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Veröffentlicht am 08.09.2019

Jedem seine eigene Wahrheit

Ihre Wahrheit
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Gleich zu Beginn des Buches erlebt der Leser eine Panikatacke mit, die Alex aus dem Schlaf reisst. Diese immer wiederkehrenden Anfälle bestimmen das Leben schüchternen, unscheinbaren jungen Mannes, genauso, ...

Gleich zu Beginn des Buches erlebt der Leser eine Panikatacke mit, die Alex aus dem Schlaf reisst. Diese immer wiederkehrenden Anfälle bestimmen das Leben schüchternen, unscheinbaren jungen Mannes, genauso, wie die Alkohlsucht seiner Mutter. Neben seinem eigenen trostlosen Leben, versucht er auch das ihre zu regeln und in halbwegs geordnete Bahnen zu bekommen. Der Leser steht einer vollkommen überforderten, nervlich stark angeschlagenen und zerbrechlichen Hauptfigur gegenüber. Zur Familie gehört auch die ältere Schwester von Alex, Melanie, die in mehr als einer Hinsicht das ganze Gegenteil ihres Bruders ist.


Die Autorin beschreibt sehr ruhig und klar die zerrütteten Familienverhältnisse, die geprägt sind von den Alkoholabstürzen und ständig wechselnden Bekanntschaften der Mutter. Die Co-Abhängigkeit von Angehörigen Süchtiger wird sensibel aber treffend thematisiert. Die Figur des Alex weckt beim Leser Mitgefühl, man möchte ihm gern helfen, sein eigenes Leben auf die Reihe zu bekommen. Den Gegenpol dazu bietet die Schwester. Schon von der Beschreibung her ist die dem Leser unsympathisch, fast unheimlich, es wird schnell klar, welch krude Wahrheit in Melanies Hirn herumspukt.

Das Buch wirkt beim Leser stark auf der psychischen Ebene, natürlich gibt es auch gewalttätige Beschreibungen, aber diese sind relativ emotionslos beschrieben, weil sie für die ausführende Figur eben auch emotionslos sind. Das hat die Autorin gut hinbekommen. An vielen Stellen im Buch wird nur mit kurzen Andeutungen gearbeitet, was wirklich zu Alex Zuständen geführt hat bleibt im dunkeln, erst ganz zum Schluss gibt die Autorin einen Einblick in ein krankes Hirn. Ich persönlich bin mit dem Ende nicht ganz zufrieden gewesen, das kranke Hirn kam mir fast zu gut dabei weg, aber stimmig war es trotzdem.

Hintergründige Beschreibung subtiler Grausamkeiten, Psychoterror innerhalb der Familie.

Veröffentlicht am 18.08.2019

Lauf

Der Blütenjäger: Thriller
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Ein weiterer Fall für die Ermittlerin Laura Kern. Ein Unbekannter entführt junge Frauen, hetzt sie durch den Wald und erschießt sie. Das Ganze erinnert sehr an eine Jagd. Bei den Opfern findet man eine ...

Ein weiterer Fall für die Ermittlerin Laura Kern. Ein Unbekannter entführt junge Frauen, hetzt sie durch den Wald und erschießt sie. Das Ganze erinnert sehr an eine Jagd. Bei den Opfern findet man eine einzelne Blüte und ein Foto, dass die Tote kurz vor ihrer Entführung zeigt. Um einen Einblick in die Psyche des Täters zu bekommen nimmt die Polizei Kontakt zu einer Psychologin auf, die einiges zu den Ermittlungen beitragen kann.


Die Autorin gibt ihrer Geschichte zwei Zeitebenen. Der Leser verfolgt die Ereignisse um den Tod der jungen Frauen in Berlin, und einen zwanzig Jahre zurückliegenden Fall der beteiligten Psychologin. Was beides miteinander zu tun hat erschließt sich im weiteren Verlauf, der Leser wird zum spekulieren angeregt.

