Profilbild von ElisabethBulitta

ElisabethBulitta

Lesejury Star
offline

ElisabethBulitta ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit ElisabethBulitta über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.11.2019

Sie wollte einfach nur glücklich sein.

Der Fund
0

„Der Fund“ war mein erster und bestimmt nicht letzter Roman von Bernhard Aichner. Erschienen ist dieser 352-seitige Thriller im August 2019 bei btb.
Die 53-jährige unbescholtene Verkäuferin Rita ist vom ...

„Der Fund“ war mein erster und bestimmt nicht letzter Roman von Bernhard Aichner. Erschienen ist dieser 352-seitige Thriller im August 2019 bei btb.
Die 53-jährige unbescholtene Verkäuferin Rita ist vom Leben gebeutelt: Früh schon verlor sie ihre Eltern, der Traum einer Schauspielkarriere zerplatzte, das einzige Kind starb bei einem Unfall, zurück blieben nur sie und ihr alkoholkranker Mann. Beim Entpacken von Bananenkisten macht sie einen ungewöhnlichen Fund. Sie wittert ihre Chance auf einen Neuanfang … und ahnt anfangs noch nicht, dass sie sich damit in Teufels Küche bringt.
Der Roman ist m.E. eher ein Spannungsroman als ein Thriller, nichtsdestotrotz bietet er ein rasantes, skurriles und abwechslungsreiches Lesevergnügen. Nur mit der Realitätsnähe sollte man es nicht allzu ernst nehmen.
Obwohl das Grundthema des Buches, in dem u.a. die Mafia eine Rolle spielt, etwas anderes vermuten lässt, kommt dieser Roman unblutig daher, ja einige Stellen erscheinen sogar sehr bizarr, sodass man als Leser/in das eine oder andere Mal mit dem Kopf schütteln muss und kaum fassen kann, was man dort liest. Er punktet mit einer ungewöhnlichen Auflösung, die in mir persönlich dann doch einige moralische Bedenken geweckt hat, einem interessanten Aufbau und einer kurzweiligen Sprache.
Erzählt werden die Ereignisse auf zwei Ebenen: Auf der einen Seite stehen die ca. drei Wochen in Ritas Leben, die sich ganz um den Fund drehen. Auf der anderen befragt ein namenloser Kommissar Zeug/innen. Auch wenn man direkt nur sehr wenig über den Polizisten erfährt – gerade die Frage, warum er sich so für Ritas Schicksal interessiert, bleibt bis zum Ende offen - , hat Aichner mit ihm die meiner Meinung nach überzeugendste Figur dieses Buches geschaffen. Er erinnert, wie eine Zeugin auch im Roman treffend formuliert, ein wenig an Columbo: Seine Fragen scheinen harmlos, er ist nennt und freundlich, lässt sich dem Anschein nach auch den einen oder anderen Bären aufbinden … bis er dann durchblicken lässt, dass er die anderen sehr wohl durchschaut. Ein wenig kritisch blicke ich auf Rita, da sie zum großen Teil doch sehr naiv handelt und es mir deshalb – trotz ihres an sich schlimmen Schicksals – schwerfiel, mit ihr mitzuleiden oder –fiebern.
Die einzelnen Kapitel sind recht kurz, die Zeugenbefragungen bestehen praktisch nur aus wörtlicher Rede, sodass man beim Lesen rasch vorankommt. Aichners Sprache unterstützt diese Geschwindigkeit: Mit knappen, teils fragmentarischen Sätzen – ein Stil, dem ich in letzter Zeit des Öfteren begegne – und einer leicht zu lesenden Ausdrucksweise, die allerdings gerade deshalb gut zu den Charakteren passt, stellt der Autor an Leserinnen und Leser eher geringe Ansprüche. Gerade dieses aber führt dazu, dass man dieses Buch wirklich an einem (regnerischen) Nachmittag verschlingen kann.
Für mich fällt dieses Buch unter die Kategorie „leichte Unterhaltungslektüre“. Es lässt sich flüssig lesen und unterhält auf angenehme Art und Weise, bietet aber wenig Anreiz, sich darüber hinaus mit Thematik oder Charakteren auseinanderzusetzen. Dennoch hat mich der Roman auf andere Werke des Autors neugierig gemacht, und mit dreieinhalb von fünf Punkten empfehle ich es gerne weiter.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Sie wollte immer nur ins Leben springen.

