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Veröffentlicht am 11.10.2019

Klaffende Krater

Das flüssige Land
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Der Klett Cotta Verlag ist mir schon seit meiner Kindheit vor allem für außergewöhnliche fantastische Literatur bekannt. Wenn man sich im Vorfeld nicht mit dem vorliegenden Buch befasst, könnte man daher ...

Der Klett Cotta Verlag ist mir schon seit meiner Kindheit vor allem für außergewöhnliche fantastische Literatur bekannt. Wenn man sich im Vorfeld nicht mit dem vorliegenden Buch befasst, könnte man daher annehmen, auf eine High Fantasy zu stoßen. Erfährt man aber, für welche Preise es nominiert ist und liest nur ein paar Sätze der Leseprobe wird zweifellos klar, dass es sich hier um Literatur mit hohem Anspruch handelt. Fantastische Momente werden hier lediglich parabelartig eingesetzt. Im Grunde ist das ganze Buch eine große Metapher.

Die theoretische Physikerin Ruth arbeitet an ihrer Habilitationsschrift, als ihre Eltern bei einem Unfalltod ums Leben kommen. Ausgerechnet in ihrem Heimatort, dem österreichischen Groß-Einland, wollten sie bestattet werden. Ruth kennt diesen Ort nur aus Erzählungen. Offizielle Stellen scheinen dagegen noch nie davon gehört zu haben. Dennoch findet die traumatisierte, unter Medikamenteneinfluss stehende Ruth unter Mühen ihren Weg dorthin.  Groß-Einland scheint nicht ganz von dieser Welt zu sein. Der Bürgermeister ist eher eine Strohpuppe. Alle Zügel fest in der Hand hält dagegen die Gräfin, der beinahe alles zu gehören scheint. Zeitebenen, eigentlich Ruths Forschungsgebiet, verschwimmen für Ruth immer mehr. Sie verliert ihr eigentliches Ziel komplett aus den Augen und nimmt die Arbeit, die die Gräfin ihr anbietet an. Denn groß-Einland hat ein ganz offensichtliches Problem: Ein riesiger Hohlraum Im Erdinnern bringt nach und nach die Stadt zum Einsturz….

Nicht nur das Land, auch die ganze Erzählstruktur ist hier flüssig. Monate mäandern zu Jahren, totgeglaubte Angehörige tauchen auf und gehen unvermutet wieder unter. Klaffende Krater mutieren verbal zu Aussparungen. Was verbirgt sich in der Tiefe? Zweifellos sind Verdrängungen eines dunklen Kapitels deutsch-österreichischer Geschichte das Leitmotiv des Romans. Atmosphärisch entwickelt sich eine traumartige Anmutung, die den Leser in die Geschichte förmlich hineinstrudelt. Das geschieht auf überwiegend sehr hohem sprachlichen Niveau. Gleichzeitig bleibt aber Ruth als Protagonistin vage, als würde sie auch für die Leser in einem Medikamentennebel verschwimmen. Das Ende versickert überraschend sang- und klanglos. Der aufgebaute Erzählstrang verlor für mich final leider an Spannung und ich bin nicht sicher, welche Intention die Autorin damit verfolgt hat.

Ein Roman, der Literaturkritiker begeistert und weiter begeistern wird. Lesende, die mit den richtigen Erwartungen herangehen, werden den Roman zwar schätzen, aber mit Leerstellen wie in Groß-Einland leben müssen.

 



Veröffentlicht am 15.09.2019

Scharfzüngige Literatin

Die Dame hinter dem Vorhang
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In ihrem Roman gewährt Veronika Peters Einblicke in das Leben der englischen Exzentrikerin und Literatin Edith Sitwell. Edith wird Ende des 19. Jahrhundert in einem adligen Haus geboren, entspricht jedoch ...

