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Veröffentlicht am 25.09.2019

Aufbruch in ein neues Leben

Das Weingut. Aufbruch in ein neues Leben
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Dies ist, nach „In stürmischen Zeiten“, der zweite Band über „Das Weingut“ von Marie Lacrosse. Ging es im ersten Band um die Zeit des Deutsch-französischen Kriegs, so dreht sich die Handlung in diesem ...

Dies ist, nach „In stürmischen Zeiten“, der zweite Band über „Das Weingut“ von Marie Lacrosse. Ging es im ersten Band um die Zeit des Deutsch-französischen Kriegs, so dreht sich die Handlung in diesem Folgeband um die wirtschaftliche und politische Lage der Nachkriegszeit. Im Mittelpunkt des Romans steht die Weinhändlerfamilie Gerban. Franz, der Sohn des Inhabers Wilhelm Gerban, kommt versehrt aus dem Krieg zurück und muss feststellen, dass seine Geliebte, das Dienstmädchen Irene, verschwunden ist. Niemand kann oder will ihm sagen, wie es dazu kam, was Irene dazu bewegt hat, ohne Abschied zu gehen. Was dahinter steckt, wissen diejenigen, die den ersten Band bereits gelesen haben. Da Band 1 nicht in sich abgeschlossen war, sondern mit einem gewaltigen Cliffhanger endete und vieles ungeklärt blieb, war ich sehr gespannt, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Aus diesem Grund empfehle ich auch, unbedingt Band 1 erst zu lesen. Zwar wird auch im vorliegenden Band auf vieles eingegangen, was sich damals abgespielt hat, aber die Informationen sind nicht umfassend, sondern bleiben eher vage.

Zu den Charakteren kann ich sagen, sie machen allesamt eine starke Entwicklung durch, manche zum Positiven, manche auch eher umgekehrt. Die Handlung teilt sich in vier große Blöcke und innerhalb der fortlaufenden Kapitel noch in viele kurze Abschnitte, die in der Überschrift jeweils über Ort und Zeit informieren, wo und wann sich die beschriebenen Szenen abspielen. Geschickt lässt die Autorin bei den kurzen Abschnitten die Handlung am Ende offen, so dass man automatisch immer weiter lesen möchte, um schnell zu erfahren, wie es weiter geht. Obwohl die gesamte Handlung sehr geschichtsträchtig ist, liest sich der Roman flüssig, denn der Schreibstil ist sehr schön und eingängig. Es werden viele brisante Themen der damaligen Zeit angesprochen, beispielsweise das schwere Schicksal und die Ausbeutung der Arbeiterklasse und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der armen Menschen. Auch Kinderarbeit war damals an der Tagesordnung, und vor allem die Sicherheit der Arbeiter war oft nicht gewährleistet. Hier hat die Autorin ausgiebig recherchiert, und für ihre Charaktere gibt es häufig reale Vorbilder, wie sie im Nachwort erklärt.

Auch das Leben und die Arbeit auf dem Weingut kommen nicht zu kurz, und man erfährt so einiges über den Weinanbau.

Ein weiteres historisches Thema ist die politische Situation nach dem Krieg im annektierten Elsass. Viele Anordnungen der nun preußischen Regierung stürzten die ehemaligen Franzosen in schwere Identitätsprobleme.

Außerdem erfährt man viel über die damalige Psychiatrie und die Behandlungsmethoden in einem Irrenhaus des 19. Jahrhunderts. All das spielt eine wichtige Rolle im Leben der Familie Gerban und wurde sehr gekonnt in die Handlung eingebunden.

