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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2019

Ein absolut gelungener Thriller

Krokodilwächter
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„Krokodilwächter“ von Katrine Engberg nimmt den Leser mit nach Kopenhagen, wo eine junge Erwachsene ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden wird. In ihrem Gesicht finden sich zahlreiche Schnitte, die der ...

„Krokodilwächter“ von Katrine Engberg nimmt den Leser mit nach Kopenhagen, wo eine junge Erwachsene ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden wird. In ihrem Gesicht finden sich zahlreiche Schnitte, die der Täter in aller Ruhe hinterlassen hat. Bei der Frage nach dem möglichen Motiv tappen Jeppe Korner und Anette Werner von der Mordkommission jedoch im Dunkeln. Zudem lassen sich am Tatort keinerlei Spuren des Täters finden. Schließlich taucht ein Romanmanuskript auf, in welchem der Mord im Vorfeld genau beschrieben wurde.

Ich habe schon so viel Gutes über das Buch gehört, dass ich es endlich selbst lesen wollte. Und ich wurde nicht enttäuscht: Das Buch konnte mich von Beginn an packen. Die Ermordung der jungen Julie wirft zahlreiche Fragen auf, die das ungleiche Ermittlerduo beantworten will. Es gibt lange keinen konkreten Anhaltspunkt, deshalb befragen die beiden das Umfeld des Opfers. So entsteht ein immer vollständigeres Bild von Julie und es kommen einige überraschende Dinge ans Licht. Doch liegt hier ein Motiv verborgen? Der Roman ist hauptsächlich aus der Perspektive von Jeppe geschrieben, aber auch Charaktere wie die illustre Nachbarin des Opfers, die einen schrecklichen Verdacht hat, kommen zu Wort. Mir hat der atmosphärische Schreibstil verbunden mit den unerwarteten Wendungen, die immer wieder auftreten, sehr gut gefallen. Für mich ein absolut gelungener Thriller, den ich gern weiterempfehle!

Veröffentlicht am 05.09.2019

Eine rundum gelungene Familiengeschichte

Aber Töchter sind wir für immer
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Johanna, Heike und Britta verbringen aufgrund des 80. Geburtstags ihres Vaters einige Tage gemeinsam in ihrem Elternhaus in Büttgen am Niederrhein. Britta ist das Nesthäkchen der Familie, sie wurde erst ...

Johanna, Heike und Britta verbringen aufgrund des 80. Geburtstags ihres Vaters einige Tage gemeinsam in ihrem Elternhaus in Büttgen am Niederrhein. Britta ist das Nesthäkchen der Familie, sie wurde erst geboren, als die anderen Schwestern schon ausgezogen waren. Im Gepäck hat sie das Tagebuch der vierten Schwester, Hermine, die schon vor vielen Jahren gestorben ist, als Britta noch klein war. Ihr Mann Marcel, der früher Hermines bester Freund war, hat es ihr als Geschenk für den Vater mitgegeben. Was für ein Mensch war Hermine, und was ist damals überhaupt mit ihr passiert? Über vieles wurde bislang geschwiegen, doch nun ist vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, um das zu ändern.

Als ich hörte, dass dieser Familienroman ganz in der Nähe meiner Heimat spielt, war meine Neugier geweckt. Auf den ersten Seiten kommt in diesem Roman Britta zu Wort. Sie ist das Nesthäkchen, das sich in der Familie immer ein bisschen außen vor fühlt, denn die anderen haben vor ihrer Geburt bereits so viel gemeinsam erlebt. Sie wurde 1988 geborgen und ist damit nur drei Jahre älter als ich, weshalb ich mich ihr besonders nah fühlte. Hermines Tagebuch, das sie ihrem Vater schenken soll, bringt sie ins Nachdenken. Darf sie die Einträge auch lesen? Kann ihr das helfen, ihre verstorbene Schwester, die sie nie richtig kennengelernt hat, besser zu verstehen?

