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Veröffentlicht am 26.11.2019

Fürchterlich belanglos

Die untalentierte Lügnerin
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„Die untalentierte Lügnerin“ ist der dritte Buchpreis-Longlist-Roman, den ich gelesen habe. Doch während mich „Das flüssige Land“ förmlich gefangen nahm und „Vater unser“ sogar zu meinen diesjährigen Lese-Highlights ...

„Die untalentierte Lügnerin“ ist der dritte Buchpreis-Longlist-Roman, den ich gelesen habe. Doch während mich „Das flüssige Land“ förmlich gefangen nahm und „Vater unser“ sogar zu meinen diesjährigen Lese-Highlights gehört, konnte ich mit Eva Schmidts Roman einfach nicht warmwerden.

Worum geht’s? Maren hat ihre Schauspielausbildung abgebrochen und kehrt, psychisch angeschlagen, zurück zu ihrer Mutter und dem Stiefvater in deren luxuriöses Domizil am See. Ihre kapriziöse und ebenfalls labile Mutter versucht sich als Künstlerin, der Stiefvater, ein wohlhabender Unternehmer, fungiert in erster Linie als Finanzier seiner Frau und der Stieftochter, der leibliche Vater ist Musiker in Wien und nur sporadisch verfügbar, der eine Bruder lebt in Finnland, der andere studiert in München. Maren weiß nichts mit sich anzufangen, ist auf der Suche nach sich selbst, trifft eine alte Freundin und ihren Ex wieder, beginnt, als Museumswächterin zu arbeiten, zieht zu Hause aus, weil sie und die Mutter sich ohne Unterlass in den Haaren liegen, zieht in die Firmenwohnung des Stiefvaters ein, stellt fest, dass er offenbar ein Doppelleben führt, zieht wieder aus … blaaablaaablaaa.

Man merkt: Weder Maren noch ihre Geschichte konnten mich berühren, und ich räume gerne die Möglichkeit ein, dass das an mir lag. Der Verlag preist diesen Roman als „Psychogramm ohne Psychologie“ an – was zu verstehen für mich bereits eine echte Herausforderung darstellt, wie ich gerne eingestehe. Offenbar reichen meine geistigen Kapazitäten nicht aus, um den tieferen Sinn dieses psychologiefreien Psychogramms zu ergründen, denn ich habe aus dem Buch nichts weiter herauslesen können als die trübsinnige, fürchterlich belanglose Geschichte einer wenig sympathischen, verwöhnten Göre, die dumpf vor sich hin brütet und durch ihr Leben mäandert, die sich erst verloren hat und sich nun sucht, ohne sich zu finden, und die sich den Großteil ihrer Probleme selbst zuzuschreiben hat. Jesses, ging die mir auf den Zeiger! (Und: Nein, die leicht verbrämte Auflösung über den Charakter von Marens offensichtlich sehr speziellem Verhältnis zu ihrem Stiefvater am Ende des Romans war auch keine große Überraschung.) Ergo: Von mir leider keine Empfehlung.

[Rezensionsexemplar]

Veröffentlicht am 04.11.2019

Guter Anfang - mehr auch nicht

Something she lost
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Auf der Halloween-Party, die Michael und Jillian alljährlich besuchen, ist noch alles in Ordnung: Sie treffen Freunde, Geschäftspartner und Kollegen, man lacht, trinkt, amüsiert sich. Doch der Heimweg ...

Auf der Halloween-Party, die Michael und Jillian alljährlich besuchen, ist noch alles in Ordnung: Sie treffen Freunde, Geschäftspartner und Kollegen, man lacht, trinkt, amüsiert sich. Doch der Heimweg verändert alles: Jillian, offensichtlich betrunkener als gut für sie ist, fällt sofort in Tiefschlaf, und auch Michael am Steuer fühlt sich zusehendes benommener. In letzter Sekunde kann er einem Mädchen am Straßenrand ausweichen. Erschrocken bietet er der Kleinen an, sie heimzufahren – doch das Haus, zu dem sie ihn lotst, wirkt verlassen und seit Jahrzehnten unbewohnt. Plötzlich verschwindet das Mädchen, nicht ohne Michael ein rätselhaftes „Komm und finde mich“ zuzurufen. Am nächsten Morgen ist Michael versucht, alles als einen schlechten Traum abzutun, doch das Mädchen lässt ihm keine Ruhe. Er macht sich tatsächlich auf, ihrer Aufforderung Folge zu leisten und ‚sie zu finden‘, doch das Haus und die Straße, die dorthin führt, ist nicht wiederzufinden. Zudem verändert sich Jillian mit jedem Tag mehr: die einstmals liebenswürdige, freundliche Frau wird zusehends gehässiger, feindseliger, gewalttätiger. Hat diese unselige Halloweennacht etwas damit zu tun?

George R. R. Martin, der Autor der „Game of Thrones“-Reihe, hält das Buch laut Klappentext für „wunderbar atmosphärisch und angsteinflößend“, Stephen King meint gar, es sei „ein brillanter Roman voll übernatürlicher Spannung“. Ich würde den beiden, die ich als Autoren durchaus schätze, wirklich gern zustimmen – aber ich kann es leider nicht. „Something She Lost“ hat im Grunde genommen alle Zutaten, die es für einen spannenden (Horror-)Roman braucht: Eine undurchdringliche Nacht (und es ist auch noch Halloween!), ein verlassenes großes Haus, das am nächsten Tag wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint, ein kleines Mädchen in Not und die drastische Persönlichkeitsveränderung der geliebten Ehefrau (wer denkt da nicht an Besessenheit?). Und tatsächlich fängt das Buch sehr vielversprechend und spannend an: Jillians todesähnlicher Schlaf, Michaels plötzliche Benommenheit, die zunehmend beklemmende Autofahrt über verlassene Straßen, das kleine, zarte Mädchen, das düstere Haus … doch leider wird diese anfängliche, gut konstruierte Spannungskurve mit jeder Seite flacher und flacher und flacher. Jillians Wandlung kommt eher plump daher, natürlich bekommt Michael ganz, ganz schnell Probleme in seinem Job, weil er sich mehr der Suche nach dem kleinen Mädchen widmet als seinem Projekt (und ich meine, wirklich schnell: Nach zwei, drei Tagen wird die berufliche Situation für den angeblich geschätzten Art Director schon brenzlig. Plausibel?!), schließlich tauchen auch noch gruselige Weibsbilder am Wegesrand auf, die Michael eine Heidenangst einjagen, die für mich als Leserin allerdings eine gewisse unfreiwillige Komik aufwiesen, und die Erklärung des Ganzen – ja, es ist etwas Übersinnliches, das darf es bei einem dem Horrorgenre zugeordneten Roman aber natürlich auch sein – war vergleichsweise schwach. Nach einem gelungenen Start letztlich leider ein Rohrkrepierer. Schade!