Wer das Cover des Buches betrachtet, erwartet vermutlich etwas ganz anderes, aber spätestens wenn klar wird, dass sich hinter dem Pseudonym Marie Lacrosse die Autorin Marita Spang verbirgt, wird klar, dass hinter dem schönen Titelbild keinesfalls ein seichter, romantischer Liebesroman steckt, sondern ein fundierter und exzellent recherchierter historischer Roman. Dieser zweite Band hat mir noch besser gefallen als der Vorgänger, denn diesmal ist das Ende rund und für mich zufriedenstellend. Anfangs bin ich davon ausgegangen, das „Das Weingut“ sei als Dilogie angelegt und wäre damit auch durchaus zufrieden gewesen, aber in Kürze erscheint der dritte Band. Momentan kämpfe ich noch mit mir, ob ich auch Band 3 lesen soll. Eine Leseprobe im vorliegenden Buch zeigt, dass sich die Handlung dann in eine völlig neue Richtung wendet. Wie gesagt, ich war mit dem Abschluss dieses Bandes mehr als zufrieden und bin mir momentan noch nicht sicher, ob ich wirklich erfahren möchte, wo die Geschichte weiter hinführt. Aber hier geht es ja in erster Linie um Band 2, und den kann ich absolut empfehlen.



Veröffentlicht am 10.09.2019

Ein kurzweiliger, heiterer Inselroman

Die Inselfreundinnen
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An einem Abend, als die drei Freundinnen Clara, Vicki und Rachel aus Liebeskummer dem Sekt etwas intensiv zugesprochen hatten, ersteigerten sie im Internet eine alte Dorfschule auf Wangerooge. Anfangs ...

An einem Abend, als die drei Freundinnen Clara, Vicki und Rachel aus Liebeskummer dem Sekt etwas intensiv zugesprochen hatten, ersteigerten sie im Internet eine alte Dorfschule auf Wangerooge. Anfangs sind die drei Frauen geschockt über ihre eigene Courage, aber letztendlich sehen sie es als eine Chance zur Veränderung, die sie alle drei dringend brauchen. Darum lassen sie sich auf diese waghalsige Unternehmung ein, denn die alte Schule ist in einem ziemlich heruntergekommenen Zustand,und es steht schnell fest, dass sie hier einiges investieren müssen, einerseits materiell aber auch Zeit. Aber sie haben vor, ein Hotel für Menschen mit Liebeskummer zu eröffnen.
Sehr bald nach ihrer Ankunft auf der Insel begegnen die Freundinnen ihrem „Nachbarn“. Der Aushilfs-Schäfer Jonathan treibt seine Schafherde nämlich ausgerechnet immer über den angrenzenden Schulhof, was den neuen Besitzerinnen ganz und gar nicht gefällt. Aber da ist etwas in Jonathans Blick, das besonders Clara schnell den Wind aus den Segeln nimmt, denn wenn er sie ansieht, kann sie nicht mehr klar denken.

Diesmal nimmt uns Brigitte Janson mit auf die Insel Wangerooge. Es ist ein kurzweiliger Roman mit viel Lokalkolorit, einerseits heiter aber auch mit ernsten Tönen, denn vor allem über die alte Insulanerin Rieke erfährt man viel über Wangerooges zum Teil sehr tragische Geschichte. Auch die Atmosphäre der Insel ist wunderbar eingefangen. Ich war selbst noch nie auf Wangerooge, habe aber direkt Fernweh bekommen und konnte mir die geschilderten Situationen sehr gut vorstellen. Auf jeden Fall wird es im wahrsten Sinn des Wortes stürmisch auf der Insel – in jeder Beziehung.
Sehr gut haben mir die verschiedenen Charaktere gefallen. Da sind zum einen die drei Freundinnen, die unterschiedlicher gar nicht sein könnten, und es ist wunderbar und interessant beschrieben, wie sie sich gerade durch ihre Verschiedenheit ergänzen und wie unterschiedlich sie mit der neuen Situation auf der Insel umgehen. Der wortkarge Jonathan ist anfangs ein Buch mit sieben Siegeln. Eigentlich würde er recht gut zu dem Frauentrio passen, denn auch er hat Liebeskummer. Aber da muss erst seine Tochter ihre Ferien auf Wangerooge verbringen, um ihren Vater aus seiner selbst gewählten Isolation zu holen.
Besonders ist mir im Lauf der Handlung Rieke ans Herz gewachsen. Die alte Dame ist lebensklug und resolut und spielt nur zu gerne ein wenig Schicksal. Aber auch sie ist nicht gegen falsche Entscheidungen gefeit, und ihre „Vermittlungskünste“ bringen zusätzlich noch einige Turbulenzen in die Geschichte.
Ich habe diesen Roman mit großem Vergnügen gelesen und kann ihn als Urlaubslektüre wärmstens empfehlen, denn man kann so richtig schön in die Handlung abtauchen.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Grandioser Blick zurück in die frühere Geschichte der Waringhams zur Zeit von Richard Löwenherz und John Ohneland

