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Veröffentlicht am 26.04.2020

Erbarmungslos und abgestumpft

Das wirkliche Leben
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Wir begegnen in diesem Buch einer Familie, in der das Zusammenleben auf falschen Bahnen läuft. Der Vater, Buchhalter in einem Vergnügungspark, liebt die Jagd und den Whisky, aber leider nicht seine Familie, ...

Wir begegnen in diesem Buch einer Familie, in der das Zusammenleben auf falschen Bahnen läuft. Der Vater, Buchhalter in einem Vergnügungspark, liebt die Jagd und den Whisky, aber leider nicht seine Familie, was seine Frau hautnah zu spüren bekommt. Die Mutter, Hausfrau, liebt ihre Tiere und bringt hier deutlich mehr Fürsorge auf als für die Menschen um sie herum, sie fügt sich in ihre Opferrolle. Das Mädchen, überdurchschnittlich begabt, sieht ihre Mission darin, ihren jüngeren Bruder Gilles bei Laune zu halten und ihm die von den Eltern vorenthaltene Zuneigung zu schenken.
Zunächst fand ich das Mädchen genial, denn sie war die einzige in der Familie, die sich nach einem tödlichen Unfall des Eismannes, den ihr kleiner Bruder miterlebte, um ihn kümmerte, ihn ablenken wollte und versuchte, seinen Schockzustand zu durchbrechen. Ich hielt sie für stark und empathisch, was sich später aber wandelte in eine gehörige Portion Egoismus und Gleichgültigkeit. Sie beobachtet sehr viel Unrecht, unternimmt aber nichts dagegen, obwohl sie meiner Meinung nach geistig dazu in der Lage wäre. Sie sieht, dass ihr Bruder Tiere quält, unternimmt aber nichts. Sie sieht die Ungerechtigkeit, die ihrer Mutter widerfährt, steht ihr aber nicht bei, sondern sieht in ihr nur eine stumpfsinnige Amöbe. Als sie dann schließlich noch einen jungen Familienvater verführt, war meine Bewunderung ganz dahin, so dass ich mich schließlich fragte, ob dies noch realistisch ist....
Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der Geschichte kamen mir auch in anderen Szenen des Buches, besonders als das Mädchen selbst in die Opferrolle fällt. Die geschilderten Grausamkeiten fand ich äußerst brutal und skrupellos, teilweise regelrecht blutrünstig. Für meinen Geschmack zu viel! Hier hätte ich mir auch gefühlsmäßig mehr Tiefgang gewünscht, denn es kann doch nicht sein, dass ein verletzter und gedemütigter Teenager gleich am nächsten Tag wieder zum Alltag zurückkehrt und von einer Zeitmaschine träumt. Schließlich ist mir auch die Symbiose zwischen Gilles und der ausgestopften Hyäne zu abstrus.
Der Schreibstil ist flüssig, aber irgendwie bedrückend, was in großartiger Form die Trostlosigkeit der Gesamtsituation ausdrückt. Allerdings fand ich manche Wörter abstrus, z.B. 'Geschmeiss im Kopf', was nicht zu meinem Sprachgebrauch gehört. Vielleicht ein Problem der Übersetzung?
Eine weitere Stärke der Autorin liegt darin, Atmosphäre zu schaffen: im dunklen Wald hört man regelrecht die angstvollen Herzschläge und sieht die unheilvollen Erscheinungen, am Abendessentisch fühlt man die angespannte Stimmung usw. Auch in das niederdrückende Gefühl im Kadaverzimmer konnte ich mich gut hineinversetzen.
Alles in allem habe ich das Buch zwar mit Spannung gelesen, fand aber einige Szenen zu brutal und unrealistisch, so dass ich es nur eingeschränkt empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Die ungleichen Zwillinge

Zara und Zoë - Tödliche Zwillinge
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Äußerlich gleichen sie sich total, aber charaktermäßig unterscheiden sie sich doch stark. Während Zara Karriere bei Europol gemacht hat und privat eine Familie gegründet hat, ist Zoe auf der Karriereleiter ...

