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Veröffentlicht am 28.01.2020

Was für eine Wortkraft!

Gesang der Fledermäuse
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Janina lebt ein ganz anderes Leben, als all die Menschen, die sich für normal halten. Deshalb gilt sie als verschroben. Sie hütet im Winter die Ferienhäuser reicher Städter und beschäftigt sich mit Astrologie ...

Janina lebt ein ganz anderes Leben, als all die Menschen, die sich für normal halten. Deshalb gilt sie als verschroben. Sie hütet im Winter die Ferienhäuser reicher Städter und beschäftigt sich mit Astrologie und der Übersetzung der Lyrik von William Blake. Früher war sie Ingenieurin für Brückenbau, dann Englisch-Lehrerin. Tiere sind ihr lieber als Menschen, aber zu Dysio hat sie Vertrauen, mit ihm übersetzt sie Blake, es ist eine Art symbiosische Freundschaft. Dann findet Janina einen Nachbarn, einen Wilderer, tot – erstickt an einem spitzen Knochen eines Rehs. Für Janina ist schnell alles klar. Doch es geht weiter …

Dass Janina die Jagd als Mord ansieht und philosophiert, dass die Tiere zurückgeschlagen haben, um sich zu rächen, ist gleichzeitig sehr bewegend, als auch urkomisch und noch dazu Grund, an ihrem Geisteszustand zu zweifeln. Da wundert es nicht, dass die Polizisten sie nicht so ganz ernst nehmen. Allerdings zeigt die Story auch auf, dass die polnischen Polizisten nicht so diensteifrig sind, wie sie sein sollten, wenn es ihnen nicht passt. Kein Wunder also, dass die Autorin in Polen nicht nur Freunde mit ihrem Werk fand. Janinas Hinweise, dass man den Rehspuren nachgehen muss, interessieren niemanden. Denn Janina spricht ja mit Tieren und ihrer toten Mutter. Und sie hat eine mysteriöse Krankheit, die nur sie selbst in Schach halten kann. Nicht mal ihr geliebter Doktor Ali kann ihr helfen.

Olga Tokarczuk hat eine wunderbare Art, mit den Worten zu spielen. Sie spielt mit der Sprache, zeichnet Bilder und fasziniert mich mit der wie mühelos entstehenden Stimmung. Es muss für Doreen Daume eine riesige Aufgabe gewesen sein, das Buch zu übersetzen, ohne die zauberhaften Bilder und Wortspiele zu verlieren. Beide zusammen malen ein wunderbares Bild mit Worten und Angelika Thomas liest das Buch mit ganz viel Liebe ein, als hätte sie das Buch selbst geschrieben. Ihre Sprachmelodie, die Art, wie sie betont, ist wunderschön und passt perfekt zum Buch.

Die Autorin hat so viele Themen so geschickt in der Story versteckt, dass man das kaum merkt. Ich finde das extrem gelungen und habe da eine große Freude dran. Manchmal sind das nur zwei, drei Sätze (wie bei der Sache mit dem Geschmack von Erdbeeren), manchmal auch längere Abschnitte oder wiederkehrende Stellen. Über einen großen Bogen führt sie den Leser ans Ende der Story. Dieses ist für mich zwar irgendwann so ähnlich schon klar gewesen, dennoch finde ich es gelungen und geradezu liebenswert. In welches Genre ich das Buch einsortieren möchte, kann ich gar nicht sagen. Es ist ein Roman, der ein paar Thriller-Elemente beherbergt, aber auch ein Krimi mit Herz. So oder so – es ist ein Buch, das den Leser auf eine außergewöhnliche Reise mitnimmt, auf die er sich komplett einlassen muss, dann wird es ein unvergessliches Erlebnis.