Der Sprung
0

Mit sehr großen Erwartungen bin ich an Simone Lapperts 336-seitigen Roman „Der Sprung“, im August 2019 bei Diogenes erschienen, herangegangen, doch konnte er meinen Erwartungen nicht vollends gerecht werden ...

Mit sehr großen Erwartungen bin ich an Simone Lapperts 336-seitigen Roman „Der Sprung“, im August 2019 bei Diogenes erschienen, herangegangen, doch konnte er meinen Erwartungen nicht vollends gerecht werden und ließ mich etwas zwiegespalten zurück.
Eine mittelgroße Stadt in Süddeutschland. Auf dem Dach eine junge Frau. Wütend. Rasend. Unter ihr der grölende Mob, Handys zuckend, sensationsgeil. Doch am Rande gibt es auch noch die anderen Menschen, die in einer mehr oder weniger festen Beziehung zu dieser Frau stehen. Was geht in ihnen vor? Und vor allem: Was macht der vermeintliche Suizidversuch mit ihnen?
Der Roman beginnt imposant mit der Beschreibung des Sprunges selbst im Zeitlupentempo. Wie fühlt es sich an? Welche Gedanken gehen einem durch den Kopf? All diesen Fragen versucht die Autorin nachzuspüren. Dann unverhofft ein Zeitsprung: „Zwei Tage davor“. Hier werden die ersten Charaktere vorgestellt, denen weitere folgen sollen. Und dieser Aufbau zieht sich durch den ganzen Roman, der auf zwei Zeitebenen erzählt wird: der Sprung selbst und die zwei Tage, bis die Protagonistin den letzten Schritt tut, wobei der Sprung das Geschehen in der Vergangenheit von Zeit zu Zeit unterbricht.
Das Herzstück des Werkes sind die Menschen, die den Sprung „mitverfolgen“ und auch als Kapitelüberschriften dienen. Da ist zum einen das Teenager-Mädchen Winnie, das von seinen Mitschüler/innen wegen ihrer Figurprobleme gemobbt wird. Oder der Obdachlose Henry, der auf der Straße bedeutsame Fragen verkauft. Maren indes lebt mit Hannes, einem Gesundheitsfanatiker, zusammen, ihre Beziehung jedoch ist erkaltet. Felix als Polizist mit einer Ausbildung in Krisenintervention soll die Selbstmordgefährdete von ihrer Tat abhalten – doch er selbst hat seine eigenen Probleme, die ihn zu überwältigen drohen. Astrid, die Schwester der jungen Frau auf dem Dach, macht sich unterdessen Sorgen um ihre Karriere als Lokalpolitikerin. Und dann sei da noch Finn genannt, Fahrradkurier und Freund der vermeintlichen Selbstmörderin, der die Welt nicht mehr versteht und seiner Freundin helfen will. Allen ist gemeinsam, dass ihr Leben aus dem Lot geraten ist. Dreh- und Angelpunkt des ganzen Geschehens sind Roswithas Café und der kleine Laden von Theres und Werner, der eigentlich