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Veröffentlicht am 01.10.2019

Wie ein Insekt im Marmeladenglas

Hinter Glas
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Die 17-jährige Alice hat sich schon daran gewöhnt, still und vorsichtig zu sein und sich klein zu machen. In ihrer Klasse wird sie von einigen Mitschülern drangsaliert und beschimpft. Auch in ihrem Zuhause, ...

Die 17-jährige Alice hat sich schon daran gewöhnt, still und vorsichtig zu sein und sich klein zu machen. In ihrer Klasse wird sie von einigen Mitschülern drangsaliert und beschimpft. Auch in ihrem Zuhause, einer schicken Villa, findet sie keine Geborgenheit. Ihr Vater und ihre Mutter, eine ehemalige Schauspielerin, können ihr zwar materiell viel bieten, aber nicht das geben, was sie wirklich braucht. Nach außen hin müssen der schöne Schein gewahrt und dunkle Geheimnisse unter dem Deckmäntelchen gehalten werden. Sie fühlt sich wie ein Insekt, das in ein Marmeladenglas gesperrt wurde, in dem sie nicht atmen kann. Als sich Alice in den ein Jahr älteren Niko verliebt, entschließt sie sich, mit ihm zusammen unterzutauchen. Doch der junge Mann ist auch nicht so, wie es zunächst scheint…

„Hinter Glas“ ist ein Jugendroman von Julya Rabinowich.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog, die beide in der Gegenwart spielen. Darüber hinaus besteht er aus 24 Kapiteln, die als „Spiegelscherben“ bezeichnet werden und jeweils einen kurzen Titel tragen. Die Haupthandlung ist in den Wochen und Monaten vor der Gegenwart angesiedelt. Erzählt wird vorwiegend in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Alice. Immer wieder gibt es allerdings auch Einschübe einer geheimnisvollen Erzählstimme, die die Spannung steigert. Der Aufbau des Romans funktioniert sehr gut.

Der ungewöhnliche Schreibstil ist ein großer Pluspunkt des Romans. Er ist insgesamt recht reduziert, aber trotzdem intensiv. Der Autorin gelingt es, mit nur wenigen Wörtern und Sätzen eine dichte Atmosphäre zu erzeugen und viele Emotionen zu transportieren. Jugendtypische Formulierungen wechseln sich ab mit starken Sprachbildern und Vergleichen.

Mit Alice steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund, zu der ich jedoch nicht sofort einen Zugang finden konnte. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt ist sehr gut nachvollziehbar. Obwohl sie in einer bemitleidenswerten Lage ist, tat ich mich jedoch stellenweise schwer damit, Sympathie für sie zu empfinden. Auch mit Niko und der damit verbundenen Liebesgeschichte wurde ich nicht so recht warm. Alles in allem werden die Charaktere und ihre Entwicklung jedoch authentisch dargestellt.

Die zweite Stärke des Romans sind die darin auftauchenden Themen. Es geht um Mobbing und andere Formen von Gewalt. Zudem wird geschildert, was in einer dysfunktionalen Familie passieren kann. Ich halte es für lobenswert, dass sich Literatur in diesem Genre mit solchen Aspekten auseinandersetzt. Der Roman sendet eine klare Botschaft aus: Man darf und muss sich Gewalt nicht gefallen lassen. Die Geschichte regt dazu an, sich mit solch wichtigen Themen zu befassen.

Die Handlung kommt ohne Logikfehler aus und ist sehr kurzweilig. Die Spannung, die schon auf den ersten Seiten entsteht, wird fast bis zum Ende aufrechterhalten. Leider haben mich die letzten Kapitel des Romans jedoch enttäuscht. Das liegt erstens daran, dass ich die Auflösung bezüglich des Familiengeheimnisses insgesamt doch etwas schwach finde. Zweitens hat mich die Idee, wer sich hinter der mysteriösen Erzählstimme verbirgt, in ihrer Umsetzung überhaupt nicht überzeugen können. An dieser Stelle gleitet die Geschichte ins Unglaubwürdige ab. Zudem sind die Entwicklungen drittens gegen Ende hin so rasant, dass die Authentizität der Romans leidet. Daher fällt der Roman zum Schluss sehr stark ab. Darüber hinaus gibt es mehrere Punkte, die sich vor allem jüngeren Lesern sicherlich nicht in Gänze erschließen, weil sie überhaupt nicht erklärt werden, zum Beispiel den Grund dafür, wieso ausgerechnet Alice zum Mobbingopfer wird.

