Profilbild von EmmaWinter

EmmaWinter

Lesejury Star
offline

EmmaWinter ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmmaWinter über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.11.2019

Als „Dr. Shiwago“ zur Waffe der CIA wurde - und doch ein Liebesroman

Alles, was wir sind
0

Liebesroman oder Spionagegeschichte? „Alles, was wir sind“ von Lara (!) Prescott ist beides, so wie Pasternaks Weltbestseller Liebesgeschichte und Kriegsgeschichte ist. Von beiden Romanen bleibt die Liebesgeschichte ...

Liebesroman oder Spionagegeschichte? „Alles, was wir sind“ von Lara (!) Prescott ist beides, so wie Pasternaks Weltbestseller Liebesgeschichte und Kriegsgeschichte ist. Von beiden Romanen bleibt die Liebesgeschichte stärker im Gedächtnis.

Prescott zeichnet die Entstehungsgeschichte von „Dr. Shiwago“ nach, deren Hauptfigur Lara an Pasternaks Geliebter Olga angelehnt ist. Während Sowjetrussland das Buch verbietet und einen Druck verhindert, wird das Manuskript nach Italien geschmuggelt und zunächst dort gedruckt. Schließlich lässt die CIA das russische Original vervielfältigen und schmuggelt das Buch wieder zurück in die Sowjetunion; „Bücher als Waffe“ lautet das Motto. 1958 wird Pasternak der Nobelpreis für Literatur verliehen, auf Druck der Regierung verzichtet er jedoch auf den Preis. Nach seinem Tod wird Olga ein zweites Mal zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Auf Basis dieser und weiterer historischer Fakten hat Prescott einen wirklich interessanten und allemal lesenswerten Roman geschrieben.

Die Geschichte spielt über einen Zeitraum von etwas über zehn Jahren an zwei Schauplätzen, nämlich denen des Kalten Krieges: Osten und Westen. Obwohl Prescott auf freigegebene CIA-Unterlagen zurückgreifen kann, ist der Großteil der West-Geschichte fiktiv. Hier spielen die Stenotypistinnen des Schreibpools eine wichtige Rolle. Über ihre Schreibmaschinen gehen alle Geheimnisse und mit ihnen beginnt und endet auch der Roman. Während Olga 1949 das erste Mal verhaftet wird, sind die Stenotypistinnen an ihren Schreibmaschinen gefangen. Trotz hoher Qualifikationen scheint ihr einziger Ausweg eine Heirat zu sein. Olgas Freiheit wäre der Verrat von Pasternak.
Wenige CIA- Damen werden für Sonderaufgaben ausgewählt und ausgebildet. Zu ihnen gehört Irina, deren Familie aus Russland stammt. Sie arbeitet mit an der Shiwago- Mission.

Der Ost-Teil der Geschichte, der das schwere Schicksal von Olga und ihrer Familie sowie die Beziehung zu Pasternak erzählt, hat sehr eindrückliche Stellen; besonders die Szenen, die im Lager Potma spielen.
Insgesamt ist die West-Geschichte um Irina aber die interessantere. Das hat nicht (nur) mit der CIA zu tun. Auch wenn man einiges über Spionage erfährt, ist das vorliegende Buch kein klassischer Spionageroman, dafür fehlt die Spannung. Die „Geschichte“ ist einfach lebendiger, vielleicht gerade, weil hier die Fiktion große Lücken füllen muss. Auch werden diesem Erzählstrang 100 Seiten mehr Raum gegeben.

Die 15 Osten/Westen-Teile sind in 28 Kapitel unterteilt. Dabei verwendet die Autorin die Überschriften, um die Entwicklung der Personen zu verdeutlichen. Wenn Irina in Kapitel acht zur Überbringerin wird, steht ihr alter Status als Bewerberin noch durchgestrichen darüber. Olga bringt es in Kapitel 28 auf sieben Bezeichnungen. Dies veranschaulicht nochmals auf knappste Weise, was die Figuren durchlebt haben.

Die Ich- Erzählerinnen in Ost und West stehen im Zentrum des Romans und mit ihnen ihre Liebe, Hoffnung, Verzweiflung und Enttäuschung. Der Autorin ist ein großartiger Debütroman gelungen, der geschickt Fakten und Fiktion verknüpft. Ein Lesevergnügen, das auch - aber nicht nur - die bisher wenig bekannten Ereignisse rund um die Entstehung und Veröffentlichung von „Dr. Shiwago“ thematisiert.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Spannender Krimi aus der Elbmarsch

Sterbekammer
0

Der dritte Band der Paulsen/Haverkorn-Reihe war mein erster von Romy Fölck. Ein ansprechendes Cover und ein Klappentext, der neugierig macht.

