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Veröffentlicht am 06.09.2019

Ein tolles Buch, aber nicht ganz so stark wie der Vorgänger

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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Rahel Hirsch ist 1903 eine der ersten Ärztinnen der Berliner Charité und hat mit ihren durchweg männlichen Kollegen teilweise ganz schön zu kämpfen. Sie muss sich doppelt bewähren, arbeitet ohne Unterlass ...

Rahel Hirsch ist 1903 eine der ersten Ärztinnen der Berliner Charité und hat mit ihren durchweg männlichen Kollegen teilweise ganz schön zu kämpfen. Sie muss sich doppelt bewähren, arbeitet ohne Unterlass und erforscht manches, was ihre Kollegen für unmöglich halten. Bezahlt wird sie nicht oder schlechter und Gleichberechtigung scheint illusorisch. Gleiches gilt für Barbara, die in einer Wäscherei arbeitet und dort beginnt sich für die Gleichberechtigung zu engagieren. Die beiden sehr ungleichen Frauen treffen mehr oder weniger zufällig aufeinander, trotzdem entsteht eine Freundschaft. Als der erste Weltkrieg ausbricht ändert sich nicht nur das Leben der beiden Frauen grundlegend.

Die Geschichte ist spannend und gut recherchiert. Besonders interessant fand ich die Geschichte um Rahel Hirsch, die es tatsächlich gab und auch die weiteren historischen Fakten haben erneut eine runde Geschichte ergeben. Sowohl medizinische, als auch politische Entwicklungen fand ich sehr gut dargestellt und man lernt tatsächlich beim Lesen dazu, denn die Anfänge der Fliegerei, die einen gewissen Raum einnehmen, waren mir bisher so noch nicht untergekommen. Bisher hatte es mich einfach nicht so interessiert, aber die Autorin hat es geschafft mich für das Thema zu erwärmen.

Die Freundschaft der beiden Frauen wirkt vielleicht etwas klischeehaft, aber beim Lesen wirkte es sehr authentisch und hat mir sehr gut gefallen. Der Kampf der beiden Frauen für mehr Rechte ist bemerkenswert und sie ergänzen sich prima. Soweit hat mich das Buch auch wieder auf ganzer Linie überzeugt.

Mich hat das Buch sehr gut unterhalten, aber an den ersten Band der Charité konnte dieses Buch nicht ganz reichen. Dafür war mir in der Mitte manches zu belanglos und das Medizinische war mir auch nicht präsent genug. Komplett mitgerissen hatte mich die Autorin ab den Schilderungen der Entwicklungen während des ersten Weltkrieges – vorher plätscherte manches auch mal nur gemütlich vor sich hin ohne langweilig zu sein. Positiv ist jedoch, dass man diesen Band ohne Vorkenntnisse lesen kann und der Schreibstil auch hier wieder so herrlich rund und gut lesbar ist, dass man das Buch kaum mehr weglegt.

Ich freue mich schon auf den dritten Teil und hoffe, dass wir nicht so lange warten müssen.

Veröffentlicht am 17.08.2019

Groß im Umfang, riesig im Inhalt

Verratenes Land
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Bienville, Mississippi. Marshall McEwan ist ein hochdekorierter Journalist, hasst seinen Vater und hat sein Bruder auf dem Gewissen. Nach knapp 30 Jahren kehrt er in seine Heimat zurück, um seine Mutter ...

Bienville, Mississippi. Marshall McEwan ist ein hochdekorierter Journalist, hasst seinen Vater und hat sein Bruder auf dem Gewissen. Nach knapp 30 Jahren kehrt er in seine Heimat zurück, um seine Mutter zu unterstützen, die sich um den todkranken Vater kümmert. Er trifft auf alte Bekannte, Freunde und vor allem auf Jet – seine Jugendliebe, die er nie vergessen hat.

Die Stadt soll eine neue Papierfabrik erhalten, die viele neue Jobs und Wohlstand mit sich bringen soll. Archäologe Buck Ferris sucht auf dem Gelände nach Spuren von Indianern – er zahlt mit seinem Leben. Warum musste er sterben und wer steckt dahinter?

Mir hat der vielschichtige Wälzer, der sich auch viel mit der Vergangenheit und den Südstaaten im Allgemeinen beschäftigt, extrem gut gefallen. Natürlich gab es manche Länge, aber die Beschreibungen der Landschaft (sowohl in geografischer, als auch politischer Hinsicht) und Probleme wie Korruption, Machtspielchen oder auch die Familienkonflikte haben mich sehr interessiert, sodass ich auch über diese leicht hinweggekommen bin. Der Schreibstil hat mich schon bei den Vorgängern überzeugt und hier hat mich nur gelegentlich Protagonist Marschall mit seinen schier endlosen Überlegungen manchmal ein wenig genervt. An anderer Stelle fand ich seine Ideen und Gedankengänge allerdings sehr interessant. Es hat mich manches nachdenklich gestimmt und man überlegt schon an einigen Stellen, was man selbst tun würde und wo gewisse Grenzen verlaufen. Was ist wichtiger? Das Gemeinwohl oder Gerechtigkeit? Die wichtigen Charaktere sind sehr anschauliche und gut ausgearbeitet, ob gut, ob böse. Der Autor nimmt auch kein Blatt vor den Mund und scheut sich auch nicht schwierige Themen auf den Punkt zu bringen – Korruption, Unterschlagung, Bestechung, Mord, Vertuschung, Gier, unbewältigte Vergangenheiten, aber auch Liebe, Gerechtigkeit und Freundschaft.
Wer Iles bereits kennt, bekommt genau was er erwartet: ein super interessantes, spannendes und atmosphärisches Buch. Groß im Umfang, riesig im Inhalt!

