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Veröffentlicht am 10.12.2019

Das Glück ist ein schlüpfriger Fisch

Für damals, für immer
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Kentucky im Juli: Das Leben von Evangeline Maeve Royce (30) scheint perfekt. Nach der Hochzeit mit Sergeant Eamon Royce, einem Polizisten, erwartet die Tänzerin die Geburt ihres Sohnes Noah. Sie ist hochschwanger ...

Kentucky im Juli: Das Leben von Evangeline Maeve Royce (30) scheint perfekt. Nach der Hochzeit mit Sergeant Eamon Royce, einem Polizisten, erwartet die Tänzerin die Geburt ihres Sohnes Noah. Sie ist hochschwanger und freut sich sehr auf das erste Kind, aber dann wird ihr Mann bei einem Einsatz tödlich von einer Kugel getroffen. Für Evi bricht eine Welt zusammen. Doch Dalton Berkeley-Royce, Eamons gleichaltriger Halbbruder und der Besitzer eines Fahrradladens, ist für die junge Mutter da. Können sie miteinander glücklich werden? Und wäre das im Sinne von Eamon?

„Für damals, für immer“ ist der Debütroman von Leesa Cross-Smith.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sieben Kapiteln. Die ersten sechs sind in jeweils drei Abschnitte untergliedert: Erzählt wird jeweils aus der Sicht von Evangeline, Eamon und Dalton – und zwar in der Ich-Perspektive. Im letzten Kapitel kommen nur Evangeline und Dalton zu Wort. Das Geschehen spielt sowohl in der Gegenwart, die im Präsens erzählt wird, als auch in den Jahren zuvor. Viele Zeitsprünge und Rückblenden erfordern ein konzentriertes Lesen. Der Aufbau ist jedoch sorgsam durchdacht und funktioniert gut.

Sprachlich ist der Roman besonders. Positiv anzumerken ist, dass sich der anschauliche Schreibstil – je nach Perspektive – an die drei Protagonisten anpasst. Besonders in Evangelines Passagen zeigt sich eine poetische Note. Begeistern konnten mich immer wieder Sprachbilder, die zum Teil sehr kreativ sind. Auch das Aufgreifen und Übertragen von Termini aus der Musik gefällt mir gut. Allerdings zeigen sich in der deutschen Ausgabe auch einige sprachlichen Schwächen, vor allem dann, wenn zu wortwörtlich übersetzt wurde und der Text somit nicht idiomatisch wirkt.

Die drei Protagonisten sind interessante Charaktere mit Ecken und Kanten, die recht authentisch dargestellt werden. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt lässt sich gut nachvollziehen. Eamon und Dalton waren mir schon nach wenigen Seiten sympathisch. Evangeline bleibt leider jedoch bis zum Schluss merkwürdig blass.

Thematisch geht es um mehr als die Liebe. Auch Trauer, Verlust, Familie, Identität und Geheimnisse spielen eine wichtige Rolle. Dieser Mix macht die Geschichte emotional bewegend, aber nicht gefühlsduselig.

Ungewöhnlich ist, dass schon im ersten Kapitel einiges vorweggenommen wird. Der Fokus liegt nicht auf der Frage, ob Dalton und Evi zusammenkommen werden, sondern auf deren Vorgeschichte. Viel Raum nimmt daher die Vergangenheit von Eamon und Dalton ein. Vor allem in den Rückblenden hat der Roman einige Wendungen und Überraschungen zu bieten. In der Gegenwart ist die Geschichte recht handlungsarm. Im Großen und Ganzen bleibt der Roman auf mehr als 360 Seiten dennoch kurzweilig und unterhaltsam.

Das Cover ist optisch sehr ansprechend, wobei sich mir der inhaltliche Bezug nicht so ganz erschließt. Das gilt auch für den wohlklingenden deutschen Titel, wobei mir das amerikanische Original („Whiskey and ribbons“) mehr zusagt.

