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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.11.2019

Tragisch

Winteraustern
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Zum Inhalt:
Luc Verlain ist zufällig auf einem Boot der Polizeieinheit, die die Austernbänke überwachen und vor Dieben schützen soll, als ein Notruf eines Fischers eintrifft. Dieser wurde hilflos auf einer ...

Zum Inhalt:
Luc Verlain ist zufällig auf einem Boot der Polizeieinheit, die die Austernbänke überwachen und vor Dieben schützen soll, als ein Notruf eines Fischers eintrifft. Dieser wurde hilflos auf einer Sandbank nach einem Überfall zurückgelassen, als die Flut beginnt. Doch das ist nicht das einzige Verbrechen in dieser Nacht, - kurze Zeit später finden die Polizisten zwei weitere Austernfischer, die tot an Pfählen angebunden sind. Luc beginnt in einer Welt zu ermitteln, die vom Klimawandel und Existenzängsten geprägt ist, - denn auch in der Austernfischerei fressen die großen Fische die kleinen.

Mein Eindruck:
Der dritte Fall Luc Verlains spielt in Aquitanien zur Weihnachtszeit und man meint Kälte, Wind und Wasser, die den Austernfischern bei ihrer schweren Arbeit zusetzen, am eigenen Leib zu spüren. Die Landschaftsbeschreibungen von Alexander Oetker sind ein großes Pfund in diesem Kriminalroman, das andere zeigt sich in den Beziehungen im Kollegium. Über Probleme wird geredet und die Zusammenarbeit gestaltet sich zielgerichtet, ein Kompetenzgerangel fehlt glücklicherweise. Auch die sonstigen Charaktere wirken lebensecht, insbesondere dann, wenn sie nicht aus ihrer eigenen Haut können und von selbst verursachten Vorkommnissen überwältigt werden. Die Schauplätze sind schön gewählt: Provinz, in der jeder jeden kennt und quirlige Hauptstadt, wo die Anonymität der Großstadt ihre Kinder frisst. Sprachlich ist dieser Kriminalroman eher einfach gehalten. Schnörkellos und mit einer Wortwahl, die auch bei leichter Müdigkeit am Abend gut intellektuell zu verkraften ist.
Der Fall an sich mutet fast wie eine griechische Tragödie an, die alle Beteiligten unter einer tiefschwarzen Decke begräbt. Nur Luc und seine Partnerin Anouk schweben auf einer Wolke des Glücks, die durch einen geschickten Cliffhanger im Epilog jedoch vom Schäfchentyp in den Gewittermodus wechselt.

Mein Fazit:
Ein gut ausgearbeiteter Krimi in schöner, kalter Kulisse

Veröffentlicht am 31.05.2019

Hast Du Driss am Schuh, hast Du Driss am Schuh...

Hinterhaus
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Zum Inhalt:
Carolin sitzt vor dem Scherbenhaufen ihres bis dato gemütlichen Lebens. Ihr langjähriger Lebenspartner ist verschwunden, hat nur sieben Umzugskartons mit persönlicher Habe zurückgelassen und ...

Zum Inhalt:
Carolin sitzt vor dem Scherbenhaufen ihres bis dato gemütlichen Lebens. Ihr langjähriger Lebenspartner ist verschwunden, hat nur sieben Umzugskartons mit persönlicher Habe zurückgelassen und die gemeinsame Wohnung zum gleichen Tag gekündigt. Glücklicherweise nimmt ihre Nachbarin Mandy aus dem Hinterhaus sie unbürokratisch auf, da Caro zusätzlich zu Mann und Wohnung den Job verliert. Doch auch dieses Arrangement ist nicht von langer Dauer, als die Leiche von Mandys Bruder, der vor vielen Jahren verschwunden ist, plötzlich hübsch verpackt auftaucht und Mandy deshalb verhaftet wird.

Mein Eindruck:
Wie schon Poldi sagte: „Hast Du Driss am Schuh, hast Du Driss am Schuh!“. Ein Motto, welches Werrelmann in aller epischen Breite für ihre Protagonistin wählt. Der Umgang Caros mit all dem Unglück entbehrt nicht einer gewissen Komik, - sie hat nämlich keinen und fällt deshalb von einem Ungemach in die nächste Katastrophe. Leider sind dabei einige Szenen überspitzt bis absolut unglaubwürdig und insbesondere die vielen Szenen mit Lebensmitteln, die auf mannigfache Art und Weise Körper verlassen, führen zu einem gewissen Grad des Ekels. Anzumerken ist dabei, dass die Autorin in einzigartiger Güte schildern kann – hier ist diese Gabe leider eher unglücklich. Ganz im Gegensatz dazu die Geschichte: Wunderbar schlüssig, das Ende klärt über fast alle Begebenheiten auf, die mordende Person ergibt sich folgerichtig, ohne zu früh bekannt zu sein. Eine Entwicklung der Figuren (insbesondere der Hauptperson) findet statt, das Ende befriedigt auf weiter Strecke und bietet einen rosa Streifen am Horizont für diejenigen, die es verdient haben. Das skurrile Personal ist dabei für den einen oder anderen Schmunzler gut. Das macht Leser glücklich und froh (wenigstens die meisten davon) und sorgt für eine letztendlich doch noch gute Wertung.

