Interessanter biographischer Roman über eine mir bisher unbekannte Fürstin
Die englische FürstinIm Mittelpunkt von Sabine Weigands neuem Roman steht Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy. Durch ihre Heirat wurde sie Fürstin von Pless, Gräfin von Hochberg und Freifrau zu Fürstenstein.
Es ...
Im Mittelpunkt von Sabine Weigands neuem Roman steht Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy. Durch ihre Heirat wurde sie Fürstin von Pless, Gräfin von Hochberg und Freifrau zu Fürstenstein.
Es ist ein biographischer Roman, in dem wir als Leser die junge Daisy durch einen großen Abschnitt ihres Lebens begleiten, beginnend mit ihrem Debüt unter Königin Victoria, bis hin zur Zeit nach dem 1. Weltkrieg.
Man erlebt Daisys Entwicklung intensiv mit, wie aus dem unerfahrenen und gutgläubigen jungen Mädchen mit romantischen Träumen eine unglückliche, enttäuschte Ehefrau wird, die zudem von starkem Heimweh nach England geplagt wird. Für ihren Mann zählen nur Äußerlichkeiten, und wenn es nach ihm geht, soll Daisy einfach „funktionieren“ und ihm einen oder auch mehrere männliche Erben schenken. Daneben hat sie nur die Aufgabe, gut auszusehen und sich fürstlich zu benehmen. Aber die anfangs eingeschüchterte, frustrierte junge Frau beginnt, sich aufzulehnen und ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Lange Zeit wird sie als Ausländerin im deutschen Reich nicht akzeptiert, aber dann gewinnt sie mit ihrer natürlichen Art die Gunst des Kaisers.
Als die junge Fürstin Joschi kennenlernt, der aus ärmsten Verhältnissen stammt und sich um die Pferde der Fürstenfamilie kümmert, wird sie durch ihn mit Armut und dem Elend der Menschen in Schlesien konfrontiert. Sie ist erschüttert und beginnt, etwas für die Ärmsten zu tun, ganz gegen den Willen ihres Gatten.
Mit ihren Beschreibungen geht Sabine Weigand sehr ins Detail, und es sind oft die kleinen, realen Episoden, die der Geschichte Authentizität und Leben verleihen. Zwischen den Passagen aus Daisys Sicht kommt auch immer wieder Joschi zu Wort, so dass man viele Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln erlebt. Auszüge aus dem Briefwechsel der jungen Fürstin und diverse Tagebucheinträge runden das Bild gekonnt ab.
Man lernt in Daisys Umfeld viele Persönlichkeiten kennen, ein paar davon fiktiv, die meisten aber real. Sie alle sind sehr gut charakterisiert.
Sabine Weigand präsentiert hier einen äußerst interessanten historischen Roman mit viel Zeitkolorit. Sie beschreibt nicht nur das luxuriöse Leben der feinen Gesellschaft zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern sie macht die starke Kluft deutlich, die zwischen Arm und Reich herrschte, und auch das spätere Kriegsgeschehen schildert sie hautnah.
Die Autorin erklärt es im Nachwort, und man merkt es beim Lesen des Romans auf jeder Seite, wie gründlich sie über das Leben der Daisy von Pless recherchiert hat. Sie hat für dieses Buch die Schauplätze besucht und in Archiven geforscht, und herausgekommen ist das lebendige, facettenreiche Bild einer intelligenten, starken Frau, von der ich vorher noch nichts gewusst habe.