und man als Leser sozusagen 'schon ein bisschen die Deckung runter genommen hat', da passiert es. Die Wendung, die Whitehead der Geschichte hier in nur wenigen Sätzen gibt, nimmt einem regelrecht den Atem und ist wie ein Schlag in die Magengrube. Und Unfassbar gut! Aus einem sehr guten Buch wird ein kleines Meisterwerk, das noch lange nachwirkt, zumindest bei mir.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Peruanische Tradition mit ganz viel Kultur und Geschichte

Ceviche. Das Kochbuch
0

Ceviche in seiner Einfachheit aus Fisch, Salz und Säure kreiert, hat in Peru einen langen tief verwurzelten Werdegang bis hin zu der bunten Vielfalt an Varianten, die seit einiger Zeit hinausziehen in ...

Ceviche in seiner Einfachheit aus Fisch, Salz und Säure kreiert, hat in Peru einen langen tief verwurzelten Werdegang bis hin zu der bunten Vielfalt an Varianten, die seit einiger Zeit hinausziehen in die Welt und hier begeistert aufgenommen werden von den Menschen aller Kontinente. Und hier ist es nun, das ultimative Kochbuch dazu, mit der ganzen wunderbaren Ceviche-Vielfalt, die dieses Land geprägt durch seine Einwohner und die etwas später zugewanderte asiatische Bevölkerung, hervorgebracht hat und dargeboten durch den Deutsch-peruanischen Spitzenkoch Juan Danilo. Toll illustriert und mit jeder Menge begleitender Geschichte versehen, erfährt man hier eine herrliche Bilderpracht und natürlich einfach absolut originelle Ceviche-Gerichte für jeden Geschmack. Die Zubereitung ist zudem denkbar einfach und Adressen für die spezielleren Zutaten sind natürlich auch dabei.
Mich hat dieses wohl durchdachte wunderbare 'Kochbuch' in jeder Beziehung überzeugt. Hier wurde mit ganz viel Liebe und Sorgfalt für eine würdige Darbietung dieses Peruanischen Nationalgerichts gearbeitet und dabei seine tief verwurzelte Tradition in der gesamten Bevölkerung ihres Landes hochgehalten.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Eine Frau im Sog ihrer eigenen Verzweiflung am Leben

All das zu verlieren
0

Adèle lebt mit ihrem Mann, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn in Paris. Sie selbst arbeitet als Journalistin bei einer Zeitung. Ihr Leben scheint nahezu perfekt. Ihr Mann verdient gut und ist bestrebt, ...

Adèle lebt mit ihrem Mann, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn in Paris. Sie selbst arbeitet als Journalistin bei einer Zeitung. Ihr Leben scheint nahezu perfekt. Ihr Mann verdient gut und ist bestrebt, seiner Frau alles zu ermöglichen, was seiner Meinung nach zu einem guten Leben gehört. Eine sehr komfortable Wohnung in einem angesagten Viertel, Essen gehen, edle Urlaube und das sich Bewegen in besten Greisen, das bringt ihm Befriedigung und Glück. Seine Frau müsste und sollte eigentlich nicht arbeiten, denn er kann sie ja gut versorgen und schon bald will er in eine eher ländliche Gegend ziehen und einen guten Posten in einer Privatklinik annehmen. Dann muss er sich nicht mehr so schinden, Adèle kann sich voll und ganz Haus und Familie widmen und seine Idealvorstellung vom Leben ist erfüllt. Adèle jedoch ist ruhelos und unbefriedigt. Und sie schreit ihre Verzweiflung hinaus in die Welt, indem sie wie ein wildes Tier durch die Straßen der Stadt rennt und versucht, sich durch Sexualität mit Männern, wo immer sich die Gelegenheit ergibt, etwas Ruhe und Glück zu verschaffen. Doch dies gelingt immer nur für kurze Zeit oder gar nicht. Ihr Mann weiß von all dem nichts. Für ihn ist die Welt an der Seite seiner schönen Frau, auf die er so stolz ist, in Ordnung. Bis zu dem Tag, der kommen musste.
Mich hat dieses Buch sofort gepackt. Von der ersten Seite an erfährt man die verzweifelte Intensität der Gefühle, die Adèle umtreibt. In kurzen oft nur ein- oder zweiseitigen Kapiteln ist man ganz nah dran am Denken und der geradezu animalischen Umtriebigkeit dieser Frau, die einfach nicht damit aufhören kann und die dieses 'jederzeit entdeckt werden' ängstigt, die es aber gleichzeitig auch genießt. Wird sie einen Weg für sich finden, der ihre Seele zurück zu ihrer Familie führt. Oder endet alles in einer Katastrophe, die weder ein Zurück noch einen Neuanfang möglich macht, für alle, die sie mit hineinzieht in diesen Sog, ohne Hoffnung auf was auch immer. Viele Fragen, und wie sieht die Antwort aus.
Ein intensiver faszinierender Roman. Und irgendwann ziemlich am Ende reißt auch 'das Korsett' des eher emotionslosen 'normalen' Ehemanns auf. Und es ist nicht zu Ende, noch lange nicht.