Mein Fazit:
Obwohl mich „Für damals, für immer“ von Leesa Cross-Smith nicht in allen Punkten überzeugen konnte, konnte mich die Geschichte fesseln. Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman, der mich trotz seiner Schwächen gut unterhalten hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Gefühl
  • Cover
  • Charaktere
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 10.11.2019

Die zerstörerische Macht der Familie

Das Erbe
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Eine Blechkiste mit wenigen Dingen hinterlässt Großvater Wolf seinem Enkel Karlchen, aber auch 221 Seiten Papier. Darauf schildert er sein Leben. Als Kind darf Wolf nur mit einem Helm oder anderem Sonnenschutz ...

Eine Blechkiste mit wenigen Dingen hinterlässt Großvater Wolf seinem Enkel Karlchen, aber auch 221 Seiten Papier. Darauf schildert er sein Leben. Als Kind darf Wolf nur mit einem Helm oder anderem Sonnenschutz vor die Tür. Meist schläft der Junge tagsüber. Nachts ist er wach, denn die Mutter glaubt oder behauptet zumindest, das Kind habe die Mondscheinkrankheit. Ein Umstand, der ihn von vielen Gleichaltrigen isoliert und ihn zum Alleinsein verdammt. Zwar stellt sich nach Jahren bei einem Arzt heraus, dass das mit der Krankheit ein Irrtum war. Doch auch als Erwachsener meidet Wolf das geschäftige Treiben draußen in der Stadt Hannover. Stattdessen zieht er die Nacht und ihre Einsamkeit vor. Das ändert sich erst, als Freddy, sein in England aufgewachsener Halbbruder, den er zuletzt als Baby gesehen hat, plötzlich bei ihm auftaucht. Aus der Freude über das Wiedersehen wird jedoch bald eine dunkle Ahnung, dass Wolf nicht die ganze Wahrheit über sein Leben kennt und Freddy eine Bedrohung für ihn werden könnte…

„Das Erbe“ ist der Roman eines deutschsprachigen Autors, der unerkannt bleiben will und unter dem Pseudonym R.R. SUL geschrieben hat.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit dem Brief an den Enkel, der als eine Art Prolog fungiert. Darauf folgen einige Kapitel, die wiederum in Abschnitte untergliedert sind. Der Roman umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten und spielt – aus heutiger Sicht - mal in der Vergangenheit und mal in der Zukunft. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Wolf – allerdings nicht streng chronologisch, denn es gibt immer wieder Zeitsprünge. Dennoch lässt sich die Geschichte gut verfolgen.

Sprachlich ist der Roman einzigartig. Der Schreibstil wirkt durch die kurzen, aber prägnanten Sätze und Satzteile zunächst recht simpel, erweist sich aber über weite Strecken als eindringlich und intensiv. Dem Autor gelingt es, mit wenigen Wörtern viel Atmosphäre zu transportieren. Besonders gut gefallen haben mir die treffenden und kreativen Sprachbilder, die sich durch den gesamten Text ziehen.

Mit Wolf steht ein interessanter, aber auch befremdlicher Charakter im Vordergrund. Sein Verhalten ist ziemlich speziell, zum Teil sogar verstörend, und stellenweise durchaus extrem. Auch die übrigen Personen sind recht eigenwillig und mehr oder weniger sonderbar.

Die Thematik hat mich sofort angesprochen. Die Macht, die die Familie auf Menschen und ihre weitere Entwicklung ausübt, die Suche nach der Wahrheit und die Nachwirkungen einer traumatischen Kindheit bringen psychologische Tiefe in die Geschichte und regen zum Nachdenken an.

Der Roman beginnt mit einem grandiosen Einstieg und erzeugt schon nach wenigen Seiten eine starke Sogkraft, die jedoch im weiteren Verlauf etwas abflacht. Durchweg herrscht eine gewisse Grundspannung, die dazu verleitet, zügig weiterzulesen. Die Handlung ist sehr dicht, auf nur etwas mehr als 200 Seiten passiert viel. Zudem spielt der Roman mit der Frage: Was ist die Wahrheit? Es entsteht ein Verwirrspiel, bei dem der Leser nicht weiß, wem er glauben soll und wem er trauen darf. Der Schluss hat mich allerdings ein wenig enttäuscht, denn für meinen Geschmack bleiben zu viele zentrale Fragen offen, zu viele Rätsel ungeklärt und zu viele Widersprüche unaufgelöst. Darüber hinaus wird das Geschehen zum Ende hin immer abstruser und leider auch unrealistischer.