Gut gefallen hat mir wiederum, dass sich die Symbolik des (zerbrochenen) Spiegels konsequent durch das Buch zieht. Das äußert sich in sprachlicher Hinsicht immer wieder, aber auch in der optischen Gestaltung. Das ansprechende Cover der gebundenen Ausgabe passt daher ganz hervorragend. Im Inneren sind ebenfalls Spiegelscherben abgebildet. Auch der treffend gewählte Titel greift das Symbol auf.

Mein Fazit:
„Hinter Glas“ ist ein ungewöhnlicher Jugendroman von Julya Rabinowich, der trotz des tollen Sprachstils und der interessanten Thematik sein großes Potenzial leider nicht ganz ausschöpft. Vor allem zum Ende hin hat mich die Geschichte enttäuscht, weshalb ich sie nur mit Einschränkungen empfehlen kann.

Veröffentlicht am 21.08.2019

Wenn ein Algorithmus über das Leben bestimmt

Der Würfel
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Deutschland in der nicht allzu fernen Zukunft: Der Alltag der Einwohner wird von einem perfekten Algorithmus gesteuert. Der „Würfel" ermöglicht ein sorgenfreies Leben, zahlt allen ein Grundeinkommen und ...

Deutschland in der nicht allzu fernen Zukunft: Der Alltag der Einwohner wird von einem perfekten Algorithmus gesteuert. Der „Würfel" ermöglicht ein sorgenfreies Leben, zahlt allen ein Grundeinkommen und erstickt Kriminalität im Keim. Um das zu leisten, sammelt er allerdings die intimen Daten der Menschen, kontrolliert sie und nutzt ihre Berechenbarkeit aus. Der 28-jährige Taso, der sich selbst als „Gaukler“ bezeichnet, rebelliert in Berlin gegen das System. Mit großem Aufwand entzieht er sich der Totalerfassung, täuscht den Würfel über seine Vorlieben und Gedanken, indem er seine Entscheidungen mit Spielwürfeln und einer Münze trifft – bis eine junge Frau in sein Leben tritt und sein Herz erobert: Dalia ist aus einer rückständigen Sekte geflohen und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Alltag in der vermeintlich schönen Welt des Würfels. Taso muss sich entscheiden: Verrät er für die Liebe seine Ideale oder schließt er sich dem Widerstand an?

„Der Würfel“ ist der dystopische Debütroman von Bijan Moini.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 17 recht langen Kapiteln und einem Epilog. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Taso. Der Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich und gut verständlich, zum Teil aber auch etwas zu nüchtern und distanziert. Für die Orientierung im Geschehen habe ich eine Weile gebraucht. Ein richtiger Lesefluss kommt erst nach einer Weile auf. Für das Verständnis der Lektüre wird viel Aufmerksamkeit verlangt.

Ein Manko sind für mich die Charaktere des Romans. Mit Protagonist Taso wurde ich von Beginn an nicht richtig war. Einige seiner Entscheidungen konnte ich nicht richtig nachvollziehen. Auch Dalia ist mir unsympathisch. Allerdings wird eine Bandbreite unterschiedlicher Typen und deren Umgang mit dem System dargestellt.

Die Grundidee des Romans hat mich neugierig gemacht. Das dargestellte Szenario wirkt zwar stellenweise ein wenig überspitzt, aber insgesamt nicht abwegig oder komplett unrealistisch. Nur in den ersten Kapiteln habe ich mich damit schwergetan, mir diese Zukunftsversion konkret vorstellen zu können. Ansonsten sind die Beschreibungen detailliert und der Autor verwendet viel Mühe auf das Worldbuilding, das mir im Großen und Ganzen logisch und durchdacht vorkommt.

Die komplexe Thematik der Geschichte ist durchaus aktuell. Es geht um Datenschutz, die Überwachung von Bürgern sowie künstliche Intelligenz – und dies im Spannungsfeld zwischen der Freiheit, Privatsphäre und Selbstbestimmung des Einzelnen und dem Bedürfnis nach Sicherheit, Wohlstand und Frieden für alle. Dadurch bietet der Roman einige Denkimpulse, wirft moralische Fragen auf und leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte, was ich positiv finde.

Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, wird aber zunehmend spannender. Trotz der rund 400 Seiten ist der Roman lediglich an wenigen Stellen etwas langatmig, denn das Buch hat mehrere Wendungen zu bieten. Das eher offene Ende ist nicht leicht vorherzusehen und wirkt schlüssig.

Die sehr moderne, reduzierte Gestaltung des Hardcovers mit dem roten Buchschnitt ist durchaus ansprechend. Auch der prägnante Titel passt gut.

Mein Fazit:
Mit „Der Würfel“ konnte mich Bijan Moini trotz seiner Aktualität leider nicht vollends überzeugen. Zwar haben mich das Szenario und die Themen des Romans sehr angesprochen. In der Umsetzung sehe ich jedoch mehrere Schwächen. Alles in allem kann die Geschichte dennoch gut unterhalten.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Eine schwierige Zeit

Als wir im Regen tanzten
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Berlin im Jahr 1928: Recha und Willi zur Nieden gelten als Traumpaar der Metropole und deren blühender Filmwelt. Doch hinter der Fassade bröckelt es bei der Schauspielerin und dem Regisseur. Die Zustimmung ...

Berlin im Jahr 1928: Recha und Willi zur Nieden gelten als Traumpaar der Metropole und deren blühender Filmwelt. Doch hinter der Fassade bröckelt es bei der Schauspielerin und dem Regisseur. Die Zustimmung für die Nationalsozialisten wächst stetig in der Stadt. Als Jüdin ist Recha unmittelbar vom Antisemitismus betroffen. Willi verschließt jedoch die Augen davor. Das Paar entfremdet sich zusehends. Werden die beiden neu zueinander finden oder verlieren sie einander? Felice, Willis Schwester, hat sich als Anwältin in einer Männerdomäne durchgesetzt. Nun ist sie Mehrfachmutter und steht vor schwierigen Entscheidungen.

„Als wir im Regen tanzten“ von Michaela Saalfeld ist der zweite Band um die Geschwister der Familie zur Nieden und die Fortsetzung von „Was wir zu hoffen wagten“.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Vorspann, der im Jahr 1919 spielt und an den sich drei Teile anschließen. Untergliedert sind diese in 28 Kapitel. Die Haupthandlung umfasst die Jahre 1928 und 1929. Die Erzählperspektive wechselt. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.

Der Schreibstil ist leicht verständlich, anschaulich und bildhaft. Teils recht ausschweifende Beschreibungen verlangsamen jedoch den Lesefluss. Nach „Was wir zu hoffen wagten“ fiel mir der Einstieg in die Geschichte nicht schwer. Mehrere kurze Zusammenfassungen machen es allerdings möglich, den Inhalt auch ohne die Kenntnisse aus Band 1 zu verstehen.

Viele bereits bekannte Charaktere tauchen im zweiten Band auf. Ich habe mich gefreut, Neues von Recha, Willi, Felice, Quintus und Co. zu lesen. Nicht alle der Hauptprotagonisten sind mir in gleicher Weise sympathisch. Aber sie werden als Menschen mit Ecken und Kanten beschrieben, werden vielschichtig dargestellt und wirken authentisch. Interessant finde ich auch einige der Nebenfiguren.

Die Handlung ist schlüssig und nachvollziehbar, aber trotz mehrerer Wendungen auch recht ereignisarm. An einigen Stellen ergibt sich der Eindruck, dass die Geschichte ein wenig auf der Stelle tritt. Vor allem im Mittelteil ist der rund 450 Seiten umfassende Roman recht langatmig. Darüber hinaus ging mir das Geschehen dieses Mal nicht besonders nahe, obwohl mir die Grundidee des Romans durchaus gefällt und es zum Ende der 1920er-Jahre einige Themen gab, die Potenzial für eine berührende Geschichte hätten.

Auf unterhaltsame Weise lässt sich jedoch viel über das tatsächliche Leben in dieser Zeit erfahren, denn der Roman bietet tiefe Einblicke in die damaligen Umstände und Begebenheiten, was ihn zu einer lehrreichen Lektüre macht. Auf gelungene Weise werden in der Geschichte Fakten und Fiktion miteinander verwoben.

Immer wieder werden die sehr fundierte Recherche und die umfassenden Geschichtskenntnisse der Autorin deutlich. Diese belegt auch das interessante Nachwort, das über die historischen Hintergründe des Romans informiert. Ein Pluspunkt: Für alle, die sich mit dieser Zeit noch nicht so intensiv befasst haben, ist das Glossar mit wichtigen Begriffen jener Jahre ein hilfreiches Extra.