Teufelskrone
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Dies ist der sechste Band von Rebecca Gablés Waringham-Saga. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden schließt sich die Handlung diesmal aber nicht chronologisch an, sondern sie spielt fast zweihundert Jahre ...

Dies ist der sechste Band von Rebecca Gablés Waringham-Saga. Im Gegensatz zu den vorherigen Bänden schließt sich die Handlung diesmal aber nicht chronologisch an, sondern sie spielt fast zweihundert Jahre früher als „Das Lächeln der Fortuna“. Genau genommen erleben wir die letzten Jahre der Regierungszeit von Richard Löwenherz und im Anschluss die Krönung und Herrschaft seines Bruders John „Ohneland“. Ein zweites Brüderpaar steht im Mittelpunkt des Romans, und das sind Guillaume und Yvain of Waringham. Im Gegensatz zu den königlichen Brüdern, die mehr oder weniger verfeindet sind, ist die Beziehung der Waringham-Brüder von Zuneigung geprägt, obwohl sie verschiedenen Seiten dienen. Während der ältere Guillaume seinen Herrn, Richard Löwenherz, auf einem Kreuzzug begleitet hat und sehr betroffen über Richards Gefangennahme kurz nach der Rückkehr aus dem heiligen Land ist, steht dem jüngeren Yvain etwas ganz anderes bevor, denn sein Vater, Lord Jocelyn of Waringham, hat für ihn eine Laufbahn bei den Templern vorgesehen. Doch es kommt alles ganz anders, denn er tritt bei Prinz John seinen Dienst als Knappe an. Fortan stehen Yvain und Guillaume auf verschiedenen Seiten, was durchaus zu kritischen Situationen und sogar zu einem Zerwürfnis führen könnte, aber die Brüder schließen einen Pakt, dass, ganz egal was zwischen König Richard und Prinz John geschehen wird, dies nicht zu einer Fehde zwischen ihnen selbst führen soll. Und doch gibt es eines, was die Brüder einerseits gemeinsam haben, was auch einen Keil zwischen sie treiben könnte, und das ist die Liebe zur selben Frau.

Zur Handlung, die sich von 1193 über die folgenden 23 Jahre erstreckt, möchte ich gar nicht allzu viel sagen, denn die Ereignisse sind so vielfältig, umfangreich und fesselnd, dass ich dem nicht in wenigen Sätzen gerecht werden könnte. Es wäre auch gar nicht Sinn der Sache, viel zu verraten, denn gerade das Buch selbst zu lesen und gefühlsmäßig mittendrin zu sein, ist eine Erfahrung, die jeder für sich machen sollte. Vieles was geschildert wird, gerade die unglaublichsten Ereignisse, sind wirklich passiert. Realität und Fiktion hat Rebecca Gablé auch in diesem Buch kunstgerecht verschmolzen. Die Grenzen zwischen Wahrheit und erfundener Geschichte sind fließend, und es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wie es der Autorin gelingt, stets die richtigen Worte zu finden und ihre Leser mitzureißen. Auch dieses Buch ist wieder eine tolle Mischung aus englischer Geschichte, Abenteuer, Ritterleben und Romantik. Bei einigen wichtigen historischen Ereignissen hat man das Gefühl, selbst dabei zu sein, so plastisch und lebendig sind sie erzählt, beispielsweise erlebt man die Entstehung der Magna Carta hautnah mit.