Die düstere optische Aufmachung der gebundenen
Ausgabe macht einen wertigen Eindruck und passt gut zum Inhalt. Auch der vieldeutige Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
„Das Erbe“ von R.R. SUL ist ein interessanter und aufwühlender Roman. Eine Lektüre, die mich fesseln konnte, aber auch ein wenig ratlos zurückgelassen hat.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Ein Familienleben an der böhmisch-mährischen Grenze

Heimat ist ein Sehnsuchtsort
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Schlesien im Jahr 1928: Als Laurenz Sadler in Breslau der jungen und scheuen Annemarie begegnet, ist es für ihn Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heiraten, vom gefährlichen Geheimnis Annemaries ahnt ...

Schlesien im Jahr 1928: Als Laurenz Sadler in Breslau der jungen und scheuen Annemarie begegnet, ist es für ihn Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heiraten, vom gefährlichen Geheimnis Annemaries ahnt er nichts. Doch eine familiäre Katastrophe zwingt Laurenz, Breslau zu verlassen und den elterlichen Hof zu übernehmen. Der jüngste Sohn des Landwirts wollte selbst nie Bauer werden, sondern als Komponist und Dirigent arbeiten. Dennoch findet er mit Annemarie und zwei außergewöhnlichen Töchtern sein Glück: der hochbegabten Kathi und der chronisch kranken Franzi. Als Kathi mit 15 Jahren einen landesweiten Schülerwettbewerb gewinnt, zieht sie die Aufmerksamkeit Berlins auf die Familie. Ihre Mutter handelt, um ihre Kinder zu schützen – und tritt damit eine Lawine tödlicher Ereignisse los…

„Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ist der erste Band der neuen Heimat-Saga von Hanni Münzer.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen („Frieden“ und „Krieg“). Sie sind in insgesamt 64 Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert sind, denen jeweils Zitate fiktiver oder realer Persönlichkeiten vorangestellt sind. Die zwei Teile des Romans werden von einem Prolog und einem Epilog umrahmt. Die Handlung umfasst die Zeit von 1928 bis 1946. Der Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich und atmosphärisch. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, wird aber zunehmend spannender. Der Einstieg fiel mir nicht schwer.

Die Hauptcharaktere sind sehr interessant. Sie werden authentisch dargestellt. Die Entwicklung der Protagonisten lässt sich gut nachverfolgen. Bei der Vielzahl an Personen ist die Übersicht über alle genannten Charaktere, die am Anfang des Romans steht, jedoch sehr hilfreich.

Der Inhalt des Romans ist von der Familiengeschichte der Autorin inspiriert. Immer wieder wird deutlich, dass die Geschichte nicht nur auf Erzählungen, sondern auch auf fundierter Recherche der Schriftstellerin fußt. Da ich bereits viel Literatur zu den zwei großen Weltkriegen und den Jahren dazwischen kenne, war nicht alles gänzlich neu für mich. Vor allem für Leser, die weniger historisch bewandert sind, ist das Zusatzmaterial allerdings ein großes Plus. Es gibt eine Zeittafel mit den wichtigsten politischen Ereignissen jener Jahre, ein Glossar, Landkarten und weitere Extras. Gerne gelesen habe ich auch die Nachbemerkung der Autorin, die unter anderem erklärt, was auf Fakten und was auf Fiktion basiert. Interessant finde ich außerdem, dass man durch den Roman einiges über die seltene Krankheit Sklerodermie erfährt, die mir bis dato unbekannt war.

Trotz der fast 600 Seiten ist die Lektüre kurzweilig und abwechslungsreich. Weniger gut gefallen hat mir jedoch, dass der Band in sich nicht abgeschlossen ist und einige lose Enden übrig bleiben.

Das optisch ansprechende Cover trifft meinen Geschmack. Der Titel klingt ein wenig schwülstig, passt inhaltlich aber gut.