Ich hatte das Buch seit Jahren originalverpackt im Regal, schob das Lesen immer hinaus und habe es dann doch verschenkt. Das war ein Fehler, denn dieses Hörbuch ist einfach wunderbar und das Buch es wert, es zu lesen. Die Mischung aus so vielen Emotionen, die es auslöst, ist einzigartig. Janina fasziniert, aber sie lässt auch den Kopf schütteln, sie kann erschrecken, sie kann überfordern, aber sie trifft immer wieder mitten ins Herz und schenkt wunderbare Ideen und Überlegungen. Hier kann ich endlich mal verstehen, warum die Autorin den Literaturnobelpreis gewonnen hat. Das hat sie wirklich verdient! Von mir bekommt sie zusätzlich noch fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 19.01.2020

Europa hat mehr zu bieten, als Rom, Paris oder London!

DuMont Bildband Die unterschätzten Städte in Europa
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Die Idee ist super – Reiseziele für alle, die nicht mit der Masse laufen, sondern einen individuellen Weg gehen. Nicht die sowieso schon überrannten Hotspots werden hier beschrieben, sondern Städte, bei ...

Die Idee ist super – Reiseziele für alle, die nicht mit der Masse laufen, sondern einen individuellen Weg gehen. Nicht die sowieso schon überrannten Hotspots werden hier beschrieben, sondern Städte, bei denen man nicht so schnell auf den Gedanken kommt, da Urlaub zu machen. Bestes Beispiel ist Mannheim – ganz im Ernst, da stutzt doch jeder! Aber auch da gibt es wunderschöne Fleckchen, traumhafte Gebäude und sehenswerte Gegenden. Insgesamt stellen unterschiedliche Autoren 15 europäische Städte näher vor.

Begonnen wird jedes Mal mit dem Warum. Es wird die Stadt grob vorgestellt, bevor „auf einen Blick“ ein bisschen näher auf bestimmte Punkte in der Stadt eingegangen wird. Dann schließen sich fünf unterschiedliche Touren durch die Stadt an, zunächst im groben Überblick, dann im Detail. Die Rubriken „in fremden Betten“, „satt und glücklich“, „stöbern und entdecken“ und „wenn die Nacht beginnt“ fassen übersichtlich zusammen, was man noch zu den Städten wissen sollte. Gekrönt wird jedes Stadt-Kapitel mit herrlichen Fotos, die sehr schön transportieren, was man in der jeweiligen Stadt sehen und erleben kann. So ist das gesamte Buch eine Entdeckung und macht Lust, Erfurt nicht nur zum Weihnachtsmarkt zu besuchen, Mannheim nicht nur als Chemie- oder Industriestadt zu besuchen und auch außerhalb Deutschlands „verkannte“ Städte mit anderen Augen zu betrachten.

Das große Format ist nicht ganz so handlich, aber erforderlich, um all das Interessante und spannende mitsamt den Fotos unterzubringen. Auf der letzten Seite findet man dann noch ein klein bisschen Werbung für Dumont Direkt Stadtführern der vorgestellten 15 Städte. Das macht aber auch Sinn – denn wenn man dann eine dieser Städte bereisen möchte, hat man besser einen eigenen Plan dabei, der dann auch handlicher ist. „Die unterschätzten Städte in Europa“ ist ein Buch für zu Hause, das zwangsläufig Lust auf mehr macht. Ich gebe fünf Sterne – weil mir kein Grund einfällt, warum ich einen abziehen sollte!

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Veröffentlicht am 17.01.2020

Guten Appetit!

Zu Tisch!
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DUMONT bringt immer wieder kleine Bildbände heraus, die ein besonderes Thema haben. „Zu Tisch!“ gehört dazu. Und ich bin so begeistert! Es ist unfassbar faszinierend, welch ausgefallene Restaurants es ...

DUMONT bringt immer wieder kleine Bildbände heraus, die ein besonderes Thema haben. „Zu Tisch!“ gehört dazu. Und ich bin so begeistert! Es ist unfassbar faszinierend, welch ausgefallene Restaurants es gibt! Ja, da sind so einige dabei, die mich brennend interessieren und die ich sehr gerne mal besuchen möchte.