Das Cover ist wieder optisch sehr gelungen. Es passt – wie schon der erste Band – sehr gut zum Genre und zum Inhalt des Romans. Der Titel ist ebenfalls wieder treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Als wir im Regen tanzten“ von Michaela Saalfeld ist ein historischer Roman, der meinen Erwartungen nicht ganz gerecht werden konnte. Im Vergleich zum ersten Band fällt die Fortsetzung deutlich ab und hat mich daher enttäuscht. Falls noch ein weiterer Folgeband erscheint, würde ich diesem jedoch wahrscheinlich ebenfalls eine Chance geben, da mir der erste Roman um die Geschwister der Familie zur Nieden gut gefallen hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Geschichte
  • Figuren
Veröffentlicht am 23.07.2019

Ein Spion im Auftrag des Preußenkönigs

Die Zarin und der Philosoph (Sankt-Petersburg-Roman 2)
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Sankt Petersburg im Jahr 1762: Mit nur 14 Jahren kommt Katharina, geboren als Sophie von Anhalt-Zerbst, als künftige Frau des Thronfolgers an den Hof in Sankt Petersburg. Nach einem Staatsstreich krönt ...

Sankt Petersburg im Jahr 1762: Mit nur 14 Jahren kommt Katharina, geboren als Sophie von Anhalt-Zerbst, als künftige Frau des Thronfolgers an den Hof in Sankt Petersburg. Nach einem Staatsstreich krönt sie sich selbst zur Zarin und will Russland nach Westen öffnen, aber kann man einer Deutschen trauen? Preußens König Friedrich II. schickt einen Philosophen nach Petersburg, um die Pläne der neuen Zarin auszuspionieren. Stephan Mervier ist beeindruckt von Katharinas Klugheit und Charisma, aber die Zustände im Land machen ihn wütend und die Widerstände im Palast wachsen. Eine enge Vertraute Katharinas kämpft mit den Unterdrückten. Stephan verliebt sich in die Rebellin, die in großer Gefahr schwebt. Denn die Zarin setzt ihre Macht mit äußerster Härte durch…

„Die Zarin und der Philosoph“ ist der zweite Band der Sankt-Petersburg-Reihe von Martina Sahler, der unabhängig vom ersten Teil gelesen werden kann.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Büchern, die wiederum in insgesamt 32 Kapitel aufgeteilt sind. Zudem gibt es einen Prolog und einen Epilog. Die Handlung umfasst die Jahre 1761 bis 1775. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist keinesfalls seicht oder anspruchslos, aber dennoch anschaulich, lebhaft und leicht verständlich. Das Verhältnis zwischen wörtlicher Rede und treffenden Beschreibungen empfinde ich als sehr ausgewogen. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer.

Mit Katharina steht eine bekannte historische Persönlichkeit im Fokus der Geschichte. Sie wird authentisch dargestellt. Ein anderer interessanter Charakter ist Stephan Mervier, der Philosoph. Er wirkt ebenfalls realitätsnah. Leider ist der Roman mit einer Vielzahl an weiteren Figuren überfrachtet, sodass man beim Lesen immer wieder den roten Faden aus den Augen verliert. Eine Personenübersicht hilft jedoch bei der Orientierung und gibt Auskunft, welche Charaktere tatsächlich existiert haben.

Auch inhaltlich ist die Geschichte recht komplex und vielschichtig. Der Leser erfährt viel über die russische Geschichte und die Umstände im 18. Jahrhundert in Sankt Petersburg. Sehr gerne habe ich außerdem etwas über Katharina gelernt, wobei sie leider im Roman des Öfteren von anderen Figuren in den Hintergrund gedrängt wird und ich mir eine etwas intensivere Beschäftigung mit ihrer Persönlichkeit gewünscht hätte. Davon abgesehen, werden historische Charaktere und Gegebenheiten im Roman auf gelungene Weise mit fiktiven Ereignissen und Personen verknüpft. Die Zeittafel ergänzt die Informationen der Geschichte. Hilfreich sind drüber hinaus zwei Karten, wovon eine die Stadt um das Jahr 1765 zeigt, die andere Russland um das Jahr 1762. Interessant ist auch das Nachwort, das die fundierte Recherche der Autorin belegt. Somit wird der Roman zur lehrreichen Lektüre.