Mein Fazit:
„Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ist trotz kleinerer Schwächen alles in allem ein gelungener Auftaktband der neuen Heimat-Saga von Hanni Münzer.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Die gefährliche Faszination einer Schusswaffe

Der Revolver
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Der Student Nishikawa läuft in einer regnerischen Nacht ziellos durch die Straßen Tokios. Nahe einer Brücke, am Fluss Arakawa, entdeckt er per Zufall die Leiche eines Mannes. Für Nishikawa deutet die Szene ...

Der Student Nishikawa läuft in einer regnerischen Nacht ziellos durch die Straßen Tokios. Nahe einer Brücke, am Fluss Arakawa, entdeckt er per Zufall die Leiche eines Mannes. Für Nishikawa deutet die Szene auf einen Selbstmord hin, denn neben dem Toten liegt ein Revolver. Nach dem ersten Schock nimmt der junge Mann aus einem Impuls heraus die fremde Waffe an sich und verschwindet mit ihr unauffällig. Schnell findet er Gefallen an dem Revolver, der eine unheimliche und gefährliche Faszination auf ihn ausübt. Schon nach wenigen Tagen ist er geradezu besessen von der Waffe, in der noch vier Kugeln stecken. All seine Gedanken kreisen um sie. Er poliert sie immer wieder. Doch bald schon treibt ihn die Fantasie um, den Revolver abzufeuern. Wird er dem Drang nachgeben?

„Der Revolver“ ist der Debütroman von Fuminori Nakamura.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 17 eher kurzen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Nishikawa in chronologischer Reihenfolge. Vorangestellt ist ein ebenso informatives wie sympathisches Vorwort des japanischen Autors.

Geprägt ist der Roman von einer klaren, recht prägnanten Sprache. Der Schreibstil wirkt zunächst ziemlich nüchtern, hat aber immer wieder eindringliche Sprachbilder und Vergleiche zu bieten. Dadurch wird eine dichte Atmosphäre erzeugt. Von den ersten Seiten an versteht es der Autor, mit seinen Worten zu fesseln. Besonders grandios finde ich den Einstieg.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht zweifelsohne Nishikawa, der im Alter von sechs Jahren seine leibliche Familie verlassen musste, bei der er noch Tōru hieß. Nach einer Zeit im Kinderheim wurde er von Adoptiveltern aufgenommen. Die Gefühle von Einsamkeit, Gleichgültigkeit und der eigenen Bedeutungslosigkeit dominieren sein Leben, in das der Revolver Abwechslung bringt. Nicht immer konnte ich das Verhalten des sonderbaren Protagonisten in Gänze nachvollziehen. Zudem fiel es mir schwer, trotz seiner nicht leichten Kindheit Sympathie für ihn zu entwickeln, doch seine Gedanken- und Gefühlswelt wird sehr gut deutlich. Auch die übrigen Figuren im Roman kommen keineswegs klischeehaft daher.

Mit der Handlung rund um den Revolver greift der Autor eine interessante Thematik auf: den Umgang mit Schusswaffen. Inhaltlich ist der Roman auch ansonsten recht düster angehaucht. Der Tod nimmt viel Raum ein, wobei es darum nicht nur im Zusammenhang mit der Waffe geht. Auch Krankheit, Tierquälerei, Missbrauch und andere Themen spielen in der Geschichte eine Rolle. Darüber hinaus gibt es weitere gesellschaftskritische Komponenten. So schafft es das Buch an mehreren Stellen, zum Nachdenken anzuregen.

Auf knapp 200 Seiten bleibt die Spannung konstant von Anfang bis Ende erhalten: Wird der Protagonist der Versuchung der Waffe nachgeben? Besonders intensiv sind die Kapitel zu Beginn und zum Schluss. Im Mittelteil fällt der Roman ein wenig ab, wobei auch dort keine Langeweile beim Lesen aufkommt.

Das Cover mit der Illustration von Andy Warhol passt sehr gut zur Geschichte. Auch der knackige, schnörkellose Titel gefällt mir.

Mein Fazit:
Mit „Der Revolver“ ist Fuminori Nakamura ein lesenswertes Debüt gelungen, das mich fesseln konnte. Eine besondere Lektüre, die neugierig auf das übrige Werk des Autors macht.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Die faszinierende Welt des Porzellans

Ein neues Blau
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Berlin im Jahr 1985: Als die 18-jährige Gymnasiastin Anja Hermann zum ersten Mal zu der alten Dame in deren Haus in Charlottenburg kommt, weiß sie nicht, was genau sie erwartet. Sie soll als „Gesellschafterin“ ...

