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Veröffentlicht am 12.09.2019

Das ganz normale Grauen

Harz
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Genre:

Meines Erachtens ist dies ist kein klassischer Krimi oder Thriller, sondern eher ein zutiefst verstörendes Familiendrama, das sich gekonnt über Genregrenzen hinwegsetzt.

Spannungsbogen:

Das Buch ...

Genre:

Meines Erachtens ist dies ist kein klassischer Krimi oder Thriller, sondern eher ein zutiefst verstörendes Familiendrama, das sich gekonnt über Genregrenzen hinwegsetzt.

Spannungsbogen:

Das Buch entwickelt jedoch eine ungemeine Spannung – eine düstere Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. Man schaudert, man ekelt sich, man wird geschüttelt von Grauen und Mitleid, aber man kann das Buch kaum einmal weglegen. Das erklärt wohl, warum Ane Riel für diesen Nicht-Krimi den dänischen, norwegischen und schwedischen Krimipreis erhielt, sowie den Preis für den besten Kriminalroman Skandinaviens insgesamt.

Charaktere:

Der Familienvater fällt durchs Raster und reißt Frau und Tochter mit sich in den Abgrund. Da blutete mir das Herz, nicht nur für die unschuldige kleine Liv, sondern auch für ihn selbst. Er ist nicht hassenswert, obwohl er furchtbare Dinge tut, denn er ist nicht böse, sondern motiviert von Angst und Leid – und fehlgeleiteter Liebe, die dennoch tief und wahrhaftig ist. Seine Obsession entsteht aus dem verzweifelten Versuch, das zu beschützen und festzuhalten, was ihm wichtig ist.

Überhaupt ist Liebe der treibende Faktor für alle wichtigen Charaktere, und so kann man nicht umhin, mit ihnen mitzufühlen und mitzuleiden.

Einen Großteil der Geschichte erlebt man aus Sicht von Liv, für die ihr alles andere als normales Leben eben doch die Normalität ist. Alles ganz logisch und richtig. Von ihrem Vater lernt sie, Tiere zu töten, in fremde Häuser einzubrechen und zu stehlen, ohne das geringste Unrechtsbewusstsein. Kleine Kinder akzeptieren die Welt noch, die ihnen ihre Eltern vorgeben, ohne dies zu hinterfragen. Da beschleicht den Leser schon ein mehr als ungutes Gefühl, aber das wahre Grauen bricht erst über einen herein, sobald Außenstehende den Mikrokosmos der Familie betreten.

Schlüssigkeit und Wirkung:

Es ist ein geschickter Schachzug der Autorin, sie zu Wort kommen zu lassen: Den neugierigen Postbote, der nur deshalb die Grenzen austestet, um etwas zum Tratschen zu haben. Den Wirt der Dorfkneipe, der aus ehrlicher Besorgnis um das Kind handelt, das er dabei beobachtet hat, wie es des Nachts Lebensmittel und andere Dinge stiehlt.

Auf einmal sieht und hört und riecht und schmeckt man schonungslos, was bisher nur zu erahnen war, weichgezeichnet durch den Filter der vermeintlichen Normalität.

Weg mit dem Filter, weg mit der Normalität, da rascheln die Ratten, stinkt es nach Blut und Urin, wimmert die Mutter, da stürzt man in ein ganz tiefes Loch, wie Alice in den Kaninchenbau… Nur das unten kein Wunderland wartet. Das ist entsetzlich, grauenhaft, ekelhaft, schauderhaft, da schüttelt es einen geradezu. Und das, ohne dass die Autorin auf billige Effekthascherei zurückgreift.

Schreibstil:

Die Autorin setzt den Schreibstil meisterhaft ein. Die klare und oft schlichte, fast nüchterne Sprache lässt umso deutlicher hervortreten, was in dieser Familie alles schiefläuft. In anderen Szenen baut sie mit prägnanten Bildern eine dichte Atmosphäre auf – besonders in den Passagen des Buches, in denen man die Geschehnisse aus den Außen der Außenstehenden sieht.