Die Geschichte springt danach immer wieder in die Vergangenheit und man erfährt nach und nach mehr über die Kindheit und Jugend von Johanna und Heike, aber auch von ihren Eltern Hans und Christa. Letztere ist im Zweiten Weltkrieg als Flüchtling aus Schlesien an den Niederrhein gekommen, die anderen sind dort aufgewachsen. Die Autorin gibt authentische und emotionale Einblicke in das Leben am Niederrhein sowohl zu Kriegszeiten als auch in den folgenden Jahrzehnten. Sie lässt den Leser das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven betrachten, wodurch einige Situationen in ganz neuem Licht erscheinen.

In der Gegenwart rückt die Geburtstagsfeier von Hans immer näher und Britta liest die Tagebucheinträge von Hermine. So kommen auch diese beiden Charaktere - die eine direkt, die andere indirekt - zu Wort und man erhält einen Gesamtblick auf die Familie. Schließlich wird thematisiert, was all die Jahre unausgesprochen blieb. Ich war neugierig, welche Auswirkung diese Gespräche auf das Beziehungsgeflecht haben.

Christiane Wünsche ist es in „Aber Töchter sind wir für immer“ gelungen, jedem Familienmitglied eine eigene starke Stimme zu geben und dem Leser intensive Einblicke in die jeweiligen Charaktere und ihre Geschichte zu geben. Ich habe mich gerne auf diese Reise durch die Zeit mitnehmen lassen und kann den Roman klar weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 03.09.2019

Intensive Einblicke in ein Land in einer Menschenrechtskrise

Nacht in Caracas
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In „Nacht in Caracas“ von Karina Sainz Borgo lernt der Leser Adelaida Falcón kennen, die gerade ihre an Krebs verstorbene Mutter beerdigt hat. Sie war ihre wichtigste Bezugsperson, und für ihre medizinische ...

In „Nacht in Caracas“ von Karina Sainz Borgo lernt der Leser Adelaida Falcón kennen, die gerade ihre an Krebs verstorbene Mutter beerdigt hat. Sie war ihre wichtigste Bezugsperson, und für ihre medizinische Versorgung hat sie den Großteil ihrer Ersparnisse aufgebraucht. Als kurz darauf ihre Wohnung von bewaffneten Frauen besetzt wird fühlt sie sich ihrem Land, das von Gewalt, Willkür und Inflation beherrscht wird und in dem öffentliche Sicherheit zum Fremdwort geworden ist, gänzlich entwurzelt. Wo kann sie jetzt noch hin?

Die Autorin erzählt hier eine fiktive Geschichte, die an reale Vorfälle angelehnt ist. Auf diese Weise gibt sie erschreckende Einblicke, was in Venezuela vor sich geht. In klarer, schonungsloser Sprache erzählt sie von Kämpfen, Folter, Plünderungen und Verzweiflung. Immer wieder flüchtet sich die Protagonistin in Erinnerungen an früher, eine bessere Zeit, die in starkem Kontrast zu dem steht, was sie gegenwärtig erlebt. Der Text vermittelt einen intensiven Eindruck davon, was es heißt, wenn ein Land in einer tiefen Menschenrechtskrise steckt.

Veröffentlicht am 02.09.2019

Eine unverhoffte Reise, die mich begeistern konnte

Washington Black
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George Washington Black, genannt Wash, ist seit seiner Geburt auf einer Zuckerrohrplantage in Barbados ein Sklave. Im Jahr 1830 ist er elf Jahre alt und hat die Plantage noch nie verlassen. Doch dann stirbt ...

George Washington Black, genannt Wash, ist seit seiner Geburt auf einer Zuckerrohrplantage in Barbados ein Sklave. Im Jahr 1830 ist er elf Jahre alt und hat die Plantage noch nie verlassen. Doch dann stirbt sein bisheriger Master und mit seinem Nachfolger erleben die Sklaven eine neue Dimension der Gewalt. Die Dinge ändern sich für Wash, als der Bruder seines Besitzers ihn als Gehilfen für seine Forschungen einspannt. Christopher Wilde ist besessen von der Idee eines Wolkenkutters, den er vom nächstgelegenen Berg aus starten will. Nach einem verhängnisvollen Zwischenfall brechen die beiden überstürzt gemeinsam auf. Für Wash beginnt damit ein völlig neues Leben, das aufregend ist, ihn aber auch mit Fragen nach seiner Identität konfrontiert.

