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Veröffentlicht am 24.03.2020

Freundschaft auf den zweiten Blick

Das kann uns keiner nehmen
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Der sensible, zurückhaltende und vermeintlich tolerante und weltoffene Hans macht sich auf, den Kilimandscharos zu besteigen. Dort will er aber nicht nur den Gipfel erreichen, sondern auch noch im Krater ...




Der sensible, zurückhaltende und vermeintlich tolerante und weltoffene Hans macht sich auf, den Kilimandscharos zu besteigen. Dort will er aber nicht nur den Gipfel erreichen, sondern auch noch im Krater die Nacht verbringen. Mit dieser Reise will er mit sich und seiner Vergangenheit endlich ins Reine kommen. Offenbar hat er mit dem Berg, oder sogar mit ganz Afrika, noch eine persönliche Rechnung offen.
Doch obwohl normalerweise niemand im Krater nächtigt, steht dort bereits ein Zelt, und mit ihm ,,der Tscharli", ein von sich selbst eingenommener, lauter und aufdringlicher Ur-Bayer. Für Hans ein Alptraum! Doch der Schneesturm in der Nacht, der auch den Trägern und Reisebegleitern unheimlich ist, bringt die beiden zusammen , wenn auch von Hans Seite aus nur äußerst widerwillig. Doch so unsympathisch, respektlos und abstoßend Tscharli auch zunächst wirkt, so schafft er es doch, die Menschen um ihn herum in seinen Bann zu ziehen. Mit seinem Bayrisch-Phantasie-Suahelie hat er immer die Lacher auf seiner Seite, bekommt das, was er will und setzt sich, auch in Konfliktsituationen, durch. Und er kann das Leben in vollen Zügen genießen, alles Dinge, die Hans bisher im Leben nicht gelernt hat. Als dieser merkt, dass Tscharlie schwer krank ist und nur noch einmal richtig Spaß haben will, bevor es zu Ende geht, schließt Hans sich ihm auf eine abenteuerliche gemeinsame Reise an, die auch ihm ganz neue Horizonte eröffnet.
Die Geschichte einer Freundschaft auf den zweiten Blick ist berührend, traurig und witzig zugleich, allerdings nicht immer angenehm und unterhaltsam zu lesen. Tscharlies Redewendungen, die Hans allmählich übernimmt, nerven, auch wenn sich in ihnen eine gewisse Lebensweisheit manifestiert. Tscharlies Verhalten wirkt, auch nachdem Hans ihm einen gewissen Respekt zollt, nicht weniger unsympathisch bis teils sogar ekelhaft.
,,Das kann uns keiner nehmen" ist eine interessante Geschichte über Lebenslügen und Lebensweisheiten, Liebe und Freundschaft, die kein klischeehaftes Bild von Afrika zeigt, sondern eher das alltägliche Leben in verschiedenen Facetten.

Veröffentlicht am 11.03.2020

Solider und spannender 5. Fall

Vermisst
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In diesem 5. Fall der im geheimnisvollen Spreewald angesiedelten Reihe ist die inzwischen zur Kriminalobermeisterin beförderte Klaudia Wagner persönlich betroffen. Als sie in einer regnerischen Nacht ...



In diesem 5. Fall der im geheimnisvollen Spreewald angesiedelten Reihe ist die inzwischen zur Kriminalobermeisterin beförderte Klaudia Wagner persönlich betroffen. Als sie in einer regnerischen Nacht von ihrem pflegebedürftigen Vater heimfährt, nimmt ihr bei Lübbenau ein unbeleuchtetes Auto die Vorfahrt, Klaudia kann zwar gerade noch ausweichen, überfährt dabei aber eine Frau. Nach dem ersten Schock kommt dann aber die rätselhafte Überraschung: die Frau war schon tot! Es handelt sich um die junge Jennifer Böseke, die, wie man vermutete, vor zwei Jahren von ihrem Freund Thorsten im Drogenrausch ermordet wurde. Obwohl man nie eine Leiche gefunden hatte, wurde der vermeintliche Mörder verurteilt und sitzt noch immer im Gefängnis.
Da Klaudia Wagner als befangen gilt, ermittelt und recherchiert sie auf eigene Faust. Dabei stößt sie auf Manuela Strahl, die ihren Lebensunterhalt mit Kräutern, Salben und Tees bestreitet und als Spreewaldhexe, also eine Art Seherin gilt. Nebenbei vermietet sie, im Moment an den Studenten Mike, der ein Praktikum in der örtlichen Apotheke absolviert. Doch seit der Unglücksnacht wird Mike vermisst und auf seinem Handy findet sich eine
rätselhafte Nachricht. Klaudia stößt auf dunkle Geheimnisse, zahlreiche Verdächtige und Motive und bringt sich selbst in große Gefahr.
Im nunmehr 5. Fall mit Klaudia Wagner bietet der Spreewald wieder eine mystische und düstere Kulisse für einen soliden und spannenden Kriminalfall. Man muss die Vorgängerbände nicht unbedingt gelesen haben, allerdings erleichtert es das Verständnis gerade für Klaudias Verhaltensweisen erheblich.