Neben ihrem fundierten Wissen und dem packenden Erzählstil sind es die vielschichtigen Charaktere, die mir an Rebecca Gablés Büchern besonders gefallen. Mit Yvain of Waringham hat sie auch diesem Roman einen charmanten, sympathischen Protagonisten gegeben, der über viele ritterliche Tugenden verfügt, zugleich aber das Herz auf der Zunge trägt und sich manchmal dadurch selbst in Gefahr bringt. Yvain ist einerseits ein tapferer Held, der viele Schlachten zu schlagen hat, wobei ich nicht nur die mit dem Schwert meine, bei denen er für den König kämpft. Sehr oft gewährt uns die Autorin aber auch einen tiefen Blick in seine Gedanken und seine Seele, und da wird schnell klar, dass sich hinter seiner harten Schale ein sensibles Herz verbirgt und dass auch dieser tapfere Ritter nicht gegen Angst und Sorgen gefeit ist. Viele von Yvains Eigenschaften und Vorlieben erkennt man wieder, wenn man die Waringham-Saga von Anfang an verfolgt hat, denn der Ritter und seine Familie haben ihren Nachfahren so manches vererbt, sei es die besondere Liebe zu Pferden oder die „gläsernen Träume“, ganz besonders aber die unerschütterliche Loyalität ihren weltlichen Herrschern gegenüber. Bei Yvain ist das König John, der seinem Bruder Richard, nach dessen Tod, auf den Thron folgt. John ist eine facettenreiche Persönlichkeit, die ich hier noch einmal neu kennengelernt habe. Während sein Bruder Richard Löwenherz stets als Held gefeiert wird, ist John meist als abgrundtief böse dargestellt.

Wie es damals wirklich war, welche Charaktereigenschaften und welches Verhältnis zueinander die königlichen Brüder hatten, können wir heutzutage nur vermuten bzw. uns auf die Überlieferungen stützen. Letztendlich müssen wir uns aus den vorhandenen Fakten selbst ein Bild zurechtlegen. Die Eindrücke, die ich von Richard Löwenherz und seinem Bruder John bisher hatte, haben durch Rebecca Gablés Roman viele neue Facetten dazu bekommen, denn hier wird gezeigt, dass auch Richard ein brutaler Herrscher war und falsche Entscheidungen traf und dass auch John, trotz seiner vielen negativen Eigenschaften, durchaus auch menschliche Regungen zeigen konnte, wenn auch eher selten.

Ich könnte hier noch ewig so weiter erzählen, denn es gäbe noch so viel zu erwähnen, was bei einem Roman mit über 900 Seiten nicht verwundert. Zum Abschluss bleibt mir eigentlich nur zu sagen, dass es wieder ein wundervoller, lebendiger und mitreißender Roman ist, der seinen Vorgängern in nichts nachsteht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 27.08.2019

Nach dem Happy End geht das Leben weiter

Solange sie tanzen
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Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er erzählt die Geschichte von Ada und Hans Friedberg.
In der Gegenwart gibt es nur noch Ada, denn Hans ist ein Jahr zuvor gestorben. Ihr Tagesablauf dreht sich mittlerweile ...

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er erzählt die Geschichte von Ada und Hans Friedberg.
In der Gegenwart gibt es nur noch Ada, denn Hans ist ein Jahr zuvor gestorben. Ihr Tagesablauf dreht sich mittlerweile fast ausschließlich um den Boxer Hemingway, der ihre ganze Liebe und Sorge beansprucht. Sie ist viel allein und blickt zurück auf ihr erfülltes, glückliches Leben. So erfährt man, wie sich Ada und Hans kennengelernt und verliebt haben. Aber das Glück war nicht ungetrübt, und für das junge Paar galt es, viele Hürden zu überwinden, denn Ada stand zwischen den Fronten. Ihr Vater, ein eingefleischter und unbelehrbarer Nationalsozialist, wollte Hans Friedberg nicht in seinem Haus und seiner Familie dulden, denn Hans war jüdischer Abstammung. Wehmütig erinnert sich Ada an die alten Zeiten und erlebt in Gedanken noch einmal viele Ereignisse von damals. Als sie eines Tages entdeckt, dass in dem alten Haus, von dem sie und Hans immer geträumt haben, Licht brennt und hinter dem erleuchteten Fenster ein Paar tanzt, ist sie fasziniert und beobachtet die Tänzer täglich aufs Neue durch ihr Fernglas.
Mit der Zeit merkt Ada zu ihrem großen Schrecken, dass sie immer vergesslicher wird. Mehr und mehr versinkt sie in ihrer eigenen Welt, da mischt sich Reales mit ihren Träumen, und die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart werden durchlässig und verschwimmen. Aber immer wenn Ada das tanzende Paar beobachten kann, ist sie glücklich und ihre kleine Welt in Ordnung.