Mein Fazit:
Geschichte top, sehr gute Beschreibungsqualität, leider manchmal für die falschen Vorgänge genutzt

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Atmosphäre
  • Figuren
Veröffentlicht am 26.05.2019

Ein sehr kalter Fall

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
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Die Rezension behandelt das Hörbuch

Zum Inhalt:
Nach dem Fund von Knochen eines Paares, welches schon vor mehr als 70 Jahren den Tod fand, darf Gina Angelucci erst nach einigen Finten ihrerseits ermitteln. ...

Die Rezension behandelt das Hörbuch

Zum Inhalt:
Nach dem Fund von Knochen eines Paares, welches schon vor mehr als 70 Jahren den Tod fand, darf Gina Angelucci erst nach einigen Finten ihrerseits ermitteln. Denn ein Täter kann nur solange belangt werden, wie er selber lebt, - andererseits wird das Verfahren eingestellt und bei diesem Doppelmord scheint das höchst wahrscheinlich. Doch Gina sieht sich in der Pflicht, die Identität der beiden Leichen festzustellen und ihre Angehörigen zu finden, um diesen Gewissheit zu verschaffen. Bald wird klar, dass die Vorgänge mit der in Altbruck von Zwangsarbeitern betriebenen Munitionsfabrik zusammenhängen, denn die weibliche Tote kommt aus Osteuropa.

Mein Eindruck:
„Unbarmherzig“ ist eine von Vera Teltz sehr gut interpretierte Geschichte, die sich intensiv mit dem Leben von Zwangsarbeitern in der NS-Geschichte beschäftigt und den Bogen in die heutige Zeit spannt. Sehr interessant und fein recherchiert sind dabei die Blicke in die Vergangenheit, in der Löhnig in gewohnt guter Manier von Ängsten, Hoffnungen und Schicksalsgemeinschaften inner- und außerhalb der Munitionsfabrik schreibt. Alles ist spürbar und perfekt nachzuvollziehen, und obwohl viel Zeit vergangen ist, fühlt man sich den Figuren sehr nah und realisiert das Ausmaß des Schreckens, den die NS-Diktatur über weite Teile Europas gebracht hat. Dagegen fällt der „heutige“ Teil stark ab. Zuallererst stört massiv, dass die größte Unstimmigkeit – ein Toter an der Front mit den Papieren des Erschossenen von Altbruck – nicht geklärt wird. Desweiteren sind die Probleme, die die Autorin hier ihren Charakteren aufzwängt, zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Es gibt eine Familienfehde, die fast affig in ihren Ausmaßen erscheint und – damit auch privat bei Angelucci/Dühnfort nicht nur alles rosarot ist – hat die Familie ein Kind mit Down-Syndrom, welches von dämlichen Rechtsextremen beleidigt und einer psychisch kranken Frau bedroht wird. Das ist dann doch eine Spur zu viel Privatgedöns mit brauner Soße (der Begutachter der Stalkerin ist zusätzlich ein Anhänger der identitären Bewegung). Aber vor allen Dingen fragt sich der geneigte Leser – und auch die Leserin – wie eine Kommissarin, die eine seit Jahren spurlos verschwundene, enge Freundin hat, erst jetzt auf die Idee kommt, nach dieser zu suchen. Schließlich ist Gina Mitglied einer Einheit für Cold Cases, selbst wenn es diese offiziell gar nicht gibt. Da auch hier der Hinweis auf rechte Verstrickungen nicht fehlt – im Moment der Burner bei Krimi-Autoren – wird sich das nächste Buch wohl mit diesem Verschwinden befassen.

Mein Fazit:
Sehr gut in der Vergangenheit, leider zu gewollt in der Gegenwart

Veröffentlicht am 03.02.2019

Spannend, aber durchsichtig

Der Patriot
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Zum Inhalt:
Schweden nimmt sehr viele Flüchtlinge auf. Aus Sicht einer kleinen Gruppierung zu viele und diese beginnt, Journalisten zu töten, die ihrer Meinung nach als "Lügenpresse" die öffentliche Wahrnehmung ...

Zum Inhalt:
Schweden nimmt sehr viele Flüchtlinge auf. Aus Sicht einer kleinen Gruppierung zu viele und diese beginnt, Journalisten zu töten, die ihrer Meinung nach als "Lügenpresse" die öffentliche Wahrnehmung mit bewussten Falschmeldungen manipulieren. Als die mediale Aufmerksamkeit beginnt abzuebben, beschließen sie einen Terroranschlag, der die Öffentlichkeit vollständig auf ihre Linie bringen soll. Dabei rechnen sie jedoch nicht mit dem schwedischen Fremdenlegionär August, der nach einiger Zeit im Ausland beschließt, zurückzukehren... und aufzuräumen...

