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Veröffentlicht am 16.09.2019

Wunderschönes Buch über Natur, Einsamkeit und den Willen zu Überleben

Der Gesang der Flusskrebse
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Kya wächst unter sehr ärmlichen Verhältnissen im Marschland von North Carolina auf. Der Vater trinkt und ist gewalttätig, die älteren Geschwister verlassen - sobald erwachsen genug - fluchtartig ...

Kya wächst unter sehr ärmlichen Verhältnissen im Marschland von North Carolina auf. Der Vater trinkt und ist gewalttätig, die älteren Geschwister verlassen - sobald erwachsen genug - fluchtartig das Haus. Als auch der jüngste Bruder und die Mutter gehen, bleibt Kya alleine mit dem Vater zurück. Da ist sie gerade einmal 7 Jahre alt und muss mit dem wenigen Geld auskommen, dass der Vater ihr für den Haushalt gibt. Dafür muss sie einkaufen und den gesamten Haushalt erledigen. Und irgendwann wird der Vater auch verschwinden - und noch als Kind muss Kya ums Überleben kämpfen. Unterstützung ist nicht zu erwarten - für die Bewohner der nächsten Kleinstadt sind alle Bewohner des Marschlandes Weißes Pack, man verachtet sie und verhöhnt sie. Und als Kya von der Behörde zum Schulbesuch gezwungen wird, hält sie es dort nur einen Tag lang aus - zu sehr schmerzt das höhnische Gelächter der anderen Schüler wegen ihres Benehmens und wegen der mangelnden Bildung.

Und so wird Kya eine Außenseiterin werden. Ohne Schulbildung - aber doch überdurchschnittlich gebildet in Bezug auf Flora und Fauna. Mit feinen Antennen für die Natur. Kya wird überleben, mit Hilfe der Natur. Mit Hilfe von Muscheln suchen, Fischen fangen, Gärten anlegen. Und mit der Hilfe von anderen Außenseitern, wie dem Schwarzen Jumpin und seiner Frau Mabel. Und mit Hilfe eines Jungen aus der Stadt, der sich mit Kya anfreundet.

Diese Geschichte geht ans Herz. Und ist doch frei von Kitsch geschrieben. Dafür mit wunderbaren Worten für die Schönheit der Natur. Mit feinen Beobachtungen der Natur, von der Kya fürs Leben lernt.

Die Geschichte ist auch sehr geschickt aufgebaut. Es gibt nämlich zwei Zeitstränge, in denen erzählt wird und die sich immer weiter annähern. Es beginnt mit einen Mord Ende der 60er Jahre. Für den Kya als Täterin unter Verdacht gerät. Und danach kommt direkt der zweite Erzählstrang, der Anfang der 50er Jahre beginnt, als Kya von ihrer Familie verlassen wird.

Es bleibt also spannend. Bis zum Schluss.

Dazwischen entwickelt sich eine schöne Geschichte über das Leben im Einklang mit der Natur. Aber auch eine Geschichte über die Grausamkeit der Natur. Über die Einsamkeit eines Menschen, der alleine in der Natur überleben muss. Und von der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Und der nur ganz selten das Gefühl von Zuneigung, Liebe und Zusammengehörigkeit erfahren darf. Und davon fürs Leben geprägt wird.

Dieses Buch ist sicherlich eines meiner Lese-Highlights dieses Jahr.




Veröffentlicht am 08.07.2019

Tragische Familiengeschichte aus Danzig

Wenn wir wieder leben
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Wanda wächst im Nachkriegs-Berlin in einem reinen Frauen-Haushalt auf. Der Vater ist im Krieg geblieben - und über ihn wird auch nicht gesprochen. Das Geld verdient Lore, die Schwester der Mutter. Und ...

Wanda wächst im Nachkriegs-Berlin in einem reinen Frauen-Haushalt auf. Der Vater ist im Krieg geblieben - und über ihn wird auch nicht gesprochen. Das Geld verdient Lore, die Schwester der Mutter. Und "Matti", die Mutter, kümmert sich liebevoll um Wanda und ihre beiden Schwestern.


Als Wanda in den 60er Jahren in Berlin studiert, lernt sie Andras kennen, Sohn jüdischer Eltern. Und er stellt die Frage nach der Vergangenheit, nach der Schuld. "Davon, dass wir es totschweigen, geht es nicht weg. Es geht überhaupt nicht weg. Es ist immer da, in allem, was wir tun" (S. 39). Und so stellt Wanda die Frage, was die Eltern in der Nazizeit gemacht haben. Und diese Frage hat dramatische Folgen. Und wird Wanda bis nach Danzig und Zoppot führen, an ihren Geburtsort.

