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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.11.2019

Very british, very confusing

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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So ist es tatsächlich: obwohl dieses Buch atmosphärisch einfach alles gibt, um ein echt britisches Was-auch-immer zu sein, habe ich eine ganze Weile gebraucht, um die Handlung nachvollziehen ...

So ist es tatsächlich: obwohl dieses Buch atmosphärisch einfach alles gibt, um ein echt britisches Was-auch-immer zu sein, habe ich eine ganze Weile gebraucht, um die Handlung nachvollziehen zu können: Denn hier wiederholt sich zwar immer wieder ein bestimmter Tag und zwar der, an dem die titelgebende Evelyn Hardcastle sterben musste, doch der Erzähler steckt jedesmal in einem anderen Körper und erlebt die Handlung aus einer anderen Perspektive mit. Somit fügt sich Tag für Tag ein Puzzlestein zum anderen, bis das Rätsel gelöst ist.

Eine geradezu geniale Idee, muss man sagen - wenn sie denn ebenso genial ausgeführt worden wäre. Aber die Tage purzeln hier wild durcheinander, zudem gibt es nicht einzuordnende Figuren in dem Roman, die - zumindest bei mir - die Verwirrung noch vergrößerten.

Irgendwie platzt man hier einfach hinein in die Handlung und muss dann schauen, wie man sich zurecht findet. Mir ist das jedenfalls nicht so recht gelungen und so konnte ich den Roman nicht so genießen, wie ich wollte. Obwohl er jede Menge toller Einfälle enthält, kann ich ihn nicht weiterempfehlen, es sei denn, man kennt jemanden, der genau so etwas sucht!

Veröffentlicht am 04.09.2019

Manu auf dem Dach

Der Sprung
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Oder auch Manu vor dem Sprung. Vor dem letzten Sprung ihres Lebens? Denn die junge Gärtnerin hat sich auf das Dach eines Mehrfamilienhauses in dem kleinen Ort bei Freiburg, der ihr Heimat ist ...

Oder auch Manu vor dem Sprung. Vor dem letzten Sprung ihres Lebens? Denn die junge Gärtnerin hat sich auf das Dach eines Mehrfamilienhauses in dem kleinen Ort bei Freiburg, der ihr Heimat ist - oder sein sollte, begeben und lässt nicht mit sich reden. Zumindest spricht sie nicht mit der Polizei. Und ihren Freund, bzw. denjenigen, der sich als ihr Freund fühlt, nämlich Finn, den lassen sie nicht zu ihr.

Es ist nicht nur Finn, der in diesem Roman zu Wort kommt. Nein, es sind verschiedene Menschen, die auf unterschiedlichste Weise - teilweise auch sozusagen über Eck, also über andere Menschen - mit Manu zu tun haben. Langsam kristalliert sich ein Gesamtbild heraus, das aber erst ganz zum Schluss mehr oder weniger vollständig ist.

Meiner Ansicht nach eher weniger. Denn es ist ein ganz schön nervöses Bild und auch ein nervöser Stil, den die junge Autorin Simone Lappert hier pflegt. Oder ein hibbeliger, unsteter - der zu der Generation junger Erwachsener so zwischen zwanzig und dreißig aus meiner Sicht gut passt, denn ich empfinde viele ihrer Protagonisten als nervös, hibbelig und unstet.

Auch Manu ist nicht die Ruhe selbst. Nein, sie flucht und wirft Ziegel vom Dach - auf die Schaulustigen, die sich versammelt haben, um ihr Tun zu verfolgen. Geschieht denen Recht, finde ich.

Doch was steckt hinter dem allen? Das geht - so finde ich - aus dem unruhigen und wortreichen Stil der Autorin, deren Sätze in etwa so vielteilig und verschachtelt sind, wie manch einer in dieser Rezension, nur in Teilen hervor.

Das Portrait eines Menschen, blitzlichtartig gezeichnet durch diejenigen, die ihn umgeben. Was aus meiner Sicht hätte klarer, stabiler und eindringlicher sein können. Aber das meine nur ich - und ich gehöre nicht der Generation der Protagonistin und der Autorin an. Ein Bildnis unserer Zeit, unserer Mentalität, das viele sicher als gelungen ansehen werden.