Äußerlich gleichen sie sich total, aber charaktermäßig unterscheiden sie sich doch stark. Während Zara Karriere bei Europol gemacht hat und privat eine Familie gegründet hat, ist Zoe auf der Karriereleiter der italienischen Mafia aufgestiegen und die rechte Hand des Paten. Privat ist sie weitgehend unabhängig, ohne feste Bindung und jederzeit bereit für waghalsige Einsätze, die oft nicht ohne Blutvergießen verlaufen.
Ein Islamist wurde aus dem Gefängnis entlassen, weil er sich bereit erklärte, sich als Informant für Europol in der Terrorszene umzuhören, um eventuell geplante Anschläge zu verhindern. Plötzlich ist er verschwunden und Europol fühlt sich verpflichtet, ihn für weitere Einsätze zu suchen. Zara baut hierbei auf die Hilfe ihrer Schwester, denn Zoe ist auch bereit, die Grenzen des Legalen zu überschreiten, sie schreckt auch vor Mord nicht zurück. Da Zara sich jedoch nicht an die abgemachten Spielregeln hält, kommt es zu einer Katastrophe.
Der Prolog ist sehr spannend, auch wenn nur ein Albtraum geschildert wird, aber danach ging es sehr turbulent und verwirrend weiter, die vielen Namen, die vielen Schauplätze und der ständige Perspektivwechsel forderten meine ganze Aufmerksamkeit. Nachdem ich mir einige Notizen zu den einzelnen Personen gemacht hatte, ging es deutlich besser und wurde extrem spannend, begleitet von außerordentlichen Aktionen.
Sehr interessant fand ich die Hintergrundinformationen über die Flüchtlingssituation rund um Melilla und die Intentionen, die die dort verweilenden Islamisten verfolgen. Beeindruckend schildert der Autor ihr geschicktes Vorgehen, um einen Attentäter einzuschleusen, damit hatte ich nicht gerechnet!
Der Schreibstil hat mir gut gefallen, lebendig und abwechslungsreich ist es eine Freude, den Thriller zu lesen. Ein paar 'hässliche' Wörter hätten vermieden werden können, aber andererseits passen sie zum Milieu.
Auch die Darstellung der diversen Charaktere hat mir gefallen, sie geben ein übersichtliches Bild der korrupten Verflechtungen ab. Allerdings sind mir die beiden Schwestern etwas zu sehr als 'Wonderwomen' dargestellt, denen alles gelingt. Als Beispiel möchte ich hier den Diebstahl des Colliers erwähnen, eine Szene, die ich total unglaubwürdig und übertrieben fand. Es gab noch mehrere davon. Deshalb und wegen des unübersichtlichen Starts gibt es von mir nur 4 Sterne. Jedoch kann ich den Thriller wärmstens empfehlen, Spannung ist garantiert.

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Veröffentlicht am 09.02.2020

Hommage an Maria

Die Bagage
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Maria ist die Großmutter der Autorin, und vor allem über Maria wird in diesem Buch berichtet. Maria und Josef Moosbrugger wohnen mit ihren Kindern oberhalb des Dorfes ganz am Rand zum Wald hin. Sie leben ...