Der Krimi hat mir sehr gut gefallen. Von Beginn an spannend, ...

Der dritte Band der Paulsen/Haverkorn-Reihe war mein erster von Romy Fölck. Ein ansprechendes Cover und ein Klappentext, der neugierig macht.

Der Krimi hat mir sehr gut gefallen. Von Beginn an spannend, mit allem was man lesen möchte: Ein unheimlicher Tatort, ein Kellerverlies, ein zehn Jahre zurückliegender Vermisstenfall und sympathische Ermittler, die sich richtig reinknien. Auf brutale und blutige Szenen wird verzichtet - es geht auch ohne. Hier hat alles gestimmt.
Auch wenn einiges vorhersehbar war, hat mich das Buch prima unterhalten.

Der Schreibstil ist flott. Die Beschreibungen, z.B der Landschaft in der Elbmarsch oder der Arbeit auf einem Obsthof, bereichern die Geschichte und sorgen für Lokalkolorit. Die Charaktere werden ausführlich vorgestellt und Quereinsteiger ohne Vorwissen werden optimal aufgefangen.
Gefallen hat mir zudem, dass es auch Krimis gibt, die auf eine Schilderung aus Tätersicht verzichten. Hier stehen die Ermittler, auch mit ihrem Privatleben, im Fokus und ihnen schaut man über die Schulter.
Nick Wahler, der neue Chef, hat sich im Verlauf der Handlung positiv entwickelt. Es darf aber in den Folgebänden nicht alles zu harmonisch werden, das wäre unrealistisch und raubt auch Spannung.

Insgesamt erinnert das Buch an die Taunus-Reihe von Nele Neuhaus; die sind aber ja auch nicht schlecht.
Von mir gibt es vier Krimi-Sterne.

Veröffentlicht am 26.10.2019

Grossartige Binnengeschichte - schwache Rahmenhandlung

Wenn Martha tanzt
0


Tom Saller hat ein beeindruckendes Porträt einer jungen Frau geschrieben.
Martha wächst in einem musikalischen Haushalt in Pommern auf. Sie hat eine besondere musikalische Gabe, die weder sie noch ihre ...


Tom Saller hat ein beeindruckendes Porträt einer jungen Frau geschrieben.
Martha wächst in einem musikalischen Haushalt in Pommern auf. Sie hat eine besondere musikalische Gabe, die weder sie noch ihre Umgebung richtig einordnen können. Bis Martha 1919 ans Bauhaus nach Weimar geht. Hier findet sie genau, was sie gesucht hat, ohne es vorher gewusst zu haben.
Wenige Jahre später wird das Bauhaus jedoch geschlossen und sie kehrt in ihre Heimat zurück; mit einem Kind und einer unkonventionellen Idee.
Marthas Geschichte, die von 1900 bis 1945 spielt, wird von einer Rahmenhandlung eingefasst, die wiederum in 2001 und 2002 angesiedelt ist.

Der Roman hat mich sofort gefesselt. Die Sprache ist stellenweise sehr bildhaft, wenn z.B. beschrieben wird, wie die kleine Martha zwischen den Musikern und Notenständern herumkrabbelt. Wunderschön auch die Szene, in der Martha Wolfgang erklärt, wie sie Töne sehen kann. Andererseits wirkt die Sprache oft zackig: Kurze Sätze und viele Hauptsätze. Dazu kommt, dass die Szenen in Weimar und in Pommern im Präsens geschrieben sind. Alles wirkt näher und unmittelbarer.
Die Rahmenhandlung ist dagegen im Präteritum geschrieben. Auch bin ich mit der Figur des Thomas nicht ganz warm worden. Insgesamt gefällt mir die Binnengeschichte wesentlich besser. Die Rahmenhandlung scheint zwar mit der Entdeckung des Tagebuchs recht spektakulär, ich wollte aber immer ganz schnell wissen, wie es in Weimar oder Pommern weitergeht. Marthas Schicksal und das der sie umgebenden Menschen nimmt einen gefangen.
Hervorragend hat mir auch gefallen, wie Saller reale Personen und Ereignisse in die Geschichte eingeflochten hat.
Ich kann das Buch nur empfehlen, auch wenn man bisher keinen Bezug zum Bauhaus hatte.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Historischer Schwedenkrimi - Hier wird im Dreck gewühlt

1793
0

Ein Schwedenkrimi: Eine verstümmelte Leiche in Stockholm und zwei Ermittler, die selbst ein schweres Schicksalspäckchen zu tragen haben. Das scheint man schon zur Genüge zu kennen, wenn die Geschichte ...