Berlin im Jahr 1985: Als die 18-jährige Gymnasiastin Anja Hermann zum ersten Mal zu der alten Dame in deren Haus in Charlottenburg kommt, weiß sie nicht, was genau sie erwartet. Sie soll als „Gesellschafterin“ mit Lili Zeit verbringen. Anja sieht es zunächst nur als Nebenjob. Doch Stück für Stück enthüllt sich die Geschichte der Seniorin mit jüdischen Wurzeln, die vor 50 Jahren vor den Nazis aus der Stadt fliehen musste. Nach dem frühen Tod der Mutter Charlotte hatte sich ihr Vater Jakob Kuhn rührend um sie gekümmert. Aber erst als sie Günther von Pechmann kennenlernt, den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur, findet Lili ihre Bestimmung. Auch im Alter hat es ihr das Porzellan sehr angetan. Das stellt Anja sofort fest. Aber welche Rolle spielt dabei die schlichte Porzellanschale, die die alte Frau wie einen Schatz hütet? Und welches Geheimnis schleppt Anja mit sich herum?

„Ein neues Blau“ ist ein Roman von Tom Saller.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Erzählt wird die Geschichte im Wechsel auf unterschiedlichen Ebenen: Der Leser begleitet Lili in den Jahren 1919 bis 1935, wobei der Roman dabei in 50 Kapitel mit einer kleinen Zusammenfassung zu Beginn untergliedert ist. Darüber hinaus wird aus der Sicht von Anja in der Ich-Perspektive erzählt, dabei spielt die Handlung in Berlin im Jahr 1985. Dieser Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Sprache variiert in den beiden Erzählsträngen: Während der Stil in den Passagen von Anja schon zum Teil etwas zu gewollt umgangs- und jugendsprachlich ausfällt, ist er im übrigen Part gehobener. Insgesamt ist die Sprache des Romans zwar anschaulich und leicht verständlich, jedoch auch schnörkellos und ein wenig nüchtern. Anleihen bei Erich Kästner sind festzustellen. Wie schon bei „Wenn Martha tanzt“, dem Debütroman des Autors, braucht es eine Weile, um sich in die Geschichte einzufinden. Sie nimmt nur langsam Fahrt auf. Nach einer Weile konnte ich jedoch völlig in die Handlung eintauchen.

Im Mittelpunkt des Romans steht zweifelsohne Lili, ein reizvoller Charakter, der authentisch beschrieben wird. Das trifft auch auf Anja zu, die ebenfalls eine wichtige Rolle einnimmt. Beide waren mir jedoch nicht gleich von Beginn an sympathisch.

Thematisch verliert die Geschichte immer wieder ihren Fokus. Mal geht es um Religion, mal um Tee, mal um das Porzellan, wobei ich mir einen stärkeren Schwerpunkt auf Letzteres gewünscht hätte. Dadurch erfährt der Leser auf unterhaltsame Weise andererseits allerhand Wissenswertes, denn die fundierte Recherche ist dem Roman anzumerken. Zudem wird die Geschichte somit vielschichtig.

Trotz der mehr als 400 Seiten bleibt der Roman kurzweilig. Er hat die eine und andere Wendung zu bieten. Emotional konnte mich die Geschichte allerdings nicht immer erreichen.

Sehr gut gefällt mir das optisch ansprechende Cover der gebundenen Ausgabe, das zum Inhalt passt. Den Titel finde ich auch treffend. Nur ein kleiner Kritikpunkt am Rande: Leider hat der Verlag – anders als bei Tom Sallers Debüt – dieses Mal auf das praktische Lesebändchen verzichtet.

Mein Fazit:
Auch der zweite Roman von Tom Saller, „Ein neues Blau“, bietet eine interessante und unterhaltsame Lektüre. Zum wiederholten Mal ist es dem Autor gelungen, mir schöne Lesestunden zu bereiten.