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Veröffentlicht am 14.02.2020

Spannender Debütroman!

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
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Mit ihrem im Dezember 2019 bei dtv erschienenen Werk "Freefall" hat Autorin Jessica Barry definitiv keine 'Bruchlandung' hingelegt, sondern einen äußerst gelungenen Debütroman erschaffen.

Direkt zu Beginn ...

Mit ihrem im Dezember 2019 bei dtv erschienenen Werk "Freefall" hat Autorin Jessica Barry definitiv keine 'Bruchlandung' hingelegt, sondern einen äußerst gelungenen Debütroman erschaffen.

Direkt zu Beginn wird man unmittelbar in die Handlung hineinkatapultiert und verfolgt gebannt, wie die Hauptprotagonistin Allison, kurz Ally, sich durch die raue Wildnis der Rocky Mountains kämpft, nachdem sie als einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes gerade erst dem Tod entronnen ist. Als wäre ihre Situation nicht dramatisch genug, wird schnell klar, dass Ally auf der Flucht ist – jemand trachtet ihr nach dem Leben und verfolgt sie erbarmungslos. Zeitgleich erhält Allys Mutter Maggie die schlimmste Nachricht, die man sich als Elternteil nur vorstellen kann – ihr einziges Kind war an Bord jenes Kleinflugzeugs gewesen, das in den Bergen Colorados abgestürzt ist. Erst vor wenigen Jahren hatte Maggie ihren geliebten Mann verloren und nun soll auch Ally tot sein? Kann das Schicksal so grausam sein?! Seit geraumer Zeit hatten Mutter und Tochter keinen Kontakt mehr; eine Tatsache, die Maggie stets schwer belastet hatte. Dennoch war sie immer davon ausgegangen, dass sie eines Tages Gelegenheit zu einer Versöhnung haben würden. Diese Chance scheint für immer verloren. Fassungslos beginnt Maggie, Nachforschungen über Allison anzustellen, ihre letzten Schritte zu rekonstruieren. Bald stößt sie auf Ungereimtheiten und erkennt, dass sie beinahe nichts darüber weiß, wer ihre Tochter in den letzten Jahren gewesen ist, in welchen Kreisen sie verkehrt hatte. Ohne es zu ahnen, stößt Maggie mit ihren Nachforschungen in ein Wespennest und setzt eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen in Gang…

Erzählt wird abwechselnd aus Allys und Maggies Perspektive. Während Allys Parts von einem hektischen, rasanten Ton bestimmt sind, wird in Maggies Abschnitten die Verzweiflung spürbar. Dieser Kontrast ist der Autorin wunderbar gelungen; man fiebert mit Ally mit, während man mit Maggie leidet und sie am liebsten trösten würde. Immer wieder gibt es kurze Rückblicke in Form von Erinnerungen, durch welche wir die Figuren zusätzlich besser kennenlernen. Auch die Ursache für das Zerwürfnis der beiden Frauen wird näher erläutert. Geschickt erlaubt uns die Autorin diesbezüglich in die Gedankengänge von Ally und Maggie eintauchen und überlässt es den Lesern, sich eine Meinung zu bilden bzw. Stellung zu beziehen. Ab und zu erhalten wir zudem einen Einblick in die Gedanken von Allys Verfolger. Da diese Perspektive eher selten auftaucht, habe ich mich jedes Mal ein wenig erschrocken und panisch an Ally gedacht.

Über Allisons routiniertes, gefasstes Verhalten direkt nach dem Absturz habe ich nur staunen können. - Als wäre sie seit Jahren auf einen Survival-Einsatz vorbereitet worden. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich in ihrer Situation so zielstrebig und logisch hätte handeln können, zumal sie körperlich schwer verletzt war. Respekt! In Maggie konnte ich mich hingegen voll und ganz hineinversetzen. Sie tat mir unheimlich leid und genau wie sie hätte ich niemals Ruhe gegeben, wenn es um das Leben meines Kindes ginge. Als sie im Fernsehen ein Foto von Ally sieht, auf dem ihre Tochter ihr komplett fremd erscheint, hat es mir beinahe das Herz gebrochen. Aufgrund ihres liebenswerten, warmherzigen Wesens war Maggie mir auf Anhieb sympathisch und blieb auch im Laufe der Handlung meine Lieblingsfigur.