Trotz der einen oder anderen kleineren Länge (bei der Stärke des Buches finde ich das leicht zu entschuldigen) hat mich das Buch einfach extrem überzeugt, sodass ich es gerne weiterempfehle.
Allerdings muss man sich auf die Geschichte einlassen und ein gewisses Interesse mitbringen, sonst werden die 830 hauchdünnen Seiten sicher eine langwierige Angelegenheit.

Veröffentlicht am 24.07.2019

Nach rund 50 Seiten lässt sich das Buch nicht mehr weglegen

Die letzte Witwe
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Sara und Will sind zufällig in der Nähe eines Bombenattentats und wollen als Ärztin und Polizist natürlich helfen. Doch sie kommen gar nicht bis zum Ort des Geschehens, denn auf dem Weg gab es einen Autounfall ...

Sara und Will sind zufällig in der Nähe eines Bombenattentats und wollen als Ärztin und Polizist natürlich helfen. Doch sie kommen gar nicht bis zum Ort des Geschehens, denn auf dem Weg gab es einen Autounfall und so beschließen die beiden dort zu helfen. Ein fataler Fehler, wie sich noch herausstellen soll. Sara wird entführt, Will verletzt und zunächst hat niemand eine Ahnung, was hinter alldem stecken könnte. Erst nach und nach zeigt sich das ganze unheimliche Geschehen.

Nach einem kurzen, mich nicht ganz gelungenen Start, bei dem aus mehreren Perspektiven die immer gleiche Geschichte erzählt wird (es bleibt glücklicherweise nicht so, denn das hätte mich wirklich enttäuscht), entwickelt das Buch eine Sogwirkung, die den Leser kaum mehr loslässt. Auf rund 500 Seiten ist das Geschehen einfach nur spannend und man möchte am liebsten direkt wissen, wie sich alles auflösen wird. Kommt es zur Katastrophe? Wird Will Sara noch rechtzeitig finden und die geplanten Gräueltaten der „Gruppierung“ verhindern können? Die Ereignisse scheinen sich zu überschlagen, Ungeheuerliches geschieht schon während der aufregenden Flucht der Straftäter mit ihrer Geisel Sara, und schier Unfassbares ist Hintergrund alldessen. Zu den Hintergründen mag ich kaum was sagen, denn das muss man einfach selbst gelesen haben. Nur so viel: Es ist brandaktuell, super gefährlich und ein sehr großes Problem nicht nur in den USA.

Die Art und Weise, wie diese Gruppierung, die mitten im Wald sehr „traditionell“ lebt, ihre Weltordnung schaffen möchte, eröffnet sich nur schrittweise, während Will versucht eine Ahnung zu bekommen, wer Sara hat und wo sie sein könnte. Derweil fürchtet der Leser eigentlich immer, dass Sara etwas passieren könnte, denn in dem Camp sind die normalen Regeln der Gesellschaft außer Kraft gesetzt und die zahlreiche Kinder sind extrem krank. Sara versucht ihnen zu helfen, aber mit primitivsten Mitteln wird das kein leichtes Unterfangen. Die Köpfe der Truppe sind einfach nur abscheuliche Menschen, deren Weltbild einfach nur abstoßend ist.

In manchen Belangen hat der Leser schon eine Ahnung wohin die Reise gehen wird, aber die Autorin überrascht trotzdem immer wieder. Den Charakteren verleiht die Autorin gewohnt viel Tiefe und Individualität. Das geht teilweise auch mit einem sehr derben Sprachgebrauch einher, der mich allerdings gelegentlich sehr zum Schmunzeln brachte (S. 63). Auch Nebencharaktere werden schön auf- und stimmig in die Geschichte eingebaut.

Natürlich ist es von Vorteil, wenn man die gesamte Reihe kennt, aber dieses Buch lässt sich problemlos auch unabhängig lesen.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Gelungener 3. Teil

R.I.P.
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Eine Jugendliche wird brutal überfallen und muss sich beim Täter immer wieder entschuldigen. An ihre Snapchat-Freunde werden immer wieder Sequenzen gesendet. Huldar und sein Team – unterstützt von Psychologin ...