FAZIT

Ein kleines Mädchen ertrinkt – angeblich. Tatsächlich hat ihr Vater das nur vorgetäuscht, um sie für tot erklären zu lassen und nicht in die Schule schicken zu müssen. Er handelt aus Liebe, aber was er erschafft, ist ein familiärer Albtraum, eine verkehrte Welt, die für seine Tochter ganz normal ist.

Obwohl das Buch meines Erachtens kein Psychothriller ist, sondern ein düsteres Familiendrama, fand ich es nervenzerfetzend hochspannend und werde noch lange darüber nachdenken. Die Autorin zieht alle Register, um unglaublich viel Atmosphäre zu erzeugen und Charaktere zu erschaffen, die sich einer einfachen Einteilung in gut oder böse entziehen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein wahre Geschichte, fantasievoll ausgeschmückt

Die Seidendiebe
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So abenteuerlich die Geschichte des Buches auch klingt, beruht sie doch auf einer wahren Begebenheit:

Zwei als Mönche verkleidete Männer sollen tief im Herzen Chinas einige der unbezahlbaren Seidenraupen ...

So abenteuerlich die Geschichte des Buches auch klingt, beruht sie doch auf einer wahren Begebenheit:

Zwei als Mönche verkleidete Männer sollen tief im Herzen Chinas einige der unbezahlbaren Seidenraupen und damit das streng gehütete Geheimnis der Seidenproduktion gestohlen und dann an den byzantinischen Hof gebracht haben - so berichtet es der spätantike Historiker Prokopios von Caesarea, der etwa zwischen 500 und 562 n.Chr. lebte. Was für uns heute vielleicht zunächst nicht nach einer sonderlich bemerkenswerten Heldentat klingt, bedeutete damals doch eine unglaubliche wirtschaftliche Macht.

Dirk Husemann greift diese Geschichte auf und verwebt in seinem Buch historische Fakten mit opulenter Atmosphäre, lebendigen Charakteren, fabulösem Abenteuer und einem reichen Schreibstil, der sich mal liest wie ein orientalisches Märchen, dann wieder wie ein Schelmenepos, manchmal sogar wie ein Eastern. Vieles hat der Autor sicher dazu erdichtet, aber in meinen Augen verschwimmen die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, so dass sich das Ergebnis nathlos, glaubhaft und schlüssig liest - und dabei sehr spannend und unterhaltsam. Ich hatte wirklich den Eindruck, einen Einblick in eine lang vergangene Zeit und mir vollkommen fremde Orte zu erhaschen, dabei aber kein trockenes Geschichtsbuch zu lesen.

Ganz ehrlich? Ich muss zugeben, dass ich immer ein bisschen mit Berührungsängsten zu kämpfen habe, wenn ich einen historischen Roman lese. Meine Befürchtung ist stets, dass mein historisches Grundwissen möglicherweise nicht ausreicht, um den Roman wirklich gebührend würdigen zu können oder auch nur alles zu verstehen. Deswegen kann ich guten Gewissens sagen: "Die Seidendiebe" nimmt einem solche Berührungsängste schnell, denn die spannende Geschichte trägt den Leser mühelos über die Jahrhunderte hinweg. Und zumindest bei mir hat sie den Wunsch geweckt, mal wieder zu einem Geschichtsbuch zu greifen und mehr über die Zeit zu erfahren, in der das Buch spielt!

Ein Wort zu den Charakteren: mein erster Eindruck von Taurus und Olympiodorus war kein allzu positiver. Sie kamen mir arrogant und selbstherrlich vor, sich ihrer Bedeutung als Bruder und Neffe des byzantinischen Kaisers mehr als bewusst. Außerdem sind sie ja eigentlich nicht unbedingt die Guten in dieser Geschichte, schließlich ist ihre Mission Spionage und Diebstahl! Aber im Buch vergeht eine größere Zeitspanne, in denen die beiden Männer mehr erleben als andere Menschen in einem ganzen Leben, und das geht nicht spurlos an ihnen vorbei... Sie wachsen an ihren Abenteuern, und letztendlich sind sie mir doch sehr ans Herz gewachsen, genauso wie viele der Nebencharaktere.