Der Roman ist aus der Sicht des achtzehnjährigen Wash geschrieben, der auf die letzten sieben Jahre zurückblickt, in denen sich für ihn alles geändert hat. Man erhält einige Einblicke in das harte Leben auf der Plantage und die wachsende Verzweiflung der Sklaven mit dem Einzug des neuen Masters. Einige beschließen sogar, der Gewalt durch Selbstmord zu entfliehen in der Hoffnung, in der Heimat wiedergeboren zu werden. Wie lange Wash unter diesen Bedingungen überlebt hätte? Das wird man nicht erfahren, denn stattdessen wird ausgerechnet er, ein gewöhnlicher Feldsklave, der Assistent eines Forschers.

Mit einer schnörkellosen Sprache gibt Wash Einblicke in sein Leben und gut konnte ich seinen Argwohn nachvollziehen, als er plötzlich als dem Bruder seines Besitzers assistieren soll. Ist dies vielleicht ein noch schlimmeres Schicksal als die Arbeit auf dem Feld? Doch Christopher, genannt Titch, ist kein Freund der Sklaverei. Er behandelt ihn gut und bringt ihm sogar etwas lesen und rechnen bei. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass Titch Schwarze als den Weißen ebenbürtig sieht - ein Thema, das von Wash im Laufe der Zeit immer wieder reflektiert wird.

Das Cover verrät bereits, dass sich die Handlung nicht nur auf der Plantage abspielen wird. Die Grausamkeit der Sklaverei wird dem Leser deutlich gemacht, sie nimmt aber nur einen kleinen Teil der Handlung ein. Schnell geht es um Titchs Forschungen am Wolkenkutter und das Verhältnis zu seinem Bruder. Wash legt ein zeichnerisches Talent an den Tag, mit dem er Titch beeindrucken kann. Der Beginn der Reise kommt schließlich überraschend. Plötzlich muss rasch eine Entscheidung getroffen werden und schon ist Wash in der Luft. Doch es läuft ganz und gar nicht nach Plan.

Wohin es Wash verschlagen wird sollte jeder Leser selbst herausfinden. Er findet sich an völlig unterschiedlichen Orten auf verschiedenen Kontinenten wieder. Dabei stehen verschiedene Themen im Fokus: Seine Beziehung zu Titch, die Angst, von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden und vor allem die Frage, was er aus seinem Leben machen kann und will. Auch Liebe und Verlust spielen im späteren Verlauf eine wichtige Rolle.

Mir hat Wash als kluger Charakter, der von seiner Erfahrung als Sklave tief geprägt ist, sehr gut gefallen. Ihn auf seinem Abenteuer hinaus in die Welt zu begleiten hat mir großen Spaß gemacht. Er ließ mich durch seine Augen blicken, die viel Wundersames entdecken und ihn staunen lassen. Immer wieder gibt es aber auch Momente, die nachdenklich stimmen, denn als ehemaligem Sklaven steht Wash nicht jede Tür offen. Ein absolut gelungener Roman über eine unverhoffte Reise in die Freiheit, der mich sehr begeistern konnte und den ich deshalb uneingeschränkt weiterempfehle!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Ein Roman, der berührt und nachdenklich stimmt

Das Licht ist hier viel heller
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Maximilian Wenger steckt in einer Krise: Seine Frau hat ihn aus dem Haus geworfen, die Scheidung läuft, und seine zwei Kinder kommen ihn jedes zweite Wochenende in seiner Junggesellenbude besuchen, die ...