schon pleite ist, durch das Geschäft mit der Sensation, der selbstmordgefährdeten Frau, aber plötzlich wieder boomt. In das Leben all dieser und noch anderer Personen schlägt „der Sprung“ ein wie eine Bombe – und verändert es (hoffentlich) nachhaltig. So steht im Zentrum des Geschehens dann auch nicht die Selbstmörderin selbst, sondern das Leben ihrer Mitmenschen. Den Grund für den Sprung selbst kann man am Ende zwar erahnen, letztlich bleibt er aber – zumindest für mich – doch ein wenig nebulös.
Sehr realistisch und eindrücklich gelingt es der Autorin, das Szenario selbst darzustellen: die im wahrsten Sinne des Wortes wütende Frau; die skandierenden Massen, die einfach nur den Sprung sehen wollen, ja ihn herbeisehnen; die Medien, die keinerlei Distanz wahren; und schließlich, am nächsten Morgen, den Dreck auf der Straße „wie am Morgen nach dem Karneval“ (S.229), hinterlassen, als die Schaulust befriedigt ist und man sich lieber anderen Sensationen zuwendet. Dieses beinhaltet, genau wie Werners oder Egons (ein ehemaliger Hutmacher) Schicksal, eine ordentliche und angebrachte Portion Gesellschaftskritik.
Nicht ganz so überzeugen konnte mich die Entwicklung einiger Charaktere, denn hier bleibt die Autorin von Zeit zu Zeit oberflächlich (Winnie) oder wird auf mir unangenehme Weise komisch (Maren, Egon), was beides an sich nicht schlecht sein muss, mir aber dem Ernst des Themas nicht angemessen erscheint. Dass Simone Lappert dennoch in der Lage ist, tief und ernsthaft Charakterentwicklungen darzustellen, zeigt sie an anderen Stellen sehr wohl, wenn man sich z.B. Werner und seine Frau Theres oder Edna, eine ehemalige Lokführerin, anschaut.
Sprachlich ist der Roman rundum gelungen: Simone Lappert schreibt flüssig, teilweise poetisch, auf jeden Fall aber plastisch und auf einem angenehmen Niveau. Besonders gefallen haben mir beim Lesen darüber hinaus (Lebens-)Weisheiten, die das Buch an passenden Stellen anbringt und welche zum Denken anregen, z.B. „Leben heißt bleiben und ertragen, dass alles irgendwann verschwindet.“ (S. 110), „Wer wütend ist, hat noch etwas zu verlieren.“ (S. 268) oder „Das Nichtverrücktwerden (ist) die eigentliche Anomalie.“ (ebd.).
Insgesamt handelt es sich bei „Der Sprung“ um einen lesenswerten Roman mit einem wichtigen Thema und ebenso wichtigen Botschaften, der aber meiner Meinung nach durch die immer wieder auftretende Komik ein wenig an Reiz verliert. Trotz allem empfehle ich ihn mit dreieinhalb von fünf Punkten gerne als Lektüre weiter.