Dirk Husemann stellt Taurus und Olympiodorus die buddhistische Nonne Helian Cui zur Seite, die zwar nur durch eine Kette von Zufällen in diesen abenteuerlichen Diebeszug hineingerät, aber durchaus ihre eigenen Geheimnisse hat, die sie verfolgen. Durch sie bekommt der Leser einen kleinen Eindruck von der Bedeutung des Buddhismus in der damaligen Zeit, und außerdem würzt sie die Geschichte mit einer Prise Romantik. Meines Erachtens wird es aber nie zu kitschig oder gar schwülstig.

Mit der rachsüchtigen Nong E, der Besitzerin der Seidenplantage, die die beiden Byzantiner ausrauben, hat der Autor eine sehr extreme, zutiefst unsympathische Figur erschaffen. Obwohl sie ja zunächst eigentlich das Opfer ist, konnte ich schon bald kein Mitleid mehr mit ihr empfinden. Gelegentlich fand ich sie dadurch ein wenig zu eindimensional, aber die anderen Charaktere haben das meiner Meinung nach mehr als wettgemacht.

Die Geschehnisse sind nicht immer vollkommen realistisch. Manches liest sich wirklich wie die Art von Abenteuer, die ein Geschichtenerzähler auf einem orientalischen Markt zum Besten geben könnte! Da kann ein schwächlicher Gelehrter zum Beispiel einen hünenhaften Krieger besiegen, und die Helden überstehen die aberwitzigsten, widrigsten Umstände. Aber für mich passte das zu Grundton und Atmosphäre des Buches, insofern hat es mich nicht gestört und der Glaubwürdigkeit für mich paradoxerweise keinen Abbruch getan. (Übrigens sollte man sich davon nicht in Sicherheit wiegen lassen - auch wenn es manchmal so scheint, die Protagonisten sind nicht unverwundbar...)

Den Schreibstil fand ich einfach wunderbar, er ist so üppig und lebendig und bunt und detailverliebt... Man kann die Landschaften, Personen und Dinge richtig vor sich sehen und den heißen Wüstenwind spüren. Auch der feine Humor, der immer mal wieder aufblitzt, hat mich sehr angesprochen.

Fazit:
552 n.Chr.: Zwei selbstherrliche byzantinische Adlige ziehen los, um in China das Geheimnis der Seidenproduktion zu stehlen - ein buntes Abenteuer irgendwo zwischen Heldenreise, Schelmenepos und Eastern, das auf wahren Begebenheiten beruht.

Außerdem ist "Die Seidendiebe" ein historischer Roman, der sich meines Erachtens gut für Einsteiger in das Genre eignet, denn die Geschichte ist unterhaltsam, leicht verständlich und spannend, bietet aber dennoch eine Vielzahl von historischen Fakten. Mit den Charakteren musste ich erst warm werden, aber schon nach wenigen Kapiteln habe ich dann doch mit ihnen mitgefiebert und konnte das Buch gar nicht mehr weglegen. Den Schreibstil habe ich mir manchmal richtig auf der Zunge zergehen lassen, so wunderbar üppig und verschwenderisch mit großartigen Bildern und Metaphern fand ich ihn.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Namaste, Leben - lecktsmialleamarsch!

Tante Poldi und die Früchte des Herrn
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Ganz ehrlich - ich hatte sowas von keine Lust auf Tante Poldi. Null. Niente. Nüsche. Eine 60-jährige Bayerin, die nach Sizilien zieht, um sich da gepflegt zu Tode zu saufen, und dabei unversehens in verschiedene ...

Ganz ehrlich - ich hatte sowas von keine Lust auf Tante Poldi. Null. Niente. Nüsche. Eine 60-jährige Bayerin, die nach Sizilien zieht, um sich da gepflegt zu Tode zu saufen, und dabei unversehens in verschiedene Kriminalfälle stolpert? Womöglich noch mit krachledernem Brachialhumor? Sprach mich überhaupt nicht an.

Anfang Mai trudelte mir das Buch ganz überraschend als Rezensionsexemplar ins Haus, begleitet von einer großen Packung Kekse. Die Kekse waren sehr lecker und stimmten mich Poldi gegenüber schon etwas milder, aber Lesefieber stellte sich dennoch nicht ein. Trotzdem: ich war ihr irgendwie was schuldig (Keksschulden sind Ehrenschulden), und so griff ich fast drei Monate später dann halt doch zähneknirschend nach dem Buch.

