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Veröffentlicht am 06.01.2020

Eine weihnachtliche Geschichte, die zum Nachdenken anregt.

Die Weihnachtsgeschwister
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Drei Geschwister fahren nach Hause, um den Heiligabend bei ihren Eltern zu verbringen.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass sie sich das jedes Jahr wieder antun. Denn jedes Jahr gibt es Missgunst und Streit. ...

Drei Geschwister fahren nach Hause, um den Heiligabend bei ihren Eltern zu verbringen.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass sie sich das jedes Jahr wieder antun. Denn jedes Jahr gibt es Missgunst und Streit. Denn die Geschwister sind alles andere als ein harmonisches Trio. Da ist Tamara, promoviert und intelligent. Aber auch komplett frustriert als Nur-Hausfrau. Und gegen die Langeweile in ihrer Ehe führt sie eine heimliche Affäre mit einem Nachbarn. Neidisch ist sie auf ihre Schwester Elisabeth, die scheinbar mühelos Aufträge als Übersetzerin bekommt und auch immer wieder interessante Männer kennen lernt. Tamara übersieht dabei geflissentlich, dass Elisabeth als alleinerziehende Mutter von 2 Kindern von 2 verschiedenen Vätern viel Stress hat, um alles unter einen Hut zu bekommen. Und da ist Ingmar, der Jüngste. Umweltschützer und eifrig bemüht, seine Ehe gleichberechtigt zu gestalten. Was gar nicht so einfach ist.



Schon am Abend vor Heiligabend ist die Stimmung angespannt. Und am Heiligmorgen eskaliert der Streit zwischen den Geschwistern, so dass sie sich vom Hotel aus auf den Weg zum Elternhaus machen, um dort eine klärendes Gespräch zu führen. Aber dann finden sie das Elternhaus verlassen vor. und das wirft sie auf sich selbst zurück. Und auf die Frage, warum sie nicht liebevoller miteinander umgehen. Denn ihre Erziehung war doch sehr liebevoll....



Dies ist ein kleines Buch, dass an nur zwei Tage spielt und zeigt, welche Ressourcen ein Elternhaus bieten kann. Und was jeder selbst machen muss, damit das Leben gelingt.



Alles wird nicht außerzählt. Was schade ist. Aber das, was erzählt wird, macht nachdenklich.



Deshalb empfehle ich das Buch gerne für einen gemütlichen Wintertag, eingekuschelt auf dem Sofa. Dort kann man so gut nachdenken.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2019

Schon sehr gemächlich

Wisting und der Tag der Vermissten
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Wisting arbeitet als Kommissar in Larvik in Norwegen und jedes Jahr nimmt er sich den gleichen "Cold Case" vor - immer am Jahrestag des Verschwindens von Katharina Haugen. Zurückgelassen hatte ...

Wisting arbeitet als Kommissar in Larvik in Norwegen und jedes Jahr nimmt er sich den gleichen "Cold Case" vor - immer am Jahrestag des Verschwindens von Katharina Haugen. Zurückgelassen hatte sie einen gepackten Koffer, einen Strauß Rosen und einen Zettel mit einem bis heute nicht entschlüsseltem Code - inzwischen "Katharina Code" genannt.

Wisting besucht am Jahrestag des Verschwindens immer Martin Haugen, den Ehemann, den er irgendwie immer noch verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun zu haben.

Aber dann ist Martin an diesem Tag plötzlich nicht zu Hause - obwohl er weiß, dass Wisting vorbeikommt. Und dann nimmt ein Ermittler aus Oslo einen anderen alten Fall wieder auf, in den Martin Haugen involviert zu sein scheint. Und auch Wistings Tochter wird beauftragt, als Journalistin über diesen Fall zu berichten.

Die Kapitel in diesem Buch sind kurz, die Geschehnisse werden aus diversen Blickpunkten erzählt, der Plot ist geheimnisvoll und interessant. Das versprach Spannung. Die gibt es auch. Allerdings eher gemäßigt. Das Erzähltempo ist schon sehr gemächlich, quasi Einblick in die Ermittlungen in Echtzeit. Dazu viele Beschreibungen der Natur, des allgegenwärtigen Regens in Norwegen im Oktober und des Fischfangs (das ist in Norwegen anscheinend immens wichtig, wenn man auf die dort verbreiteten Hütten fährt).