Der Roman ist tatsächlich ein Pageturner, weil man einfach wissen möchte, wie die kleinen Einzelinformationen, die man aus den verschiedenen Perspektiven entnehmen kann, wohl zusammengehören. Außerdem brannte ich darauf zu erfahren, wer Allys Verfolger ist und ob Mutter und Tochter sich jemals wiedersehen würden. Was zunächst offensichtlich und logisch erscheint, stellt sich als entsetzlicher Irrtum heraus; man weiß nie, wem man trauen kann. Ich lag mindestens in einer Hinsicht komplett daneben und war richtig baff, als die Wahrheit enthüllt wurde. Zahlreiche Wendungen hatten mich immer wieder auf eine falsche Fährte gelockt, weshalb ich bis zum großen Showdown am Ende im Dunkeln getappt hatte. Die Spannung wird also auf jeden Fall bis zum Schluss aufrechterhalten.

Das einzige Manko für mich waren ein paar kleine Ungereimtheiten, welche gewisse Szenen und Verhaltensweisen von Figuren etwas unrealistisch erscheinen ließen. So bildete beispielweise Allys Verhalten während der Flucht einen krassen Gegensatz zu ihrem Verhalten während der letzten Jahre. Manche ihrer Erinnerungen ließen Allison zudem charakterlich in keinem guten Licht erscheinen, weshalb ich zu dieser Figur keine sonderlich enge Bindung aufbauen konnte.

Ausgesprochen gut gefallen hat mir die Thematik der Mutter-Tochter-Beziehung. Weiterhin lobenswert zu erwähnen ist die sensationelle Covergestaltung – was für ein Eyecatcher!

Fazit: Empfehlenswert für alle Fans von Psychothrillern!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2019

Ein Cold Case aus Zeiten der DDR

Unter der Mauer
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Pünktlich zum Jahr, in dem Deutschland das Jubiläum "30 Jahre Mauerfall" feiert, hat Autorin Melanie Lahmer mit ihrem Werk "Unter der Mauer" eine Geschichte erschaffen, die einmal mehr verdeutlicht, wie ...

Pünktlich zum Jahr, in dem Deutschland das Jubiläum "30 Jahre Mauerfall" feiert, hat Autorin Melanie Lahmer mit ihrem Werk "Unter der Mauer" eine Geschichte erschaffen, die einmal mehr verdeutlicht, wie sehr das damals in der DDR 'eingesperrte' Volk unter den mit ihrer Heimat verbundenen Einschränkungen gelitten hat. Alles musste erst 'von oben' genehmigt werden. Urlaubsreisen in das nichtsozialistische Ausland waren ein Ding der Unmöglichkeit und allein ein Antrag auf dauerhafte Ausreise konnte die Zukunft der gesamten Familie ruinieren – zumal solche Anträge fast nie genehmigt wurden. Wer studieren durfte, wurde nicht anhand guter schulischer Leistungen entschieden, sondern basierte oftmals auf Vitamin B. 'Nicht negativ auffallen bei der Stasi', hieß die Devise.

In diesem Alltag wachsen die Teenager Michaela und Annett Anfang der 80er Jahre auf. Vor allem Michi ist unzufrieden mit ihrer Situation, erhofft sich mehr vom Leben, träumt von der weiten Welt. Als sie eines Tages spurlos verschwindet, ist ihre entsetzte Familie am Boden zerstört. Niemand weiß, was Michi zugestoßen ist. Hat sie etwa 'rübergemacht', wie sie es in ihrem Abschiedsbrief angedeutet hatte? In jedem Fall hat ihr Verschwinden weitreichende Folgen für ihre Familie; insbesondere ihre jüngere Schwester leidet sehr unter dem Verlust – und unter den darauffolgenden Schikanen durch die Stasi. Aber warum meldet sich Michi auch Jahre nach dem Mauerfall nicht bei ihren Angehörigen?

