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Veröffentlicht am 04.03.2020

Es ist Zeit zu handeln

Handeln statt hoffen
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Im Juni 2019 rettete die Kapitänin Carola Rackete mit ihrem Team 53 Menschen auf ihr Schiff, da diese Menschen mit einem Schlauchboot von Libyen kommend das Mittelmeer überqueren wollten und in Seenot ...

Im Juni 2019 rettete die Kapitänin Carola Rackete mit ihrem Team 53 Menschen auf ihr Schiff, da diese Menschen mit einem Schlauchboot von Libyen kommend das Mittelmeer überqueren wollten und in Seenot geraten sind. Als die Politik und die Behörden keine Lösung für diese Menschen fanden und Rackete durch das Ausharren mit ihren Gästen selbst in eine Notlage auf ihrer SeaWatch3 kam, entschloss sie sich dazu, ohne Erlaubnis in den Hafen von Lampedusa einzufahren.

Durch diese Aktion erlangte sie durch die Medien eine ungewollte Bekanntheit, nutzt diese jetzt jedoch, um auf Missstände hinzuweisen, die momentan auf unserer Welt herrschen. Sie bringt die Klimakatastrophe, Migrationsbewegungen, Wirtschaftswachstum und globale Ungerechtigkeit zu einem großen Ganzen zusammen, erklärt Zusammenhänge und gibt Lösungsansätze auf politischer Ebene. Gleichzeitig erzählt sie, was damals wirklich auf der SeaWatch3 passiert ist.

Jedes der fünf Kapitel startet mit einem persönlichen Blick auf die Ereignisse der damaligen Rettungsmission. Ausgehend davon spricht Rackete viele Punkte an, die dazu geführt haben und immer noch führen, dass auf unserer Erde so viel schief läuft. Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Klimakrise und eine Krise der globalen Gerechtigkeit. Dass wir scheinbar tatenlos zuschauen, wie unser Planet von uns selbst zerstört wird und wir langsam unsere Menschlichkeit und Solidarität gegenüber anderen Menschen verlieren, ist für sie das schlimmste Verbrechen an uns selbst.


Spannend fand ich die Erklärungen zu Seerechten und Seenotrettung im Speziellen. Man muss sehr viel wissen und beachten und sich den Konsequenzen bewusst sein. Zusätzlich schreibt sie über Fluchtursachen, Umweltschutz, Konsumverhalten und gewaltfreien Protest. Ich mochte ihre Art zu schreiben sehr. Je nachdem über was sie schreibt, ändert sie ihren Schreibstil. So liest man fast schon literarisch von ihrer Zeit auf dem Schiff, sachbuchartig erklärt sie Zusammenhänge und Hintergründe unseres Daseins und mit einem großen Appell schreibt sie, wenn es darum geht, ihre Leser*innen aufzufordern, endlich zu handeln. Das Buch ist dadurch kurzweilig und abwechslungsreich. Die Fakten sind komprimiert dargestellt, ich fand ihre Art mit Studien und Quellen umzugehen jedoch sehr gelungen. Nur ein besserer Quellenverweis wäre noch super gewesen.


Fazit

Unbedingt lesen! Carola Racketes klare Worte, ihre präzise formulierten Beispiele, ihr besonderer Blick auf das große Ganze waren für mich eine große Bereicherung. Ihr Appell an die Menschen, endlich etwas für eine bessere Zukunft zu tun, ist bei mir angekommen.

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Veröffentlicht am 04.03.2020

Eine Geschichte über Verlust

Die Karte der zerbrochenen Träume
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In Syrien herrscht Krieg, sodass Nour und ihrer Familie nichts anderes übrig bleibt, als davor zu flüchten. Das junge Mädchen erzählt hier zwei Geschichten. Einerseits ihre eigene Fluchtgeschichte, die ...

In Syrien herrscht Krieg, sodass Nour und ihrer Familie nichts anderes übrig bleibt, als davor zu flüchten. Das junge Mädchen erzählt hier zwei Geschichten. Einerseits ihre eigene Fluchtgeschichte, die von vielen Entbehrungen, Gewalt, Verlust und Angst gezeichnet ist, andererseits erzählt sie von Rawiya, die vor hunderten Jahren in ein Abenteuer aufbricht und als Heldin zurückkehrt. Beide gehen einen ähnlichen Weg, aber mit unterschiedlichen Intentionen. Diese beiden Geschichten verbinden sich auf einer zusätzlichen Ebene, die man erst mit der Zeit erkennt. Das fand ich sehr schön.

Am Anfang hat mich der Wechsel der Geschichten noch aus dem Lesefluss gebracht, ich konnte mich aber relativ schnell darauf einstellen und habe dann bei beiden Erzählsträngen mitgefiebert. Joukhadar ist es meiner Meinung nach hervorragend gelungen, Nours Fluchtgeschichte authentisch und realitätsnah erfahrbar zu machen.