Gerne gelesen habe ich den Krimi schon. Ich mag skandinavische Krimis, das bodenständige, die rauhe Natur, die realistischen Schilderungen. Auch Wisting als Protagonist gefiel mir. Nahe gekommen ist mir aber leider keiner der Protagonisten, dazu fehlte mir irgendwie die emotionale Nähe. Es wird eher spröde erzählt, Emotionen werden sachlich geschildert.
Und die Auflösung fand ich zwar spannend - aber nicht atemberaubend. So ein klein wenig war ich enttäuscht. Obwohl ich keine bluttriefenden Thriller mag und Krimis mag, die vor allem psychologische Spannung bieten, so war es mir hier doch ein wenig zu gemächlich.
Da lese ich doch viel lieber Melanie Raabe - sie ist eine Meisterin der psychologischen Spannung. Oder die neuen Doggerland-Krimis, da passiert irgendwie mehr - oder vielmehr, ich werde mehr berührt.




Veröffentlicht am 08.08.2019

Viel Zeitkolorit der 70er Jahre

Mein verkorkstes Sommersemester 79
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"Es ist die Geschichte seines ersten Sommers im Studentenwohnheim. Es ist auch die Geschichte der geburtenstarken Jahrgänge, die BAföG-gefördert die Hörsäle bevölkerten, gegen Atomkraft, für Frieden, Natur- ...

"Es ist die Geschichte seines ersten Sommers im Studentenwohnheim. Es ist auch die Geschichte der geburtenstarken Jahrgänge, die BAföG-gefördert die Hörsäle bevölkerten, gegen Atomkraft, für Frieden, Natur- und Tierschutz demonstrierten und vom Verfassungsschutz bespitzelt wurden."


Ich selbst habe erst 1984 angefangen zu studieren. Aber mir ist auch 1979 noch gut in Erinnerung, 10 Klasse, Pubertät, Suche nach Anerkennung in der Clique, Suche nach dem eigenen Weg im Leben. Und natürlich: Die erste große Liebe.

So geht es auch Sigi, dem Protagonisten in diesem Buch. Er kommt vom Land, aus eher ärmlichen Verhältnissen, seine Eltern sind Landwirte und er ist im Sommersemester 1979 im 2. Semester Maschinenbau an der TU in Braunschweig. Er studiert Bafög unterstützt (ja, das gab es damals wirklich oft, nicht wie heute, wo es fast kein Bafög mehr gibt, da die Einkommensgrenzen fast nie angehoben werden und meist nur noch Kinder von Akademikern die Uni besuchen). Und durch einige nicht gelungene Klausuren und durch ein nicht ordnungsgemäßes Praktikum verliert er für 3 Monate sein Bafög. Also plagen ihn große Geldsorgen. Aber das sind beileibe nicht seine größten Probleme. Sigi ist nämlich verliebt. Unglücklich verliebt. Denn seine große Liebe Anna ist schwanger. Nicht von ihm. Und Anna ist insgesamt eher dumm, naiv und egozentrisch. Aber wen hat das schon jemals davon abgehalten, zu lieben? Sigi jedenfalls liebt sie trotzdem. Und so verbringt er das Semester zwischen verzweifelten Versuchen, Anna zu vergessen - und verzweifelten Versuchen, sie doch noch zu gewinnen.

Sigi ist also eher kein Held. Und von einer Gutmütigkeit, die nahezu dazu verleitet, ihn auszunutzen. Was Anna auch ausgiebig tut. Aber Sigi gewinnt auch Freunde. Und das ist das Schöne an der Geschichte, das Liebenswerte, was immer zwischendurch durchschimmert. Bei allem Drama. Und Drama gibt es reichlich. Für meinen Geschmack zu reichlich. Vor allem zu profan. Es ist zwar richtig, dass wir damals als Studenten nur Schrottautos fuhren, die dauernd kaputt gingen - aber ich will nicht abschnittweise darüber lesen. Und auch nicht über immer abstrusere Vorfälle.

Aber insgesamt bildet das Buch den Geist der Zeit ab. Und das hat mir gut gefallen. Anti-Atomkraft, der Aufstieg der Grünen, die Diskussion über die Kohle - alles immer noch aktuell - nur damals ganz anders betrachtet. Und natürlich Musik und Mode. Das Lesen war wie ein Flashback in diese Zeit.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Gelungenes Thriller-Debüt

Das Weinen der Kinder
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Dieser Krimi spielt in der Kunstszene - das ist einmal ein neues Setting.