Siegen, Gegenwart. Als Psychologin Nike Klafeld beim Ausmisten eines Weltkriegsbunkers, der ihrer Band als Proberaum gedient hatte, zufällig eine Vielzahl loser Tagebuchseiten in die Hände flattert, ist ihre Neugier geweckt. Scheinbar sind die Notizen viele Jahre alt. Aber wer ist die Frau, die sie einst verfasst hatte? Interessiert an der Geschichte, die sich hinter diesen ominösen Schriftstücken verbergen mag, beginnt Nike, Nachforschungen anzustellen - nicht ahnend, dass sie mit ihrer Neugier in ein Wespennest sticht.

Die Autorin hat sich intensiv mit dem Thema 'Leben in der DDR', quasi im Schatten der Mauer, auseinandergesetzt und ihre Rechercheergebnisse in dieses spannende Werk miteinfließen lassen. Erzählt wird auf zwei Zeitebenen, wobei man im Hinblick auf die Vergangenheitsebene lange Zeit im Dunkeln tappt und erst gegen Ende herausfindet, was Michaela widerfahren ist.

Ein großer Anteil des Werks ist dem familiären Umfeld von Nike gewidmet worden, da dieser Band den Auftakt zu einer Buchreihe bildet und somit als Basiswissen fungiert. Die Ausarbeitung der Hauptfigur hat mir sehr gefallen, da Nike gleichermaßen authentisch wie sympathisch auf mich wirkt. Ihre Handlugen und Gedanken sind durch und durch nachvollziehbar; auch mich hätte es an ihrer Stelle in den Fingern gejuckt, mehr über den Verbleib der Tagebuchschreiberin zu erfahren – allerdings hätte ich mich nie in einen Bunker hineingetraut. Besonders beeindruckt hat mich die tiefgründige Schilderung der Gefühlswelt von Annett; nach Michis Verschwinden hatte sich im Familienkreis alles nur noch um den Verbleib der vermissten Tochter gedreht. Annett selbst schwankt zwischen Wut auf ihre Schwester und Unverständnis; sie möchte endlich die Wahrheit erfahren, um mit der ewigen Ungewissheit abschließen zu können.

Sowohl Covergestaltung als auch die Wahl des Buchtitels sind perfekt auf den Inhalt abgestimmt und sehr treffend gewählt worden. Der Schreibstil der Autorin ist eine angenehme Mischung aus feinfühlig und dynamisch. Während man anfangs vielleicht das Gefühl hat, es könnte ruhig ein wenig flotter vorangehen, nimmt die Story jedoch immer mehr an Fahrt auf und gipfelt in einem actionreichen Ende. Wäre dieser Roman der Auftakt einer Fernsehserie, würde ich definitiv am nächsten Tag wieder einschalten. Als Fan von Cold Case-Ermittlungen und historischen Romanen, speziell vor dem Hintergrund der DDR, war ich natürlich extrem gespannt auf das Werk und ich bin nicht enttäuscht worden.

Veröffentlicht am 14.10.2019

Goldene Lesestunden

Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre
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Meine Vorfreude auf die Fortsetzung der Saga um die Rothmann’sche Kaufmannsfamilie war groß; gespannt fieberte ich einem Wiedersehen mit den liebgewonnenen Figuren aus dem Werk entgegen, welches den Auftakt ...

Meine Vorfreude auf die Fortsetzung der Saga um die Rothmann’sche Kaufmannsfamilie war groß; gespannt fieberte ich einem Wiedersehen mit den liebgewonnenen Figuren aus dem Werk entgegen, welches den Auftakt gebildet und mich bereits vor über einem Jahr begeistert hatte. Welches Schicksal war den Charakteren in der Zwischenzeit wohl widerfahren? Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, Maria Nikolai hat sich mit diesem stimmungsvollen historischen Roman, in dem die Protagonisten zum Teil auch das für seine Goldenen Zwanziger Jahre berühmte Berlin entdecken, mal wieder selbst übertroffen!

Erneut bin ich hingerissen von der wunderschönen Covergestaltung, die schlichte Eleganz ausstrahlt und gleichzeitig nicht unterkühlt wirkt, sondern vielmehr neugierig macht. Wie passend, dass dieses Werk zur 'goldenen Jahreszeit', wie ich den Herbst gerne nenne, erschienen ist! Die bunten Blätter der Bäume, die das Stadtschlösschen der Familie umrahmen, bilden die perfekte Ergänzung zum Buchtitel, der in geschwungenen goldenen Lettern das Cover veredelt. Überhaupt wurde beim Design viel Wert auf kleine Details gelegt, wie z.B. dezente Glitzerpartikel in den Blumen.