Mein Eindruck:
Trotz des Klappentextes, der die rechtsextremen Gewalttaten gegen den Autor Pascal Engman thematisiert, beginnt dieser sein Buch völlig unerwartet: Er zeigt differenziert Gedanken, Gefühle und Handlungen von vier Hauptpersonen: Ein Fremdenlegionär, eine Journalistin, ein Sohn im Hauptberuf und ein syrischer Taxifahrer, der seit zwanzig Jahren in Schweden lebt. Doch leider bleibt Engman diesem guten Ansatz, der allen Charakteren eine gewisse Vielschichtigkeit anhaften lässt, nicht lange treu. Seine Figuren werden allesamt schuldig, die Art und Weise der Begründung ihrer Taten ist jedoch durchsichtig, plakativ und politisch zu korrekt. Zwar ist zum Beispiel der Rechtsextremist ein Angehöriger der Oberschicht, jedoch gescheitert und durch Papas Börse lebend und der Selbstmordattentäter mit Migrationshintergrund ist im Grunde seines Herzens ein strebsamer, liebevoller Mensch und wird nur durch ersteren dazu gezwungen, Dutzende Menschen zu töten – mehr Vorschlaghammer geht praktisch nicht. Und genau damit erweist Engman der guten Sache einen Bärendienst. Die meisten Leser möchten selber nachdenken und sich ihre Meinung bilden und nicht durch eine Schwarz-Weiß-Malerei auf den Weg gebracht werden, - so richtig dieser Weg auch sein mag.
Stilistisch ist an dem Thriller nichts zu beanstanden. Die kurzen Kapitel, die sich zumeist mit einer Hauptperson – manchmal in Interaktion mit einer Nebenfigur – befassen, besitzen einen Drive, der den Spannungsbogen über das gesamte Buch straff gespannt hält. Dass der Autor als Reporter gelernt hat, Sprache einzusetzen, beweist Engman ein um das andere Mal.

Mein Fazit:
Ein bisschen weniger Schwarz und Weiß hätte der Geschichte die Farbe verleihen können, die sie verdient

Veröffentlicht am 19.01.2019

Gute Unterhaltung

Allein deine Schuld
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Zum Inhalt:
Für die Sozialarbeiterin Suzanne kommt es dick: Zuerst stirbt ein von ihr betreutes Mädchen, dann wird sie in einer Fernsehsendung mit einem alten Fall vorgeführt und zum Schluss ist auch noch ...

Zum Inhalt:
Für die Sozialarbeiterin Suzanne kommt es dick: Zuerst stirbt ein von ihr betreutes Mädchen, dann wird sie in einer Fernsehsendung mit einem alten Fall vorgeführt und zum Schluss ist auch noch ihre Tochter, mit der sie am Morgen einen Streit hatte, verschwunden. Da sie dieses Verschwinden wegen einer Verkettung unglücklicher Umstände erst nach zwei Tagen bemerkt, gerät sie in das Visier der ermittelnden Beamten. Und auch in ihr eigenes, denn Suzanne hat Erinnerungslücken, und ihrem Gedächtnis fehlt ein gutes Stück der Zeit nach dem Streit.

Mein Eindruck:
Was Lewin in dem Buch wirklich gut gelingt, ist, ihre Erfahrung als Sozialarbeiterin in die Seiten zu packen. Denn man merkt wirklich bei den Beschreibungen, dass diese stimmig sind und gut den Stress und die innere Zerrissenheit dieses Berufes zeigen. Genervt hat allerdings, dass es anscheinend einen Wettbewerb gibt: „Wer kann sich die größten Probleme bei Ermittlern ausdenken?“ Auch diese Autorin nimmt beherzt mit unter anderem „ermordete Frau und schwierige Situation als dadurch alleinerziehender Polizist“ daran teil. Diese Nebenkriegsschauplätze haben nämlich keinen großen Einfluss auf Fall, Ermittlung und Täter und sind deshalb nur noch störendes Füllmaterial. Da Lewin jedoch eigentlich viele Personen mit Schatten auf der Seele, undurchsichtigem Verhalten und dadurch potenziell als Täter möglich einführt, hätte es das gar nicht gebraucht. Die Ambivalenz ihrer Hauptverdächtigen gelingt ihr dabei großartig, die Verwirrung ist komplett und es macht Spaß, sich daraus zu befreien und zum Schluss zu sehen, wie sich alles zueinander fügt. Einige Teilstücke sind jedoch nicht besonders glaubwürdig; - ein Pakt mit dem Teufel so wider die Natur, dass man als Leser doch eher irritiert als überrascht ist.
Doch trotz einiger Längen unterhält der Krimi mit einem furiosen Finale, in dem sämtliche Register eines guten Thrillers gezogen werden.
Beim Ende scheint dann doch das grundgütige Sozialarbeiter-Gen mit Lewin durchzugehen: Zuckersüß, so dass Diabetes-Gefahr herrscht.

Mein Fazit:
Manchmal ein Kaugummi – ausgelutscht und zäh – meistens jedoch gute und spannende Unterhaltung

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  • Handlung