Dies ist die eine Erzähl-Ebene des Buches. Die andere beginnt im Danzig und Zoppot der 30er Jahre. Gundi und Ihre drei Freunde sind unzertrennlich und genießen die Sonntage am Strand von Zoppot, das damals ein mondänes Seebad war. Die Lebensumstände der Freunde sind zwar alles andere als mondän - aber sie sind glücklich. mit ihrer Freundschaft und mit ihrer Musik. Die vier bilden ein Quartett und hin und wieder treten sie auf. Im berühmten Grandhotel würden sie sehr gerne einmal auftreten und etwas abbekommen vom Glanz. Aber dafür brauchen Sie ein Lied. Ein gutes Lied, das sie berühmt macht. Aber Gundi kann das Lied nicht schreiben - zunächst nicht. Aber dann geht es doch..... und so wird eine Kette von Ereignissen und Abhängigkeiten in Bewegung gesetzt, die sowohl einen berühmten Nazi als auch polnische Freunde betreffen und die das Leben der Freunde langfristig beeinflussen werden.

Und dann kommt der Krieg....

Ich habe mir die Lektüre des Buches extra für meinen Urlaub in Polen aufgehoben. Und es hat mich sehr berührt, das Buch am Strand von Zoppot und in der Altstadt von Danzig zu lesen.

Danzig wurde im Krieg zu fast 90% zerstört - und ist inzwischen wieder sehr schön restauriert worden. Man kann durch die Gassen schlendern und sich vorstellen, wie es damals war. Danzig verleugnet weder seine deutsche noch seine polnische Vergangenheit und Gegenwart. Zoppot wurde im Krieg kaum zerstört und die schönen alten Häuser wurden renoviert. So kann man dort heute wieder das Grand Hotel bewundern und den Strand genießen. Und den berühmten "Blauen Pudel" (eine Kneipe) gibt es auch. Die kommt im Buch auch vor (wobei es die Kneipe lt. Autorin im alten Zoppot noch gar nicht gab... aber das macht nix).

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. So sehr hat mich die Geschichte berührt. Und am Ende gab es noch eine unerwartete Wendung, die mich sehr überrascht hat.

Von meiner Seite also eine unbedingte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.04.2019

Spannender und gut geschriebener Krimi

Kalte See
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Kommissar Krumme, ehemals tätig in Berlin, arbeitet jetzt schon eine ganze Weile in Husum/Nordfriesland und ist dort auch angekommen. Seine Vermieterin ist inzwischen seine Lebensgefährtin und im Kommissariat ...

Kommissar Krumme, ehemals tätig in Berlin, arbeitet jetzt schon eine ganze Weile in Husum/Nordfriesland und ist dort auch angekommen. Seine Vermieterin ist inzwischen seine Lebensgefährtin und im Kommissariat hat er sich eingelebt. Und schon einige Fälle in der schönen, herben Landschaft Nordfrieslands - von den Halligen bis nach St. Peter-Ording - gelöst. Alles nachzulesen in den vorherigen Bänden der Reihe.


Ich habe diese Krimis entdeckt, als ich in St. Peter-Ording zur Reha war. Und habe dann ganz schnell alle Bände gelesen. Und warte nun gespannt auf jedes neue Buch.

Diesmal verschlägt es Kommissar Krumme auf die schöne Insel Föhr. Ein Urlaubsparadies mit langen Sandstränden und hübschen Dörfern. Und mit vielen Touristen in der Hochsaison. Und dann geschieht ein Mord. Und natürlich sollen die Touristen nicht verschreckt werden. Also präsentiert die Insel-Polizei schnell einen Täter. Aber der Leser - und Kommissar Krumme - wissen, dass dies nicht der richtige Täter sein kann.
Und so gehen die Ermittlungen weiter. Und der Leser weiß tendenziell diesmal mehr als der Kommissar - was aber zur Erhöhung der Spannung beiträgt.
Und ein wenig Mystik ist auch wieder dabei - wie immer bei dieser Krimi-Reihe. Diesmal hat Harke - bekannt aus den Vorgängerbänden - diesen Part inne. Er sieht ja sowieso anscheinend mehr als andere Menschen - zum Beispiel seinen Hausgeist. Wem das jetzt zu esoterisch erscheint: Alles wird gut erklärt - und gibt dem Buch lediglich eine kleine mystische Note - nimmt aber nicht den Hauptteil des Buches ein.