Veröffentlicht am 21.02.2020

Eindringlich - und anstrengend

Milchmann
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Schon der Titel verrät, dass es hier nicht um einen 08/15-Roman geht.
»Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, ...


Schon der Titel verrät, dass es hier nicht um einen 08/15-Roman geht.
»Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb. Er wurde von einem staatlichen Mordkommando erschossen, und der Tod dieses Mannes war mir herzlich egal.« So beginnt der Roman, der u.a. mit dem Man Booker Prize 2018 ausgezeichnet wurde.
Stilistisch ist der Roman eine echte Herausforderung. Ellenlange Sätze, Wortneuschöpfungen wie der ,,Vielleicht-Freund“ oder die Betitelung der Brüder und Schwestern mit ,,Ältere Schwester“ oder Bruder 1 sind originell, witzig, weisen aber auch auf eine gewollte Anonymisierung hin.
Inhaltlich geht es um eine junge Frau, die, vermutlich in Belfast in den 70er/80er Jahren, auf der richtigen Seite der Straße, auf der richtigen Seite des Meeres lebt, aber Probleme damit hat, sich ihrer Umgebung anzupassen. Als intellektuelle, lese- und sportbegeisterte junge Frau passt sie schlecht in die von ungeschriebenen Gesetzen und Zwängen bestimmte Gesellschaft.
Mit ihrem ,,Vielleicht-Freund“ führt sie eine gute Beziehung, ohne ihn allerdings jemals ihrer Familie vorzustellen, geschweige denn sich von ihm heimfahren zu lassen. Dafür wohnt er im falschen Viertel. Als die namenlose Erzählerin das Interesse des ,,Milchmanns“ auf sich zieht, eines einflussreichen Mannes, versucht sie zwar, dieses Interesse abzuweisen und Begegnungen mit ihm zu vermeiden. Allerdings vermag sie auch nichts gegen die schnell kursierenden Gerüchte, die ihr eine Affäre mit dem älteren, verheirateten Mann andichten.
Nur sehr mühsam schafft es die Ich-Erzählerin, ihren Weg hin zur Selbstbestimmung zu finden. Dieses Ringen spiegelt sich im Roman auch in relativer Handlungsarmut wider. Umso ausführlicher und eindringlicher dagegen legt die Ich-Erzählerin ihre Gedanken, Zweifel und Emotionen dar, gespickt mit schwarzen Humor und Absurditäten. So fühlt man sich zwar sprachlich gut unterhalten, wünscht sich des öfteren allerdings etwas mehr Handlung.
Auch ist mal stellenweise versucht, die Ich-Erzählerin zu schütteln und sie dazu zu bringen, sich ihrem ,,Vielleicht-Freund“ oder jemand anderem zu öffnen und ihren Kampf um Selbstbestimmung aktiver zu führen.

Veröffentlicht am 20.02.2020

Der Rosenmörder

Eisige Dornen (Ein Nathalie-Svensson-Krimi 4)
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Auch wenn das Cover und teilweise auch der Titel leider eher das Klischee des typischen, schwedischen Krimis bedienen, handelt es sich bei ,,Eisige Dornen" um einen spannenden und unterhaltsamen Krimi.
Da ...