Allen Neuentdeckern/innen, die - eventuell verzückt von besagtem Cover – beherzt zum Buch gegriffen haben und nun nicht wissen, ob sie den Lese-Sprung in die Mitte einer Buchreihe wagen sollen, ohne den ersten Teil zu kennen, kann ich diese Sorge nehmen. Zum einen werden alle Protagonisten ausgiebig vorgestellt, inklusive der Einflechtung von Hintergrundwissen. Zum anderen findet sich im Anhang ein umfangreiches Personenregister. Auch viele neue Figuren bereichern die Handlung und es entsteht nie der Eindruck, dem Geschehen aufgrund mangelnder Vorkenntnis nicht folgen zu können. Würde ich die Vorablektüre des ersten Teils empfehlen? Jein – aus Verständnisgründen wäre dies nicht nötig…aber es ist einfach ein tolles Buch. Mir persönlich hat es viel Freude bereitet, vertrauten Charakteren wieder zu begegnen.

Judith, die einstige Rebellin der Familie, ist mittlerweile selbst Mutter und genießt ihr Eheglück mit Victor; noch immer schlägt ihr Herz für die Herstellung von Schokolade. Ihre zwei kleinen Brüder, Anton und Karl, sind mittlerweile erwachsen; speziell Karl ist ein Lausbube geblieben, der eher unbeständig durchs Leben und von einer Vergnügung zur nächsten zu flattern scheint. Anton hingegen macht einer höchst sympathischen jungen Dame den Hof. Besonders fasziniert haben mich – überraschenderweise - die neuen Figuren, allen voran Serafina (die mutige, selbstbewusste Halbschwester Victors, die nach dem Tod des gemeinsamen Vaters zu den Rothmanns nach Stuttgart zieht), ihre 'Bahnhofsbekanntschaft' – die kesse und doch herzensgute Lilou Roche, die der Crew der berühmten Josephine Baker angehört – sowie Elise, die mehr als nur einem Mann den Kopf verdrehen wird…ohne es zu ahnen.

Noch immer lastet ein altes Geheimnis schwer auf der Familie; Judith und ihr Mann haben Stillschweigen darüber vereinbart. Sie ahnen nicht, dass auch ihr neues Familienmitglied sich davor fürchtet, dass ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit ans Licht kommen könnte. Hinzu häufen sich plötzlich mysteriöse Vorfälle im Familienbetrieb, die den Verdacht der Sabotage nahelegen. Doch wer würde den Rothmanns Schaden zufügen wollen?

Wundervoll atmosphärische Beschreibungen und ein Schreibstil, der aufgrund verschiedener Perspektiven absolut fesselnd ist, historische Fakten mühelos zum Leben erweckt und die rund 700 Seiten, sprichwörtlich, wie Schokolade dahinschmelzen lässt…was will man mehr? Einzig der Erzählstrang um Robert Fetzer war mir ein klein wenig zu ausführlich – dies mag allerdings daran gelegen haben, dass ich es nicht erwarten konnte, zu den spannenden Handlungen der anderen Figuren zurückzukehren.

Zusätzlich zum Roman wartet noch eine kleine Köstlichkeit im Innencover: ein Rezept für sündig-leckere Himbeer-Trüffel. Abschließend bietet das Glossar einen interessanten Überblick über die wichtigsten zeitgenössischen Begriffe und Entwicklungen dieser faszinierenden Zeitepoche.

Fazit: Sehr empfehlenswert für alle Fans von historischen Romanen! Ein dicker Schmöker, der dennoch gerne die doppelte Anzahl an Seiten hätte haben können. Fundierte Recherche + Kreativität + liebenswerte Figuren = goldene Lesestunden.

Veröffentlicht am 02.10.2019

Eine emotionale Reise in die Vergangenheit

Kastanienjahre
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Ich habe Anja Baumheiers Werk als Hörbuch genießen dürfen, wundervoll interpretiert und stimmungsvoll gelesen von Sprecher Wolfgang Berger, dessen Stimme eine ausgezeichnete Wahl für diesen Roman war. ...