Für mich war dies nach dem Halligen-Band das zweite Highlight dieser Krimi-Reihe. So genial konzipiert, so spannend. Und zwischendurch kleine Atempausen durch die schönen Landschaftsbeschreibungen und durch die grummelige Art von Kommissar Krumme, die zu manchen kleinen Missverständnissen mit seiner Lebensgefährtin führt.

Veröffentlicht am 21.03.2019

Viel Zeitkolorit der Bonner Republik Anfang der 70er Jahre

Rheinblick
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1972 fährt Willy Brandt für die SPD einen unerwartet hohen Wahlsieg ein. Brandt hat einen anstrengenden Wahlkampf geführt - und nach dem Sieg ist seine Stimme weg. Er muss in die Klinik. Und ...

1972 fährt Willy Brandt für die SPD einen unerwartet hohen Wahlsieg ein. Brandt hat einen anstrengenden Wahlkampf geführt - und nach dem Sieg ist seine Stimme weg. Er muss in die Klinik. Und verschwindet dort für Wochen, während die Koalitionsverhandlungen beginnen. Und der Kampf um die Macht.

Soweit die historischen Fakten, Und hier setzte Brigitte Glaser mit ihrer fiktiven Geschichte an - die enorm viel über diese Zeit, die Bonner Republik und die damals vorhandene Aufbruchstimmung erzählt.

Die junge Krankenschwester Sonja ist auch als Logopädin ausgebildet. Aber leider ist die Logopädie damals noch keine richtig anerkannte Heilmethode. Sonja soll nun Willy Brandt bei der Genesung unterstützen. Und hoffentlich danach eine Stelle als Logopädin erhalten. Sie wird viel Zeit mit Warten verbringen - denn die Politik und die Machtspiele gehen vor. Aber das sind nicht Sonjas einzige Probleme. Sie hat eine gewalttätigen Vater, der ihre Mutter regelmäßig fast krankenhausreif schlägt. Aber die Mutter will nicht gehen - eine Scheidung ist zu der Zeit fast noch undenkbar. Aber Sonjas jüngere Schwester ist aus dem Elternhaus geflüchtet -- und zunächst untergetaucht. Halt findet Sonja in ihrer WG in Bonn. Hier werden neue Lebensformen ausprobiert. Wenn auch einiges noch nicht reibungslos funktioniert (der Kühlschrank ist doch oft leer und keiner geht einkaufen - außer Sonja), so genießt Sonja doch das Leben abseits ihres Elternhauses. Und die bunt gemischte WG. In diese platzt eines Tages die junge Journalistin Lotti, mehr aus Zufall. Sie kommt aus Süddeutschland, ist Tochter einer geschiedenen Mutter (was sie gar nicht lustig findet) und will aus dem Zentrum der Politik berichten. Und erfährt nebenher von einem ermordeten Mädchen, das in einer Uniform der Heilsarmee aufgefunden wurde. Dieses Mädchen kannte auch Sonja aus der Klinik. Und so begeben sie sich auf der Suche nach der Wahrheit - ein wenig Krimi ist also auch vorhanden. Unterstützt werden sie vom liebenswert-charmanten Max. Student der Geschichte, Frauentyp und immer pleite. Er fährt nebenher Taxi, um seine Finanzen aufzubessern. Und um unabhängiger von seinem sehr spießigen Elternhaus zu werden. Der Vater ist Beamter im Finanzministerium. Und die Mutter für Haushalt, Schnittchen und Käseigel zuständig.
Überhaupt: Das Frauenbild der damaligen Zeit wird gut dargestellt. Dieser Mief, diese Spießigkeit, die Einschränkung auf das Hausfrauendasein. Eigenständige Geschäftsfrauen sind selten. Und auch Hilde, die Wirtin der titelgebenden Gaststätte "Rheinblick" ist nur notgedrungen Alleininhaberin geworden, nachdem ihr Mann unerwartet und recht früh gestorben ist.

Im Rheinblick treffen sich alle. Politiker aller Parteien, Sekretärinnen, Taxifahrer - und Hildes wichtigstes Kapital ist ihre Diskretion. Aber auch Hilde hat geheime Wünsche und Gefühle. Aber vieles versagt sie sich - wie auch die anderen Frauen in diesem Buch.
Nur die jüngeren Frauen - sie suchen nach neuen Wegen. Nach mehr Eigenständigkeit, mehr Selbstbestimmtheit.