Ein Schwedenkrimi: Eine verstümmelte Leiche in Stockholm und zwei Ermittler, die selbst ein schweres Schicksalspäckchen zu tragen haben. Das scheint man schon zur Genüge zu kennen, wenn die Geschichte nicht 1793 spielen würde.
„1793“ so heißt auch der mit dem Schwedischen Krimipreis für das beste Spannungsdebüt ausgezeichnete historische Kriminalroman von Niklas Natt och Dag. Der 1979 geborene Autor stammt aus der ältesten Adelsfamilie Schwedens. Der Bezug zur schwedischen Geschichte liegt ihm also quasi im Blut.

Im Fatburen-See in Södermalm wird eine stark verstümmelte Leiche entdeckt. Herausgefischt von Stadthäscher Jean Michael Cardell, einem einarmigen Kriegsveteran. Ihm zur Seite stellt sich bald der Jurist Cecil Winge, vom Präsidenten der Polizeikammer mit besonderen Freiheiten ausgestattet. Allerdings ist der fortschrittlich denkende Winge nicht überall beliebt. Gemeinsam müssen sie unter Zeitdruck den Mörder finden.

Der Roman ist in vier Teile gegliedert: Im 1. Teil „Herbst 1793“ wird die Leiche entdeckt und die Ermittlungen beginnen. Dann folgt im 2. Teil der „Sommer 1793“ und der Leser erfährt aus der Perspektive einer anderen Person, was vor dem Mord geschah. Im 3. Teil „Frühling 1793“ wird erneut die Perspektive gewechselt und der Beginn der Geschichte erzählt, bevor im letzten Teil „Winter 1793“ die Fäden zusammenlaufen und der Fall gelöst wird.
Dieser Kunstgriff des versetzten Zeitablaufs verleiht der Geschichte ungemein viel Spannung.
Dem Roman liegt arbeitsintensive Quellenrecherche zugrunde, das merkt man dem Text auf jeder Seite an. Er strotzt vor Details aus dem historischen Alltag und der politischen Geschichte Schwedens. Der Autor nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und beschreibt schonungslos weiter, wo andere verschämt ausblenden. Der Leser trifft auf Gewalt, Blut und Exkremente auf Schritt und Tritt. Gerade das macht aber auch einen großen Teil der Faszination dieses Romans aus.

Die Beweggründe, die zur Tat geführt haben, waren letztlich für mich etwas enttäuschend. Da hätte ich mir nach dem Spannungsaufbau etwas Spektakuläreres erhofft.
Dennoch hat der Autor den Schwedischen Krimipreis absolut verdient.
Das Buch wirkt noch lange nach. Für alle hartgesottenen Krimifans ein Muss.

Veröffentlicht am 18.10.2019

Hochspannung aus Dänemark

Der Kastanienmann
0

Ein wirklich gut gemachter Thriller aus Dänemark wartet mit interessantem Personal auf: Eine Kommissarin, die die Abteilung wechseln möchte und ein Verbindungsoffizier von Europol, der gerade von Den Haag ...

Ein wirklich gut gemachter Thriller aus Dänemark wartet mit interessantem Personal auf: Eine Kommissarin, die die Abteilung wechseln möchte und ein Verbindungsoffizier von Europol, der gerade von Den Haag nach Kopenhagen zurückgeschickt wurde. Auch er möchte eigentlich lieber woanders sein. Die Zweckgemeinschaft wird mit einem grausigen Mord konfrontiert und stutzt über den titelgebenden Kastanienmann, der bei der Leiche entdeckt wird. Dieses Kastanienmännchen ist offenbar das Verbindungsstück zu einem älteren Entführungsfall, der bereits als abgeschlossen gilt. Der Täter wurde überführt und sitzt hinter Schloss und Riegel. Doch der Mord ist erst der Anfang und zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse.

Den Leser erwarten 600 Seiten Hochspannung mit vielen Wendungen, die die Geschichte am laufen halten und immer wieder für Überraschungen sorgen. Manches ist jedoch auch vorhersehbar und anderes offenbar fester Bestandteil im Thriller-Baukasten. Z.B. muss wieder einmal ein Außenseiter gegen nervende, besserwisserische Kollegen und einen sturen Chef anrennen. Die Protagonisten bleiben etwas blass. Dennoch haben Thulin und Hess ohne Frage das Potential für eine Fortsetzung. Das Ende spricht für sich ...

Gestolpert bin ich über den Namen eines Polizisten: Martin Ricks. Da hatte ich immer Martin Riggs bzw. Mel Gibson vor Augen.

Vier Sterne für die Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte und das Ende.