Maximilian Wenger steckt in einer Krise: Seine Frau hat ihn aus dem Haus geworfen, die Scheidung läuft, und seine zwei Kinder kommen ihn jedes zweite Wochenende in seiner Junggesellenbude besuchen, die nur dank der Hilfe seiner Schwester halbwegs präsentabel ist. Früher war er ein gefeierter Schriftsteller, doch seine letzten Werke waren Ladenhüter, und auch von seiner neuesten Idee hält sein Agent nicht viel.

Wengers siebzehnjährige Tochter Zoey steht kurz vor dem Schulabschluss. Für ihren Vater ist klar, dass sie Jura studiert, und ihre Mutter will sie in ihrem Lifestyle-Unternehmen unterbringen. Beides passt überhaupt nicht zu ihr und ihr Wunsch ist ein ganz anderer. Doch den äußert sie nicht, es würde vermutlich eh niemand zuhören. Als sie Briefe findet, die ihr Vater gelesen hat, obwohl sie an seinen Vormieter adressiert sind, wird auch sie neugierig. Die emotionalen Briefe bringen beide ins nachdenken – ihre Reaktionen darauf sind jedoch gänzlich verschieden.

Der Max Wenger, den der Leser zu Beginn des Buches kennenlernt, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Er trauert den glanzvollen Zeiten hinterher, als sein Name die Bestsellerlisten schmückte und er überall ein gern gesehener Gast war. Nun steigert er sich immer tiefer hinein in sein persönliches Leid, zelebriert sein Scheitern geradezu. Bei mir kam jedoch kein Mitleid für ihn auf, denn in seiner Welt dreht sich alles nur um ihn. Das wird umso deutlicher, wenn man sein Verhalten durch Zoeys Augen betrachtet.

Zoey ist ein „Rich Kid“, wie sie selbst sagt. Materiell hat es nie an irgendetwas gemangelt, doch emotional hat sie keinen Draht zu ihren Eltern. Ihre Mutter will sie in eine Miniaturausgabe ihrer selbst verwandeln, und für ihren Vater war sie schon immer hauptsächlich jemand, der ihn beim Schreiben stört. An ihrem kleinen Bruder Spin hängt sie hingegen sehr. Doch selbst ihn hat sie nicht in die Pläne eingeweiht, die sie seit einiger Zeit schmiedet. Zoeys Sprachstil ist sarkastisch und trotzig. Schnell merkt man, dass sie sich nach außen hin stark gibt und damit ihre verletzliche Seite bewusst verbirgt.

Zwischen den Kapiteln sind hochemotionale Briefe einer unbekannten Absenderin abgedruckt, die sie Wengers Vormieter geschickt hat. Ich war neugierig, ob man mehr über die Hintergründe der Briefe erfährt und was für Auswirkungen sie haben. Während Wenger immer tiefer abstürzt und sich dabei einige skurrile Szenen ereignen, baut sich Zoey im Stillen erste Brücken in die Freiheit. Doch dann kommt es zu einem einschneidenden Ereignis.

Von Beginn an hatte das Buch mich, und die Entwicklungen gingen mir zunehmend unter die Haut. Wenger wirkt lange wie der Inbegriff des ignoranten und selbstgefälligen alten weißen Mannes, ist schließlich aber auch für Überraschungen gut. Zoey als junge Frau will endlich ihren Eltern entfliehen und in die Welt hinaus. Dabei macht sie eine hässliche Erfahrung, bei der sie überlegen muss, wie sie damit umgehen kann und will. Wie kann sie sich ausdrücken? Mit wem kann sie offen sprechen? Auch der sensible Spin, der noch eine Weile länger an Schule und Elternhaus gebunden ist, sucht nach einem Weg, zu äußern, was in ihm vorgeht.

„Das Licht ist hier viel heller“ beschäftigt sich mit wichtigen Themen, die inzwischen zum Glück kein Tabu mehr sind und für die weiter sensibilisiert werden sollte. Es ist eine Geschichte über das Erwachsen werden und bleiben und von der Suche nach einem Platz in der Welt. Es berührt, macht nachdenklich und konnte mich durchgehend fesseln.