Und wenn man das Buch heute - im neuen Jahrtausend - liest, dann merkt man, dass die Frauen das auch geschafft haben. Heute gibt es viele erfolgreiche Politikerinnen und Geschäftsfrauen. Sicherlich noch nicht genug - aber der Weg wurde beschritten. Und damals, Anfang der 70er Jahre wurde er begonnen. Raus aus dem Mief, die Bildungsoffensive der SPD und die Auswirkungen der 68er haben doch Wirkung gezeigt.


Alleine deshalb lohnt sich die Lektüre. Vor allem aber auch wegen der liebevoll gezeichneten Charaktere, von denen mir der Abschied wirklich schwer fiel.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Selten so einen guten Roman über den Wilden Westen gelesen

Das wilde Herz des Westens
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Seit meiner Jugend liebe ich das Buch "Kalifornische Sinfonie" von Gwen Bristow. Als Bertelsmann-Leseclub-Exemplar stand es im Bücherregal meiner Eltern. Und inzwischen habe ich das Buch sicher 10x gelesen ...

Seit meiner Jugend liebe ich das Buch "Kalifornische Sinfonie" von Gwen Bristow. Als Bertelsmann-Leseclub-Exemplar stand es im Bücherregal meiner Eltern. Und inzwischen habe ich das Buch sicher 10x gelesen - das letzte Mal im März 2018 - als ich mit meiner Familie durch den Westen der USA gereist bin. Da waren die ganzen Erinnerungen an den Roman wieder da, der den Treck nach Kalifornien beschreibt und das Leben in Kalifornien Mitte des 19. Jahrhunderts.


Und jetzt endlich habe ich ein neues Lieblingsbuch über den Wilden Westen entdeckt: "Das wilde Herz des Westens" von Alexandra Fischer.
Dieser Roman beginnt mit einem fulminanten Prolog - Briana, ein irisches Einwandererkind. verliert seine Familie durch ein Massaker und überlebt nur mit Glück.
Dann folgt ein Zeitsprung fast ans Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs. Das Mädchen aus dem Prolog ist erwachsen und versorgt Verwundete. Ernst und ruhig ist ihr Wesen - kein Wunder bei ihrer Vorgeschichte. Ganz im Gegensatz dazu das Temperament ihrer Freundin Phoebe, der Tochter des Hauses, in dem sie aufgewachsen ist. Die Freundin ist leichtlebig, verträumt und naiv. Am liebsten liest sie Groschenromane über Cowboys - die Gräuel des Krieges sind ihr zuwider.

Und nach Ende des Krieges beschließt Phoebe, dass sie als sogenannte "Mail-Order-Bride" in den Westen gehen will. Endlich soll ihr Traum von einem Cowboy als Mann in Erfüllung gehen. Briana. das Mädchen aus dem Prolog - begleitet Phoebe. Teils aus Pflichtgefühl - aber mehr noch auf der Suche nach einem Platz in der Welt.

Und so reisen die beiden jungen Frauen gen Westen. Und schon in Missouri müssen sie feststellen, dass einiges anders ist, als erwartet. So erweisen sich Silas, der Bräutigam, und sein Bruder Jesse als gesuchte Banditen. Und der Planwagen-Treck Richtung Montana ist ganz anders als die romantischen Vorstellungen von Phoebe. Es ist hart, entbehrungsreich und gefährlich. Denn nicht nur die Indianer liegen auf der Lauer - auch Silas und Jesse werden gejagt. Und auch Briana gerät aufgrund ihrer Vergangenheit in den Fokus eines skrupellosen Banditen.

Dies alles wird sehr spannend aber auch sehr realistisch erzählt. Gut recherchiert und mit gut ausgearbeiteten Charakteren, die alles andere als eindimensional sind. Wer aufgrund des Covers einen seichten, romantischen Liebesroman mit ein wenig Lagerfeuerromantik erwartet, wird sicher überrascht sein, wie gut und spannend erzählt die Geschichte ist. Ich habe einige Nächte wenig geschlafen, weil ich einfach immer weiterlesen wollte.

Und jetzt habe ich neben "Kalifornische Sinfonie" ein neues Lieblingsbuch über den Wilden Westen.