Veröffentlicht am 11.09.2019

Die etwas andere Art, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Achtsam morden
0

Achtsamkeit und Mord – auf den ersten Blick scheinen diese Elemente nicht zusammenzupassen. Dennoch gelingt es Karsten Dusse in seinem 416-seitigen Roman „Achtsam morden“, der im Juni 2019 bei Heyne erschienen ...

Achtsamkeit und Mord – auf den ersten Blick scheinen diese Elemente nicht zusammenzupassen. Dennoch gelingt es Karsten Dusse in seinem 416-seitigen Roman „Achtsam morden“, der im Juni 2019 bei Heyne erschienen ist, diese auf unterhaltsame Weise miteinander in Einklang zu bringen.
Der Untertitel des Romans lautet „Ein entschleunigter Kriminalroman“. Ein klassischer Kriminalroman ist er jedoch nicht, denn es fehlen einfach Ermittlungsarbeiten mit den ihnen immanenten Fragezeichen. Auch „entschleunigt“ passt nur bedingt, geht es an einigen Stellen sogar rasant zu. Eher haben wir hier eine Satire, eine humorvolle Betrachtung des Themas „Achtsamkeit“ vor uns, welche die Achtsamkeit sozusagen ad absurdum führt. So sieht sich der Autor in seinem „Dank“ dann auch verpflichtet zu betonen, dass ihm „Achtsamkeit – bei allem Humor – wichtig ist.“ (S. 414)
Björn Diemel ist ein eher mäßig erfolgreicher Anwalt. Sein einziger Mandant ist Dragan, der Kopf eines örtlichen Verbrechersyndikats. Da Dragan immer wieder für Schwierigkeiten sorgt, ist sein Verteidiger mit Arbeit mehr als ausgelastet. Seine Frau, Katharina, stellt ihm schließlich ein Ultimatum: Um seine Familie zu retten, muss er seine Work-Life-Balance in den Griff kriegen und wird zu einem Achtsamkeitsseminar verdonnert. Dieses fruchtet dann auch recht bald, und nachdem Björn das Thema „Dragan“ auf seine neue, achtsame Art und Weise gelöst hat, wird er selbst zum Kopf des Syndikats. Dabei helfen die Regeln der Achtsamkeit ihm, auch diesen Job zu meistern – und sich dennoch um seine Familie kümmern zu können.
Geschrieben ist der Roman aus der Perspektive eines Ich-Erzählers, des Anwalts Björn Diemel. Das Buch gehört also zu den eher seltenen Vertretern, in denen der Täter selbst seine Geschichte erzählt.
Die Idee an sich, Achtsamkeit dazu zu nutzen, um auf etwas brutalere Art das Leben in den Griff zu kriegen, ist witzig. Sehr gut hat der Autor dieses in der ersten Hälfte des Romans umgesetzt: Mit viel schwarzem Humor und Wortwitz schildert er, wie Björn sich von der Last der Arbeit befreit. Auch Stellen, die ans Herz gehen, fehlen hier nicht, wenn der Anwalt und Vater sich z.B. rührend um seine Tochter kümmert … und dabei achtsam andere aus dem Weg räumt. Leider nutzt sich in der zweiten Hälfte der Humor allmählich ab, streckenweise hatte ich das Gefühl, als bestehe der Witz nur noch darin, andere zu foltern oder zu schlagen. Brutal sind diese Schilderungen nicht, erinnern aber irgendwie an alte Filmkomödien: Gib ihm noch eins drauf, dann lachen alle.
Jedes Kapitel wird von einer Achtsamkeitsregel eingeleitet; anschließend wird diese Regel anhand des Geschehens erklärt bzw. in die Praxis umgesetzt. Dabei birgt es eine Menge Ironie in sich, dass ebendiese Grundsätze benutzt werden, um zu morden. Darüber hinaus bieten die Achtsamkeitssätze den Leserinnen und Lesern natürlich auch eine Menge Stoff zum Sinnieren, sodass man sich unwillkürlich mit diesen auseinandersetzt, sein eigenes Verhalten reflektiert und bestimmt auch Neues lernt.
Der Autor schreckt auch nicht davor zurück, Kritik an verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen und Begebenheiten zu üben, wenn z.B. die Schwierigkeiten beim Ergattern eines Kindergartenplatzes aufs Tapet gebracht werden.
Sprachlich ist dieses Werk flott und flüssig zu lesen, der Autor wählt, passend zur Erzählperspektive, einen „Plauderton“, was beim Lesen das Gefühl gibt, alles aus erster Hand erzählt zu bekommen.
Die Charaktere sind anschaulich und wandelbar gestaltet. Eher unsympathisch war mir Björns Ehefrau, da sie dem Klischee einer Frau entspricht, die versorgt sein will, aber selber wenig bereit ist zu handeln.
Insgesamt hat mich dieser Roman gut unterhalten und zum Nachdenken animiert. Allerdings verliert der Humor in der zweiten Romanhälfte sehr an Reiz und das Ende kommt recht abrupt, sodass ich dem Buch alles in allem dreieinhalb von fünf Lesersternen verleihe. Trotz allem ist es aber eine lesenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 16.08.2019

Wie könnte ich über sie richten?

Geblendet
0

Mit „Geblendet“ beendet Andreas Pflüger seine Trilogie um die erblindete Ermittlerin Jenny Aaron. Dieser 509-seitige Thriller ist im August 2019 bei Suhrkamp erschienen.
Schon der Beginn des Thrillers ...