Tja. Drei Tage später sitze ich jetzt hier mit Bauchschmerzen in den Lachmuskeln und kann nur sagen: Namaste, Lübbe! Das Buch war echt der Brüller, und jetzt muss ich schnell noch den ersten Band nachholen und dann auf zeitiges Erscheinen des dritten Bandes hoffen. (Übrigens kann man den zweiten Band problemlos lesen, ohne den ersten zu kennen.)

Poldi ist einfach eine Nummer für sich - eine schrille, laute, quietschbunte Nummer. Sie pflügt oft mit ausgefahrenen Ellbogen durchs Leben und lässt sich nix vorschreiben, gell? Da kann sie saugrantig werden. Wenn man ihr glauben kann, hat sie schon so einige Abenteuer erlebt, wobei das halt die Frage ist... Soll man ihr zum Beispiel wirklich glauben, dass Cher mal eine Woche bei ihr gewohnt hat? Andererseits ist des aber auch fei egal. Sie schwankt zwischen Lebenslust und Schwermut, hat koane Geduld für Schmarrn aber viel Sinn fürs Spirituelle (in jedweder Hinsicht), und obwohl sie sicher keine einfache Person ist, fand ich sie auf ihre Art doch sehr liebenswert.

Überhaupt sind die Charaktere durch die Bank bunt und lebendig, mit urkomischen Schrullen und Marotten, und trotzdem schafft es der Autor, ihnen bei allem Humor auch Tiefe zu geben. Ob das jetzt der Pfarrer ist, der komischerweise genau weiß, wie man ein Schloss knackt, oder die traurige Signora, die sich mit ungeahntem Feuereifer als Poldis Sidekick in die Ermittlungen stürzt... Hier werden zwar auch kräftig Klischees auf die Schippe genommen, aber in meinen Augen geht dennoch jeder Charakter über das Klischee hinaus.

Ich fand diese Mischung aus Cozy-Krimi, sizilianischem Sommerflair und bayerischem Humor unerwartet originell (und wie!), spannend, lustig, berührend...

Jo, es ist freilich keine nervenzerfetzende Thrillerspannung. Die Poldi ist keine Smoky Barrett oder Roberta Hunter, eher eine bayrisch-sizilianische Miss Marple mit Vespa, Perücke und Alkoholproblem. Sie stolpert oft mehr zufällig über Hinweise und verrennt sich auch schon mal in Sackgassen. Für richtige Hardcore-Krimileser kommt der Mordfall vielleicht ein bisschen zu kurz, obwohl ich die Auflösung dann doch ziemlich pfiffig fand!

Rührend fand ich, dass die Poldi zeigt, dass man mit 60 noch lang nicht zu alt ist für Amore. Auch ein altes Herz kann hüpfen... Und manchmal auch brechen! Die Liebesgeschichte folgt ma grad so gar keinem Schema, weder F noch X, Y, Z. Aber süß ist sie trotzdem, irgendwie.

Zitat:
"Eine deutsche Hupe, des ist immer eine Kriegserklärung, die Invasionstruppen quasi bereits an der Grenze. Eine italienische Hupe dagegen klingt wie ein freundliches Räuspern, wie ein geflötetes: »Permesso?«, oder wie ein sanftes: »Ach, Signora, würden sie wohl bitte anhalten, denn ich bin eh schon dabei, Ihnen die Vorfahrt zu nehmen, grazie, molto gentile.« (...) Wenn Romeo eine Vespa g'habt hätte, nachert hätte er seiner Giulietta unterm Balkon garantiert was vorg'hupt, und des wär fei keinen Strich weniger romantisch g'wesen."

Der Humor war für mich eine sehr positive Überraschung, denn der ist zwar manchmal schrill und laut und oft ein bisserl albern, aber mich hat er total angesprochen - und in meinen Augen gehört er auch nicht in die Schublade "platte Schenkelklopfer". Allweil schwingt mit: Mei, schauts halt her, es is doch schee, das Leben. Das macht es zu einem wunderbaren Sommerbuch!