Auch wenn das Cover und teilweise auch der Titel leider eher das Klischee des typischen, schwedischen Krimis bedienen, handelt es sich bei ,,Eisige Dornen" um einen spannenden und unterhaltsamen Krimi.
Da es sich um den 4. Band der Reihe um die Psychiaterin Nathalie Svensson handelt, ist es zwar nicht zwingend notwendig, aber deutlich von Vorteil, wenn man die Vorgängerbände kennt. Nur so erschließt sich manche Andeutung oder scheinbare Nebenhandlung.
In Ystad wird der Fußballstar Hendrik Borg tot aufgefunden. Allem Anschein nach handelt es sich um Selbstmord, es sieht aus, als wäre Hendrik Borg friedlich entschlafen, mitsamt einer blauen Rose auf der Brust. Doch sehr bald stellt sich heraus, dass es sich um Mord handelt.
Und schon kurz darauf kommt es zu ganz ähnlichen Todesfällen, die Leichen einer depressiven Tänzerin, eines sehr attraktiven Piloten und einer krebskranken alten Frau werden ähnlich inszeniert aufgefunden.
Psychiaterin Nathalie Svensson soll mit ihren Kollegen von der Spezialeinheit für besonders schwere Fälle die Suche nach dem Serienmörder aufnehmen. Zunächst scheint die Toten nichts miteinander zu verbinden. Außer der blau gefärbten Rose gibt es keinerlei Hinweise. Doch der Abstand zwischen den Taten verkürzt sich von mal zu mal, sodass es zu einem Wettlauf mit der Zeit kommt. Mit ins Team wird auch Kriminalhauptkommissar Johan Axberg gerufen, obwohl dieser sich eigentlich in Elternzeit befindet. Doch Axberg und Nathalie Svensson verbindet mehr als nur die beruflichen Parallelen...
Das Motiv des Rosenmörders kristallisiert sich allmählich heraus, die eigentlichen Zusammenhänge werden aber erst zum Schluss offensichtlich, sodass man trotz aller Vorahnungen mitfiebern kann. Der Wechsel der Schauplätze und der Perspektiven gestaltet die Lektüre abwechslungsreich und spannend. Allerdings muss man es auch mögen, dass das Privatleben der Ermittler einen relativ breiten Raum einnimmt. Für Kenner der Reihe ist dies eher ein Plus, da sich die Figuren und ihre Lebensgestaltung jedes Mal ein bisschen weiterentwickeln.

Veröffentlicht am 10.12.2019

Spiel mit dem Feuer

Unter Wölfen
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Nürnberg im Jahr 1942: Für die jüdischen Einwohner der Stadt wird es immer gefährlicher. So leben auch Isaak Rubinstein und seine Familie in ständiger Angst vor der drohenden Deportation. Er musste schon ...


Nürnberg im Jahr 1942: Für die jüdischen Einwohner der Stadt wird es immer gefährlicher. So leben auch Isaak Rubinstein und seine Familie in ständiger Angst vor der drohenden Deportation. Er musste schon sein geliebtes Antiquariat aufgeben, die Familie lebt beengt in einem Judenhaus, in das sie mit vielen anderen jüdischen Familien einquartiert wurden.
Isaak wendet sich in seiner Verzweiflung an seine frühere Freundin Clara, die im Widerstand aktiv ist. Sie willigt ein, ihn und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Allerdings nutzt Clara Isaaks Situation, um ihn für ihre Zwecke und die Ziele der Widerstandsbewegung ,,Fränkische Freiheit“ einzuspannen. Isaak muss in die Rolle des Nazi-Sonderermittlers Adolf Weissmann schlüpfen. Pikant dabei ist, dass Clara Isaak vorher nicht über ihre Pläne informiert, sondern ihn ausgestattet mit den Papieren des Nazi-Ermittlers ins kalte Wasser wirft. Der echte Adolf Weissmann wird auf dem Weg nach Nürnberg im Zug überfallen, überlebt allerdings schwer verletzt.
Isaak Rubinstein muss nun, um selbst zu überleben und um seine Familie nicht zu gefährden, wohl oder übel die Rolle des Nazi-Sonderermittlers einnehmen und wird sofort mit den Ermittlungen um den Mord an der berühmten Schauspielerin Lotte Lanner aufzuklären.

Sehr geschickt wird der historische Hintergrund mit einem spannenden Kriminalfall verwoben. Durch Isaak Rubinsteins persönliches Schicksal und das seiner Familie geht einem die Unmenschlichkeit dieser Zeit auch wirklich nahe. Allerdings findet sich Isaak Rubinstein erstaunlich schnell und eher unproblematisch in seine Rolle, was stellenweise unrealistisch wirkt. Zwar bringt er sich hin und wieder durch kleine Unachtsamkeiten selbst in Gefahr oder wird z.B. von einer alten Nachbarin erkannt. Auch droht Gefahr von dem echten Adolf Weissmann, der irgendwann in einem Lazarett zu sich kommt. Doch diese Probleme werden recht schnell oder mit Hilfe des Zufalls aus dem Weg geräumt. Ich hätte mir stellenweise noch mehr Reflexion von Seiten Isaaks gewünscht, z.B. wenn er merkt, wie er seine Macht als Adolf Weissmann ausspielen kann.
Insofern ist ,,Unter Wölfen“ ein durchaus lesenwerter Krimi mit einem interessanten und sympathischen Protagonisten, inhaltlich ist er allerdings nicht völlig überzeugend.