Dieses Buch hat so viele Facetten!
In erster Linie beinhaltet es eine ganz besondere, sehr berührende Liebesgeschichte. Sehr realistisch wird Adas und Hans‘ Leben im Alltag beschrieben, denn auch Liebende schweben nicht immer auf rosa Wolken. Es gibt so vieles, was eine Beziehung verkraften muss, und wie Hans so treffend bemerkt, „Nach dem Happy End geht das Leben weiter“.
Ein weiteres großes Thema des Romans ist Adas Problem mit dem Vergessen. Die alte Dame gleitet immer weiter in die Demenz, und ihre Gedanken und Reaktionen in den Momenten, wenn ihr bewusst wird, dass sie wieder einmal etwas Gravierendes vergessen hat und sich an Stunden oder ganze Tage nicht erinnern kann, ebenso wie die Reaktionen ihrer Mitmenschen, sind sehr feinfühlig und achtsam beschrieben.
Dazwischen gibt es viele kurze aber bedeutsame Episoden, die zeigen, dass es oft die kleinen Katastrophen sind (in diesem Fall beispielsweise ein defekter Aufzug), die Menschen aus der Anonymität holen und näher zusammenführen.

Schon lange hat mich kein Roman derart intensiv berührt wie diese starke Geschichte mit wunderbaren Charakteren und bittersüßem Ende. Ich habe mit Ada gelacht und geweint, mich mit ihr gefreut und getrauert. Ich habe in meinem privaten Umfeld momentan häufiger Kontakt zu mehreren alten Menschen, die unterschiedlich stark von Demenz betroffen sind, und viele von Adas Reaktionen kamen mir nur allzu bekannt vor. Schon aus diesem Grund ist mir diese Geschichte ganz besonders nahe gegangen.
Es ist ein Roman der leisen Töne, der jedoch lange im Gedächtnis haften bleibt und nachhallt, der beeindruckt und sehr berührt.

Veröffentlicht am 25.08.2019

Die Fährmannstochter

Die Fährmannstochter
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„Die Fährmannstochter“ ist im Februar 2015 erschienen und war der Auftakt zu einer neuen Reihe von Andrea Schacht. Die Protagonistin, Myntha, die Fährmannstochter, ist „besonders“ wenn man ihre Familie ...

