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Veröffentlicht am 02.02.2020

Über die Angst

Nix passiert
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"Es ist erstaunlich, wie lange man etwas für sich behalten kann, das einen so quält, das so zehrt an der Kraft, eigentlich alle Energie verbraucht, während man trotzdem einfach so weiterlebt, als hätte ...

"Es ist erstaunlich, wie lange man etwas für sich behalten kann, das einen so quält, das so zehrt an der Kraft, eigentlich alle Energie verbraucht, während man trotzdem einfach so weiterlebt, als hätte man noch einen geheimen Reservetank, der nur dafür da ist, zu funktionieren, wenn eigentlich gar nichts mehr geht. Und dann, eines Tages, in einem völlig unscheinbaren Moment, ist er aufgebraucht, dieser Reservetank, und das ganze System versagt, alle Lichter aus, ciao."

Alex ist verlassen worden. Etwas über ein Jahr waren er und Jenny zusammen. Jenny, seine absolute Traumfrau. Er kann nicht fassen, dass er die Beziehung so falsch gedeutet hat, er war doch so glücklich. Oder?
Alex beschließt kurzerhand, die Eltern zu besuchen. Nach Jahren in Berlin zurück in die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Obwohl er eigentlich nie wieder dorthin zurück wollte...

Kathrin Weßling überzeugt wieder einmal mit ihrem modernen, sarkastischen und provokativen Schreibstil. Ich war am Anfang des Buches etwas verwirrt, wohin die Erzählung hingehen wird, weil das eigentliche Thema zumindest mir erst mit der Zeit klar wurde. Wer dran bleibt und weiterliest wird nicht enttäuscht: Weßling beschreibt einfühlsam und detaillreich, wie sich ein Leben mit Angst/Panikattacken anfühlt und regt wieder einmal zum Nachdenken an. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 28.12.2019

Das Mazursche Schweigen

Luzies Erbe
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Luzie Mazur ist fast hundert, als sie mehrere Tage lang im Sterben liegt. Dann stirbt sie tatsächlich- und hinterlässt einen alten Koffer mit Fotos und viele Fragen. Denn zu Luzies Lebzeiten wurde in der ...

Luzie Mazur ist fast hundert, als sie mehrere Tage lang im Sterben liegt. Dann stirbt sie tatsächlich- und hinterlässt einen alten Koffer mit Fotos und viele Fragen. Denn zu Luzies Lebzeiten wurde in der Familie Mazur nicht viel geredet. Tochter Thea und Enkelin Johanne, die Luzie bis zum Schluss gepflegt haben, bleiben etwas verlassen zurück. Johanne beschließt, sich nicht mehr mit Schweigen abspeisen zu lassen. Sie will mehr über Luzie erfahren, durchsucht den Koffer, befragt die Familie und macht sich auf, Großvater Jurek zu suchen, einst Luzies große Liebe, um mehr zu erfahren. Kapitelweise erfahren wir abwechselnd in der Gegenwart, was Johanne erfährt und wie die Familie mit Luzies Tod umgeht, sowie zur Zeit des 2. Weltkrieges, wie Luzie also junge verlobte Bauerntochter Jurek kennenlernte. Luzies Verlobter schrieb seit Kriegsbeginn nicht mehr, als Jurek Mazur als Fremdarbeiter aus Polen ins Dorf kam. Es beginnt eine Liebe gegen alle Gesetze, denn ein Mischen der Rassen ist verboten. Luzie wird schwanger, und die Geschichte nimmt ihren Lauf…

Helga Bürster erzählt angelehnt an ihre eigene Familiengeschichte die traurige und mitreißende Geschichte der Familie Mazur. Trotz dem vielen Leid, das die Familie ertragen musste, erzählt Bürster die Geschichte ruhig und nüchtern, und schafft es trotzdem, den Leser vollkommen mitzureißen. Immer wieder gibt es plattdeutsche Ausdrücke und Phrasen, was sehr zur Geschichte beiträgt, jedoch für mich teilweise schwierig zu verstehen war. Ein wirklich berührender Roman!

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Veröffentlicht am 28.12.2019

Die Anatomie einer toxischen Beziehung

Jahre später
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Ich habe „Jahre später“ gelesen, ohne die beiden Vorläuferbände zu kennen. Die dreißigjährige April ist Schriftstellerin und lebt mit ihrem pubertären Sohn Julius in Berlin. Auf einer Lesung lernt sie ...

Ich habe „Jahre später“ gelesen, ohne die beiden Vorläuferbände zu kennen. Die dreißigjährige April ist Schriftstellerin und lebt mit ihrem pubertären Sohn Julius in Berlin. Auf einer Lesung lernt sie Ludwig kennen, einen Chirurgen aus Hamburg. Es entsteht eine Brieffreundschaft – und schließlich eine Beziehung. Diese basiert vor allem auf gegenseitiger Anziehung, eine richtige Liebe entsteht nicht zwischen den beiden. Die beiden Einzelgänger finden zueinander – April wird schwanger, sie heiraten, April zieht nach Hamburg. Durch dieses neue Leben scheint April Julius größtenteils zu vergessen und sich selbst zu überlassen. Auch schon vorher kümmert sie sich wenig um ihn – und so ist es nicht überraschend, dass dieser schließlich zum Vater zieht. Das Kind mit Ludwig, ein Sohn, wird von April mehr geliebt, diesmal kann sie sich in ihrer Rolle als Mutter mehr entfalten, da sie einen Mann an ihrer Seite hat, der sie finanziell unterstützt – doch auch diese Freude hält nicht lange an. Ludwig, der anfangs so erfolgreich und interessant schien, ist in erster Linie Narzisst und lügt seinen Weg durchs Leben. April musste vor allem als Kind sehr viel durchmachen und scheint dadurch sehr distanziert, wird im Buch mehrmals als „starke Frau“ beschrieben. Dies ist sie wohl, zumindest in der Hinsicht, dass sie sich nicht unterkriegen lässt.