Maria ist die Großmutter der Autorin, und vor allem über Maria wird in diesem Buch berichtet. Maria und Josef Moosbrugger wohnen mit ihren Kindern oberhalb des Dorfes ganz am Rand zum Wald hin. Sie leben in einfachen und geradezu ärmlichen Verhältnissen, weshalb sie abfällig von den anderen Dorfbewohnern als die 'Bagage' bezeichnet werden. Es gibt keinen Strom im Haus und auch kein fließendes Wasser, nur einen Brunnen, unterhalb des Hauses. Der einzige Besitz sind ein paar Tiere, die die Moosbrugggers z.B. mit Milch versorgen. Dann wird Josef eingezogen, er beauftragt den Bürgermeister, mit dem er sich gut versteht, auf seine Familie aufzupassen, aber dieser möchte besonders auf die schöne Maria aufpassen, die er sehr begehrt. Maria durchschaut den Bürgermeister und 'benutzt' ihn für das Wohl ihrer Familie. Sie lernt dann Georg aus Hannover kennen und verliebt sich in ihn. Er besucht sie in den Bergen, die Kinder mögen ihn sehr, und plötzlich ist Maria schwanger....
In meinen Augen ist das Buch ein Loblied auf Maria, denn trotz aller Armut und Defizite führt sie ein weitgehend selbstbestimmtes Leben. Sie schenkt ihren Kindern viel Liebe, und die Kinder hängen sehr an ihr. Die Kinder unterstützen sie auch, soweit sie dazu in der Lage sind. Da sie eine schöne Frau ist und dies weiß, setzt sie ihre Reize gekonnt ein, um Vorteile für ihre Familie zu bekommen, z.B. Geschenke vom Bürgermeister, aber sie kalkuliert vorher genau, wie weit sie gehen kann, um ihren Stolz nicht zu verlieren. Somit ist sie für ihre Verhältnisse sehr intelligent, was sich auch darin zeigt, dass sie ihren Kindern einiges fürs Leben lehrt. Sie legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres und saubere Kleidung, besonders gern in weiß. Als schöne Frau um die 30 ist sie natürlich auch empfänglich für Schmeicheleien, was man ihr nicht verdenken kann, denn obwohl sie sehr begehrt ist, wird sie auch respektiert. Sie genießt ihr bescheidenes Leben, aber träumt sich manchmal davon in andere soziale Schichten oder z.B. in große Städte, ohne übermütig zu werden.
Ich denke, dass Maria eine sehr starke Frau ist, die alles im Griff hat und der Dreh- und Angelpunkt der Familie ist. Sie trotzt allen Schwierigkeiten und findet immer einen Ausweg. Eine so selbstbewusste Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist bemerkenswert, besonders wenn die soziale Stellung so gering ist wie in diesem Falle. Die Autorin ist zurecht stolz auf diese Großmutter, von der sie abstammt.
Der Schreibstil ist zunächst gewöhnungsbedürftig, kurze Sätze, Zeitsprünge und unbekannte Phrasen, aber man gewöhnt sich daran.
Man fragt sich nur nach der Lektüre, warum dieses Paar eine Änderung nicht gewollt hat. Warum wollten sie unter diesen Bedingungen leben und tolerieren diese Stigmatisierung? Man erfährt, dass sie mit einigen realisierbaren Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Lebensumstände konfrontiert wurden, aber dies ablehnten. Vielleicht haben sie sich irgendwie in ihrer Rolle als Außenseiter gefallen, wie z.B. bei Kirchenbesuchen, wenn die ganze Familie nebeneinander sitzt (in weißer Kleidung) anstatt sich in die Frauen- und Männerbänke zu setzen, wie damals üblich. Hier hätte ich gern noch mehr erfahren.....
Und dann habe ich noch eine weitere Frage offen. Es wird erwähnt, dass zwei der Kinder rothaarig sind, während die anderen alle dunkles Haar haben genau wie Maria und Josef. Gab es da vielleicht noch eine brisante Begegnung?
Alles in allem hat das Buch für kurzweilige Unterhaltung gesorgt, ich hätte gern noch mehr über das Leben der 'Bagage' erfahren....Hochinteressant war es, Einblicke in die Armut der damaligen Zeit zu bekommen und wie damit umgegangen wurde.

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Veröffentlicht am 02.02.2020

Pathologische Rafinessen

Abgefackelt
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Nach den hochdramatischen Ereignissen im vorigen Fall, soll der Rechtsmediziner Paul Herzfeld sich erst einmal erholen. Sein Chef ordnet ihn ab nach Itzehoe, einer beschaulichen Kleinbstadt, wo gerade ...