Ich habe Anja Baumheiers Werk als Hörbuch genießen dürfen, wundervoll interpretiert und stimmungsvoll gelesen von Sprecher Wolfgang Berger, dessen Stimme eine ausgezeichnete Wahl für diesen Roman war. Besonders hervorheben möchte ich Herrn Bergers angenehmes Lesetempo, wohl gewählte Intonation und seine deutliche Aussprache, welche die ohnehin mitreißende Wirkung der Geschichte noch verstärkt haben.

Als junges Mädchen hätte sich die modebewusste Elise nie träumen lassen, dass sie eines Tages ihre eigene Boutique in Paris leiten würde. Die französische Hauptstadt war seit jeher ihr Sehnsuchtsort gewesen, hatte sie fasziniert und zum Lernen der Sprache motiviert – doch sie hatte sich damit abgefunden, dass eine Reise dorthin wohl für immer Wunschdenken bleiben würde, denn Elise lebte in der DDR. Während die Gedanken eines jeden Menschen frei sein mögen, waren die Einwohner des kleinen (fiktiven) mecklenburgischen Dorfes Peleroich, Elises Heimat, alles andere als das. Sie lebten ein eingeschränktes Leben, geprägt von Mangel an Konsumgütern, Angst vor Stasi-Bespitzelung und dem Parteifanatismus ihres Bürgermeisters Ludwig, der Peleroich zum Vorzeigeort des Sozialismus machen wollte. Und doch fanden sie einen Weg zwischen Anpassung und Aufgabe, lernten zu improvisieren und ihr Glück in dem Erreichbaren zu suchen.

Dies ist eine Geschichte über die Menschen, die einst in Peleroich (das nun, bald 30 Jahre nach der Wende, abgerissen werden soll) gelebt haben. Das idyllisch gelegene Örtchen, umgeben von dichtem Wald und nahe des Ostseestrandes, ist mittlerweile wie ausgestorben. Die meisten Läden haben vor Jahren geschlossen, die Einwohner sind verstorben oder haben sich ein neues Zuhause gesucht. Manche von ihnen waren bereits zu DDR-Zeiten plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und hinterließen eine klaffende Lücke in der Gemeinschaft. – So wie Jakob, für den Elise immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen bewahrt hat; Jakob, den sie von klein auf gekannt und als junges Mädchen verträumt angeschaut hatte. Was war ihm zugestoßen? Hatte er eine Flucht in den Westen gewagt? Ihr beider gemeinsamer Freund, Henning, ist ebenfalls verliebt in Elise. Obwohl er so ganz und gar anders ist als der Frauenschwarm Jakob, entwickelt Elise Gefühle für ihn.

Paris, 2018: Noch immer hängt das Gemälde mit dem treffenden Titel 'Verpasste Chancen', das sie einst von Jakob geschenkt bekommen hatte, an Elises Wand. Noch immer denkt sie manchmal wehmütig an ihn zurück…und an ihre Zeit in Peleroich, an ihre Familie. "Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht kennt." Da erreicht sie ein anonymes Schreiben – der Verfasser behauptet, über Informationen zu verfügen, die Elises gesamtes Weltbild ins Wanken bringen werden. Um endlich Antworten auf all ihre Fragen zu erhalten, macht sich Elise zusammen mit ihrer Schulfreundin Marina auf den Weg in die Heimat…

Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, verteilt auf zwei Zeitebenen: Vergangenheit und Gegenwart wechseln sich ab. Anfangs hatte ich befürchtet, dass es sich bei diesem Roman hauptsächlich um eine Dreiecksbeziehung zwischen Elise, Henning und Jakob drehen würde – dies ist nicht der Fall. Stattdessen erzählt die Autorin eindringlich, schonungslos ehrlich und zugleich einfühlsam, wie das Alltagsleben in der DDR ausgesehen hat. Peleroich ist stellvertretend für so viele ehemalige DDR-Gemeinden und ihre Bürger. Der fesselnde Schreibstil hat mich sofort in die Handlung hineinkatapultiert. Mit der Zeit lernt man die wichtigsten Bewohner des Dorfes kennen und gewinnt sie richtig lieb, verfolgt den Lauf ihres Lebens und hat das Gefühl, ein Stück (Zeit-)Geschichte hautnah mitzuerleben. Freud und Leid liegen oft nah beieinander, dennoch verliert sich die Autorin nicht in Schilderungen von Negativität und Verzweiflung; vielmehr lässt sie uns am Leben ihrer Figuren teilhaben, so wie es eben war. Die lebensbejahende Einstellung der DDR-Bürger lässt sich vielleicht am besten mit den Worten von Elises gutem Freund Tarek beschreiben: "Kannst du kein Stern am Himmel sein, sei eine Lampe im Haus."

Fazit: Authentisch, berührend und intensiv. Viele historische Ereignisse geben der Handlung ihren Rahmen, vom Mauerbau bis hin zur legendären Pressekonferenz Günter Schabowskis am 09. November 1989 und der Zeit 'danach'. "Kastanienjahre" wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben und ich kann nur allen Fans von historischen Romanen über die deutsche Vergangenheit raten, sich dieses wundervolle Werk, ob als Hörbuch oder in schriftlicher Form, nicht entgehen zu lassen.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Spannender Auftakt der Familiensaga um die Töchter des Pa Salt

Die sieben Schwestern
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Ich hatte schon viel von dieser Buchreihe gehört und war gespannt, ob der Auftakt meine Erwartungen erfüllen und den allgemeinen Hype rechtfertigen würde. Nun kann ich sagen: Lucinda Riley hat hier wirklich ...

Ich hatte schon viel von dieser Buchreihe gehört und war gespannt, ob der Auftakt meine Erwartungen erfüllen und den allgemeinen Hype rechtfertigen würde. Nun kann ich sagen: Lucinda Riley hat hier wirklich etwas ganz Großes geschaffen – was für ein Mammutprojekt! Im ersten Werk steht zunächst Maia, die älteste der Schwestern, im Fokus.

(Klappentext:)

"Atlantis" ist der Name des herrschaftlichen Anwesens am Genfer See, in dem Maia d’Aplièse und ihre Schwestern aufgewachsen sind. Sie alle wurden von ihrem geliebten Vater adoptiert, als sie noch sehr klein waren, und kennen ihre wahren Wurzeln nicht. Als er überraschend stirbt, hinterlässt er jeder seiner Töchter einen Hinweis auf ihre Vergangenheit – und Maia fasst zum ersten Mal den Mut, das Rätsel zu lösen, an dem sie nie zu rühren wagte. Ihre Reise führt sie zu einer alten Villa in Rio de Janeiro, wo sie auf die Spuren von Izabela Bonifacio stößt, einer schönen jungen Frau aus den besten Kreisen der Stadt, die in den 1920er Jahren dort gelebt hat. Maia taucht ein in Izabelas faszinierende Lebensgeschichte – und fängt an zu begreifen, wer sie wirklich ist und was dies für ihr weiteres Leben bedeutet ...

Das wunderschöne Cover wirkt aufgrund seiner gedeckten Farben und Hochglanzprägung sehr edel. Die geöffneten Tore des Anwesens lenken den Blick des Betrachters auf den dahinterliegenden See – ein Motiv, das in Anbetracht der Familienvilla am Genfer See, in der alle Adoptivtöchter aufgewachsen sind, sehr passend gewählt worden ist, schließlich ist dies der Ausgangspunkt der Handlung. Durch die Sterne kommt zudem ein mystisches Flair auf, welches hervorragend mit dem Hintergrund der Geschichte einhergeht.

Als ich ehrfürchtig den vielseitigen Band aufschlug, entdeckte ich, dass dem Roman ein Zitat von Oscar Wilde vorangestellt worden ist: "Wir sind alle in der Gosse, aber manche von uns blicken hinauf zu den Sternen." 'Wie treffend', dachte ich im Nachhinein, da dem astrologischen Aspekt in diesem Werk eine wichtige Rolle zugedacht worden ist: alle Schwestern sind nach den Plejaden benannt, einem Siebengestirn. Die hellsten Sterne dieses Sternenhaufens lieferten die Namensvorlage für Pa Salts Adoptivtöchter, wobei stets eine Abwandlung in die moderne Sprache erfolgt ist. So wurde aus Alkyone 'Ally', aus Asterope 'Star', aus Celaneo 'CeCe', usw.