Veröffentlicht am 01.09.2019

Leben und Lieben aktuell

Gespräche mit Freunden
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Der Geist der Zeit bzw. in der Gegenwartsspeech: der Spirit der Jugend ist in jeder Generation von großem Interesse, nicht nur im "Real Life", sondern auch in der Literatur. Nicht umsonst sind ...

Der Geist der Zeit bzw. in der Gegenwartsspeech: der Spirit der Jugend ist in jeder Generation von großem Interesse, nicht nur im "Real Life", sondern auch in der Literatur. Nicht umsonst sind in vergangenen Zeiten - ab der Mitte des vergangenen Jahrhunderts - Romane wie "Bonjour tristesse" oder auch "Der Fänger im Roggen entstanden, in denen nicht zuletzt die Liebe - oder ist es "nur" die Sexualität? - eine zentrale Rolle spielt.

Auch in der Gegenwart: "Gespräche mit Freunden" der irischen Autorin Sally Rooney ist so ein Roman. In dem der Zeitgeist ziemlich im Vordergrund steht. Die beiden jungen Stand-up-Künstlerinnen Bobbi und Frances lernen das Ehepaar Melissa und Nick kennen: sie: Fotografin, er: Schauspieler und etwa 10 Jahre älter als die beiden Mädels. Die irgendwann mal ein Paar waren und inzwischen "nur" noch gute Freundinnen sind.

Frances ist die Erzählerin, sie und Nick kommen sich näher, wie man das früher nannte. Also, richtig nahe. Wobei Nick immer noch verheiratet ist und das auch bleiben will. Eigentlich. Und Frances steht da drüber bzw. gibt sie sich den Anschein.

Dann schießt jemand quer bzw. mehrere und die Sachlage ändert sich. Das alles ist eindringlich geschrieben und von der erstklassigen und sehr erfahrenen Übersetzerin Zoe Beck eindringlich übersetzt. Trotzdem: mein Ding ist das nur bedingt. Ein ziemliches Hin und Her zwischen den Liebenden oder vielmehr: einander Begehrenden und auch darüber hinaus.

Mich ließ die Lektüre spüren, dass ich doch schon ein älteres Semester, bzw. über ein solches Hick Hack hinaus bin. Vielleicht hat es mich auch nie ergriffen. Ich habe es wegen der oben genannten Faktoren gerne gelesen, aber ich glaube nicht, dass etwas länger hängenbleiben wird. Wahrscheinlich, weil ich nicht so die richtige Zielgruppe bin für die hier transportierten Wertvorstellungen oder auch nur für dieses Geplänkel. Ich finde, so richtig tief geht das nicht und so extrem neu ist da auch nix dran. Nichtsdestotrotz: Nett und unterhaltsam zu lesen.

Veröffentlicht am 17.08.2019

Identitäten

Niemandskinder
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Wer bin ich, woher komme ich und was hat all das mit meinem Stellenwert zu tun? In dem Land, in dem ich lebe, aber auch anderswo?

In seinem Roman "Niemandskinder" verwebt der Österreicher historische ...

Wer bin ich, woher komme ich und was hat all das mit meinem Stellenwert zu tun? In dem Land, in dem ich lebe, aber auch anderswo?

In seinem Roman "Niemandskinder" verwebt der Österreicher historische Entwicklungen und Ereignisse mit Geschehenissen neuerer Art, solchen, die seinem namenlosen Protagonisten der Gegenwart, einem möglichen Alter Ego, zustoßen. Er: ein Wanderer zwar nicht gerade zwischen den Welten, aber doch zwischen Österreich und Frankreich, konkret Paris.

Der sich gedanklich nie ganz von seiner einstigen Liebsten Samira, einer Französin mit marokkanischen Wurzeln, trennen konnte. Ihm begegnet in Österreich, im kleinen Ort seiner Herkunft, Marianne. Nicht persönlich, sondern in Form ihrer Geschichte. Einer Geschichte des Leidens und eines möglichen Stoffes für seinen nächsten Roman. Marianne nämlich ist kurz nach dem Krieg geboren und der Beziehung einer Österreicherin mit einem amerikanischen Soldaten entsprungen. Einem amerikanischen Soldaten.