Der Humor ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache - aber das kann man ganz einfach ausprobieren, indem man sich schnell mal die Leseprobe durchliest, denn ich denke, das merkt man sofort.

Zitat:
"Trecastagni ist ein verträumter Ort, auf halber Höhe zwischen Himmel und Erde, von einem freundlichen Gott mit leichter Hand an die Ostseite des Ätna zwischen alte Nebenkrater getupft. Eines der an die zwanzig Ätnadörfer, die den Berg wie eine nachlässig geknüpfte Kette umgürten, weitgehend unverschandelt, wo die Sommer mild und die Winter klamm sind. Wo man aufs Meer in der Ferne blickt wie auf einen Gutschein für eine bessere Zukunft, den man nie einlösen wird."

Den Schreibstil fand ich fantastisch. Der Autor findet immer wieder witzige, frische Vergleiche und Formulierungen, zeigt aber auch einige Male, dass er nachdenklichere Tonarten ebenso beherrscht. Er beschwört Sizilien so lebendig herauf, so prallvoll mit Bildern, die alle Sinne ansprechen, dass man fast schon die Hitze spürt, den Wein schmeckt und Lust auf richtig waschecht sizilianische Küche bekommt.

Fazit:
Wenn man ein Buch geschenkt bekommt, von dem man sich quasi schon zu 99% sicher ist, dass es überhaupt nicht dem eigenen Beuteschema entspricht, dann ist das irgendwie doof. Und wenn man es irgendwann widerstrebend doch liest, dann fühlt sich das erstmal an wie früher bei den Hausaufgaben. Wenn man letztendlich aber feststellt, dass man gerade ein neues Lieblingsbuch entdeckt hat - dann kann man sich eigentlich nur freuen, still Abbitte leisten und sich vor dem Können des Autors verneigen.

Ich verneige mich also vor Mario Giordano und seiner sturen, eigenwilligen, schrillen, lebenslustigen, unerwartet liebenswerten Tante Poldi. Ein bisschen Krimi, enorm viel Humor und eine gute Portion Urlaubsatmosphäre ergaben für mich eine Mischung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat! Einerseits sollte man das Buch nicht zu ernstnehmen, andererseits versteckt sich aber auch die ein oder andere Lebensweisheit in seinen Seiten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zauberlehrling wider Willen

Magisterium - Der Weg ins Labyrinth
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Die Grundidee kommt einem bekannt vor: ein kleiner Junge wird an einer magischen Schule angenommen, findet Freunde und Feinde und gerät mitten in einen epischen Konflikt zwischen den guten Magiern und ...

Die Grundidee kommt einem bekannt vor: ein kleiner Junge wird an einer magischen Schule angenommen, findet Freunde und Feinde und gerät mitten in einen epischen Konflikt zwischen den guten Magiern und den Anhängern eines Mannes, der sich "Feind des Todes" nennt.

Man sollte das Buch aber nicht vorschnell als Harry-Potter-Klon verschreien - das Einzigartige liegt hier im Detail, angefangen bei Callum Hunt, der eben nicht der Auserwählte ist und auch kein strahlender Held. Die beiden Autorinnen spielen mit den Erwartungen des Lesers und stellen sie immer wieder augenzwinkernd auf den Kopf.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht natürlich Callum, dem sein Vater eine tiefsitzende Angst vor Magie eingetrichtert hat, der aber schnell (und widerwillig) feststellt, dass er Magie trotzdem unheimlich cool findet. Er bringt sich immer wieder in Schwierigkeiten, weil er einfach nicht die Klappe halten kann, und da ist es gut, dass er schnell zwei loyale Freunde findet: Aaron, der scheinbar einfach alles kann und deswegen viel eher in die Rolle des Helden passt, und Tamara, deren Familie Großes von ihr erwartet und sie dabei gar nicht wirklich als eigenständige Person sieht. Zusammen sind die drei ein ähnlich sympathisches Trio wie Harry, Hermione und Ron - und dabei doch ganz anders.

