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Veröffentlicht am 28.12.2019

Sträter-Texte aus den letzten drei Jahren

Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein
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Was Torsten Sträter ausmacht, ist sein Understatement. Belangloses wird aufgegriffen, ausgeweitet, verformt und es entsteht eine zumeist grotesk anmutende Geschichte. Auch in seinem neuen Buch ...

Was Torsten Sträter ausmacht, ist sein Understatement. Belangloses wird aufgegriffen, ausgeweitet, verformt und es entsteht eine zumeist grotesk anmutende Geschichte. Auch in seinem neuen Buch „Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein“ schreibt Torsten Sträter so seine Texte.

So ist das, was Torsten Sträter hier präsentiert, ein Konglomerat aus einerseits billigem momenthaftem Klamauk und andererseits witzigen Einfällen, aus denen echte Geschichten werden. Die Geschichten aus seiner Kindheit, die sich langsam entwickeln, gehören zu stärksten Texten des Buches. Auch Anspielungen zwischen den Texten sind hier zu finden. Allerdings nur dort, wo sie aus einer Feder sind, sprich aus dem gleichen Bühnenprogramm stammen.

Die bunte Mischung, die in „Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein“ zu finden ist, bringt mit sich, dass jeder hier etwas finden kann, das ihm gefällt. Von den fantasievollen Beschreibungen unerklärlicher Gegenstände aus der Fernsehsendung „Sträters Männerhaushalt“ über die Pressesprecher-Texte aus „extra 3“ bis hin zu den erzählenden Texten wie „Omma“.

Ein großer Wurf ist das Buch keinesfalls. Dafür ist es zum einen zu sehr Sammelsurium, zum anderen sind auch zu viele schlechte Texte zu finden. Bei den Pressesprecher-Texten fehlt oft der eine rote Faden – um billiger Gags willen wird eine inhaltlich klare Linie aufgegeben. Andere Texte sind einfach inhaltlich schlecht wie etwa „Plastikmüll“, wo ein ernstes Thema wenig gekonnt aufgegriffen wird. Es scheint so, dass Sträter inhaltliche Positionierungen auf Teufel komm raus vermeiden will. Da hilft auch Sträters sprachliche Virtuosität nicht weiter.

Andere Bücher von Sträter haben mir besser gefallen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.10.2019

Originelles Figuren-Panorama, spröder Schreibstil

Das Schöne, Schäbige, Schwankende
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„Romangeschichten“ nennt Brigitte Kronauer die Texte, die sie in ihrem Band „Das Schöne, Schäbige, Schwankende“ versammelt hat. Der Grund ist nicht darin zu finden, dass Kronauer sich eines parlierenden ...

„Romangeschichten“ nennt Brigitte Kronauer die Texte, die sie in ihrem Band „Das Schöne, Schäbige, Schwankende“ versammelt hat. Der Grund ist nicht darin zu finden, dass Kronauer sich eines parlierenden Erzählstils bedient hätte, sondern vielmehr darin, dass es eine Rahmenhandlung gibt, die den Großteil der Texte lose miteinander verbindet. Ihr Buch als Roman zu bezeichnen, würde es nicht korrekt charakterisieren. Die Geschichten, die sie schreibt, entwickeln ein umfangreiches Eigenleben, einen thematischen roten Faden sucht man vergebens.

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: eine Schriftstellerin zieht sich ins Haus eines Bekannten zurück, um ihr Buch fertigzustellen. Doch im Haus des Ornithologen drängen sich ihr ganz andere Geschichten auf. Nach und nach findet sie in ihren Mitmenschen Eigenarten der Vögel wieder. Und so entstehen 39 kleine Porträts über Menschen, die die Schriftstellerin an Vögel erinnern. An eine zerfledderte Krähe etwa oder an ein munteres Spatzenmännchen.