Mit „Geblendet“ beendet Andreas Pflüger seine Trilogie um die erblindete Ermittlerin Jenny Aaron. Dieser 509-seitige Thriller ist im August 2019 bei Suhrkamp erschienen.
Schon der Beginn des Thrillers ist bedrückend: Ein Vater stiftet seine zwölfjährige Tochter, Malin, zu ihrem ersten Mord an und macht sie dadurch zu einer Killerin.
Jenny, vor fünf Jahren erblindet, begibt sich in Therapie, um ihr Augenlicht wiederzuerlangen. Doch dann wird sie in einen neuen Fall involviert und steht vor der Entscheidung: für die eigene „Abteilung“ kämpfen oder für das eigene „Seelenheil“? Während der Ermittlungen kommt sie dabei zu ganz neuen Erkenntnissen.
Dieser Band beendet eine Trilogie und ist dennoch der erste aus dieser Reihe, den ich gelesen habe. Dieses stellte mich zu Beginn vor ziemlich große Herausforderungen, da es eine Zeitlang brauchte, die einzelnen Charaktere zu sortieren. Zwar gibt Pflüger hier Hilfen, aber die Bezüge zu alten Fällen sind doch so groß, dass das Lesen einiges an Konzentration erforderte und am Ende bestimmt noch einige Lücken blieben. Daher würde ich empfehlen, zuerst die vorherigen Bände zu lesen.
Der Thriller beginnt mit einer beklemmenden Szene in Notre Dame sehr dramatisch und schreit förmlich danach, weitergelesen zu werden. Nach einem Sprung in die Gegenwart und zu Jenny Aaron lässt diese Spannung allerdings erst einmal nach. Auch dauert es etwas, bis man den Bezug zum Beginn herstellen kann, dann allerdings ergibt sich ein roter Faden, der für eine in sich logische Aufklärung sorgt.
Das Buch bietet tiefe Einblicke in die Innenwelt der Protagonist/innen, vor allem in die Jennys und Malins. Was auf der einen Seite interessant zu lesen ist, sorgt auf der anderen Seite allerdings auch für Langatmigkeit, was wahrscheinlich vor allem dann zum Tragen kommt, wenn man die Vorgängerbände eben nicht kennt. Andererseits wird diese Langatmigkeit immer wieder unterbrochen von spannenden Szenen, die es dann auch wirklich in sich haben. Insbesondere das immer wieder auftretende Spiel mit erzählter Zeit und Erzählzeit fasziniert und sorgt für immense Dramatik. Auch das Finale in Barcelona zehrt ungemein an den Nerven.
Der Autor hat für seinen Roman sehr gute Recherche betrieben, was man vor allem den Einsichten in die Welt der Blinden als auch denen in die fernöstliche Kampfkunst, gespickt mit Philosophie, entnehmen kann. Leider erscheint mir Jenny Aaron an einigen Stellen etwas zu übermenschlich: Zwar sagt man, bei Blinden seien andere Sinnesorgane besser ausgebildet als bei Sehenden, allerdings scheint dieses bei Jenny übertrieben, betrachtet man ihren Gehör- oder Geruchssinn. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Bei Andreas Pflüger überwiegen sehr kurze, prägnante Sätze, die jedoch deshalb nicht wenig anspruchsvoll sind. Auch immer wiederkehrende Wiederholungen und die Wahl des Präsens als Erzählzeit mögen anfangs gewöhnungsbedürftig erscheinen, haben mir aber sehr gut gefallen.
Die Aufmachung des Buches ist eine Augenweide: Hardcover mit schwarzem Einband und schwarzem Buchschnitt sowie der Schutzumschlag in einem leuchtenden Gelb mit schwarzer, „verwischter“ Schrift passen vorzüglich zum Inhalt. Als kleine Zugabe steht der Buchtitel auch in Brailleschrift auf dem Umschlag. Mir gefällt dieses außerordentlich gut.
Anfangs war ich von diesem Thriller vor allem angesichts der Langatmigkeit etwas enttäuscht, je weiter ich beim Lesen voranschritt, desto besser gefiel er mir indes, was vor allem auf die gute Recherche und den Erzählstil zurückzuführen ist. Insgesamt gebe ich dem Buch dreieinhalb von fünf Lesesternen.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Eine vergnügliche Reise in die Kunst und das Hohenlohische

Die Kuh kennt keinen Feiertag
0

Zum ersten Mal ermitteln Milka Mayr und Kommissar Paul Eichert in „Die Kuh kennt keinen Feiertag“ gemeinsam im Hohenlohischen. Dieser 317-seitige Regionalkrimi aus der Feder von Bernd Gunthers ist im März ...