Manche sind stylish, andere witzig, viele in luftiger Höhe – und das eine oder andere erfordert wirklich sehr spezielle Vorlieben. Ich persönlich beispielsweise kann mit „Modern Toilet“ in Taipeh so gar nichts anfangen. Aber ja, es hat einen Platz in diesem Buch definitiv verdient!

Die drei Kategorien „unschlagbar günstig“, „erschwinglicher Genuss“ und „purer Luxus“ sind an der Anzahl der Piktogramm-Gedecke erkennbar. Auf einer kleinen Weltkarte erkennt man die geografische Lage des entsprechenden Restaurants. Hier sieht man auch die Web-Adresse, falls eine vorhanden ist.

Die Fotografien sind traumhaft schön und die kleinen Texte zu den Restaurants treffend, oft humorvoll und vor allem informativ. Also, warum nicht mal ein Restaurant aussuchen und den Urlaub „drumherum“ buchen? Diese Restaurants sind es wert! Fünf Sterne!

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Veröffentlicht am 12.01.2020

Cold Cases frisch serviert – ich finde es spannend!

Der Mensch ist böse
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Wahre Kriminalgeschichten finde ich super interessant. Wenn ich mal fernsehe, dann Sendungen wie Autopsie, Medical Detectives und ähnliche Formate. Kein Wunder also, dass ich die Bücher von Julian Hannes ...

Wahre Kriminalgeschichten finde ich super interessant. Wenn ich mal fernsehe, dann Sendungen wie Autopsie, Medical Detectives und ähnliche Formate. Kein Wunder also, dass ich die Bücher von Julian Hannes lesen wollte – und ich wurde auch bei diesem nicht enttäuscht. Ich bin kein Fan von Podcasts, Blogs und anderen Online-Portalen dieser Art, umso mehr kommt es mir gelegen, dass auch im Zeitalter von YouTube, Instagram und FaceBook noch Bücher auf den Markt kommen, die daran anlehnen, was die „Influencer“ da so zusammentragen.

Julian Hannes, genannt Jarow, erzählt die wahren Geschichten in einer ruhigen Sprache, ohne Effekthascherei. Dennoch sind sie spannend und hochinteressant. Viele der Fälle kennt man noch aus den Medien. Besonders Rebecca R. und Maddy McCann sind wohl jedem noch gegenwärtig. Aber Jarow kommt ganz ohne wilde Beschuldigungen und Spekulationen aus, schildert die Fälle ganz sachlich. So kann der Leser völlig unbeeinflusst seine eigenen Gedanken spinnen und sich eine Meinung bilden. Auch erinnert Jarow immer wieder daran, dass sehr oft Fehler bei den Ermittlungen gemacht werden, die Presse in ihrem Eifer, eine tolle Schlagzeile zu haben, Leben nachhaltig zerstören kann und die Ermittlungen dadurch in falsche Bahnen leiten kann.

Es finden sich im Buch sehr alte Fälle ebenso, wie recht neue. Alle ungeklärt, alle bewegen mich, allen wünscht man eine Auflösung, auch nach Jahren. Ungewissheit ist grausam, das kommt super rüber.

Ist es morbide, sich für solche Fälle zu interessieren? Kann sein. Allerdings bin ich der Überzeugung, Jarows Methode, darüber zu sprechen, die Interviews mit Mark Hofmann, seine Denkanstöße und die ganze Art, wie er recherchiert hat, können Cold Cases eine Chance zur Aufklärung geben. Obwohl ich etwa die Hälfte der Fälle bereits kannte, fand und finde ich das Buch sehr aufschlussreich. Der Blickwinkel ist anders, sachlicher – und Jarows eigene Überlegungen immer als solche angegeben. Es ist fast, als würde man mit ihm über die Fälle diskutieren.

Mir gefällt, wie eingangs erwähnt, Band zwei mindestens so gut, wie Band eins. Und ich hoffe, Jarow macht noch lange weiter und bringt noch mehr Bände heraus. Von mir – und ich gehöre zur Generation 50+ - gibt es fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 29.12.2019

Endlich ein Skandinavier, der nicht so düster-dunkel schreibt!