Die Erzählweise der Geschichten lässt sich am ehesten als nüchtern und zurückhaltend beschreiben. Der personale Erzähler bzw. die personale Erzählerin gibt nie mehr preis als nötig, wertet kaum, sondern stellt lieber dar. So wirken die Geschichten wie Kurzgeschichten, die allerdings teilweise einen etwas längeren Zeitraum in den Blick nehmen. Zumeist steht das Schicksal der Personen im Vordergrund, allzu viel wird an Menschelndem auch nicht ausgelassen, bis hin zum Inzest reicht das Schicksal.

Manchen der Geschichten gelingt es, den Leser zu fesseln, besonders dann wenn sie etwas komplexer strukturiert sind und überraschende Wendungen bieten. Zum Teil verliert sich allerdings der Reiz der Geschichten, der durch originelle Charaktere durchaus vorhanden ist, im Laufe der Handlung durch den nüchtern darstellenden Schreibstil. Das originelle Panorama der Personen – die alternde Sängerin, die Diva, der verliebte Mechatroniker, die verlassene Frau – widerspricht dem eher beschreibenden Erzählstil.

So interessant manche der Geschichten auch komponiert waren: mit dem Erzählstil der Geschichten konnte ich mich nur bedingt anfreunden.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Ja, aber...

Drei
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"Drei" von Dror Mishani ist spannend zu lesen, geschickt aufgebaut und bietet überzeugende Figuren. Dennoch hat mich das Buch nicht überzeugt, was an der fehlenden Auflösung liegt.

Der Grund dafür, warum ...

"Drei" von Dror Mishani ist spannend zu lesen, geschickt aufgebaut und bietet überzeugende Figuren. Dennoch hat mich das Buch nicht überzeugt, was an der fehlenden Auflösung liegt.

Der Grund dafür, warum alles in "Drei" so kommt, wie es kommt, bleibt auch am Schluss des Buches offen. Dror Mishani hält sich so eine Fortsetzung des Buches offen, das auch als Serie ins Fernsehen kommen soll. So bleibt - in diesem Buch zumindest - trotz einer erfolgten Auflösung am Schluss - das Wesentliche, die Gründe, ungeklärt. Als Leser fühle ich mich da schon etwas an der Nase herumgeführt.

An der Nase herumgeführt werden auch die drei Frauen, die die zentralen Figuren in Mishanis Roman sind. Alle drei treffen auf den geheimnisvollen Rechtsanwalt Gil und gehen mit ihm eine Beziehung ein - mal als Seitensprung, mal als erhoffter Neuanfang nach einer Scheidung.

Da ist zunächst einmal Orna. Die geschiedene alleinerziehende Mutter schafft es kaum, sich von ihrem Exmann zu lösen. Sie kämpft um ihren Sohn, will sich neu binden und nutzt die Beziehung zu Gil auch dazu, von ihrem Ex-Mann loszukommen. Sehr gelungen ist zwischen den Zeilen dargestellt, wie sehr Orna Gefahr läuft, an der gescheiterten Beziehung zu zerbrechen. Für ihren Sohn würde Orna alles tun, sich selbst vernachlässigt sie dabei aber. Sehr gekonnt bringt Mishani ihre große Unsicherheit zum Ausdruck, vielleicht ein klein wenig zu oft.

Unsicher auf ganz andere Weise ist die zweite Frauengestalt, von der im zweiten Teil des Buches die Rede ist. Emilia ist aus Osteuropa nach nach Israel gekommen, um als Pflegekraft zu arbeiten. Sehr eindrücklich schildert Mishani, wie Emilia versucht, sich eine neue Heimat aufzubauen, indem sie mehr für die Einrichtung ihres angemieteten Zimmers ausgibt, als sie sich eigentlich leisten kann. Auch Emilia trifft auf den mysteriösen Gil. Hier zeigt sich zum ersten mal die etwas religiös-esoterische Seite des Buches, denn Emilia sucht nicht nur Halt in ihrem Leben in der Kirche, sondern sieht auch immer wieder den Verstorbenen, den sie gepflegt hat. Man kann darüber sicherlich geteilter Meinung sein, aber dass einem Tote erscheinen, ist für mich nur schräg und ich habe es unter esoterischer Krimskrams abgebucht. Dass die Toten im Laufe des Romans auch direkt angesprochen werden, hat mich doch sehr irritiert und wenig überzeugt.