Die Geschichte ist spannend erzählt, an möglichen Tätern mangelt es nicht. Gelegentlich treten die Ermittlungen auf der Stelle und um Längen in der Geschichte zu umgehen, bekommt man Einblick in das komplizierte Privatleben von Laura Kern. Die Balance ist hier gut gefunden, das Privatleben der Komissarin ist stimmig in die Geschichte eingebaut.

Bis zum Schluss schafft es die Autorin wieder den Leser und die Ermittler auf die falsche Fährte zu schicken. Obwohl man glaubt, alle Fakten zu kennen und die richtig zugeordnet zu haben, liegt man daneben. Die Auflösung der Geschichte ist gut erklärt, die losen Enden finden zusammen, aber irgendwie war es für mich nicht ganz rund.

Veröffentlicht am 21.04.2019

Man sollte vorbereitet sein

Die Bach runter
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Auf dem Cover des Buches sieht alles sehr idyllisch aus. Grasende Schafe in der Abenddämmerung. Die etwas düsteren Wolken lassen allerdings erahnen, dass es mit der Idylle wohl nicht weit her ist. Ein ...

Auf dem Cover des Buches sieht alles sehr idyllisch aus. Grasende Schafe in der Abenddämmerung. Die etwas düsteren Wolken lassen allerdings erahnen, dass es mit der Idylle wohl nicht weit her ist. Ein Wanderschäfer ist der Erste, dem das auffällt, denn er findet nahe seines Schäfer-Wagens ein Baby, abgelegt in der warmen Asche eines Lagerfeuers.

Die Suche nach der Mutter ist der Einstieg, für den Leser und Kommissar Bär, in die sogenannte Prepper Szene. Prepper sind Personen, die sich für den Fall wappnen, dass die Zivilisation den sprichwörtlichen Bach runter geht.

Die Autorin gibt Einblick in diese Szene, die ich bisher nur aus den USA kannte. Die Verbindung zwischen den Preppern im Buch, zum gefundenen Baby vom Anfang und zwei inzwischen aufgetauchten Leichen bleibt lange unklar. Der Kommissar und seine Freundin, die frei Journalistin Roberta, werden davon aber ziemlich auf Trab gehalten.

Die Geschichte ist spezieller, mal was Anderes, aber vielleicht nicht immer ganz nachvollziehbar in den Motiven. Gerade wenn es um die Vorgeschichte des Babys geht.
Die Figuren sind gut charakterisiert. Der Leser hat gleich Tendenzen zu Gut und Böse, obwohl die Grenzen da nicht immer ganz klar sind. Der Fall wird spannend erzählt, aufgelockert durch Einblicke in das Privatleben des Kommissars und sein aktuelles Chaos in Liebesdingen. Ich mag es immer ganz gern, wenn in einem Krimi auch der familiäre Hintergrund der Ermittler seinen Platz hat. Es macht die Figuren glaubwürdig und gibt ihnen Substanz.

Gut gemachter Krimi, zu gleich zwei Interessenten und aktuellen Themen, aus dem Emons Verlag.

Veröffentlicht am 28.03.2019

Was weiß ich wirklich über meine Nachbarn

Mordsirrtum
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Die Autorin hat schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es sich bei ihrer Geschichte nicht um einen klassischen Krimi handelt. Es gibt zwar einen kriminalistischen Hintergrund, einen Einbruch und den ...

Die Autorin hat schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es sich bei ihrer Geschichte nicht um einen klassischen Krimi handelt. Es gibt zwar einen kriminalistischen Hintergrund, einen Einbruch und den verschwundenen Mieter der betroffenen Wohnung, aber keine Aufklärung des Verbrechens, wie man es sonst liest. Der Leser folgt Nachbarin Ellen, der durch die Befragung der Polizei bewusst wird, wie wenig sie eigentlich über die anderen Bewohner des Mehrparteienhauses und des Wohnblocks weiß. Beim Versuch mehr über die Nachbarschaft zu erfahren, geht sie etwas ungewöhnliche Wege. Sie setzt aus vielen kleinen Puzzelteilchen ein vollkommen neues Gesamtbild ihres Kiezes zusammen.