Meine Sorge, ob ich vielleicht angesichts der vielen Protagonisten den Überblick verlieren würde, blieb völlig unbegründet. Der Roman ist (nicht nur diesbezüglich) sehr logisch und überschaubar eingeteilt worden. Auch das Personenregister beschränkt sich auf die wesentlichen Figuren und ist mehr als nettes Extra anzusehen, aber keineswegs notwendig, um der Handlung folgen zu können.

Beide Zeitebenen sind kunstvoll miteinander verwoben worden. Besonders die Erzählung aus Izabelas Perspektive hat mich gefesselt. Neben den emotionalen Ereignissen, die die Jugend der bezaubernden Bel prägen, erleben wir ein Stück Zeitgeschichte mit: wir sind hautnah bei der Entstehung der legendären Christusstatue dabei, die hoch oben auf dem Berg Corcovado über den Dächern Rio de Janeiros thront und seither als Wahrzeichen der Stadt gilt. Die Autorin hat hierfür die Rolle der realen historischen Persönlichkeiten beachtet und den brasilianischen Bauingenieur Heitor da Silva Costa sowie den polnisch-französischen Bildhauer Paul Landowski als Charaktere miteingebunden. Auch das Speckstein-Mosaik der Statue wird erwähnt und taucht in Form einer bedeutungsschweren Kachel auf. Während ihrer Reise in die 'Alte Welt' erlebt Bel insbesondere den berühmt-berüchtigten Zauber von Paris: nicht umsonst wird die Künstlermetropole bereits damals die 'Stadt der Liebe' genannt… Eine schicksalhafte Begegnung wird Bels Leben für immer verändern.

Auch mit der weiblichen Hauptfigur der Gegenwart, Maia, habe ich mich anfreunden können. Ihre Gefühle und Ängste sind sehr authentisch und nachvollziehbar beschrieben worden. Die junge Frau ist als einzige ihrer Schwestern nie flügge geworden und erlebt im Laufe der Handlung eine wunderbare, inspirierende Wandlung, indem sie lernt, sich selbst zu vergeben.

Der gesamte Roman strotzt nur so vor bildgewaltigen Beschreibungen – das märchenhafte, beinahe von der Außenwelt abgeschnittene 'Atlantis', die idyllische fazenda (eine Plantage in den Bergen Brasiliens), das Flair der französischen Hauptstadt, der Trubel Rio de Janeiros samt Samba-Rhythmen, die aus den Favelas erklingen… Immer wieder begeisterte mich eine neue Szenerie und ich fragte mich: Wie hat die Autorin es nur geschafft, jeden Handlungsort so realitätsnah zum Leben zu erwecken?

Die Sprache ist klar und unverschnörkelt, und beinhaltet gerade das richtige Maß an Dialektfärbung, um nicht aufgesetzt zu wirken. Alle Figuren sind so eindringlich, so liebevoll wie auch unversöhnlich beschrieben worden, dass ich ihnen ihre Rolle in der Handlung zu jeder Zeit geglaubt habe und nicht umhinkonnte, Izabela als meine Favoritin ins Herz zu schließen. Man muss einfach mitfühlen, mitfiebern, mitleiden, mithoffen! In den Anfangskapiteln, als die Schwestern nach dem Tod des Vaters zusammentreffen, war mir die herrische CeCe am unsympathischsten und ich bin gespannt, ob der ihr gewidmete Roman ("Die Perlenschwester") meine Meinung über sie noch zu ändern vermag. Hinsichtlich Maias Wurzeln werden alle Fragen beantwortet, dennoch ist die eigentliche Rolle ihres Adoptivvaters unklar geblieben und dieses Rätsel wird wohl erst gegen Ende der Buchreihe aufgelöst werden.

Fazit: Berührend und spannend zugleich! Fesselnder Auftakt zum Familienepos vor einer traumhaften Kulisse, sympathische Hauptfiguren und wundervolle atmosphärische Beschreibungen.