Im letzten Teil entwickelt sich der Roman mit einer weiteren Perspektive hin zur Auflösung - mehr sei hier nicht verraten. Ja, geschickt aufgebaut ist der Roman. Keine Frage. Nach einem eher gemächlichen Beginn steigt die Spannungskurve rasant. Überzeugend lebendig wirken die Frauenfiguren, die hier im Zentrum stehen.

Dass man als Leser aber mit den Beweggründen der Handelnden am Schluss so ganz allein gelassen wird, hat einiges von den Stärken des Buches stark relativiert.

Veröffentlicht am 10.08.2019

R.I.P.

R.I.P.
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Zwei Jugendliche werden brutal ermordet. Die Ermittler stehen vor einer Fülle an Puzzleteilen, die so gar nicht zusammenpassen wollen. Nur ein Motiv findet sich in Yrsa Sigurdardóttirs neuem Kriminalroman ...

Zwei Jugendliche werden brutal ermordet. Die Ermittler stehen vor einer Fülle an Puzzleteilen, die so gar nicht zusammenpassen wollen. Nur ein Motiv findet sich in Yrsa Sigurdardóttirs neuem Kriminalroman „R.I.P.“ immer wieder: Mobbing.

Über Mobbing zu schreiben, scheint der isländischen Krimi-Autorin ein Anliegen gewesen zu sein, denn sie spielt das Thema die Klaviatur rauf und runter. Ja, es kann ein Motiv für einen Mord sein. Aber muss dann auch noch die in die Ermittlungen einbezogene Psychologin früher ein Mobbingopfer gewesen sein? Muss dann auch noch ein Mobbing-Experte zum Verdächtigen werden? Und vor allem: müssen sich Polizisten so zickig verhalten, dass man von Mobbing sprechen könnte? Zudem ist das, was inhaltlich über Mobbing gesagt wird, nicht allzu tiefschürfend. Es scheint so, als hätten die Ermittler zum ersten Mal damit zu tun.

So sehr mir der Plot von „R.I.P.“ und die Auflösung gefallen hat: die Spannung ist sehr stark getrübt durch die vielen Querelen innerhalb der Polizei. Die beiden ermittelnden Hauptfiguren werden von ihrer Chefin kaltgestellt – nur zufällig finden sie Wesentliches für die Lösung des Falls heraus. Generell arbeitet man bei der Polizei eher gegeneinander als miteinander. Die ständigen Streitereien während der Ermittlungsarbeit ziehen sich durch das ganze Buch – und das macht das Lesen hin und wieder doch sehr mühsam.

Es mag sein, dass Yrsa Sigurdardóttir das sogar beabsichtigt hat. Der klare Blick des Lesers, der sieht, was bei der Zusammenarbeit alles nicht richtig läuft, steht gegen das, was Mobbing ermöglicht: wegsehen, nicht ernst nehmen, verharmlosen. Allerdings haben die andauernden Querelen und Zickereien zur Folge, dass die Ermittler in „R.I.P.“ allesamt zutiefst unsympathisch wirken.

Was den Plot angeht, ist „R.I.P.“ spannend erzählt. Die vielen Puzzleteile, die lange nicht zusammenpassen wollen, sind gut konstruiert. Dass manches dabei etwas unwahrscheinlich ist, tut keinen Abbruch. Zudem zeigt Sigurdardóttir moderne Ermittlungsarbeit: die Polizisten müssen sich mit Snapchat beschäftigen, Anträge stellen für die Einsichtnahme in Chatprofile. Dagegen wirkt der Zugriff auf die isländische Gendatenbank fast schon einfach.