Anke Neuhaus zieht von Köln nach Süddeutschland, um dort eine Galerie in einem Schloss aufzubauen. Der Vorgänger hatte Gelder ...

Dieser Krimi spielt in der Kunstszene - das ist einmal ein neues Setting.


Anke Neuhaus zieht von Köln nach Süddeutschland, um dort eine Galerie in einem Schloss aufzubauen. Der Vorgänger hatte Gelder veruntreut und Anke hat nun Probleme, wieder genügend Einkünfte zu erzielen, um die Galerie ans Laufen zu bekommen. Da hilft ihr ein alter Freund, der sich bereit erklärt, Bilder von "Weinenden Kindern" auszustellen. Und die Ausstellung wird ein voller Erfolg. Aber danach bricht das Chaos aus... und auch Ankes Leben gerät aus den Fugen ... noch mehr aus den Fugen muss man sagen... denn Anke hat als Alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern, davon eine in der Pubertät, eigentlich schon genug Probleme.

Parallel gibt wird die Geschichte eines Jungen erzählt, der wohl sehr begabt ist als Maler - aber leider in Verhältnissen aufwächst, die ihn nicht fördern.

Als Leserin wusste ich ganz lange nicht, wer dieser geheimnisvolle Erzähler ist - es wird wirklich erst zum Schluss aufgelöst. Und bis dahin gibt es viele falsche Fährten, einige Rückschläge in den Ermittlungen. Und einen Kommissar, der mit seinen eigenen Erinnerungen aus der Vergangenheit kämpft. Denn eines der Bilder mit den "Weinenden Kindern" zeigt seine Tochter Anna - aber die ist vor 16 Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstorben. Wie kommt sie dann auf dieses Bild?

Dem Autor ist hier ein sehr gutes Debüt gelungen. Der Aufbau ist gut - direkt am Anfang ein ominöser Todesfall - danach eine Fülle von Figuren, die sehr gut gezeichnet sind. Keiner nur gut oder nur schlecht, alle vielschichtig. Manchmal wurde es mir zwischendurch zwar einmal zu viel mit noch einer falschen Fährte - aber im Endeffekt hat mich das Buch gut unterhalten.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Ruhige, gemächliche Geschichte über ein kleines Dorf in Süditalien

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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"Der Postbote glaubte, dass nichts zerstört und nichts geschaffen wurde.(...). Die Materie ist immer dieselbe, (...). Im Universum zirkuliert stets dasselbe Wasser". (S. 67).

Girifalco ist ein ...

"Der Postbote glaubte, dass nichts zerstört und nichts geschaffen wurde.(...). Die Materie ist immer dieselbe, (...). Im Universum zirkuliert stets dasselbe Wasser". (S. 67).

Girifalco ist ein kleines Dorf in Süditalien. Eher vergessen am Rande der Welt, ohne Strand - aber mit einem Berg.

Der Postbote von Girifalco führt ein ruhiges, bescheidenes, zurückgezogenes Leben. Aber er ist erstaunlich informiert über alles, was im Dorf passiert. Das liegt daran, dass er alle Briefe öffnet, abschreibt und archiviert. Und manchmal auch in den Lauf des Geschehens eingreift. Das geschieht z.B. bei der Anbahnung von Ehen - aber bei sich selbst, da wird der Postbote nicht aktiv. Bis er durch einen Brief aufgeweckt wird, der ihn an Geschehnisse in seiner eigenen Vergangenheit erinnert.

In Italien war das Buch ein großer Erfolg. Vielleicht, weil es das alte, archaische Leben beschreibt, das oft als das bessere Leben gesehen wird. Vielleicht, weil der Postbote sehr gerne philosophiert und einige Lebensweisheiten von sich gibt (siehe Zitat oben). Aber im Endeffekt sind es doch eher Allgemeinplätze. Und das Erzähltempeo des Buches ist schon sehr gemächlich.
Ich mag eigentlich ruhige Bücher. Aber hier habe ich doch lange gebraucht. Immer wieder unterbrochen. So der richtige Sog hat sich bei mir nicht eingestellt, ich konnte das Buch gut zur Seite legen.

Vielleicht lag es einfach daran, dass es für mich persönlich das falsche Buch für die falsche Zeit war?


Andere Leser möchte ich ermuntern, es mit dem Buch zu versuchen. Es wird nicht jeder so lange zum Lesen benötigen wie ich.