Auch sie - wie vorher Samira - hadert mit ihrer Identität, wird von anderen aufgrund ihrer Erscheinung abgeurteilt, in eine Schublade gesteckt.

Sie möchte er finden, wobei sich ihre Geschichte mit der Samiras und nicht zuletzt mit der des Protagonisten vermengen und spätestens da wird es mir zu bunt. Oder zumindest zu unkonkret. Denn der durchaus faszininiere Parcours durch Vergangenheit und Gegenwart wird mir stellenweise zu ungenau, vielleicht auch einfach zu persönlich. Ich kann ihr - obwohl in gewählten Worten eindringlich dargestellt - nicht mehr folgen bzw. werde von ihr nicht erreicht. Ein wertvoller Roman, sicher - aber einer, den sich andere Rezipienten vornehmen sollten, möglicherweise solche, die offener sind für den doch sehr emotionalen, poetischen Umgang mit Geschichte und Gegenwart. Lesern, die den "Niemandskindern" bis zum Schluss folgen, in deren Spur bleiben können und nicht wie ich irgendwann ausscheren und sich in der Geschichte verlieren.

Veröffentlicht am 11.08.2019

Jelena - Lena - Füchschen - Elena - Baba

Die Leben der Elena Silber
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Das sind die Namen, mit denen die Protagonistin im Laufe ihres Lebens benannt wird - abhängig von den Zeiten und denen, die sie ansprechen. Geboren 1902 wurde sie Jelena getauft und Lena genannt, ...

Das sind die Namen, mit denen die Protagonistin im Laufe ihres Lebens benannt wird - abhängig von den Zeiten und denen, die sie ansprechen. Geboren 1902 wurde sie Jelena getauft und Lena genannt, "Füchschen" war der Kosename ihrer großen Liebe für sie, zu Elena wurde sie in Deutschland. Und "Baba" war sie für ihre Enkel - ein Name, den sie hasste.

93 Jahre alt ist sie geworden - ein langes Leben, dennoch beginnt ihr Enkel Konstantin erst lange nach ihrem Tod zu recherchieren über sie und die Vergangenheit seiner Familie, die aus Berlin, wo Elena, ihre vier Töchter und deren Familien nach dem Krieg jahrzehntelang lebten, über Leningrad, Moskau und Nishni Novgorod bis nach Gorbatow an der Wolga zurückführt. Dort stand Elenas Wiege, dort wurde ihr Vater 1905 als früher Revolutionär aus dem Weg geräumt.

Mehr als zwanzig Jahre nach ihrem Tod versucht Konstantin ihrem Leben, seiner Familiengeschichte, nachzuspüren? Was wurde aus seinem Großvater, dem Deutschen Robert Silber, der nach dem Krieg spurlos verschwand? Warum versteht sich seine Mutter nicht mit ihren Schwestern? Wie erging es seiner Großmutter als Kind, als junger Frau im fernen Russland, in der Sowjetunion? Und warum weiß er kaum etwas über die Verwandten in Berlin, in seiner Stadt? Einige wenige der vielen Fragen, die ihn umtreiben.

Der Autor Alexander Osang pflegt einen eindringlichen und gleichzeitig unterhaltsamen Stil. Trotz erheblicher Längen und gelegentlicher Redundanzen fiel mir die Lektüre leicht. Nur im Nachhinein habe ich mich gefragt, was denn nun genau die Erkenntnis aus diesem Roman ist. Erschütternd war es für mich zu erkennen, dass ich keine gewonnen habe! Ich bin Elena und ihrer zerfahrenen, zerfaserten Familie emotional kaum näher gekommen und bin mir sicher, dass sie und Konstantin ebenso wie die anderen Menschen um sie herum schon bald wieder aus meiner Wahrnehmung verschwinden werden. Ein gefälliger Roman ohne Botschaft. Ich bereue nicht unbedingt, ihn gelesen zu haben, aber andererseits war es auch kein Gewinn.