Veröffentlicht am 02.04.2019

Spannende Reiseberichte, allerdings etwas einseitig

Die große Heuchelei
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Eine Mischung aus politischen Statements und Berichten von persönlichen Schicksalen bietet Jürgen Todenhöfer in seinem neuen Hörbuch "Die große Heuchelei". Wen Todenhöfer als Heuchler entlarven will, macht ...

Eine Mischung aus politischen Statements und Berichten von persönlichen Schicksalen bietet Jürgen Todenhöfer in seinem neuen Hörbuch "Die große Heuchelei". Wen Todenhöfer als Heuchler entlarven will, macht der Untertitel deutlich: "Wie der Westen seine Werte verrät".

Besonders neu oder besonders originell ist an diesem Teil seines Buches nur wenig. Der Unterschied zu anderen Sachbüchern ist nur, dass Todenhöfer von vorneherein eine moralische Verurteilung vornimmt, die insgesamt allerdings sehr pauschal ausfällt.

Seine zentrale These ist, dass das deutsche Volk über die wahren Kriegsgründe belogen wird. Dabei scheint Todenhöfer davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Bundesbürger tatsächlich glaubt, dass Kriege nur aus humanitären Gründen geführt werden.

Hier unterschätzt der ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU aber seine Mitbürger wohl fulminant: Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der nicht zustimmt, dass Rohstoffe oder geostrategische Überlegungen eine militärische Intervention begünstigen. Warum sonst sagte ein früherer Verteidigungsminister, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt? Natürlich geht es immer auch um Interessen.

Man könnte dies als Naivität abtun und darüber hinwegsehen, wenn es nicht bei Todenhöfer immer wieder zu einer Schieflage führen würde, zu einer Einseitigkeit, die problematisch ist. So behauptet Todenhöfer, Horst Köhler wäre als Bundespräsident wiedergewählt worden, wenn er nicht in einem Radiointerview von "außenpolitischen Interessen Deutschlands" gesprochen hätte. Dass die Diskussion hier aber vielmehr darum ging, inwiefern die Auslandseinsätze der Bundeswehr vom Grundgesetz gedeckt sind (und inwiefern sie gedeckt sein müssen), erwähnt Todenhöfer nicht.

Vom Syrienkrieg sagt Todenhöfer, dass er leicht vermieden hätte werden können. Der "ungerechteste Friede wäre besser gewesen", weiß er. Als ob man das im Vorhinein hätte sagen können - wer hätte schon vermutet, dass der Krieg jahrzehntelang dauern wird?

Eine große Schlagseite hat das Hörbuch auch in Blick auf die Schuldfrage. Zumeist wird den USA der Schwarze Peter zugeschoben. Sie nehmen keine Verhandlungsangebote an, haben keinerlei Strategie im Nahen Osten, verschleiern zivile Todesopfer bei Angriffen, haben überhaupt keine Ahnung vom Nahen Osten.

Todenhöfers Kritik an der Berichterstattung im Westen mag richtig sein. Manches wird unter den Teppich gekehrt, manches wenn überhaupt nur am Rande berichtet. Aber ist darauf die Antwort, ebenso einseitig dem Westen pure Scheinheiligkeit vorzuwerfen? Todenhöfer bemüht sich redlich, die Namen der zivilen Opfer zu nennen - im Nahen Osten. Müsste er nicht ebenso die Namen westlicher Opfer nennen?

In vielem, was Todenhöfer sagt, kann ich ihm im Grunde zustimmen. Kriege sind keine einfache und oft nicht einmal eine praktikable Möglichkeit der Konfliktlösung. Kriege haben zu viele zivile Opfer. Kriege werden nur am Rande aus humanitären oder anderen ehrenhaft anmutenden Gründen geführt.

Was aber bei Todenhöfer herausgekommen ist, ist eine Fülle an Abenteuergeschichten über den Besuch von Kriegsgebieten, eine unglaubliche Pauschalisierung, keinerlei Differenzierung - Pazifismus wird quer durch alle Zeiten und Orte proklamiert.