Das Buch bietet viel Zauber und Magie und jede Menge Spannung, bleibt dabei aber immer kindgerecht. Das Buch wird für Kinder im Alter zwischen 10 und 12 empfohlen, und meiner Meinung nach kann man es junge Leser auch wirklich bedenkenlos lesen lassen. Allerdings fand ich das Buch auch als erwachsene Leseratte sehr unterhaltsam!

Den Autorinnen ist es gut gelungen, die Kapitel zwar abwechselnd zu schreiben, ihren Schreibstil aber nahtlos ineinander übergehen zu lassen. Sie erzählen beide voller Wortwitz und voll liebevoller Details, die das Buch zu einem richtigen Lesevergnügen machen. Seit Harry Potter hat mich kaum ein Kinder-Fantasybuch so begeistert! Ich freue mich schon richtig auf Band 2, der aber leider erst im September 2015 erscheinen soll...

Fazit:
Die wunderbare Geschichte eines widerwilligen jungen Magiers, die bezaubernd, spannend und witzig unterhält, und die ich sowohl Kindern als auch Erwachsenen empfehlen würde. Besonders Fans von Harry Potter sollten mal reinlesen, denn das Buch bietet meiner Meinung nach eine ähnliche Atmosphäre und einen vergleichbaren Schreibstil, ist dabei aber kein Abklatsch sondern etwas ganz Eigenes.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mit Witz, Herz und Verstand zum Glück!

Hummeln im Herzen
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Handlung:
Im Mittelpunkt des Buches steht Lena, deren Leben eigentlich perfekt sein könnte. Eigentlich. Sie hat einen einigermaßen gutbezahlten, wenn auch langweiligen Job, sie ist verlobt mit einem gutbezahlten, ...

Handlung:
Im Mittelpunkt des Buches steht Lena, deren Leben eigentlich perfekt sein könnte. Eigentlich. Sie hat einen einigermaßen gutbezahlten, wenn auch langweiligen Job, sie ist verlobt mit einem gutbezahlten, wenn auch arbeitswütigen Mann, und sie haben zusammen eine schicke, wenn auch etwas lieblose Wohnung. Aber 6 Tage vor der geplanten Hochzeit lässt Simon, ihr Verlobter, die Bombe platzen: er hat Lena betrogen, und er will sie auch nicht mehr heiraten. Warum? Naja, weil sie halt... eher gemütlich sei. Also langweilig, schlussfolgert Lena.

Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, fällt ihr ganzes Leben um sie herum zusammen wie ein Kartenhaus, und sie steht auf einmal ohne alles da: ohne Mann, ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne Perspektiven. Verletzt und fassungslos zieht Lena in die WG ihres Bruders, die der sich mit seiner Verlobten Juli und seinem besten Freund Ben teilt, wo sie sich erstmal im Selbstmitleid suhlt und um ihre Lebenspläne trauert.

Doch dann rafft sie sich auf und beschließt, dass sie die Nase voll hat. Davon, dass die Männer ihr nie hinterhergucken und nie jemand mit ihr flirtet. Davon, dass ihr Vater sie ständig mit ihren Geschwistern vergleicht: Michel und Karin, die haben alles richtig gemacht, nicht so wie du. Und vor allem davon, dass ihr immer wieder vorgeworfen wird, sie wäre gemütlich, vorhersehbar, würde den Hintern nicht hochkriegen... Oder wie es Ben ausdrückt, der unerträgliche Womanizer: wenn sie ein Hund wäre, wäre sie kein elegantes Dalmatinerweibchen, sondern eine zottlige Promenadenmischung.

Entschlossen stellt Lena einen Plan auf, um ihr Leben von Grund auf umzukrempeln - um SICH von Grund auf umzukrempeln. Die neue Lena soll eine sexy Karrierefrau sein!

Meine Meinung:
Das Buch ist rappelvoll mit lebendigen, glaubhaften, knallbunten, dreidimensionalen Charakteren, die alle ihre kleinen Macken und Schwächen haben, aber (meist) auch ihre liebenswerten Seiten. Sogar die Nebencharaktere, wie der kauzige Taxifahrer Knut, wirken einfach total echt und bringen zusätzlichen Pfiff in die Geschichte! Aber die dreht sich vor allem um Lena und Ben.