Klüssendorf beschreibt sehr distanziert das Kennenlernen, die Beziehung und schließlich deren Zerbrechen und das Danach. Sie schreibt ruhig und flüssig, lässt genug Raum für den Leser, sich selbst etwas dazu zu denken, aber doch mit einer stillen Wucht. Da sie nicht wertend schreibt kann der Leser selbst seine Schlüsse dazu ziehen. Ein sehr lesenswerter Roman über zwischenmenschliche Beziehungen und über das Leben im Allgemeinen. Nach diesem Buch werde ich auch die beiden Vorgängerromane lesen.

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Veröffentlicht am 28.11.2019

Eindrückliches Debüt von 1937

Menschen neben dem Leben
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Ich war bereits von "Der Reisende" begeistert und wollte daher das andere (erste) Werk des Autors unbedingt lesen. Boschwitz schrieb zwei Bücher, "Menschen neben dem Leben" und "Der Reisende". Sie wurden ...

Ich war bereits von "Der Reisende" begeistert und wollte daher das andere (erste) Werk des Autors unbedingt lesen. Boschwitz schrieb zwei Bücher, "Menschen neben dem Leben" und "Der Reisende". Sie wurden erst 2018 bzw 2019 auf Deutsch übersetzt, lektoriert und im Klett Cotta Verlag publiziert. "Menschen neben dem Leben" erschien 1937 auf Schwedisch, 1939 auf Englisch, 2019 nun auf Deutch. Boschwitz starb 1942 im Alter von 27 Jahren bei einem deutschen Torpedo-Angriff auf der Überfahrt von Australien nach England.

In "Menschen neben dem Leben" beschreibt Boschwitz die Menschen am Rande der Gesellschaft im Berlin der Zwischenkriegsjahre. Der Krieg und die Weltwirtschaftskrise lässt viele Menschen mittellos dastehen: vor allem durch technische Verbesserungen werden viele Berufe obsolet, die Arbeitslosigkeit steigt, die Arbeiter werden immer schlechter behandelt, weil sie sofort austauschbar sind. So geht es auch Boschwitz' Protagonisten: Schreiber, der Gemüsehändler, die Obdachlosen Fundholz und Tönnchen, der kleinkriminelle Grissman und der blinde Sonnenberg.

Boschwitz hat ein gutes Gespür für Menschen und kann sich ausgezeichnet in diese hineinfühlen. So schafft er, dass der Leser diese ihm vermutlich fernen Menschen ausgezeichnet versteht. In kurzen, gut verständlichen Sätzen beschreibt er dicht, lebendig und authentisch das Leben im Berlin der 20er Jahre. Auch der Humor kommt trotz des ernsten Themas nicht zu kurz. Wahnsinn, dass der Autor dieses Buch mit nur 22 Jahren geschrieben hat. Ein wirklich eindrücklicher Debüt-Roman der noch lange nachwirkt.

Veröffentlicht am 24.09.2019

Spannende Mischung aus Roman und Krimi

Drei
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"Hast du jemandem von uns erzählt?"

Dieser Roman handelt von drei Frauen, die alle denselben Mann treffen. Bereits ab hier muss man vorsichtig sein, um nicht zu spoilern. Einerseits ist da Orna, vor ...

"Hast du jemandem von uns erzählt?"

Dieser Roman handelt von drei Frauen, die alle denselben Mann treffen. Bereits ab hier muss man vorsichtig sein, um nicht zu spoilern. Einerseits ist da Orna, vor kurzem geschieden, die Gil auf einer online dating Platform für Geschiedene kennenlernt. Sie gibt alles für ihren Sohn, ist jedoch langsam wieder bereit für etwas neues. Die zweite Frau, Emilia, eine lettische Pflegerin, holt sich Rat vom Sohn der Familie, dessen Vater sie einst gepflegt hat. Langsam entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden. Die letzte Frau ist jung, kurz nach der Elternzeit und scheint eine Abwechslung zu suchen...

Dror Mishani schreibt ruhig und beinahe sachlich, aus der Sicht der jeweiligen Frau, jedoch immer in der dritten Person. Gil lernen wir nur aus Sicht der Frauen kennen. Das Buch ist grob in drei Teile geteilt, welche jeweils einer der Frauen zugeordnet ist, wobei Orna gefühlt am meisten Platz einnimmt. Ich hab das Buch gerne und leicht gelesen, es ist spannend geschrieben und bietet die ein oder andere Überraschung. Den Hype um das Buch kann ich nicht ganz nachvollziehen, vielleicht liegt dies daran, dass der Autor in Israel sehr bekannt ist. Insgesamt ein sehr schönes Leseerlebnis mit einigen Überraschungen!