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Veröffentlicht am 20.10.2019

Kein Licht ohne Schatten …

Die Zeit des Lichts
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Lee Miller war bereits ein erfolgreiches Model, als sie 1929 im Alter von 22 Jahren von New York nach Paris zog. Sie wollte nicht mehr nur fotografiert werden, sondern selbst fotografieren. Mit der Kamera ...

Lee Miller war bereits ein erfolgreiches Model, als sie 1929 im Alter von 22 Jahren von New York nach Paris zog. Sie wollte nicht mehr nur fotografiert werden, sondern selbst fotografieren. Mit der Kamera ihres Vaters durchstreifte sie Paris, planlos, ziellos, ohne Erfolg – bis sie durch einen glücklichen Zufall auf den Fotografen, Maler und Objektkünstler Man Ray trifft. Sie wird seine Assistentin, seine Muse und seine Geliebte und hat jetzt die Möglichkeit, zu lernen und eigenständig zu arbeiten. Die beiden Künstler werden immer mehr voneinander abhängig, Lee braucht ihn finanziell und Man hat ohne Lee keine Ideen mehr. Tagsüber arbeiten sie zusammen wie besessen, ihre Nächte verbringen sie meist betrunken auf Partys im Künstlermilieu. Das geht gut, solange ihre Liebe bestehen bleibt. Doch Lee will mehr, sie braucht Abwechslung und die Bestätigung ihres Könnens, die sie bei Man nicht findet. Es kommt zur Trennung. – Später, während des II. Weltkriegs, ist Lee Miller als Kriegsfotografin tätig und wird endlich die Berühmtheit und Anerkennung finden, die sie sich so sehr gewünscht hat …

„Die Zeit des Lichts“ ist der erste Roman der jungen us-amerikanischen Autorin Whitney Scharer, die in Washington Kreatives Schreiben studiert hat.

Das Buch behandelt das aufregende Leben der amerikanischen Fotografin Lee Miller, wobei der Focus hauptsächlich auf die Pariser Jahre und ihre Beziehung zu Man Ray liegt – ihr Leben davor in den USA, danach als Kriegsberichterstatterin und ihre Ehezeit mit Roland Penrose in Sussex wird leider nur in kurzen Sequenzen erwähnt. Wie die Autorin im Nachwort erklärt, handelt es sich hier um ein fiktives Werk mit biografischen Zügen. Die Inspiration dazu boten ihr Bilder, Bilder die Lee Miller zeigen und Bilder, die Lee Miller selbst gemacht hat. Dabei ist es ihr gut gelungen, die Fotografin als interessante, schwierige Person darzustellen und auch die Probleme aufzuzeigen, die Frauen in der damaligen Zeit generell hatten. Den Schreibstil empfand ich als sehr angenehm, klar, flüssig und sehr lebendig. Der Autorin gelingt mit ihrer Ausdrucksweise ein tiefer Einblick in die Mentalität der Protagonistin und ein stimmiges Bild der Künstlerszene von Paris in den 30er Jahren.

Fazit: Das Portrait einer willensstarken Frau, die mit dem Erreichten nie zufrieden war, immer mehr wollte – und sich dabei aber oft selbst im Wege stand.

Veröffentlicht am 11.09.2019

Vergangene Gräueltaten, die sich nie wiederholen dürfen …

Vergesst unsere Namen nicht
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In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch zweimal stirbt: Das erste Mal, wenn das Herz aufhört zu schlagen und das zweite Mal, wenn sein Name zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird. ...

In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch zweimal stirbt: Das erste Mal, wenn das Herz aufhört zu schlagen und das zweite Mal, wenn sein Name zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird. Dies war der Anlass für die Idee, Pflastersteine aus Messing herzustellen und darauf die Namen der jüdischen Bürger einzugravieren, die während des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden. Diese „Stolpersteine“ wurden vor ihren damaligen Wohnhäusern zur Erinnerung und Mahnung in den Bürgersteig eingelassen. In der norwegischen Stadt Trondheim stand vor einigen Jahren der Autor Simon Stranger mit seiner Familie vor einem solchen „Stolperstein“. Es war der Stein für Hirsch Komissar, dem Urgroßvater seiner Ehefrau, der ihn veranlasste, dessen Leben nachzuspüren, über seine Gefangennahme und seinen Tod zu recherchieren und daraus diesen Roman zu schreiben.