In ihrem Roman gewährt Veronika Peters Einblicke in das Leben der englischen Exzentrikerin und Literatin Edith Sitwell. Edith wird Ende des 19. Jahrhundert in einem adligen Haus geboren, entspricht jedoch weder äußrlich noch charakterlich den Konventionen ihrer Zeit. Ihren Eltern, die ihre Brüder bevorzugen, bleibt sie ihr Leben lang nicht nur fremd, sondern muss auch erdulden, als Jugendliche in eine Art eisernen Rahmen gespannt zu werden, um ihr mehr körperliche Vorzüge zu verleihen. Edith bleibt dennoch ihr Leben lang unverheiratet und teilt ihr Leben mit Bediensteten und berühmten Künstlern. Zwei dieser Angestellten sind Emma und ihre Tochter Jane, aus deren Perspektive wir Edith unkonventionelles Leben geschildert bekommen.

Der Roman hat mich stets gefesselt. Obwohl ich nun viel mehr über Edith Sitwells Leben weiß als vorher, muss ich doch sagen, dass mir sowohl Edith als auch die beiden Ich-Erzählerinnen Emma und Jane ein wenig fremd geblieben sind. Durch den Blick der beiden Bediensteten bleibt Edith trotz aller Nähe die Kunstfigur, als die sie sich selbst stets inszenierte. Emma verschwindet, nachdem sie ihr Leben an Edith Seite ihrer Tochter abgetreten hat, mit wenigen Ausnahmen fast spurlos aus der Erzählung. Warum Jane, die als außergewöhnlich schön beschrieben wird und sowohl warmherzig als auch pfiffig wirkt, sich dafür entscheidet, ihr Leben lang lediglich Edith Vertraute und Beobachterin zu bleiben, hat sich mir nicht erschlossen. Auch das zu Beginn aufgeworfene Rätsel um Janes Geburt wird am Schluss seltsam blass aufgelöst.
Dennoch ein lesenswerter Roman für alle, die mehr über Edith Sitwell erfahren wollen, dazu noch mit edler Ausstattung.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Raus aus der Schublade

Romane schreiben
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Es war angenehm, mich wieder einmal in der Theorie mit dem Schreiben zu beschäftigen, aber wirklich Neues erfahren habe ich nicht. Der Ratgeber ist stark am österreichischen Markt orientiert und konzentriert ...

Es war angenehm, mich wieder einmal in der Theorie mit dem Schreiben zu beschäftigen, aber wirklich Neues erfahren habe ich nicht. Der Ratgeber ist stark am österreichischen Markt orientiert und konzentriert sich auf das Verfassen von gehobener Literatur und nicht von Unterhaltsliteratur. Wirklich interessant fand ich die Ausführungen dazu, wie man einen literarischen Blick auf ein Geschehen entwickelt.  Weiterhin werden Tipps geliefert, wie man ins regelmäßige Schreiben kommen kann. Allerdings ist der Anspruch der Autoren, sich vor allem zu Beginn eines Romans täglich vier Stunden Zeit zum Schreiben zu nehmen, für mich als Vollbeschäftigte mit stundenlanger Fahrzeit und privaten Verpflichtungen absolut utopisch. Ich bleibe also vorläufig dabei, meine Kurzgeschichten zu verkaufen oder entwickle einfach die Meinung, das muss auch anders gehen.

Relativ kompakt werden die Ausführungen zur Dramaturgie, Perspektive und zu Dialogen abgehandelt. Den Verweis auf Ratgeber zu Drehbüchern fand ich hilfreich, bin allerdings zwiegespalten, da zumindest in der Unterhaltungsliteratur mich so mancher Roman in abschreckender Weise nur noch an ein Drehbuch erinnert.

Die zur Illustration gegebenen Beispiele sind immer dann herausragend, wenn große Literatur bemüht wird, z. B. Gustave Flaubert. Hiervon hätte ich gern viel mehr gelesen. Die selbst verfassten Beispiele haben mir dagegen durchweg nicht gefallen. Ich hätte diese Texte leider nicht lesen mögen.


Das Kapitel „Katastrophen im Text“ hilft sicherlich vor allem Schreibanfängern weiter und enthält Hinweise, die nicht nur bei Romanen zu beherzigen sind. Allerdings wird nicht ausgespart, dass herausragende Autoren unter Umständen gerade deswegen herausragen, weil sie sich immer wieder bravurös über diese Regeln hinwegzusetzen verstehen.

Abgerundet wird der Ratgeber durch knappe Tipps zum Verkauf des fertigen Manuskripts.