Die Geschichte ist fiktiv, trotzdem passieren ähnliche Szenarien zurzeit überall auf der Welt. Was die Menschen durchmachen müssen, ist einfach grausam. Nour sieht die Welt anders, sie denkt in Farben. Ebenso farbenprächtig ist der Schreibstil des Autors. Er konnte die Gedanken- und Gefühlswelt von Nour hervorragend beschreiben - und in Worte fassen, was oft überhaupt zu schwer ist, irgendwie auszudrücken. Es wird auch manchmal sehr philosophisch, was ich sehr mochte. Der Autor überdramatisiert nichts, die Flucht an sich ist schon dramatisch genug. Eingeteilt ist das Buch in unterschiedliche Reiseabschnitte, die beginnen, wenn Nour mit ihrer Familie ein neues Land betritt.

Mich konnte die Geschichte sehr bewegen. So eine Flucht hautnah mitzuerleben ist nichts für schwache Nerven. Mich wird die Geschichte noch lange begleiten, da sich die Bilder bei mir eingebrannt haben.


Fazit

Lesen! Zeyn Joukhadar schafft es wunderbar, die Flucht des jungen Mädchens Nour und seiner Familie zu erzählen, obwohl dieses Thema immens schwierig ist. Nour habe ich bald ins Herz geschlossen und die Geschichte, die sie in ihrer Geschichte erzählt, zeigt, dass es eben diese Geschichten sind, die man sich erzählt, an denen man sich immer und überall festhalten kann, egal wo man ist.


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Veröffentlicht am 04.10.2019

Ein iranisches Mädchen

Persepolis
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Diese Gesamtausgabe Persepolis erzählt autobiographisch die Lebensgeschichte von Marjane Satrapi. Über ihre im Iran verbrachte Kindheit, ihre Jugendjahre in Wien und wie es ihr bei ihrer Rückkehr in den ...

Diese Gesamtausgabe Persepolis erzählt autobiographisch die Lebensgeschichte von Marjane Satrapi. Über ihre im Iran verbrachte Kindheit, ihre Jugendjahre in Wien und wie es ihr bei ihrer Rückkehr in den Iran ergangen ist. Und zwar in Bildern. Gleichzeitig ist es eine Geschichte über den Iran. Die Radikalisierung, das Verschleiern der Frauen, die ganzen Vorschriften, Krieg.

Es ist eine Geschichte über ein Mädchen, das sich in der Welt zurechtfinden will, aber in die vorgegebenen gesellschaftlichen Systeme nicht wirklich hineinzupassen scheint. Persepolis ist eine Graphic Novel - in schwarz-weiß Bildern hat die Autorin ihre Erlebnisse verarbeitet und zwar auf schonungslose und unglaublich ehrliche Art und Weise.

Besonders interessiert hat mich bei diesem Buch die Darstellung der Mädchen und Frauen. Satrapi erlebt die Radikalisierung mit und wird von einer Kindheit in Freiheit in ein System mit Verschleierung, Trennung der Geschlechter und öffentlichen Denunziationen getrieben. Beziehungen zwischen Männern und Frauen vor der Ehe waren dann verboten, Sex war sowieso das Tabu-Thema, Kleidervorschriften bzw. wie eine Frau und ein Mann auszusehen haben bestimmten ihren Alltag und Wahrheiten wurden je nach Laune geändert. Satrapi wurde in einer liberalen Familie erzogen und, um ihr den Krieg zu ersparen, nach Wien geschickt. Doch dort konnte sie nur schwer eine Heimat finden.

Ihre kindlichen Wahrnehmungen am Anfang des Buches haben mich sehr berührt und auch zum Lachen gebracht. Als Kind ist es schwer, manche Sachen logisch nachzuvollziehen, weil sie einfach keinen Sinn machen. Und sie machen ja wirklich oft keinen Sinn. Dieser unverschleierte Blick auf diese verheerenden Umstände war sehr bereichernd. Später geht die Autorin auf Beziehungen, Freundschaften und ihre Ausbildung ein. Behandelt aber auch Themen wie Obdachlosigkeit, Depressionen, Verfremdung zur eigenen Kultur, Familie. Schonungslos betrachtet sie ihr eigenes Leben und setzt sich politisch mit dem Iran auseinander. Und über Kopftücher kann man natürlich streiten. So wie es die Autorin hier beschreibt, sind sie zu verurteilen, da sie im Iran einzig und allein zur Unterdrückung der Frauen dienen.



Fazit

Eine Graphic Novel mit politischem Inhalt. Man verfolgt Marjane Satrapis Heranwachsen zur jungen Frau im Iran und in Österreich. Die schwarz-weiß Bilder geben eindrucksvoll wider, was der Autorin im Leben passiert ist und was sie sich so gedacht hat. Für mich waren die Einblicke in ihr Leben sehr bereichernd.

Veröffentlicht am 04.10.2019

Feministin ist kein Schimpfwort

Feministin sagt man nicht
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Mit diesem Buch hat Hanna Herbst einen tollen Beitrag zur ganzen Feminismus-Debatte geleistet. Als Einsteigerbuch in die Thematik ist es perfekt. Sie erklärt nicht nur das System Patriarchat, sondern geht ...