Dass die norwegische Bevölkerung unter der deutschen Besatzung sehr zu leiden hatte weiß man, dass aber auch Norweger als Agenten und Spitzel für die Deutschen tätig waren ist weniger bekannt. Wohl der heimtückischste und brutalste unter ihnen war Henry Oliver Rinnan. Über ihn und seine Gräueltaten, die er mit seiner Bande verübte, berichtet dieses Buch im Wechsel mit besonders tragischen Einzelschicksalen aus der norwegischen Bevölkerung und Episoden aus dem Leben der Familie Komissar. Leider wird dabei, entgegen dem Titel „Vergesst unsere Namen nicht“ den Tätern, besonders Henry Rinnan, einen breiteren Raum eingeräumt als den Opfern. So hat Rinnan posthum immer noch die Aufmerksamkeit, die er zeitlebens angestrebt hatte.

Der Schreibstil ist sehr gut der Thematik angepasst, sachlich, klar und nüchtern. Es wird aus mehreren Perspektiven berichtet, so dass man sich in die einzelnen Protagonisten bestens einfühlen kann. Auch befasst sich der Roman mit verschiedenen Zeitebenen, die oft wechseln, und man sich rasch auf ein anderes Szenario umstellen muss. Geschichtlich ist der Roman sehr interessant, man sollte aber in der Lage sein, die oftmals brutal geschilderten Folterungen und Gräueltaten auszublenden, was jedoch nur bedingt gelingen kann. Dennoch klagt der Autor nicht an und verurteilt nicht, sondern er lässt dem Leser die Möglichkeit, seine eigene Meinung, sein eigenes Urteil zu bilden. Dabei geht er auch auf die Nachfahren von Hirsch Komissar ein, die teils noch heute unter den Ereignissen zu leiden scheinen. Trotz allem meint Rikke, die Frau des Autors und Ururenkelin von Hirsch Komissar, gegen Ende des Buches: „Lass diesen Roman eine Aufforderung sein, nach vorn zu sehen. Lass ihn eine Möglichkeit zur Versöhnung und für Vergebung sein.“

Fazit: Ein interessantes Werk über eine schreckliche Vergangenheit, die man nicht ändern, aus der man aber für die Zukunft lernen sollte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Authentizität
  • Geschichte
Veröffentlicht am 04.09.2019

Es wird Zeit, Klarheit zu schaffen …

Es wird Zeit
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Hals über Kopf hatte Judith vor 20 Jahren den Ort ihrer Kindheit und Jugendzeit verlassen, Joachim geheiratet, drei Kinder bekommen und ist nie wieder zurück gekehrt. Jetzt ist sie beinahe fünfzig, die ...

Hals über Kopf hatte Judith vor 20 Jahren den Ort ihrer Kindheit und Jugendzeit verlassen, Joachim geheiratet, drei Kinder bekommen und ist nie wieder zurück gekehrt. Jetzt ist sie beinahe fünfzig, die Kinder sind aus dem Haus und in ihrer Ehe, die seinerzeit aus Vernunftgründen geschlossen wurde, ist der Lack schon lange ab. Anlässlich der Beerdigung ihrer Mutter fährt Judith in die alte Heimat zurück, wo sie damals alle Träume und Hoffnungen, ein Geheimnis und ein leeres Grab zurückgelassen hatte. Sie trifft Anne wieder, ihre ehemals beste Freundin, die jetzt krebskrank ist und nun endlich wissen will, was vor 20 Jahren geschehen ist. Auch ihre erste Liebe Heiko, der sie wegen einer Anderen verlassen hatte, meldet sich bei ihr und möchte die alten Zeiten neu aufleben lassen. Judith ist verwirrt. Soll sie ihr bisheriges Leben aufgeben und in der alten Heimat neu durchstarten? Sie möchte Anne gerne helfen, ihr bei der Chemotherapie beistehen, doch dazu müsste sie eine alte Schuld eigestehen. Und kann sie Heiko vertrauen? Liebt er sie wirklich oder hat er es nur auf das Haus ihrer Mutter abgesehen?