Für mich wurde das Schreiben durch die Lektüre wieder mehr in den eigenen Fokus gerückt, so dass ich mich daran gemacht habe, meine einzige noch unveröffentlichte Kurzgeschichte erfolgreich an den Mann bzw. die Zeitschrift zu bringen. Insgesamt hätte ich mir heutzutage ein moderneres Layout gewünscht.

 

Veröffentlicht am 08.09.2019

Auge um Auge

The Black Coats - ... denn wir vergeben keine Schuld
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Auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, sollte dem Leser klar sein, dass es darin in Sachen Gewalt und Rache nicht gerade feinfühlig von statten geht. Bei den Black Coats handelt es sich um einen ...

Auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, sollte dem Leser klar sein, dass es darin in Sachen Gewalt und Rache nicht gerade feinfühlig von statten geht. Bei den Black Coats handelt es sich um einen geheimen Bund, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Gewalt, die Mädchen erfahren haben, zu rächen und zum Teil mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Die junge Thea wird nach dem Tod ihrer Cousine von den Black Coats angeworben. Besonders ist hier, dass die Black Coats selbst weiblich sind. Wie weit Rache und Gerechtigkeit auseinander liegen können und ob Selbstjustiz wirklich weiterhilft, mit diesen moralischen Fragen muss sich Thea bald auseinandersetzen. Denn auch hier Freund Drew gerät ins Visier der Black Coats…

Mit den Black Coats, ihren Aufnahmeritualen und dem Ordenshaus hat die Autorin ein faszinierendes Setting erschaffen, auf dessen Grundlage sich die Spannung kontinuierlich steigert. Trotzdem wurde mir vor dem Hintergrund der ernsten, fast philosophischen Fragen, manches einfach zu schnell abgehandelt. Das Ende hat es geschafft, mich zu überraschen. Dennoch hätte ich mir so manches Mal noch etwas mehr Tiefe gewünscht, auch bei der Charakterzeichnung.

Das Cover wurde nach meinem Geschmack etwas zu monochrom gestaltet. Das Buch würde mir in der Buchhandlung nicht ins Auge fallen.


Veröffentlicht am 25.08.2019

Und täglich grüßt Agatha

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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Der Krimi wird beworben mit"Agatha Christie trifft Und täglich grüßt das Murmeltier". Das bringt es bereits perfekt auf den Punkt. Unser Protagonist, der sich erst nach einer ganzen Weile dunkel erinnern ...

Der Krimi wird beworben mit"Agatha Christie trifft Und täglich grüßt das Murmeltier". Das bringt es bereits perfekt auf den Punkt. Unser Protagonist, der sich erst nach einer ganzen Weile dunkel erinnern kann, dass er in Wirklichkeit Aidan heißt, findet sich nach und nach im Körper von acht Wirten wieder, um immer wieder denselben Tag zu durchleben. Es gilt, einen Mord aufzuklären, oder besser noch, ihn zu verhindern. Dabei trifft Aidan auf mysteriöse verkleidete Gegenspieler und andere Figuren, die versuchen, ihm bei der Aufklärung zuvor zu kommen. Denn nur der Rätsellöser wird der Zeitschleife entkommen. Wer Freund und wer Feind ist, fällt schwer zu unterscheiden. Auf den gesamten 600 Seiten weiß der Autor immer wieder zu überraschen, denn hinter dem ursprünglichen Mord verbergen sich immer weitere.

Aidan fällt es zunehmend schwerer, sich an seine ursprüngliche Identität zu klammern. Wie er seine unterschiedlichen Wirte empfindet, ist grandios geschildert. Man kann dem Autor auch gar nicht genug Respekt zollen, dass er bei dem komplizierten Strickmuster des Romans stets den Überblick behält. Als Leser muss man wirklich am Ball bleiben, damit das gleichfalls gelingt, anderenfalls wird es manchmal etwas mühselig. Eigentlich müsste man das Buch an einem Stück lesen oder nach dem Auslesen gleich noch einmal, um alles zu würdigen.

Gelungen ist auch die Schilderung der Atmosphäre des runtergekommenen Landhauses Blackheath, das das Setting bildet. Vor dem Hintergrund der ungewöhnlichen Aufklärung des Zeitschleifen-Rätsels eine gewagte, aber erfolgreiche Kombination.