Eine Jugendliche wird brutal überfallen und muss sich beim Täter immer wieder entschuldigen. An ihre Snapchat-Freunde werden immer wieder Sequenzen gesendet. Huldar und sein Team – unterstützt von Psychologin Freya – suchen nach einem brutalen Mann, dessen Motive völlig im Dunklen zu liegen scheinen. Er ist extrem brutal und hat noch weitere Pläne…

Schon der Beginn des Buches ist extrem brutal, sodass der Leser (sollte er die ersten beiden Bände der Reihe nicht kennen) merkt, worauf er sich eingelassen hat. Zartbesaitete sind daher eher bestimmt eher abgeschreckt und da noch einiges kommt, sollten sie auch eher Abstand halten. Alle anderen werden jedoch sicher gut unterhalten, denn dem ersten Knall folgen noch weitere, die nicht selten ziemlich sprachlos machen. Das Grundthema ist super spannend und auch immer aktuell -leider. Welche extrem Blüten das treiben kann, zeigt die Autorin wie ich finde ziemlich authentisch, wenn es auch glücklicherweise so nicht (häufig) vorkommt.
Ich habe mit gebangt und gehofft, obwohl die Opfer alles andere als sympathisch sind. Zum Glück gibt es zwischendurch immer wieder Verschnaufpausen für den Leser, wenn es auch manches mal fast schon zuviel Privatkram behandelt.
Besonders gelungen: Die komplette Tathintergründe sind erst sehr spät offensichtlich geworden und haben nochmal für eine heftige Überraschung gesorgt.
Der Schreibstil ist sehr rund und flüssig zu lesen, sodass ich das Buch binnen zweier Tage schon durch hatte.

Ich kann das Buch nur empfehlen. Das Thema ist wichtig und interessant, die Spannung ist oft mit Händen greifbar und mir gefielen auch die persönlichen Hintergründe von Huldar und Freya sowie das Kompetenzgerangel – allerdings ist es manchmal hart an der Grenze zum Langatmigen.

Veröffentlicht am 05.06.2019

Kein 08/15 - nach schleppendem Beginn wird es immer spannender

The Couple
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Mike und Verity waren neun Jahre ein Paar. Es passte quasi kein Blatt zwischen die beiden, sie waren glücklich und vor allem Mike fühlte sich seiner Traumfrau extrem verbunden. Die beiden spielten ihre ...

Mike und Verity waren neun Jahre ein Paar. Es passte quasi kein Blatt zwischen die beiden, sie waren glücklich und vor allem Mike fühlte sich seiner Traumfrau extrem verbunden. Die beiden spielten ihre sexualisierten Spielchen mit Fremden und waren recht enthemmt. „Crave“ nennen sie ihr Spiel, wenn sich Verity von Männern anbaggern lässt, bevor der starke und extrem muskulöse Mike sie „rettet“. Doch dann kommt es zum Bruch zwischen den beiden und Mike kann es kaum fassen, als Verity nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte und sich sogar in einen anderen Mann verliebt. Mike kann es nicht glauben, dass sie ernsthaftes Interesse an ihrem Verlobten und späteren Ehemann hat, sieht darin ein ausgeklügeltes Crave und so nimmt das Geschehen seinen Lauf…

Der Start war ein wenig schleppend, da ich mit dem Ich-Erzähler Mike zu Beginn noch so gar nichts anfangen konnte. Er war mir schlicht unsympathisch, seine, als auch Veritys Lebenswelt, war einfach nicht so richtig nachvollziehbar, entsprechend wenig Interesse hatte ich an seiner Person, aber da bekannt war, dass er irgendwas verbrochen haben muss, wollte ich dann doch mehr wissen. Und ich muss sagen – es lohnt sich Mike und seine Welt kennen zulernen. Was sich da tut ist kaum zu glauben und trotzdem kann man sich gut vorstellen, dass sowas passieren kann.

Er zählt mit Rückblicken in seine frühste Kindheit sein Leben recht detailliert. Dabei weckt er beim Leser sehr ambivalente Gefühle, denn einerseits leidet man mit ihm und würde ihm am liebsten die Hand reichen, um ihn aus dem ganzen Dreck zu ziehen, doch nur wenige Momente später wird man von seinen beängstigenden Gedanken und Taten abgestoßen. Manchmal passiert beides gleichzeitig - echt beeindruckend geschrieben!

Besonders gefiel mir auch, dass hier mal der Mann im Fokus stand und seine ganz spezielle – man kann auch gestörte – Weltsicht zum Besten gegeben wird. Die Ursache für dieses spezielle Verhalten wird deutlich und manches wird dadurch auch verständlicher, wenn auch in Summe nicht weniger abscheulich. Je weiter das Buch voranschreitet, desto mehr fesselt es den Leser.

Das Buch birgt einiges an Nachdenkpotential (ich möchte das nicht näher ausführen, denn es würde unweigerlich zu Spoilern führen) und die Geschichte lässt einen so schnell nicht mehr los. Zu Beginn hätte ich so einen psychologischen Knaller im Leben nicht erwartet, und daher kann ich den Kauf nur ans Herz legen und jenen, denen der Beginn auch nicht so zusagt, das Durchhaltevermögen, denn es lohnt sich diesen Thriller, der alles außer 08/15 ist, zu lesen.