Die 1968 in Aachen geborene deutsche Schriftstellerin Ildikó von Kürthy veröffentlichte seit 1999 acht Romane und etliche Kurzgeschichten, die in rund 30 Sprachen übersetzt, mehr als sechs Millionen Mal verkauft und auch teilweise verfilmt wurden. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Hamburg.

Steuert man auf die 50 zu, kommen unweigerlich die Gedanken über das Älterwerden. Was habe ich erreicht? War das schon alles? Hat das Leben noch einen Sinn? So ergeht es jedenfalls unserer Protagonistin und Ich-Erzählerin Judith. Die Wechseljahre machen sich bemerkbar, sie ist unzufrieden mit sich selbst, hadert mit ihrem Gewicht, isst und trinkt aber trotzdem sehr gerne, die Kinder sind bereits aus dem Haus, ihre Ehe ist am Ende und jetzt ist auch noch ihre Mutter gestorben. Aber alle ihre Probleme werden plötzlich klein und nichtig, als sie ihre Jugendfreundin Anne wieder trifft. Diese ist krebskrank und dem Tod näher als dem Leben. Jetzt endlich können sich die beiden Frauen aussprechen, kann Judith ihre Schuld von damals gestehen und die alte Freundschaft wieder aufleben lassen, denn sie brauchen nun einander.

In Rückerinnerungen und Tagebucheinträgen erfährt der Leser, was vor 20 Jahren geschehen ist. Etwas zugespitzt und mit viel Humor lässt die Autorin ihre Personen über ihre Schwächen und Fehler diskutieren, über echte und eingebildete Krankheiten klagen und über ihre Zukunft, sofern sie noch eine haben, grübeln. Kluge Sprüche und witzige Dialoge bereiten beim Lesen großes Vergnügen, schwere Schicksalsschläge stimmen nachdenklich und machen betroffen. Leider überwiegen in der ersten Hälfte des Buches die oberflächlichen Themen wie Judiths Befindlichkeiten, ihre Gewichtsprobleme und ihre immer und immer wiederkehrenden Klagen über die entschwundene Jugend und das beginnende Alter. Erst mit der wieder auflebenden Freundschaft mit Anne und den Umgang mit ihrer schweren Krankheit bekommt das Geschehen Tiefgang und Spannung.

Fazit: Eine Geschichte zwischen Humor und Tragik - über Liebe und Freundschaft, über Jugend und Alter, über Krankheit und Tod – zum Lachen und Weinen.

Veröffentlicht am 25.08.2019

Infame Intrige und späte Rache

Die Wanderhure
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Konstanz, 1410. Marie, die Tochter des angesehenen Bürgers Matthis Schärer, soll mit Magister Ruppertus Splendidus, einem Bastard des mächtigen Reichsgrafen Heinrich von Keilburg, vermählt werden. Der ...

Konstanz, 1410. Marie, die Tochter des angesehenen Bürgers Matthis Schärer, soll mit Magister Ruppertus Splendidus, einem Bastard des mächtigen Reichsgrafen Heinrich von Keilburg, vermählt werden. Der Ehevertrag ist bereits unterschrieben, als Marie durch eine heimtückische Intrige beschuldigt wird, keine Jungfrau mehr zu sein. Selbstverständlich kann Ruppertus keine Dirne heiraten und beschuldigt sie der bewussten Täuschung. Marie kommt ins Gefängnis, wird vom Gericht verurteilt und nach dreißig Schlägen mit der Rute aus der Stadt gejagt. Nun hat sie alles verloren, ihre Ehre, ihr Bürgerrecht und ihre Familie. Um zu überleben wird sie zur Wanderhure und hat fortan nur ein Ziel – Rache …