Wisting und der Tag der Vermissten
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Wie jedes Jahr fährt Wisting auch am 24. Jahrestag zu Martin Haugen, dem Mann, dessen Frau damals spurlos verschwunden ist. Doch dieses Jahr hat er eine andere Motivation, denn durch einen anderen Fall ...

Wie jedes Jahr fährt Wisting auch am 24. Jahrestag zu Martin Haugen, dem Mann, dessen Frau damals spurlos verschwunden ist. Doch dieses Jahr hat er eine andere Motivation, denn durch einen anderen Fall gerät Haugen in den Fokus der Ermittlungen – und prompt ist er zum ersten Mal nicht zu Hause. Seine Erklärungen sind fadenscheinig und Wisting, sein Team und seine Familie müssen sämtliche Register ziehen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen …

Auch wenn das eine „ausgekoppelte Serie“ ist, kam ich ohne Vorkenntnisse prima in die Story rein. Für mich fehlt da jetzt nichts, das ich dringend hätte wissen müssen. Die Figuren werden gut eingeführt und so weiß man dann eben auch alles, was man wissen muss.

Besonders schön finde ich, dass hier endlich mal nicht unsinnig viele Stränge nebenherlaufen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Der Autor hat einen eigenen Weg gewählt und das gefällt mir sehr. Der Leser weiß immer, was wie zusammenhängt. Lines Strang hängt nicht in der Luft, sondern passt perfekt zu Wistings Strang. So macht Lesen Spaß und entspannt, statt anzustrengen. Die Spannung steigt sanft an, hält bei der Stange, stresst aber nicht. Selbst die Auflösung ist kein Knalleffekt, aber dennoch packend und stimmig. Wenn man dann noch mal Revue passieren lässt, welch weiten Weg alle gegangen sind (immerhin fast ein viertel Jahrhundert), was in der langen Zeit alles geschehen ist, was alle Beteiligten mitmachen mussten, dann geht das doppelt unter die Haut.

Im Gegensatz zu anderen Skandinaviern sind hier die Sprache und die Stimmung nicht so elend duster. Man könnte zwischendurch glatt vergessen, wo der Krimi spielt, gäbe es nicht immer mal wieder die ungewohnten, (für mich) etwas schwierigen Straßen- und Ortsnamen. Die Figuren sind lebensecht, mal sympathisch, mal weniger sympathisch. Besonders Line und Thomas gefallen mir sehr. Gerade Thomas, der eigentlich immer nur ganz am Rande mitspielt, ist interessant und so ganz anders, als man es gewohnt ist. Die Kapitel sind kurz gehalten. Ich mag das sehr, besonders, wenn sie, wie hier, nicht zu krasse Cliffhanger bilden und ineinander greifen. Noch mehr mag ich, dass hier keine reißerische Action ablief, sondern die ganze Sache fast schon gemächlich angelegt war. Das Subtile daran hat echt was. Ich möchte es gern mit „Wilsberg“ vergleichen, auch wenn hier weniger Humor versteckt wurde und die Figuren nicht ganz so krass von der Norm abweichen. Aber ansonsten sehe ich da schon Ähnlichkeiten im Stil.

Ja, mir gefällt dieser Krimi absolut. Besonders der „Katharina-Code“ ist eine Idee, die mich miträtseln ließ und dessen Auflösung ich richtig klasse fand. Darauf muss man erst einmal kommen – und es ist so erfrischend neu, nicht zum x. Male aufgewärmt. Überhaupt ist Wisting anders, neu, interessant und gelungen. Ich freue mich auf den nächsten Band – und das, obwohl mich Reihen und Serien ganz oft ärgern. Als Vielleser ist es schwierig, ein Jahr oder länger auf den nächsten Band zu warten und sich dann noch an die wesentlichen Dinge zu erinnern. Ich vermute, Wisting macht es mir leichter. Alles in allem gebe ich ihm fünf Sterne und kann ihn allen empfehlen, die keine blutrünstigen, überausführlichen Gewaltszenen mögen oder brauchen.

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