Lena ist grundsympathisch - genau die Art Frau, die man gerne zur besten Freundin hätte. Nein, sie ist sicher nicht perfekt! Sie tappt von einem Fettnäpfchen ins nächste, ihr passieren ständig die unmöglichsten, peinlichsten Dinge, sie hat einen Ordnungsfimmel und muss alles bis ins Kleinste durchplanen - und ihre Mitmenschen werfen ihr nicht ganz grundlos vor, dass sie nicht in die Gänge kommt... Aber als Leser beschleicht einen schnell der Verdacht, dass letzteres vor allem daran liegt, dass sie bisher ihr Leben eher danach gelebt hat, was andere Menschen von ihr erwarten, und nicht danach, was sie selber wirklich will. Und so schaut man ihr gerne dabei zu, wie sie wildentschlossen an sich, ihren Karriereplänen und ihrem Liebesleben arbeitet - und dabei in die ein oder andere Sackgasse gerät, bevor sie letztendlich ihren Weg findet.

Und dann gibt es da natürlich Ben. Ben, den Frauenheld, der jede Woche eine Andere hat. Ben, den Lena schon in der Grundschule angehimmelt hat. Ben, mit dem sie sich inzwischen keine fünf Minuten mehr unterhalten kann, ohne dass die Fetzen fliegen, und den sie um Gottes willen nicht attraktiv finden will... Anfangs war ich mir nicht sicher, ob ich Ben wirklich sympathisch finde, aber im Laufe des Buches lernt man auch seine (zahlreichen!) guten Seiten kennen.

Klar kann man sich als Leser direkt denken, dass zwischen den beiden sicher noch ganz andere Funken fliegen werden, aber es bleibt dennoch spannend! Denn es gibt viele Irrungen und Wirrungen, amoröse Eskapaden, One-Night-Stands und anderweitige Beziehungen, und meist umschifft die Autorin dabei gekonnt Kitsch und Rührseligkeit. Und wo sie den Kitsch zulässt, da fand ich ihn auch schön und passend und herzerwärmend - mal ehrlich, so ein bisschen Kitsch muss bei einem Liebesroman dann doch sein! Ob Lena und Ben sich am Schluss kriegen, oder ob sie doch mit anderen Partnern ihr Glück finden, das verrate ich natürlich noch nicht. Denn da gibt es Jan, den jungen Schriftsteller mit den tollen Augen, und Franziska, Bens große Liebe...

Fast noch schöner als die Handlungsstränge, die sich um romantische Dinge drehen, fand ich allerdings die vorsichtige Freundschaft, die zwischen Lena und dem alten Griesgram Otto entsteht, in dessen Buchhandlung sie einen Übergangsjob findet. Da hat die Autorin mir tatsächlich die ein oder andere Träne der Rührung entlockt! Einfach wunderschön... Überhaupt hat das Buch manchmal ganz ungeahnten Tiefgang und mehr als nur eine Prise Lebensweisheit, und dabei war es für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, an dessen Ende ich mich ein Stückchen glücklicher fühlte als vorher. Für mich war es dadurch auch mehr als "nur" ein Liebesroman; eine grundoriginelle und ansprechende Variation der üblichen Liebesgeschichte mit viel Witz, Herz und Verstand.

Den Humor fand ich übrigens großartig - kein bisschen platt und abgedroschen, sondern wirklich witzig. Lena passieren die abstrusesten Dinge, und die Autorin schafft es, dass man beim Lesen nicht unbehagliches Fremdschämen empfindet, sondern erstmal lacht und Lena danach in den Arm nehmen möchte. Der Schreibstil ist sowieso sehr locker und unterhaltsam, und man fühlt sich wirklich so, als würde man einer Freundin zuhören, wie sie von ihren Abenteuern und Missgeschicken berichtet!

Fazit:
Eine Liebesgeschichte voller Humor, romantischer Sackgassen und unerwarteter Wendungen - und ganz nebenher noch die Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft, die sich darum dreht, was im Leben wirklich wichtig ist. Das macht Spaß und kommt mit genau der richtigen Prise Kitsch aus, ohne unerträglich zuckersüß zu werden! Einfach ein Wohlfühlbuch, mit dem man sich gut aufs Lesesofa zurückziehen kann.