Unter dem Namen Iny Lorentz verbirgt sich das Münchener Autoren-Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath, die bereits mit ihrem ersten historischen Roman „Die Kastratin“ großen Erfolg hatten. Mit „Die Wanderhure“ gelang ihnen der große Durchbruch. Das Buch wurde verfilmt und ist auch als Theaterstück sehr erfolgreich. Es folgten weitere historische Romane, die sich durch ihre akribische Recherche auszeichnen und auf den Bestseller-Listen landeten. Für ihre Bücher, die in zahlreiche Länder verkauft werden, erhielt das Autorenpaar mehrere Preise und Auszeichnungen.

Schon gleich zu Beginn ist man gefesselt von den schockierenden Ereignissen, die die junge Marie so unvermutet überfallen. Man leidet mit ihr, man hofft mit ihr und bewundert gleichzeitig den Mut und die Stärke, mit der sie das Leben auf der Straße meistert. Dank des plastischen Erzählstils von Iny Lorentz kann man sich alles anschaulich vorstellen. Gekonnt wird hier Fiktion mit Tatsachen verbunden und besonders das beschwerliche Leben der Hübschlerinnen wird dem Leser eindringlich nahe gebracht. Es ist erstaunlich, wie leicht und lebendig ein so ernstes Thema beschrieben werden kann und auch schreckliche Ereignisse werteneutral in Worte gefasst werden können.

Fazit: Packende mitreißende Handlung, angenehmer Schreibstil und gute Recherche – für Fans von historischen Romanen die ideale Lektüre.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Gesucht und gefunden

Mit Gobi durch die Wüste - eine wahre Geschichte
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Dion Leonard, der Autor, ist Läufer über Langstrecken und Marathon. Bei einem „Etappen-Ultramarathon“, einem 7-Tage-Lauf durch die Wüste Gobi im Nordwesten Chinas, schließt sich ihm eines Morgens eine ...

Dion Leonard, der Autor, ist Läufer über Langstrecken und Marathon. Bei einem „Etappen-Ultramarathon“, einem 7-Tage-Lauf durch die Wüste Gobi im Nordwesten Chinas, schließt sich ihm eines Morgens eine kleine Hündin an und weicht nicht mehr von seiner Seite. Zunächst widerwillig duldet er ihre Begleitung, doch nach und nach verliebt er sich in die Kleine. Ihre Ausdauer und ihr Mut beeindruckten ihn sehr, sodass sich Dion entschließt, sie in seine Heimat nach Schottland mitzunehmen. Doch die Ausreise der kleinen „Gobi“, wie er sie inzwischen nennt, aus China gestaltet sich schwieriger als zunächst gedacht …

Mit schlichten, einfachen Worten erzählt uns der Autor Dion Leonard die Geschichte von Gobi, einer kleinen, mutigen Hündin. Wir erfahren, wie sie ihn bei extremer Hitze begleitete, wie er seine knappen Vorräte an Wasser und Nahrung mit ihr teilte und wie das Wohl dieses kleinen Hundes plötzlich wichtiger war als ein Sieg. Doch um Gobi heim nach Schottland zu holen, mussten noch viele Hürden genommen werden. Letztendlich war dies nur möglich durch Spenden von Menschen aus aller Herren Länder und durch die selbstlose Hilfe einiger chinesischer Freunde.

Aber nicht nur über die Liebe zu einem kleinen Hund erfahren wir hier, der Autor berichtet auch über seine Passion zum Laufen, über die oftmals unmenschlichen Strapazen eines Ultra-Marathons und über Kameradschaft und Rivalität unter den Läufern. Wir lernen einige liebenswerte Menschen in China kennen und erfahren mehr über einen der härtesten Laufwettbewerbe der Welt in einer unwirtlichen Gegend, der Wüste Gobi.

Fazit: Eine berührende Geschichte über Tierliebe, Menschenliebe, Freundschaft und Hilfsbereitschaft.