Der Leser lernt nur wenige Personen der Nachbarschaft persönlich kennen. Meist treten sie in Erscheinung, wenn sie im Gespräch mit Ellen ihr Wissen über die Nachbarn teilen. Allen Anderen begegnet man nur über die beim Kaffee, oder auf der Straße ausgetauschten Informationen. Ellen entwickelt dabei einen großen Ehrgeiz und sammelt immer mehr Klatsch und Tratsch, sehr zum Leidwesen ihres Mannes.
Bei den vielen, nur namentlich auftauchenden Personen habe ich das ein oder andere Mal den Durchblick verloren. Es fiel mir schwer die Informationen der jeweiligen Person zuzuordnen. Die Hauptfigur Ellen und ihr Ehemann werden sehr präzise und nachvollziehbar in ihrem Wesen und ihrem Tun beschrieben.

Die Autorin zeigt ein gutes Auge für Zwischenmenschliches. Die Beschreibung der Beziehung und Interaktion in einem relativ beschränktem Umfeld sind treffend und realitätsnah. Am Ende fragt man sich, wie viel weiß ich eigentlich von den Menschen mit denen ich Tür an Tür wohne, die ich täglich durch das Fenster beobachte, oder vom Balkon aus grüße. Interessiert es mich wirklich, wie die Anderen leben, oder will ich möglichst meine Ruhe? Wie aktiv bin ich in den Mikrokosmos meiner Nachbarschaft eingebunden? Könnte einer meiner Nachbarn ein Verbrecher sein?

Veröffentlicht am 16.03.2019

Die böse 40

Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zu werden
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Alterstechnisch bin ich genau die richtige Zielgruppe für dieses Buch. Mit der 40 auf der Geburtstagstorte hatte ich nicht wirklich Probleme, aber wenn es morgens im Rücken zwickt, oder man Freitagabend ...

Alterstechnisch bin ich genau die richtige Zielgruppe für dieses Buch. Mit der 40 auf der Geburtstagstorte hatte ich nicht wirklich Probleme, aber wenn es morgens im Rücken zwickt, oder man Freitagabend lieber vorm Fernseher lümmelt als um die Häuser zu ziehen, kommt man dann doch ins Grübeln.

Wenn sich die ersten körperlichen Wehwehchen einschleichen merkt man halt schon, dass das tatsächliche vom gefühlten Alter abweicht. Kein Grund zu jammern verspricht allerdings die Autorin und in mehreren Kapiteln erklärt sie auch warum.

Der Stil des Buches ist leicht und oft mit einem Augenzwinkern. Es enthält viel persönliche Erfahrungen und Gedanken der Autorin, aber auch Gespräche mit anderen Frauen über deren Gefühle und Erlebnisse. Man findet einiges an Wissenswertem und auch ein paar Statistiken und Testergebnisse.

Nicht jedes der verschiedenen Kapitel konnte mich mitnehmen. So hab ich mich in Kapitel zwei teils stark an einen Beziehungsratgeber erinnert gefühlt, beim Thema Beruf hab ich stellenweise einige Seiten überblättert. Andere Kapitel haben mich sehr berührt, zB wenn es um die Familie ging. Ich habe mich an vielen Stellen wiedererkannt und verstanden gefühlt. Vieles hat mich zum Nachdenken angeregt. Die Autorin beweist hier Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis.

Das Buch ist eine kurzweilige Lektüre, für Alle, die der bösen 40 mit Unbehagen entgegen sehen, und für Alle, die die 40 schon erreicht haben und gemerkt haben - so schlimm ist es gar nicht.
Für Alle, die das Glas lieber halb voll, als halb leer sehen