Mit diesem Buch hat Hanna Herbst einen tollen Beitrag zur ganzen Feminismus-Debatte geleistet. Als Einsteigerbuch in die Thematik ist es perfekt. Sie erklärt nicht nur das System Patriarchat, sondern geht auch auf den Hass ein, dem Feministinnen oft ausgesetzt sind. Sie setzt sich mit Gewalt und Macht, dem Körper sowie Pornographie auseinander und gibt dazu immer wieder Einblicke in ihr persönliches Leben und erzählt von ihren Erfahrungen.

Die Aufmachung des Buches ist anders als erwartet, aber ich finde sie sehr ansprechend. Optisch wirklich sehr gelungen. Zwei Spalten auf jeder Seite und dazwischen immer große Zitate von wichtigen Frauen und wichtigen Aussagen. Herbst baut sehr viel von bekennenden Feminist
innen ein, beruft sich auf Studien, beschreibt zum Thema passende Fälle und gibt viele, viele Beispiele, warum wir Feminismus brauchen. Und wir brauchen ihn dringend in allen Lebensbereichen!

Die Medien kommen bei Herbst nicht gut weg. Vor allem nicht die österreichischen Boulevardblätter. Hanna Herbst lebt in Wien und für mich war es eine positive Erfahrung über meine eigenen Politiker*innen oder nationale Bekanntheiten zu lesen. Meine bisherige feministische Lektüre war sehr amerikanisch geprägt. Auch unsere Sprache wird einer kritischen Prüfung unterzogen. Wie wir über Frauen sprechen, wie wir über Gewalt sprechen, wie wir über Sex sprechen ist nicht selbstverständlich und braucht ständige Reflexion.

Es wird nie die menschliche Seite vergessen. Und auch nie die humorvolle. Durch die vielen persönlichen Einblicke konnte ich mich stark mit den Erfahrungen identifizieren. Die Autorin ist nie für ein "Frauen gegen Männer". Sie zeigt auf, dass sowohl Feminismus als auch Patriarchat Dinge sind, die von jedem Menschen entweder befürwortet oder abgelehnt werden können, egal welches Geschlecht sie haben, wie sie ausschauen, wo sie herkommen.

Fazit
Hanna Herbst zeigt anschaulich was es heißt, in Europa eine Frau zu sein. Sie schreibt von ihren Erfahrungen als weiße Frau, betont aber immer wieder, dass Solidarität mit allen Frauen Macht bedeuten kann und es wichtig ist, das Leben als Frau erfahrbar zu machen und darüber zu schreiben. Das hat sie gemacht und durch viele Beispiele, Studien, Erklärungen und den Aussagen wichtiger Frauen die Notwendigkeit von Feminismus und Solidarität aufgezeigt. Lesen!
Und um das hier mit Hannas Worten abzuschließen: Feministin sagt man doch!

Veröffentlicht am 04.10.2019

Running with the wolves

Die Wolfsfrau
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Emma Watsons online Buchclub "our shared shelf" befasst sich mit feministischer Literatur und ich habe mir die Bücher, die sie dort bereits gelesen haben, jetzt mal angeschaut. Unter anderem war da dieses ...

Emma Watsons online Buchclub "our shared shelf" befasst sich mit feministischer Literatur und ich habe mir die Bücher, die sie dort bereits gelesen haben, jetzt mal angeschaut. Unter anderem war da dieses spannende Buch dabei.

Die Wolfsfrau von Clarissa Pinkola Estés befasst sich mit der weiblichen Psyche und welchen Herausforderungen sie sich im Laufe eines Lebens stellen muss. Die Autorin bedient sich in ihrer Analyse vieler Metaphern, die sie in Märchen und Sagen findet. Sie hat um die 20 Märchen ausgewählt, die alle einen bestimmten Vorgang in der Psyche oder schlichtweg einen Teil der Psyche darstellen sollen.

Es geht vor allem darum, die innere Stimme wiederzufinden. Man kann dazu auch Intuition oder Urinstinkt sagen. Die Wilde in uns muss befreit werden. Und "wild" wird in dem Sinne verstanden wie "in der natürlichen Umgebung". Dieser Urinstinkt ist die Wolfsfrau. Den Vergleich mit dieser "wilden" Frau finde ich sehr gelungen. Die Märchen sind kurz gehalten, immer mit einer Einleitung versehen mit einer anschließenden ausführlichen Analyse was die Teile im Märchen für die eigene Psyche bedeuten. Besonders spannend ist auch ihr Bezug auf Träume, die Frauen haben, wenn sie sich in einer bestimmten Phase des Umbruchs befinden. Rückblickend auf mein eigenes Verhalten konnte ich einige Parallelen finden und es tat gut, mögliche Antworten für die Seele zu bekommen. Dieses Buch hilft, zum weiblichen Ursprung der femininen Seele zurückzufinden.



Fazit

Das Buch ist sehr komplex und man muss sich darauf einlassen wollen, um wirklich etwas für sich aus diesen Geschichten mitzunehmen. Es leitet dazu an, die eigenen Abgründe der Seele zu erkunden und als Frau kann ich dieses Buch allen Frauen sehr weiterempfehlen, da psychische Gesundheit das Um und Auf ist und vielleicht hilft dieser psychologische Ansatz, der Geschichten hernimmt, um zu heilen.