Die Handlung ist abwechslungsreich. Die Geschichte hat aber auch einige Längen, was bei knapp 500 Seiten allerdings zu verschmerzen ist.

Das ansprechend gestaltete Cover passt nicht nur zum ersten Sankt-Petersburg-Band, sondern auch zum Genre. Der Titel ist eingängig, prägnant und treffend gewählt.

Mein Fazit:
Mit „Die Zarin und der Philosoph“ ist Martina Sahler ein solider historischer Roman gelungen, der sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist. Trotz kleinerer Schwächen hat er mir schöne Lesestunden bereitet.

Veröffentlicht am 09.07.2019

Last Woman Standing

Wie du mir
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In ihrer alten Heimatstadt Austin (Texas) versucht Dana Diaz (28), als Komikerin Fuß zu fassen. Doch der Funke will beim Publikum nicht überspringen. Nach einem Auftritt, der ziemlich in die Hose gegangen ...

In ihrer alten Heimatstadt Austin (Texas) versucht Dana Diaz (28), als Komikerin Fuß zu fassen. Doch der Funke will beim Publikum nicht überspringen. Nach einem Auftritt, der ziemlich in die Hose gegangen ist, wird sie von der IT-Spezialistin Amanda Dorn angesprochen. Als Frauen in typischen Männerberufen klagen sich die Comedian mit lateinamerikanischen Wurzeln und die Programmiererin gegenseitig ihr Leid. Beide waren in der Vergangenheit Opfer von sexuellen Belästigungen und Übergriffen. Das haben sie sich lange gefallen lassen, doch das soll sich ändern. Dana und Amanda schließen einen Pakt: Jede soll sich an den Gewalttätern der jeweils anderen rächen. Damit allerdings beginnt ein Spiel, das noch weitaus gefährlicher ist, als Dana zunächst vermutet…

„Wie du mir: So ich dir“ ist ein Thriller von Amy Gentry.

Meine Meinung:
Der Thriller besteht aus 26 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Dana. Der Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist anschaulich und – dank viel wörtlicher Rede – recht lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer. Die Handlung nimmt allerdings nur sehr langsam Fahrt auf und konnte mich in den ersten Kapiteln noch nicht fesseln.

Mit den Protagonisten kann ich mich nicht identifizieren. Nicht immer ist das Verhalten für mich nachvollziehbar. Allerdings finde ich besonders Dana nicht unsympathisch. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt werden sehr gut deutlich. Der Autorin gelingt es, die wahren Beweggründe und Ziele der Hauptcharaktere lange im Verborgenen zu lassen, was den Reiz der Geschichte steigert und für eine etwas unheimliche Grundstimmung sorgt.

In dem mehr als 400 Seiten umfassenden Thriller wird erst Stück für Stück Spannung aufgebaut, was den ersten Teil des Buches etwas langatmig macht. Das ändert sich im weiteren Verlauf. Später kann die Geschichte mit Wendungen und unerwarteten Ereignissen überraschen.

Eine Stärke des Thrillers ist seine besondere Thematik. Gut gefallen hat mir, dass die Autorin die aktuelle „Me too“-Debatte aufgreift und literarisch verarbeitet. Sexuelle Belästigung, körperliche und verbale Übergriffe, Sexismus, Diskriminierung und ähnliche Dinge werden nicht verharmlost, sondern in den Mittelpunkt gerückt. Die Botschaft ist klar: Keine Frau sollte so etwas einfach hinnehmen (müssen). Zwar sind die im Buch beschriebenen Reaktionen darauf sicherlich extrem und nicht zur Nachahmung empfohlen. Dennoch bietet der Thriller neben dem Unterhaltungswert wichtige Denkimpulse und liefert einen Beitrag zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen Themen.

Die reduzierte, aber auch raffinierte Gestaltung der broschierten Ausgabe, bei der sich der Titel auf Vorder- und Rückseite des Buches erstreckt, empfinde ich als sehr gelungen. Der deutsche Titel weicht zwar stark vom amerikanischen Original („Last Woman Standing“) ab, ist aber ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
Meinen hohen Erwartungen wurde „Wie du mir: So ich dir“ von Amy Gentry wegen des zu gemächlichen Starts zwar nicht in Gänze gerecht. Fans von Spannungsliteratur kann der Thriller dennoch unterhaltsame Lesestunden bereiten.