Zum ersten Mal ermitteln Milka Mayr und Kommissar Paul Eichert in „Die Kuh kennt keinen Feiertag“ gemeinsam im Hohenlohischen. Dieser 317-seitige Regionalkrimi aus der Feder von Bernd Gunthers ist im März 2019 bei Gmeiner erschienen.
Milka Mayrs Kumpel und Kunstsachverständiger Max Holl stürzt ausgerechnet an ihrem 35. Geburtstag auf dem Weg zu ihr mit seinem Ultraleichtflugzeug ab. Vermutet die Polizei anfangs noch einen Unfall, so steht für Milka sogleich fest: Es muss sich um Mord handeln. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Mitschüler und mittlerweile „Kriminalhauptkommissar (A12!)“, Paul Eichert, nimmt Milka die Ermittlungen auf, die nicht zuletzt auch sie in Gefahr bringen.
Ich habe den Roman mit etwas gemischten Gefühlen beendet, wie ich gestehen muss.
Der Kriminalfall an sich ist logisch aufgebaut, es werden verschiedene Spuren gelegt, Motive und Verdächtige angeführt, sodass man als Leser/in bis zum Schluss miträtselt, was denn hinter den Ereignissen stecken mag. Auch die Auflösung an sich ist nachvollziehbar und teils überraschend. Allerdings gestalten sich die Ermittlungsarbeiten an sich eher zäh, was zum einen an den doch recht zahlreichen Nebenschauplätzen liegt, zum anderen an den Protagonist/innen selbst, vor allem am Kommissar selbst, der sich allzu oft das Ruder von Milka aus der Hand nehmen lässt, was jeglichem Realitätssinn entbehrt.
Andererseits punktet der Krimi auf jeden Fall mit seiner guten Recherche: Als Leser/in taucht man tief in Landschaft und Besonderheiten der Region Hohenlohe ein, wenn Orte nicht nur besucht, sondern auch deren Geschichte dargestellt wird. Zudem gleicht die Reise durch diese Region einer kulinarischen, und ebenso sprachliche Eigenheiten kommen nicht zu kurz.
Ein weiterer Pluspunkt dieses Buches sind die sehr anschaulichen Informationen des Autors zum Themenkomplex Bildende Kunst, Kunsthandel und Kunstfälschung. Leserinnen und Leser erfahren viel über verschiedene Kunstströmungen, den Umgang mit „entarteter Kunst“ im Dritten Reich sowie die Schattenseiten des Kunsthandels.
Menschen, die sich für diese beiden Sujets interessieren, werden also voll auf ihre Kosten kommen.
Sprachlich ist das Werk gerade anfangs recht anspruchsvoll zu lesen, da Gunthers viele Schachtelsätze sowie ungewöhnliche Ausdrücke verwendet, was den Lesenden doch Einiges an Konzentration abverlangt und bestimmt nicht jedermanns Sache ist. Erst im Laufe des Romans werden die Sätze etwas überschaubarer. Aufgrund des Satzbaus und der Lexik erscheinen auch einige Dialoge, vor allem zwischen Milka und Paul, eher gestelzt. Dieses hatte auch zur Folge, dass es mir beim Lesen schwerfiel, das genaue Verhältnis der beiden zueinander zu eruieren. Kommt man allerdings mit diesem Sprachstil zurecht, kann man durchgängig einen feinen Humor ausmachen, der die Lektüre auch zu einem heiteren Lesevergnügen werden lässt.
Die Protagonist/innen und sonstigen Charaktere sind detailliert geschildert; jedoch erscheint mir Milka für ihre 35 Jahre doch ein wenig unreif, was nicht zuletzt mit ihrem familiären und beruflichen Hintergrund zusammenhängen mag. Klug scheint sie allemal zu sein, doch täte es ihr gut, ihren Horizont ein wenig zu erweitern, aus dem häuslichen Umfeld herauszutreten. Desgleichen wünsche ich dem Kommissar, dass er mehr Durchsetzungsvermögen entwickelt.
Das Cover ist für alle Kuhfans eine Augenweide und passt sehr gut zum Titel des Buches, der sich auch im Inhalt widerspiegelt, wenn Milka zwischen Arbeit im Kuhstall und Ermittlungen hin- und herpendelt.
Als Krimi hat mir der Roman eher weniger zugesagt, als Reise in die Welt der Kunst und das Hohenlohische allerdings hat er mir einige vergnügliche und lehrreiche Lesestunden bereitet, weshalb ich insgesamt dreieinhalb von fünf Lesesternen vergebe. Und auf jeden Fall bin ich gespannt darauf, wie Milka und Paul sich weiterentwickeln.