Nach den hochdramatischen Ereignissen im vorigen Fall, soll der Rechtsmediziner Paul Herzfeld sich erst einmal erholen. Sein Chef ordnet ihn ab nach Itzehoe, einer beschaulichen Kleinbstadt, wo gerade eine Stelle in der Pathologie frei geworden ist. Er soll die Zeit nutzen, um runterzufahren und die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten. Doch schon bald muss er feststellen, dass sein Vorgänger in eine geheimnisvolle Sache verwickelt war und auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen ist. Das lässt Herzfeld keine Ruhe, und so beginnt er mit geheimen Ermittlungen, die ihn sehr bald in eine gefährliche Lage bringen .....
Ich muss Sebastian Fitzek Recht geben: dieses Buch ist wahrlich ein Pageturner. Ich habe es in 2 Tagen gelesen und konnte nicht davon lassen. Da die Kapitel kurz sind, habe ich mir immer noch ein weiteres vorgenommen, da ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht....Die Spannung setzt bereits im Prolog ein und wird von Tsokos bis zum Ende aufrecht erhalten. Dazu trägt auf jeden Fall der ständige Perspektivwechsel bei, der uns auch zu den Sichtweisen und Aktivitäten der Antihelden führt. Dies hat mir sehr gut gefallen, besonders mochte ich die Zeitangeben am Anfang jedes Kapitels, ähnlich wie in einem Tagebuch, denn so konnte man die schnelle zeitlich Abfolge erkennen. Denn das ganze Ermittlungsgeschehen dauert nur ca. 3 Wochen.
Beeindruckend sind die Einblicke in die Arbeit eines Rechtsmediziners, die Tsokos als Insider sehr minutiös beschreibt. Hierbei geht es nicht nur um Fälle, die mit den aktuellen Ermittlungen zu tun haben, sondern auch um andere Sektionen mit interessanten 'Entdeckungen'. Ich fand das sehr interessant, vielleicht weil ich es nur auf Papier wahrgenommen habe und nicht visuell oder olfaktorisch. True Crime Elemente ziehen sich außerdem durch die ganze Geschichte.
Was mir nicht gefallen hat, war das abrupte Ende. Da hätte ich gern noch weitere Informationen und Details mitbekommen, wie es nach dem spektakulären Ende weitergeht. Hier war plötzlich Schluss, und es folgte der sprunghafte Übergang in die 'heile Welt'.
Nichtsdestotrotz hat mir das Buch gut gefallen, es hat mir spannende Stunden beschert, ich freue mich auf die Fortsetzung und kann das Buch allen Thrillerfans empfehlen.

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Veröffentlicht am 11.01.2020

Spannend bis zum Schluss

Der Beobachter
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In London werden kurz hintereinander zwei alleinstehende Frauen grausam ermordet, vom Täter keine Spur. Das nächste Opfer ist ein Mann, zunächst sieht man keinen Zusammenhang zu den Frauenmorden, aber ...

In London werden kurz hintereinander zwei alleinstehende Frauen grausam ermordet, vom Täter keine Spur. Das nächste Opfer ist ein Mann, zunächst sieht man keinen Zusammenhang zu den Frauenmorden, aber die Ermittlungen ergeben das Gegenteil
Eine zentrale auffällige Figur spielt ein Arbeitsloser, der es sich zum Hobby gemacht hat, Frauen zu beobachten, die ihm gefallen. Aber kommt er als Täter in Frage?
Durch den ständigen Perspektivwechsel und die situationsgerechte Beschreibung erzeugt die Autorin immer mehr Spannung, und man fühlt sich selbst in der Rolle des Ermittlers. Man rätselt mit und landet auch in mancher Sackgasse. Das macht Spaß und hat einen großen Unterhaltungswert. Ich habe das Hörbuch beim Autofahren genossen und bin so manches Mal noch im Auto sitzen geblieben, um das jeweilige Kapitel zu Ende zu hören.
Gegen Ende verbinden sich die Perspektiven zu einer Einheit, und der Täter kristallisiert sich heraus. Aber selbst da bleibt es noch spannend, denn ein weiterer Mord droht Realität zu werden.....
Gudrun Landgrebe als Sprecherin hat mir gut gefallen, eine angenehme Stimme und angemessene Betonung, besonders in der stockenden Sprechweise des Arbeitslosen.
Ein wirklich spannendes Buch, das ich wärmstens empfehlen kann.

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