„Die Fährmannstochter“ ist im Februar 2015 erschienen und war der Auftakt zu einer neuen Reihe von Andrea Schacht. Die Protagonistin, Myntha, die Fährmannstochter, ist „besonders“ wenn man ihre Familie oder ihre wenigen Freunde fragt. Für Fremde ist sie eine Unholdin, denn nach einem schweren Schicksalsschlag neigt sie zum Schlafwandeln, und das ist vielen ihrer Mitmenschen unheimlich. Ein weiterer wichtiger Charakter im Roman ist Frederic Bowman. Er ist auf der Flucht vor einem Unbekannten, der sein Leben und das seines Sohnes Emery bedroht. Auch er ist den Menschen nicht geheuer, denn er zähmt Raben und richtet sie als „Schutzmannschaft“ für sich ab. Aber auch neben diesen beiden Hauptpersonen gibt es einige interessante Charaktere im Buch. Da ist einmal Mynthas Familie. Ihr Vater neigt zu Wahnvorstellungen und phantasiert gerne von Rheinnixen und Goldschätzen, und auch ihre Großmutter Enna wirkt ein wenig versponnen. Ihre Brüder Withold und Haro sind starke, bärtige Männer, aber extrem schüchtern, und Myntha möchte sie gerne unter die Haube bringen. Als geeignete Frau für einen ihrer Brüder sieht sie ihre Freundin Bilke, die Nonne werden soll, so wollen es zumindest ihre Eltern. Bilke selbst ist nicht erbaut von dieser Idee und verlässt das Kloster, so oft sie kann.
Als es zu mehreren Brandunfällen kommt, werden schnell Stimmen laut, die entweder Myntha die Schuld zuschieben wollen oder den „Rabenmeister“ verdächtigen. Aber es gibt auch immer wieder Gerüchte von gestrecktem oder gepanschtem Weihrauch, und sowohl Myntha als auch Frederic forschen auf eigene Faust, was hinter den mysteriösen Bränden steckt, denn immer ist dabei Weihrauch im Spiel. Unterstützt werden sie dabei von Henning, einem jungen Taschendieb, den Frederic bei sich aufgenommen hat. Wie Frederic, so hat auch Henning vermutlich eine schwere Vergangenheit und einige Geheimnisse, denn er gibt nichts von seinem Vorleben preis. Genauso verschlossen wie Henning ist auch die Pilgerin Agnes, die ins Fährhaus eingezogen ist und an Fährmeister Reemt van Huysens Lippen hängt, wenn er einmal wieder von den Rheinnixen und dem Goldschatz erzählt.
Vor allem für Myntha wird es im Verlauf des Romans richtig gefährlich, denn der Mühlheimer Vikar Volmarus wähnt sie von Dämonen besessen und will die junge Frau vernichten. Die Geschichte ist sehr fesselnd erzählt, und ich mag den Schreibstil der Autorin sehr gerne, denn er ist reich an Metaphern und Wortspielereien. Sprachlich ist der Roman der Zeit gut angepasst, was meiner Meinung nach für Autoren sicher nicht einfach ist, denn hier muss behutsam überlegt werden, welche Worte und Redewendungen man den Menschen des beginnenden 15. Jahrhunderts in den Mund legt, so dass es auch glaubwürdig wirkt. Das ist Andrea Schacht hier wieder ausgezeichnet gelungen. Im Verlauf der Handlung habe ich festgestellt, dass die Reihe um Myntha wohl auf früheren historischen Reihen aufbaut, denn Frau Alyss kommt ins Spiel, und auch über sie gibt es eine Reihe, ebenso wie über ihre Mutter, die Begine Almut. Bisher hatte ich nur einige Einzelbände der Autorin gelesen, aber durch Myntha bin ich nun auf den Geschmack gekommen und werde mir auch die erwähnten älteren Reihen näher ansehen. Alles in allem hat mir dieser erste Band ausgezeichnet gefallen. Die Handlung ist, was den Fall mit den Bränden angeht, abgeschlossen, aber einige lose Fäden wollen noch verknüpft werden. Dass dies geschieht, weiß ich ganz sicher, denn ich habe inzwischen mit dem Folgeband begonnen, und es geht spannend weiter.

Einen Kritikpunkt habe ich, allerdings betrifft dieser nicht den Roman selbst, sondern das Cover. Die junge Frau, die darauf abgebildet ist, findet sich auf allen weiteren Bänden wieder, und man geht davon aus, dass es sich bei ihr um die Fährmannstochter handelt. Die Myntha in meinem Kopfkino ist also schwarzhaarig wie auf dem Titelbild. Ich habe dann einigermaßen gestutzt, als ich eine Beschreibung über die junge Frau im Buch gelesen habe, und dort wird sie als zart und silberblond beschrieben. Ich weiß, dass Autoren bei der Covergestaltung oft wenig Mitspracherecht haben, aber ich würde mir wünschen, dass man markante Persönlichkeiten, so wie sie im Buch beschrieben sind, auch auf dem Cover wiedererkennen kann.
Aber für die falsche Illustration kann ja die Autorin nichts, und der Roman selbst hat volle fünf Sterne verdient.